Titel: | Reibung nicht condensirender Dampfmaschinen. |
Fundstelle: | Band 266, Jahrgang 1887, S. 74 |
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Reibung nicht condensirender
Dampfmaschinen.
Mit Abbildung.
Ueber Reibung nicht condensirender Dampfmaschinen.
Ueber die Reibung von Dampfmaschinen ohne Condensation hat Prof. H. R.
Thurston zu Ithaca im Staate New-York
vor Kurzem einige Versuche angestellt, über welche The Engineer, 4. Februar 1887 S. 96
berichtet.
Bekanntlich wird die Annahme de Pambour's, daſs der
schädliche Widerstand einer Dampfmaschine aus einem constanten Theile, der Reibung
der unbelasteten Maschine, vermehrt um eine wachsende Function der Belastung,
bestehe, gegenwärtig allgemein als richtig angegenommen. Nennen wir R0 die Reibung der
Maschine beim Leergange und R1 den aus der Nutzlast hervorgehenden Reibungswiderstand, und ist
f der Coefficient, welcher das Verhältniſs der
Steigerung der Reibung mit der Last angibt, so ist der ganze vom Maschinenkolben zu
überwindende Widerstand R
R = (1 + f) R1 + R0.
Wie es scheint, hat bis jetzt noch Niemand untersucht, ob der Coefficient f constant oder variabel ist. In Folge dessen hat
Professor Thurston, welchen diese Frage schon lange
beschäftigte, bei passender Gelegenheit den Versuch gemacht, dieselbe zu lösen,
wenigstens in so weit sie nicht condensirende Maschinen mit groſser
Kolbengeschwindigkeit betrifft, wie sie die moderne Technik namentlich für die
Zwecke der elektrischen Beleuchtung vielfach herstellt. Die ersten Versuche fanden
im Winter 1883/84 auf Veranlassung und unter Leitung Prof. Thurston's mit einer sogen. Geradlinien- (straight line) Maschine statt,
welche in diesem Jahre von der „Straight-Line Engine-Comp.“ zu Syrakuse auf der Ausstellung des American Institute ausgestellt und nach
Zeichnungen von Prof. John Sweet gebaut war. Die
Versuche wurden durch zwei Studirende des „Stevens Institute of Technology“, die Herren Mitchell und Aldrich,
ausgeführt, und waren in jeder Beziehung genau und zufriedenstellend, so daſs sie
sich ohne Weiteres als Grundlage für die in Frage kommenden Schlüsse hätten benutzen
lassen; allein es erschien doch besser, dieselben erst durch ähnliche Versuche an
einer anderen Maschine zu controliren, womöglich aus einer anderen Werkstätte, ehe
man endgültige Schlüsse zu ziehen unternahm. Die Gelegenheit hierzu ergab sich im
vergangenen Winter an der Cornell University, woselbst
ebenfalls eine „Geradlinien“-Maschine im Gange stand, die mit einer Bremse
versehen und nach Belieben geprüft werden konnte.
Bei diesen Versuchen wurden nachstehende Bemerkungen gemacht:
Die erste der beiden Maschinen war nach Zeichnungen vom J. 1880 gebaut, welche im Electrician vom December 1883 veröffentlicht wurden,
ihren Namen hat diese Maschine bekanntlich davon, daſs bei ihrer Anordnung der
Versuch gemacht wurde, alle Züge und Schübe durch gerade Theile zu übertragen; so
besteht z.B. das Bett aus zwei geraden Balken, welche die vordere Cylinderflansche
direkt mit den Schwungradlagern verbinden, wodurch die ganze Maschine ein höchst
charakteristisches Aussehen erhält. Die Steuerung ist eine positiv wirkende, und der
Regulator wirkt auf die Stellung des Excenters ein. Sowohl bei dem Regulator, wie bei der
ganzen Maschine ist besondere Rücksicht darauf genommen, die störende Wirkung der
Reibung möglichst zu vermeiden; die Maschine sollte so nahe wie möglich reibungslos
sein. Die ganze Maschine (d.h. ihr Bett) ruht auf 3 Punkten auf, sie kann also durch
Ungleichheiten der Fundirung oder verschieden starkes Anschrauben nicht gestört
werden. Bei den Versuchen lag die Maschine einfach auf einem Balkenunterbau, ohne
irgend ein Fundament; aber sie war so gut ausbalancirt und behielt ihre Lage so
genau, daſs sie absolut ruhigen Gang hatte, so ruhig, als ob sie mit dem schwersten
Fundamente verbunden wäre.
