Titel: | Ueber die Explosion hohler Kolben. |
Fundstelle: | Band 265, Jahrgang 1887, S. 381 |
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Ueber die Explosion hohler Kolben.
Ueber die Explosion hohler Kolben.
In den Annales des Mines, 1886 Bd. 9 S. 445 berichtet
A. Michel-Levy, Bergoberingenieur, anläſslich der
Explosion eines hohlen Dampfkolbens auf der Kohlengrube la
Tronquié Nr. 1 zu Carmaux über derartige Explosionen und die Ursachen
derselben. Derartige Explosionen kommen beim Erhitzen solcher Kolben bekanntlich
nicht selten vor und haben bereits eine erhebliche Anzahl von Unfällen im Gefolge
gehabt.
Der oben erwähnte Kolben, dessen Explosion am 3. November 1885 erfolgte, gehörte zu
der Dampf bremse der Fördermaschine und hatte einen Durchmesser von 547mm bei 145mm
Höhe. Er besaſs 6 durchbrochene Scheidewände und eine Wandstärke von 18mm. Die Kolbenstange war mit einem Conus darin
befestigt; gelidert war er mit 2 Ringen aus elastischen Segmenten. Der Inhalt der
Höhlung betrug etwa 17l.
Da der Kolben seit einiger Zeit schlecht ging, hatte man ihn zum Zwecke der
Untersuchung herausgezogen und auf eine starke Blechplatte gelegt. Hierauf versuchte
man, die Ringsegmente mit Meiſseln zu entfernen. Als dieselben aber nicht wichen und
zersprangen, ordnete der Werkführer, wie gewöhnlich, an, den Kolben mittels eines um
ihn angezündeten Holzfeuers zu erwärmen, um damit die verharzte Schmiere zu
zerstören, durch welche die Ringe festgebacken waren. Während der Erwärmung suchten
die Arbeiter die Segmente mit Hilfe von Hammerschlägen zu lockern. Als das Feuer,
welches keine groſse Stärke besaſs, etwa eine Viertelstunde lang brannte, erfolgte
plötzlich die Explosion des Kolbens; eines der Sprengstücke traf den Vorarbeiter,
der aus einer Entfernung von etwa 1m,20 den Kolben
in gleicher Höhe beobachtete, tödtlich an den Kopf. Die umstehenden Arbeiter
behaupten, daſs die
Explosion ohne starkes Geräusch, ohne Knall erfolgt sei. Der Kolben war in mehr als
20 Stücke von sehr verschiedener Gröſse zersprungen; das Feuer wurde völlig aus
einander geblasen, und aus der Blechplatte ein rundes Stück, genau gleich der
Grundfläche des Kolbens, wie mit einem Durchstoſse herausgedrückt.
Der Werks-Oberingenieur Laur glaubte die Explosion der
Anwesenheit einer geringen Wassermenge im Kolben zuschreiben zu sollen, welche durch
ein nicht ganz dicht verschlossenes Guſsloch aus dem Obertheile des Cylinders in den
Hohlraum des Kolbens eingetreten sein konnte; er hält die in Carmaux befolgte
Methode, hohle Kolben ohne weitere Vorsichtsmaſsregeln zu erhitzen, für fehlerhaft,
meint aber, daſs die groſse Heftigkeit der Explosion auf irgend eine zufällige,
nicht vorherzusehende Ursache hindeute, so daſs Niemanden für den Unfall eine
Verantwortung treffe.
Dem gegenüber weist der Berichterstatter Michel-Levy
zunächst auf eine Abhandlung von de Grossouvre hin,
welche Ende 1885 in den Annales des Mines erschien, und
worin 5 derartige Explosionen besprochen waren; von diesen ist ein Fall besonders
bemerkenswerth, welcher sich in den Werkstätten von Ivry zutrug; daselbst hatte am 8. Juli 1869 ein Fräser in einen hohlen
Kolben einen Einschnitt gemacht und näherte demselben ein Licht; sofort erfolgte ein
Knall und die hervorströmende Flamme verbrannte ihn an Gesicht und Haaren.
Die chemische Untersuchung der in einem hohlen Kolben nach 11 jähriger Dienstzeit
angesammelten Niederschläge hat ergeben, daſs dieselben wesentlich aus Eisenoxydul
mit 3 bis 4 Proc. Fettstoffen bestehen.
Aus diesen Thatsachen glaubt de Grossouvre den Schluſs
ziehen zu müssen, daſs die Explosionen hohler Kolben durchaus nicht auf die
Ueberhitzung eingedrungenen Wassers zurückgeführt werden könnten. Aller
Wahrscheinlichkeit nach würde sich dieses Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff
zerlegen, deren letzterer das Eisen oxydirt. Erhitzt man nun einen hohlen Kolben, so
kann der Wasserstoff bei bestimmter Temperatur plötzlich das Eisen reduciren;
weiterhin aber muſs offenbar auch der Zersetzung der den Eisenoxyden beigemengten
Fettstoffe Rechnung getragen werden.
Generalberginspector Jacquot hat kürzlich im
Laboratorium der École des Mines ein braunes Pulver
untersuchen lassen, welches sich in dem hohlen Kolben einer Dampfmaschine zu Dierzon
vorfand. Dasselbe enthielt:
Fettstoffe
13,60
Proc.
Kohlige Stoffe, in Benzin löslich
3,80
„
Eisenoxyd
73,80
„
Manganoxyd
0,60
„
Silicium
3,66
„
Kalk
1,20
„
Wasser
2,00
„
Die Analyse fand statt nach Ausscheidung der Stückchen
metallischen Eisens und einer geringen Menge braunen Pulvers, welches vom Magnete
angezogen wurde. In einem verschlossenen Tiegel erhitzt, gab die Masse Gase ab, die
sich bei Berührung mit der Luft entzündeten.Frühere Versuche, welche der Berichterstatter unter Beistand von M. Clerault in den Werkstätten der Westbahn
anstellte, führten zur Auffangung der Gase, welche nach langem Dienste die
Hohlräume der Locomotivkolben erfüllen. Diese Gase sind nicht brennbar,
sondern enthalten nur eine geringe Menge von Kohlenwasserstoffen, welche
ihnen Geruch verleihen. Die festen Niederschläge bestehen aus
Oxydationsproducten des Eisens und Schmiermaterialien. Diese Resultate
bestätigen de Grossouvre's Mittheilungen. Sie
zeigen, wie gefährlich es sein muſs, bei geschlossener Kolbenhöhlung die
Fettstoffe zu destilliren, welche in Folge der Capillarität in den Kolben
eingedrungen sind.
Aus den vorstehenden Thatsachen erhellt, daſs mit groſser Wahrscheinlichkeit die
Explosionen hohler Kolben auf die Zersetzung der in dieselben, oft in beträchtlicher
Menge, eingedrungenen Fettstoffe beim Erhitzen zurückzuführen sind. Diese Zersetzung
erzeugt wahrscheinlich ein Gasgemenge, welches entweder bei Berührung mit
rothglühenden Wänden, oder bei direkter Berührung mit einer Flamme, explosiv ist.
Wie dies aber auch sei, in jedem Falle erscheint es als gefährlich, solche Kolben
stark zu erwärmen, ohne sie vorher angebohrt und ihre Höhlung gereinigt zu
haben.
Schlieſslich richtet der Berichterstatter noch an den Minister des Inneren die Bitte,
sämmtliche Bergingenieure durch ein Rundschreiben auf die Gefährlichkeit des
Erhitzens hohler Kolben ohne entsprechende Vorsichtsmaſsregeln aufmerksam zu
machen.