Titel: Ueber Neuerungen an Stickmaschinen; von Ernst Müller in Hannover.
Fundstelle: Band 265, Jahrgang 1887, S. 447
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Ueber Neuerungen an Stickmaschinen; von Ernst Müller in Hannover. (Patentklasse 52. Fortsetzung des Berichtes S. 193 d. Bd.) Mit Abbildungen im Texte und auf Tafel 23. E. Müller, über Neuerungen an Stickmaschinen. Combinirte Maschinen. Bei den bisher besprochenen Stickmaschinen zeigt sich die Unvollkommenheit, daſs man glatte Waare billig nur bei Benutzung der Schiffchenmaschine fertigen kann und die hohle Waare nur auf einer Heilmann'schen Maschine ausführen kann. Um jedoch auch sogen. glatte und hohle Waaren auf einer Maschine herstellen zu können, hat man auch versucht, beide Maschinengattungen in einer einzigen Maschine zu vereinigen, da ja eine ziemliche Anzahl von Theilen bei beiden gleich gebaut werden können. Eine dahin gehende Lösung ist von Joh. Jakob Ebneter in St. Gallen (* D. R. P. Nr. 30931 vorn 6. Juli 1884) angegeben Worden. Um die Heilmann'sche Maschine in eine Schiffchen-Stickmaschine umzuwandeln, wird der eine Wagen ausgekuppelt und dem anderen, auf welchem sich zwei für gewöhnlich zurückgeklappte Schienen mit festen Nadelreihen befinden, wird ein bestimmter Auszug und die für die Nadeln nöthige Bewegung ertheilt. Auf der anderen Seite werden die entsprechende Anzahl Schiffchenschienen mit den schwingenden Schiffchen und den Stoffgegenhaltern eingeschaltet. Dieses Auswechseln der Theile ermöglicht daher eine Vereinigung beider Sticharten in einem und demselben Muster. Die üblichen Bohr- und Festonnirapparate können in beiden Fällen zur Anwendung kommen. Als eine Hauptbedingung bei diesen combinirten Maschinen ist an zusehen, daſs die beiden verschiedenartigen Hauptmechanismen in sichere, ein zuverlässiges Arbeiten ermöglichende Verbindung mit den übrigen Mechanismen gebracht werden, ohne daſs das jedesmalige Umwechseln eine verwickelte Folge von Handgriffen erforderlich macht. Unter Berücksichtigung dieser angeführten Bedingung ist von Friedrich Albin Gräf in Plauen, Voigtland (* D. R. P. Nr. 33435 vom 19. August 1884) ein Wenderahmen zur Ausrückung der Nadel- und Schiffchenschienen construirt worden; derselbe ist in den Fig. 1 und 2 dargestellt. Der Schiffchenmechanismus, sowie die Nadeln sind auf einem mit der Achse D (Fig. 1 und 2) drehbaren Doppelträger ABC angeordnet, und zwar ist jeder Mechanismus fest mit dem Träger verbunden. Die Achse D ruht in den Stelleisen E, welche mittels der Winkel F an den Rohrträgern G befestigt werden. Auf der Achse D befindet sich ein Handrad H, welches zum Verstellen der ganzen Vorrichtung dient und zum Zwecke der richtigen Feststellung der Mechanismen mit Einkerbungen h versehen ist, in welche sich die Feder J einlegt. Die verschiedenen Stellungen des Trägers ABC sind in den Fig. 1, 2 dargestellt; Fig. 1 zeigt die Arbeitsstellung der Nadeln, wenn die Maschine als Heilmann'sche benutzt wird, während Fig. 2 die Arbeitsstellung des Schiffchenmechanismus darstellt. Da der Nadelwagen in dem letzteren Falle seine Stellung nur gering verändert und es gut ist, wenn diese Bewegung möglichst leicht ausgeführt werden kann, ist der Wagen für diesen Fall in Stangen K pendelnd aufgehängt, welche mit Pfannen versehene Haken L tragen. Die Haken sitzen auf Excentern des auſsen mit Vierkant versehenen Zapfens a, durch dessen Drehung ein Abheben des Wagens von den Schienen M bewirkt wird. Zur besseren Führung des Wagens tragen die Wagenschilde N Gleitsteine O, welche in der Tasche P gleiten, die dann, wenn Schiffchenbetrieb beliebt wird, wagerecht befestigt ist. Bei Benutzung der Nadeln tritt der Haken L, sowie die Coulisse P auſser Thätigkeit und zwar wird letztere nach Lösen der Schraube Q abwärts geklappt (Fig. 1). Es mag noch hervorgehoben