Zu den Versuchen wurde die Maschine mit 2 sorgfältig ausprobirten Indicatoren
versehen, und ebenso mit einem Bremsdynamometer. Es wurden jedesmal gleichzeitig
Diagramme von beiden Cylinderenden genommen und die Belastung der Bremse abgelesen.
Ein Vergleich der durch die Diagramme indicirten Kraftleistung mit der vom
Bremsdynamometer bestimmten gab eine Differenz, welche als Maſs für die Reibung
anzusehen war. Bei diesen Versuchen verbrauchte die Maschine, mit normaler Kraft
arbeitend, 12k,79 Dampf in der Stunde für die
Pferdekraft, oder mit Berücksichtigung der im Cylinder eintretenden Verdichtung,
welche durch den Indicator nicht angegeben werden konnte, wahrscheinlich zwischen
15k,9 und 17k,2, eine treffliche Leistung für eine Maschine von nur 35 Pferdekräften.
Die Wirkung des Regulators war besonders vollkommen. Die Maschine sollte bei 6at,5 Druck mit 230 Umdrehungen in der Minute
laufen; die Beobachter gaben an, daſs dieselbe stets die gleiche Umdrehungszahl
machte, ob sie nun belastet war oder nicht, was freilich nicht ganz richtig war,
denn Prof. Thurston stellte selbst fest, daſs bei
voller Belastung 230 Umdrehungen, bei vollständigem Leerlauf aber 231 Umdrehungen
gemacht wurden. Dieses Resultat wurde durch mehrmalige Wiederholung des Versuches
vollständig auſser Zweifel gestellt. Bei Veränderung der Dampfspannung war der
Unterschied der Tourenzahlen etwas gröſser.
Die Maschine selbst hatte 203mm Bohrung, 354mm Hub, eine Pleuelstange von 1117mm Länge, einen entlasteten Schieber mit 51 bis
102mm Hub, je nach der Stellung des Regulators
zum Excenter, ein Schwungrad von 1270mm
Durchmesser und 1043k Gewicht; die Dampf- und
Auspuffröhren besaſsen 63 und 102mm Weite, und die
ganze Maschine wog 2540k. Dieselbe beanspruchte
einen Raum von 2846mm Länge, 1422mm Breite und 1168mm Höhe.
Nachstehende Tabelle gibt die Ablesungen der Indicatoren und der Bremse wieder.
Nr. desVersuches
Umdrehun-gen in derMinute
Dampfdruckk
GebremsteLeistung
IndicirtePferdestärke
Differenz
Reibungin Procenten
1
232
3,51
4,06
7,41
3,35
45,00
2
229
4,90
4,98
7,58
2,60
34,00
3
230
4,45
6,90
10,00
4,00
40,00
4
230
4,85
7,00
10,27
3,29
32,00
5
230
5,13
8,10
11,75
3,65
32,00
6
230
5,41
9,00
12,70
3,70
29,00
7
230
5,27
10,00
14,02
4,02
28,00
8
230
5,62
11,00
14,78
5,78
25,5
9
230
5,62
12,00
15,17
3,17
21,00
10
230
5,97
13,00
15,96
2,96
18,5
11
230
5,27
14,00
16,86
2,86
17,00
12
230
4,92
15,00
17,80
2,80
15,75
13
231
5,06
21,10
22,07
2,06
9,00
14
230
5,27
25,00
28,31
3,36
11,75
15
229
4,22
29,55
33,04
3,16
9,5
16
229
4,07
34,86
37,20
2,34
6,3
17
229
4,92
39,85
43,04
3,19
7,4
18
230
5,97
45,00
47,79
2,75
5,8
19
230
6,33
50,00
52,60
2,60
4,9
20
230
5,97
55,00
57,54
2,54
4,4
Betrachtet man die obige Tabelle näher, so ergibt sich, daſs die Differenz zwischen
der indicirten und gebremsten Leistung, d.h. die Reibung der Maschine, mit der
Dampfpressung und Gesammtleistung der Maschine sich etwas ändert; aber dies
