Titel: | Ch. Weyher's Fundamentalversuche als Material zur Theorie der Wirbelwinde, Wasserhosen und des Hagels. |
Fundstelle: | Band 265, Jahrgang 1887, S. 403 |
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Ch. Weyher's Fundamentalversuche als Material zur
Theorie der Wirbelwinde, Wasserhosen und des Hagels.
Mit Abbildungen.
Ch. Weyher's Fundamentalversuche.
An einer vollkommen befriedigenden Erklärung der Wirbelwinde,
Wasserhosen und des Hagels fehlt es
bekanntlich bis jetzt. Inzwischen ist es nach dem Berichte des Génie civil 1887 Bd. 11 S. 95 Hrn. Ch. Weyher auf dem Hüttenwerke zu Pantin gelungen, auf
mechanischem Wege Erscheinungen im Kleinen hervorzubringen, welche mit den genannten
Meteoren eine unverkennbare Uebereinstimmung zeigen, und als werthvolles Material
zur Theorie derselben die gröſste Beachtung verdienen.
Erster Versuch. Zur künstlichen Erzeugung einer
Wasserhose im Kleinen dient der Apparat Fig. 1. An
einer senkrechten Welle, welche durch einen Treibriemen B in Umdrehung gesetzt werden kann, sitzt eine nach unten offene, mit 10
radialen Schaufeln ausgestattete Trommsel A von 1m Durchmesser. Sie ist ungefähr 3m über dem Wasserspiegel eines groſsen Behälters
angeordnet und dreht sich mit einer Umfangsgeschwindigkeit von 30 bis 40m in der Secunde. Bei erfolgendem Antriebe der
Trommel sieht man sofort auf der Wasserfläche Spiralen sich bilden, welche nach
einem und demselben Mittelpunkte hinstreben, wo sich alsbald ein Wasserkegel von ungefähr
0m,20 Durchmesser an der Basis und 0m,10 bis 0m,12
Höhe erhebt. Ueber diesem Kegel entwickelt sich ein zweiter umgekehrter Kegel, aus
unzähligen Tropfen bestehend, welche 1m bis 1m,50 hoch empor geschleudert werden, um ringsherum
bis zu einem Abstande von 1 bis 3m als
Regenschauer niederzufallen. Die feinsten Tropfen und der Wasserstaub steigen bis in
die Trommel. Bedeckt man den Wasserspiegel mit einer Strohschicht, so wird das Stroh
von dem Wirbelwinde erfaſst und zu einem Tauende gedreht, welches in der Achse des
Wirbels korkzieherartig aufsteigt.
Fig. 1., Bd. 265, S. 404Fig. 2., Bd. 265, S. 404Wird das Wasser im Behälter bis zu mäſsiger Dampfentwickelung erwärmt, so
bildet sich in nettester Form eine vollständige, bis zur Mitte der Trommel
hinaufreichende Wasserhose mit dunstgefülltem Hohlräume. In der Achse dieser
Dunströhre bemerkt man einen gegen die umgebende Hülle dunkel und scharf sich
abzeichnenden Kern von der Gestalt eines sehr in die Länge gezogenen, mit der Spitze
nach unten gekehrten Kegels.
Der durch den Ventilator künstlich erzeugte Luftwirbel bietet genau dieselben
Merkmale dar, wie ein atmosphärischer Wirbelwind, welcher aus höheren Regionen auf
die Meeresfläche sich herabsenkt. Er bewegt sich in weiten Spirallinien abwärts, um
in inneren Spiralen wieder aufzusteigen. Wie bei jeder in rascher Drehung
begriffenen Flüssigkeit zu erwarten ist, entsteht um die Achse eine Verdünnung indem
sich unter dem Einflüsse der Centrifugalkraft die Moleküle von derselben zu
entfernen suchen.
Zweiter Versuch. Der Apparat besteht aus einem durch
einen Deckel geschlossenen Glascylinder A (Fig. 2) von 0m,40
Durchmesser und 0m,70 Höhe. Durch die Mitte des
Deckels tritt die Achse eines Drehkreuzes mit senkrecht eingesetzten
Pappdeckelschaufeln. Der Cylinder enthält eine Quantität Griesmehl B. Wenn man letzteres zu einem conischen Hügel anhäuft
und das Drehkreuz in Umdrehung setzt, so sieht man, wie von dem Gipfel dieses Hügels
das Griesmehl in Form einer kleinen Säule oder Trombe F
sich erhebt, deren Bestandtheile sodann durch den Wirbel von der Mitte nach dem
Umfange fortgerissen werden, um, in spiralförmigen Bahnen niedersteigend, immer
wieder zum Centrum zurückzukehren. Von oben betrachtet macht sich um die Achse des
Wirbels ein trichterförmiger Hohlraum als diejenige Stelle bemerklich, wo die Luft
in Folge der kreisenden Bewegung am meisten verdünn ist; und hierher gelangen auch
die feinsten Mehltheilchen.
