Titel: | Messung hoher Temperaturen. |
Autor: | P. Naef, W. Leybold |
Fundstelle: | Band 265, Jahrgang 1887, S. 374 |
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Messung hoher Temperaturen.
Mit Abbildungen.
Messung hoher Temperaturen.
Trotzdem daſs fast alle durch Temperaturerhöhung hervorgerufenen Erscheinungen, wie
Expansion und Contraction, Dissociation, Dampfdichteveränderung, akustische und
thermoelektrische Erscheinungen, zur Grundlage von Verfahren zur Bestimmung höherer
Temperaturen gemacht worden sind, fehlt doch immer noch ein wirklich gutes
Pyrometer. F. Fischer kam bei seinen Untersuchungen zu
dem Schlusse, daſs das Siemens'sche elektrische
Pyrometer am genauesten ist, daſs aber für praktische Zwecke das calorimetrische
Pyrometer den Vorzug verdient. Das elektrische Pyrometer von Siemens (vgl. 1870 198 258) ist für
Fabrikszwecke auch mit den neuen von Spohr (vgl. 1885
257 * 315) angegebenen Verbesserungen nicht
anwendbar, da es zu kostspielig und zu schwierig in Ordnung zu halten ist. Wie F. Hurter im Journal of the
Society of Chemical Industry, 1886 Bd. 5 S. 634 mittheilt, ist das
Calorimeter in England zuerst von Wilson in St. Helens
als technisches Instrument beschrieben worden. Eine Form desselben wird jetzt unter
dem Namen Siemens'sches Pyrometer verkauft, und eine
andere Form ist von F. Fischer (vgl. 1877 225 * 272.* 468) angegeben worden. Der Gebrauch des
Calorimeters macht jedoch bei genauen Bestimmungen ziemlich langwierige Berechnungen
oder die Benutzung von Tabellen nothwendig. Für Fabrikszwecke berücksichtigt Hurter die Veränderung der specifischen Wärme des
verwendeten Metalles nicht. Er hat daher einen Rechenschieber construirt, auf
welchem selbst Arbeiter die Temperatur sofort mit Sicherheit ablesen können. Die so
erhaltenen Zahlen sind jedoch bei hohen Temperaturen zu hoch und ebenso bei
Temperaturen, welche niedriger sind als die, welche der angenommenen specifischen
Wärme des Metalles entspricht, zu nieder.
Eine von Codazza erdachte Methode zur Vermeidung der
Berechnung bei Calorimeterbestimmungen, welche durch Aenderung der specifischen
Wärme mit der Temperatur verursacht werden, hat in Hurter's Händen keine guten Erfolge aufgewiesen. Trotzdem daſs das
Calorimeter sehr zuverlässige Ergebnisse liefert, ist doch seine Anwendung mit
Nachtheilen verbunden. Da ein 50g wiegendes
Metallstück erst nach fast einer halben Stunde die Temperatur eines hocherhitzten
Raumes annimmt, so lassen sich nur nach längeren Zwischenräumen Bestimmungen
ausführen. Bei groſsen Oefen ist dies von weniger Belang als bei kleinen, in welchen
nur wenige Tonnen Material auf möglichst gleichmäſsige Temperatur erhitzt werden
sollen. Zudem sind häufige Bestimmungen der Temperatur nach dem calorimetrischen
Verfahren so langwierig und ermüdend, daſs ein Instrument, welches die
Temperaturschwankungen beständig anzeigt, von groſsem Vortheile sein würde. Hurter hat daher immer in solchen Fällen neben dem
Calorimeter ein nach Gauntlet's Prinzip aus
Metallstäben hergestelltes Expansionspyrometer benutzt. Diese Apparate sind, wenn
neu, völlig ungenau; nach einiger Zeit liefern aber diese Expansionspyrometer bis zu
einer Temperatur von 480° zufriedenstellende Resultate. Sie werden hauptsächlich
durch häufiges Abkühlen zu Grunde gerichtet und müssen daher bei jedesmaligem
Gebrauche wieder neu eingestellt werden. Von groſsem Vortheile würde ein Pyrometer sein,
welches den Verlauf von Temperaturschwankungen völlig genau und auch fortlaufend
anzeigen würde. Das Luftthermometer erfüllt diese Bedingungen vollkommen; es hat
aber bis jetzt nicht Eingang in die Fabriken gefunden, trotzdem daſs zahlreiche
Formen desselben vorgeschlagen worden sind. Um Pyrometer auf ihre Richtigkeit zu
prüfen, benutzt Hurter eine an einem Ende geschlossene
und am anderen Ende fein ausgezogene Glasröhre, welche im Luft- oder Oelbade erhitzt
wird. Nachdem dieselbe die Temperatur des Bades angenommen hat, schmilzt man das
ausgezogene Ende zu, öffnet unter Quecksilber und miſst die in der Röhre vorhandene
Luft.