geschieht in solcher Art, daſs man daraus auf eine unregelmäſsige Wirkung der
verursachenden Kräfte zu schlieſsen hat, beziehentlich bis zu einem gewissen Grade
auf Beobachtungsfehler und sonstige Zufälle. Das Maximum beträgt 4, das Minimum 2
Pferdekräfte. Im Durchschnitt ist die Differenz ungefähr 3, und die Abweichungen
sind unregelmäſsig über die ganze Beobachtungsreihe vertheilt. Auf den ersten Blick
ist klar, daſs Pambour's Formel den Versuchen nicht
entspricht, und daſs man mit viel mehr Recht behaupten könnte, die Reibung der
Dampfmaschine sei constant. Die letzte Spalte der Tabelle, worin die Reibungsarbeit
in Procenten der Gesammtarbeit ausgedrückt ist, läſst die gleiche Thatsache
ebenfalls erkennen. An derselben findet, wenn auch etwas unregelmäſsig, eine
fortwährende Abnahme der Reibung im Verhältnisse zur Gesammtleistung statt, nahezu
im umgekehrten Maſsstabe des Steigens der Leistung.
Textabbildung Bd. 266, S. 77
Die Curve in dem beistehenden Diagramme, in welchem die
Abscissen die Pferdestärken der Maschine, die Ordinaten den Procentsatz der Reibung
darstellen, gibt so genau wie möglich das Mittel aus allen Beobachtungen wieder. Die Leistung, für welche
die Maschine berechnet ist, beträgt etwa 35 bis 40 Pferd. Bei dieser Leistung
beläuft sich die Reibung auf etwa 6 Procent, oder weniger als die Hälfte dessen, was
de Pambour angenommen hatte, und was auch Rankine als richtig für Maschinen im Allgemeinen, und
speciell für Locomotiven anerkannt hatte. Das erzielte Resultat ist also ein höchst
zufriedenstellendes, und Thurston hält die Reibung für
eine so kleine Maschine als sehr niedrig.
Die Wiederholung der Versuche geschah mit einer Maschine von anderer Bauart, mit
227mm Cylinderweite und 305mm Hub und ergab etwas höhere Procente in Folge
des verhältniſsmäſsig kleineren Hubes, wohl auch der gröſseren Geschwindigkeit, die
beim Leergange, wie bei 20, 30, 50 und 65 Pferden Leistung 300 Umgänge in der Minute
betrug; der Widerstand, dessen Vergröſserung wohl auch auf erhöhtem Gegendrucke
beruht, war wie folgt:
Leistung der Maschine
Leergang
20–30
50
65
Pferdekraft
Reibungsarbeit
2,66
4
4,8
5,3
„
Die Reibungsarbeit wuchs also im Ganzen mit der Leistung der Maschine sehr merklich,
nahm aber im Procentsatze doch ab, und zwar von 16 Proc. zu 7,5 Proc. zwischen 20
und 65 Pferdestärken. Dieselbe wird nahezu constant sein zwischen den
Leistungsgrenzen, in welchen sich die Maschine beim Betriebe zu bewegen hat, und
kann ohne wesentlichen Fehler so angenommen werden. Die Anwendung der Pambour'schen Formel würde auf einen Coefficienten f von solcher Kleinheit führen, daſs seine Benutzung
für gewöhnlich nicht so viel gröſsere Genauigkeit geben würde, um die Extraarbeit
bei seiner Anwendung zu rechtfertigen. Bei ihrer vorschriftsmäſsigen Leistung
repräsentiren somit die beiden Maschinen Nutzleistungen von 94 bezieh. 90
Procent.
Die zweite Versuchsreihe, welche durch die Herren W. A.