Wenn man das Griesmehl durch kleine luftgefüllte Kautschukkügelchen ersetzt (Fig. 3), so läſst sich dieser Vorgang besser
überblicken. Man sieht alsdann die leichten Kügelchen in der Nähe der Cylinderwand
in Spirallinien langsam herabsinken, dagegen in der Nähe der Achse xy mit groſser Geschwindigkeit in langgestreckten
Schraubenlinien wieder emporsteigen. Dieser Versuch zeigt also, daſs die Luft am
Umfange eines Luftwirbels niedersinkt, um in der Nähe der Wirbelachse wieder in die
Höhe zu steigen, wobei sie Staubtheilchen und sonstige in ihren Bereich gelangende
Körper mit sich reiſst, ganz in Uebereinstimmung mit den bei Landtromben oder
Windhosen beobachteten Erscheinungen. Bei dem in Rede stehenden Versuche halten sich
die in Spiralen aufsteigenden Kügelchen in einem gewissen Abstande von der Achse xy; denn letztere selbst umgibt der oben erwähnte
trichterförmige Hohlraum, in welchen die feinsten Theilchen hinabgezogen werden, wie
der Strudel eines Flusses die Luft in seinen gähnenden Schlund hinabsaugt.
Ebenso verhält es sich bei einer Wasserhose. Wenn der Luft-Wirbel sich bis auf die
Meeresfläche herabgesenkt hat, so erhebt sich an der betreffenden Stelle das Wasser
in wirbelnder Bewegung, um ringsherum in Gestalt eines Büschels wieder
herabzufallen, mährend der Wasserstaub durch den centralen Trichter aufsteigt und
dem durch den nämlichen Trichter sich herabsenkenden Wasserdunste der oberen Wolke
begegnet. Letzteres, nämlich das gleichzeitige Auf- und Niederströmen, erscheint auf
den ersten Blick paradox, wird aber durch die auf experimentellem Wege nachgewiesene
Coexistenz beider Strömungen, deren verschiedene Spiralbahnen bei einem sehr
zusammengezogenen Wirbel einander sehr nahe liegen können, ins richtige Licht
gestellt.
Fig. 3., Bd. 265, S. 405Fig. 4., Bd. 265, S. 405Dritter Versuch. Eine Glasplatte A (Fig. 4) ist unter
einem Drehkreuze B angeordnet. Nachdem das letztere in
Umdrehung gesetzt ist, wirbelt man eine Münze C mit den
Fingern um ihren Durchmesser und läſst sie auf der Glasplatte tanzen. Sobald man die
Hand zurückzieht, fährt der Luftwirbel fort, die Münze wie einen Kreisel zu drehen.
Letztere beschreibt bei ihrer Achsendrehung eine Kugel, und der folgende Versuch
zeigt, daſs diese Kugel einen Mittelpunkt der Anziehung bildet.
Vierter Versuch. Eine in rascher Drehung um eine Spindel
begriffene Kugel ist mit einem etwas klebrigen Firniſs überzogen. Sobald man in der
umgebenden Luft Goldstaub o. dgl. verbreitet, sieht man diesen Staub hauptsächlich
an den Polen sich ansetzen. Noch hübscher macht sich der Versuch mit einer aus
runden Schaufeln gebildeten Kugel.
Die Entstehung des Hagels. Aus vorstehenden vier
Versuchen läſst sich nun die Hagelbildung auf folgende Weise erklären. Wenn ein
durch die Spirale A (Fig.
5) angedeuteter Luftwirbel aus höheren Schichten der Atmosphäre sich
herabsenkt, muſs seine Temperatur unter Null sein. Sobald nun seine Basis in eine
relativ wärmere Wolke taucht, gefrieren die Dunstmoleküle der letzteren und werden
in den Wirbel gezogen. Dabei drängen sich die Schneeflöckchen nach der Mitte hin. Da
aber die Erscheinung beinahe ausschlieſslich im Sommer auftritt, so ballen sich die
Flöckchen und es entstehen auf dem Wege nach der Mitte des Wirbels die ersten
schneeigen Kerne. Auch kann das gegenseitige Aneinanderprallen eine
Temperaturerhöhung und diese wieder eine Art „Regelation“ zur Folge haben,
wodurch die ersten Kerne gewissermaſsen zusammengeschweiſst werden. Jedes dieser
entstehenden Hagelkörner kann nur einen Augenblick in dem engen Schlünde des
Trichters verweilen; es wird nach dein oberen Kegel emporgewirbelt, um sich in
erweiterten Spiralen wieder zur Basis herab zu senken, wo es abermals vom Wirbel
erfaſst und der Mitte zugeführt wird u.s.w. Aber schon bei seinem ersten Lauf durch
den Wirbel wurde dem Hagelkorne, wie der Münze beim dritten Versuch, eine rapide
Drehung um seine Achse ertheilt. Das Korn ist somit ein Mittelpunkt der Anziehung
geworden, weshalb sich alle in seiner unmittelbaren Nähe befindlichen
Schneetheilchen an den Polen ablagern. Dadurch verändert sich aber Gestalt und
Drehachse des Hagelkornes; es bilden sich neue Pole, welchen die Schneetheilchen
sich ansetzen, und die Kugel vergröſsert sich mehr und mehr. Bei ihrem wiederholten
Durchgang durch die Wirbelmitte wälzen und drücken sich die Hagelkörner an einander,
wodurch der Schnee, woraus sie entstanden, in den Zustand durchsichtigen Eises
übergeht. Endlich tritt der Moment ein, wo der Wirbelwind die an Gewicht zunehmenden
Hagelkörner nicht mehr, zurückzuhalten vermag. Sie fallen dann auf die Erde herab.