Fig. 1., Bd. 265, S. 375Ein neues von Heisch und Folkard in Brentford construirtes Luftpyrometer besteht, wie aus Fig. 1 ersichtlich ist, wesentlich aus einer mit verdünnter Luft
gefüllten Glaskugel a, welche durch eine feine
Capillarröhre mit einem Quecksilbermanometer b
verbunden ist. Die hauptsächliche Neuerung in dem Apparate von Heisch und Folkard besteht
darin, daſs aus dem Raume über dem Quecksilber in der Manometerröhre die Luft so
weit als möglich ausgepumpt ist. Durch Benutzung des Vacuums in der Kugel und im
Manometer ist es den Erfindern gelungen, die Länge der Meſsröhre bedeutend zu
verringern, so daſs eine Skala von 0 bis 540° nur 17cm lang ist. Es lassen sich aber auch Apparate mit längeren Eintheilungen
herstellen, indem man die Luft aus der Kugel weniger vollkommen auspumpt. Hurter findet indeſs, daſs eine Eintheilung von 10 bis
20mm für 55°, entsprechend einem Vacuum von 90
bis 110mm, für praktische Zwecke genügend ist.
Wird die Kugel auf höhere Temperatur erhitzt, so nimmt der Druck darin zu, so daſs
das Quecksilber in der Meſsröhre in die Höhe steigt. Da sich aber die verdünnte Luft
entsprechend dem verdrängten Quecksilber ausdehnt, wird die Gradeintheilung
theoretisch mit dem Steigen der Temperatur kürzer. Um dies zu vermeiden, construirte
Folkard einen Apparat (Fig. 2), bei welchem das Gasvolumen in der Kugel sich immer gleich
bleibt. Die Druckröhre kann bei diesem Apparate geneigt werden, so daſs man im
Stande ist, die Höhe des Quecksilbers in der Röhre und daher auch das Volumen des
Gases in der Kugel immer gleich zu erhalten. Der durch das Quecksilber auf die
eingeschlossene Luft ausgeübte Druck entspricht dann dem Producte aus der Länge der
Quecksilbersäule und dem Sinus des Neigungswinkels.
Fig. 2., Bd. 265, S. 376Auf einem verschiebbaren, senkrechten Maſsstabe C kann die Länge der senkrechten Quecksilbersäule, welche dem Drucke der
geneigten Säule entspricht, abgelesen werden, so daſs Winkelmessungen vermieden
werden. Obgleich nun dieses Pyrometer von Folkard sehr
einfach erscheint, soll es sich doch für technische Zwecke nicht bewähren; es läſst
sich aber mit Vortheil zur Eintheilung anderer Instrumente benutzen. Hurter fand, daſs bei Anwendung einer Kugel von 30 bis
40cc und einer Manometerröhre von 2mm innerem Durchmesser bei einem Vacuum von 100mm Quecksilber ein Instrument hergestellt werden
kann, welches bei Vernachlässigung der Veränderung des Gasvolumens in der Kugel
Resultate liefert, welche unter 2 Proc. von der Wirklichkeit abweichen. Die
Eintheilung geschieht dann nach der Formel
\frac{P\,t}{P\,o}=\frac{275+t^{\circ}}{275}
wo Pt gleich dem der Temperatur
t entsprechenden Drucke, Po der Druck bei 0° und 1/275 der Ausdehnungscoefficient der Luft im Glas
ist.
Das Pyrometer von Heisch und Folkard ist jedenfalls in vielen Fällen mit Vortheil anwendbar, denn es
gibt für technische Zwecke völlig genügend genaue Resultate. Ein Instrument, welches
Hurter während längerer Zeit täglich mehrere
Stunden auf 260° erhitzte, veränderte seinen Nullpunkt gar nicht. Ein aus
gewöhnlichem Glase gefertigtes Pyrometer zeigte sogar bei 24stündigem Erhitzen auf
480° keine Veränderung seines Nullpunktes. Allerdings läſst sich das Pyrometer von
Heisch und Folkard
nicht bei Temperaturen über 540° benutzen, so daſs man bei solchen Temperaturen
immer noch zum Calorimeter seine Zuflucht nehmen muſs.
Für wissenschaftliche Zwecke ist es besser, ein Instrument mit offener Druckröhre zu
benutzen, für die Technik bietet dagegen die Anwendung eines Vacuums groſse
Vortheile, indem die Länge der Druckröhre dadurch bedeutend verringert werden kann.
Obschon das Luftpyrometer auch in dieser Form ziemlich zerbrechlich und schwer
transportirbar ist, bietet es doch den groſsen Vortheil, daſs es leicht und billig
hergestellt werden kann.
P. NaefW. Leybold.