werden, daſs bei dieser Bauart das Arbeitsfeld nicht durch vor demselben hängende Vorrichtungen verdeckt wird, sondern sich frei dem Auge des Arbeiters darbietet. In Folge des Umstandes, daſs die Wagen der combinirten Stickmaschinen durch Anbringung des Schiffchen-Nadelsystemes auf den ersteren ein viel gröſseres Gewicht erlangen und somit den Handbetrieb nicht unwesentlich erschweren, sowie daſs die combinirten Stickmaschinen für den Betrieb des Schiffchen-Nadelsystemes schon Elementarkraft zur Verfügung haben müssen, wird es wünschenswerth, auch beim Betriebe des Heilmann-Systemes möglichst, wenigstens insoweit die seitherige Handkurbeldrehung in Frage kommt, Elementarkraft wirken zu lassen, so daſs dem Sticker bloſs noch die Umsteuerung und Regelung der von der Wellenleitung kommenden Drehbewegung und das Oeffnen und Schlieſsen der Klüppel mittels Tretens der Tretschemel verbleibt. Hierzu soll der nachstehend beschriebene, der Sächsischen Stickmaschinenfabrik in Kappel unter * D. R. P. Nr. 37278 vom 5. März 1886 geschützte Mechanismus dienen (vgl. Fig. 3). aa1 sind die beiden Wagenbetriebswellen, welche von einer Riemenscheibe E aus so zu treiben sind, daſs a sich entweder nach der einen oder anderen Richtung (in der Richtung des Pfeiles 1 oder 2) umdreht, während a1 still steht, oder aber umgekehrt, daſs a1 sich nach der einen oder anderen Richtung (in der Richtung des Pfeiles 3 oder 4) dreht, während a still steht. Auf den Wagenantriebswellen aa1 sitzen die Zahnräder b und b1 sowie die Reibungsräder d und d1 fest; auſserdem sind zwei gleiche Zahnräder b2 und b3 mit daran befestigten Reibungskeilrädern d2 d3 oberhalb der beiden Achsen aa1 fest im Gestelle gelagert, b2 ist mit b, b3 mit b1 in stetem Eingriffe. Durch Heben oder Senken des Handhebels G wird nun das in demselben gelagerte treibende Reibungsrad c entweder mit d oder mit d2 gekuppelt; angetrieben wird das Rad c mittels der Zahnräder fh von der Treibriemenscheibe E. Nach der rechten Seite hin sind die Uebertragungsmechanismen symmetrisch ausgebildet. Das Umschalten geschieht seitens des Stickers mit dem Fuſse durch Linksschaltung des „Manuals“ D. Das Umsteuern des Wagens wird wieder durch den Hebel G veranlaſst; die Feder o dient als Gegenzug für den Handgriff G. Aus Fig. 4 ist die Lagerung der einzelnen Achsen näher zu erkennen. Der Sticker wird also durch Anbringung des Mechanismus des anstrengenden Kurbeldrehens überhoben und kann doch mittels Druckes seiner Hand oder der Füſse die treibende Kraft beliebig verwenden, aufheben, oder auch durch plötzliches Umschalten bremsend wirken. Schon nach kurzer Uebung soll der Sticker auch den Fadenzug, sowie das Anfahren der Wagen vollkommen in seiner Gewalt haben. Für den Fall, daſs das Muster mit Ketten- oder Tambourirstich durch viele Nadeln gleichzeitig auf einen ausgespannten Stoff gestickt werden soll, liegt auch eine Lösung; vor. Man erhält dann eine Stickerei mit Ketten- oder Tambourirstich auf der einen Seite, während die andere Seite ein Aussehen ähnlich der Plattstichstickerei zeigt. Bei Erzeugung des Kettenstiches mit Hakennadel ist immer nöthig, daſs die Zugrichtung der von dem Haken erfaſsten Schlinge in die Kehle fallen muſs, weil sonst ein Abfallen der Schlinge eintreten würde. Bei den Einnadelmaschinen wird deshalb entweder der Stoff verstellt, oder die Nadel mit den Werkzeugen zur Schlingenbildung so um die Nadelachse gedreht, daſs sie immer in dieselbe Lage zur Nahtrichtung fallen. Der erste Fall ist bei den Mehrnadelmaschinen, wobei die Nadeln in Reihen angeordnet sind, nicht durchführbar, der zweite Fall macht die Maschine complicirt, da er die Nadelstellung immer von der jeweiligen Stoffbewegungsrichtung abhängig macht. Hermann Schurig in Plauen, Voigtland (* D. R. P. Nr. 36069 vom 31. Oktober 1885) umgeht die Schwierigkeiten durch folgenden Kunstgriff. Die Nadeln bleiben immer in derselben Richtung stehen, aber die Schlinge wird beim Weiterbewegen des Stoffes durch besondere Finger gehalten und gespannt. Als Nadeln sind eine Art Strumpfnadeln n (Textfig. 