Der herrschende Wind aber reiſst das Ganze in wagerechtem Sinne mit sich fort.
Fig. 5., Bd. 265, S. 406Fig. 6., Bd. 265, S. 406Fünfter Versuch. Zur Messung der
Anziehungskraft eines Wirbelwindes dient folgende Vorrichtung. A (Fig. 6) ist ein
winderzeugendes Drehkreuz, B eine Pappdeckelscheibe,
welche an das Ende einer leichten Stange C befestigt
ist. Von dem anderen Ende dieser auf zwei leicht beweglichen Rollen DD gleitenden Stange läuft ein Faden E über eine Rolle F, woran eine Wagschale
G hängt, deren Gewicht durch ein Gegengewicht H aufgehoben wird. J ist
ein an die Stange befestigter Aufhälter, K ein Läufer
mit einer Gabel, welche dem Aufhälter einen kleinen Spielraum läſst. Bei
gleichförmiger Umdrehung der Trommel A findet man nun
mit Hilfe der in die Wagschale gelegten Gewichte, daſs die Kräfte, womit die Scheibe
B angezogen wird, sich umgekehrt, wie die Quadrate
der Entfernungen verhalten. Der nämliche Apparat dient zum Nachweise der seitlichen
Anziehung des Wirbelwindes.
Sechster Versuch. Anziehung durch einen Luft-, Dampf
oder sonstigen Flüssigkeitsstrahl. A (Fig. 7) sei eine Düse, aus welcher ein Luft- oder
Dampfstrahl dringt. Letzterer nun zieht die Kugeln B, C
an und läſst sie selbst bei einer Neigung von 45° nicht fallen. Hält man die Hand an
der vorderen Seite von C in den Strahl, so nähern sich
beide Kugeln einander und der Düse, wobei die dichtere Kugel ihre Gleichgewichtslage
näher an der Düse findet, als die aus leichterem Stoffe bestehende. Man bemerkt,
daſs sich an der Seite eines Dampfstrahles in Folge seiner Reibung an der
Düsenmündung oder der Luft kleine Wirbel tt (Fig. 8) bilden. Vergröſsert gedacht, wie T andeuten mag, dreht sich ein solcher Dampfwirbel um
eine Achse o, in deren nächster Umgebung, wie bei jedem
Wirbel, eine Verdünnung entsteht. Bringt man daher einen Gummiballon B in den Bereich der letzteren, so hebt der äuſsere
atmosphärische Druck das Ballongewicht auf.
Fig. 7., Bd. 265, S. 407Fig. 8., Bd. 265, S. 407Fig. 9., Bd. 265, S. 407Siebenter Versuch. An einer Achse AB (Fig. 9), welche
mittels einer Riemenscheibe D in rapide Drehung
versetzt wird, sitzen, zu einer Kugel S
zusammengestellt, 8 bis 10 kreisrunde oder halbmondförmige Scheiben. Nähert man der
Kugel die Hand, so fühlt man rings um den Aequator einen energischen Wind, durch
welchen Papierschnitzel weit hinweggeweht werden. Trotzdem wird ein genäherter
Ballon M selbst aus ziemlicher Entfernung von der Kugel
lebhaft angezogen, um dieselbe sodann in der Ebene des Aequators planetarisch zu
umkreisen. Die Erscheinung bleibt dieselbe, die Achse mag eine senkrechte,
wagerechte oder (wie in Fig. 9) unter einem Winkel
von 45° geneigte Lage haben. Um eine Berührung des Ballons mit der Kugel zu verhüten
und einen ungestörten regelmäſsigen Umlauf desselben zu erzielen, ist die Kugel am
Aequator von einem in Kreisform gebogenen 1mm
dicken Eisendrahtring umgeben, welcher von drei Drahtquadranten f getragen wird.