Day und W. H. Riley auf der Cornell
Universität angestellt wurde, bestätigte die vorerwähnten Resultate; gleichzeitig
wurden in den Einzelheiten der Versuchsanordnung mehrere recht interessante und
eigentümliche Abänderungen getroffen. Die Versuchsmaschine war neu erbaut, und für
die Vornahme elektrischer Versuche u. dgl. bestimmt. Sie besaſs 165mm Bohrung und 305mm Hub, und glich in ihrer ganzen Anordnung der zuerst beschriebenen; auf
möglichste Verminderung der Reibungen war ebenfalls sorgfältig Bedacht genommen. Die
Bremse glich vollständig derjenigen, welche auch im ersten Falle benutzt worden war.
Der Apparat zur Reducirung des Hubes für die Indicatoren war speciell nach Angaben
der Beobachter gebaut, und mit einer sehr festen Verbindung und einer sinnreichen
Auslösung versehen. Derselbe bestand aus einem Sector von ziemlich groſsem Radius,
an dessen äuſserem Umfange das Querhaupt mit Hilfe zweier Stahlbänder angriff, deren
je eines an einem Ende des Sektors befestigt war. Da die Bänder gut befestigt und
mit Spannschrauben straff gezogen waren, so war jeder todte Gang völlig unmöglich gemacht, und
die Bewegung von Indicatorschnur und Querhaupt muſste absolut gleichzeitig vor sich
gehen. In der Nähe der Achse (der Sector hing vertikal herab) war ein zweiter
concentrischer Bogen befestigt, um die Indicatorschnur aufzunehmen, die den
Papiercylinder bewegte. Diese Schnur bestand aus Stahldraht (Klaviersaite), ein Material, welches weit weniger als irgend ein
anderes zu Dehnungen geneigt ist, und wurde durch eine starke Spiralfeder straff
gehalten. Bei den ersten Versuchen benutzte man Thompson-Indicatoren, bei den zuletzt erwähnten aber solche von Crosby. Die verwendeten Instrumente arbeiteten alle
vorzüglich. Die Hubzähler waren von verschiedener Art; man verwendete
Handinstrumente von 2 oder 3 verschiedenen Constructionen zur Controle der
selbstthätig registrirenden Apparate. Mit der Schwungradwelle war ein „Tachometer“ verbunden, vermittels dessen die augenblicklichen
Veränderungen des Ganges in Folge verschiedener Belastung, Dampfdruck oder anderer
zufälliger Ursachen sehr schön beobachtet werden konnten. Auſserdem hatte man auch
noch einen Chronographen angebracht, der mit der
Normaluhr im physikalischen Laboratorium in Verbindung stand und Secunden schlug.
Ein Commutator an der Schwungradwelle schloſs die Leitung bei jeder Umdrehung
einmal, und ein Taster in der Nähe der Maschine erlaubte den Strom zu unterbrechen.
Ein Quecksilber-Geschwindigkeitsmesser nach Brown
zeigte augenblicklich jede Abweichung der Geschwindigkeit von der normalen an. Der
Chronograph wurde jedesmal dann eingerückt, wenn
Diagramme genommen wurden; mit groſser Sorgfalt hielt man alle Instrumente, wie die
Dampfmaschine selbst, in bester Ordnung. Eine gewisse Trägheit des Regulators, deren
Ursache leider vor Beendigung der Versuche nicht ermittelt werden konnte,
veranlaſste eine weniger gute Wirkung der Maschine als bei den ersten Versuchen, und
die Geschwindigkeit zeigte deshalb gröſsere Schwankungen. Als der Regulator in
vollständiger Ordnung war, vermochte die Maschine innerhalb weiter Aenderungen der
Leistung ihre normale Geschwindigkeit bis zu Bruchtheilen einer Umdrehung zu
behaupten, und selbst herunter bis zu der geringsten Kraft, welche solch einer
Maschine überhaupt praktisch zugemuthet werden mag.
Prof. Thurston hat eine Fortsetzung seiner interessanten
Versuche in Aussicht gestellt.