1 bis 3) verwendet, deren federnde Haken z durch eine besondere Druckschiene p in eine Zschasche des Nadelschaftes gedrückt wird. Das Einlegen der Fäden f in die Nadelkehle erfolgt durch Fadenführer, durch deren Oehr l der Faden gezogen ist, und welche die Vierseitbewegung 1, 2, 3, 4, 1 ausführen (vgl. nebenstehende Figur 3). Fig. 1., Bd. 265, S. 450Fig. 2., Bd. 265, S. 450Fig. 3., Bd. 265, S. 450Die Stichbildung ist nun die folgende. Nach Verschiebung des Rahmens durch den Storchschnabel wird der Faden f von dem Finger g zur Seite gedrängt, damit die Nadel nicht etwa den Faden erfaſst, und es durchsticht dann die Nadel n den Stoff; nun findet die Umschlingung der Nadel durch den Faden statt, indem der Fadenführer seine Vierseitbewegung ausführt. Die Schiene p (vgl. Textfig. 1) drückt sämmtliche Nadelhaken in die Vertiefung ihrer Nadeln, worauf die Finger g nach oben gehen und damit den Faden frei geben; die Nadel zieht den Faden in Schlingenform auf die andere Seite des Stoffes, wobei die Fadenschiene b den Faden locker läſst. Damit beim Aufwärtsbewegen des Stoffes die Schlinge nicht von der Nadel abfallen kann, wird nun die Schlinge von der Gabel g1 erfaſst und nach unten seitlich ausgelenkt, wie Textfig. 2 zeigt, so daſs für jede Stoffbewegung die Schlinge gespannt bleibt. Hierzu ist noch zu bemerken, daſs, wenn die Stichrichtung durch die senkrechte in eine nach links geneigte übergeht, der Bewegungsmechanismus der Gabeln g1 so umgesteuert wird, daſs die Schlingen nach rechts gedrängt werden, wie dieses in Textfig. 2 punktirt angegeben ist, und umgekehrt. Diese Punkte der Umsteuerung können zur Bequemlichkeit des Stickers auf der Musterzeichnung gleich mit hervorgehoben werden. Einen Apparat zur Herstellung von Verzierungen mittels Aufnähens von beliebigen Zierfäden auf den Schiffchenstickmaschinen betrifft die nachfolgende Erfindung von William Hutchinson Farmer in Alexandra Park, Nottingham (* D. R. P. Nr. 37908 vom 24. März 1886). Die von den Spulen E1 kommenden Zierfäden E, welche aus Litze, Kordel, Band, Chenille, Franze oder sonstigen Zierfäden bestehen können, gehen in der angedeuteten Weise (vgl. Fig. 5) um die Führungsstangen H1, H2 herum nach den Fadenösen D. Diese Fadenführungen D sind an der Stange C befestigt, welche sowohl in der Längsrichtung der Maschine verschoben, als auch um ihre Achse gedreht werden kann. Die Längsverschiebung wird von der Hand des Arbeiters zwischen zwei Grenzlagen derart besorgt, daſs die Oesen entweder in der Mitte zwischen den Nadeln stehen, oder so, daſs die Oesen sich genau den Nadelspitzen gegenüber befinden, also den Zierfaden der Nadel darbieten; die Drehbewegung der Stange C um ihre Achse wird dagegen durch die Maschine selbst vollzogen mittels Hubscheiben und Hebelverbindungen. Durch diese Drehbewegung werden, während die Sticknadeln in der bekannten Weise durch den Stoff hindurchstechen, die durch D hindurch geführten Zierfäden E gleichzeitig mit der Waare gegen die Schiene G fest angelegt und durch den Stickfaden mit fest angenäht. Die Spannvorrichtung für die Zierfäden ist ohne Weiteres aus der Figur selbst zu erkennen (H1 bis H5); dieselbe ist so eingerichtet, daſs die Zierfäden so lange schlaff bleiben, bis die den Stickfaden tragenden Nadeln nach vorn, eben wieder zurück und dann vollständig vorgehen, um das Schiffchen durch die dadurch gebildeten Schleifen passiren zu lassen, Während, sobald die Nadeln die Rückwärtsbewegung vollführen, die Zierfäden durch Hochgehen von H2 wieder angezogen werden.

Tafeln

Tafel Tafel 23
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