Titel: | Zur Bestimmung der freien Säure in Gerbbrühen auf titrimetrischem Wege; von R. Koch, Assistent an der Forstakademie zu Tharand. |
Autor: | R. Koch |
Fundstelle: | Band 264, Jahrgang 1887, S. 396 |
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Zur Bestimmung der freien Säure in Gerbbrühen auf
titrimetrischem Wege; von R. Koch, Assistent an der Forstakademie zu Tharand.
Koch's Bestimmung der freien Säuren in Gerbbrühen.
Mit Recht heben B. Kohnstein und F. Simand in einer Abhandlung über „Bestimmung von freien Säuren in
Gerbbrühen“ (1885 256 38. 84) die Wichtigkeit
einer praktischen Methode zur Bestimmung dieser freien Säuren hervor. Es wird jedoch
Jedermann, der sich einmal damit beschäftigt hat, nach der von genannten Verfassern
vorgeschlagenen Methode zu arbeiten, sehr bald zu der Ueberzeugung gelangen, daſs
dieser Weg wenigstens sehr umständlich und nicht geeignet ist, binnen kurzer Zeit
eine gröſsere Anzahl von Analysen danach auszuführen. Und gerade auf dieses Moment
der Raschheit und Leichtigkeit der Ausführung dürfte wohl, wenn eine derartige
Methode wirklich dem praktischen Bedürfnisse entsprechen soll, ein ganz besonderes
Gewicht zu legen sein. Es ist mir nun gelungen, ein sowohl in Hinblick auf
Genauigkeit, als auch Raschheit der Ausführung völlig befriedigendes Verfahren
auszuarbeiten, welches gestattet, binnen wenigen Minuten den Säuregrad einer
Gerbbrühe titrimetrisch festzustellen.
Die Schwierigkeit, eine derartige Methode zu finden, lag allein in der Gegenwart
einer gröſseren Menge von Gerbstoff und in der dunklen Farbe der Brühen. Es wurde
dadurch unmöglich gemacht, irgend einen der gewöhnlichen Indicatoren alkalischer
oder saurer Reaction in Anwendung zu bringen. Da nun, wie bekannt, Eiweiſs mit
Gerbstoff eine unlösliche Verbindung eingeht und auch Farbstoffe bei seiner
Coagulation zum Theile
mit niederschlägt, so versuchte ich auf Vorschlag von Professor v. Schroeder zunächst durch Zusatz von Eiweiſs Gerb-
und Farbstoff zu entfernen, um dann mittels einer der bekannten Indicatoren die
freie Säure der Brühe zu titriren. So leicht erreichbar dadurch auch das Ziel
geworden zu sein schien, so zeigte es sich doch bald, daſs damit noch keineswegs die
Schwierigkeiten überwunden waren. In den sauren Gerbbrühen brachte nämlich
Eiweiſslösung nur einen ganz geringen Niederschlag hervor und selbst beim Erwärmen
schied sich das Eiweiſs nur unvollkommen ab. Erst als ich die freien Säuren durch
Zusatz von Barythydratlösung von bekanntem Gehalte annähernd neutralisirte, schlug
sich das Eiweiſs beim Erwärmen in flockiger, leicht filtrirbarer Gestalt nieder, die
Flüssigkeit zugleich bis zu einem lichten Hellgelb entfärbend.
Ein Versuch, in einem Theile des Filtrates mit Phenolphtalein oder Lackmus als
Indicator den Rest der noch nicht neutralisirten Säure zu bestimmen, miſsglückte
jedoch völlig, indem die alkalische Farbe des Indicators durchaus nicht zum
Vorschein kam, sondern die Flüssigkeit allmählich nur dunkler wurde. Somit schien
der Versuch gescheitert zu sein. Da brachte mich jedoch die Beobachtung, daſs bei
Zusatz von Barythydrat die vorher helle Flüssigkeit plötzlich einen dunkleren Ton
annahm, auf den Gedanken, ob nicht das Auftreten der dunkleren Farbe und der
Eintritt der alkalischen Reaction in ursächlichem Zusammenhange stehen könnten. In
diesem Falle muſste sich der immer noch in Lösung gebliebene Rest des Gerbstoffes
oder anderer demselben nahe stehender, durch Eiweiſs nicht fällbarer Substanzen, von
deren Gegenwart ohne Zweifel das Auftreten der dunklen Farbe herrührte, selbst als
Indicator für den Eintritt der alkalischen Reaction benutzen lassen. Ein Versuch
bewies in der That die Richtigkeit dieses Gedankens: 20cc 0,1-Normal-Oxalsäure mit Phenolphtaleїnlösung versetzt, lieſsen die
alkalische Farbe des letzteren nach Zusatz von 13cc,05 Ba(OH)2 deutlich erkennen. 20cc 0,1-Normal-Oxalsäure mit einigen Tropfen
Tanninlösung (2g im Liter) zeigten bei Zusatz von
13cc,0 Ba(OH)2
noch einen rein weiſsen Niederschlag von oxalsaurem Baryt; aber schon bei einem
Zusätze von 13cc,1 Ba(OH)2 wurde dieser Niederschlag ganz deutlich dunkel
gefärbt und eine weitere Zugabe von 0cc,1
Ba(OH)2 lieſs selbst dem ungeübtesten Auge
keinen Zweifel über den Eintritt einer dunklen Färbung des Niederschlages und der
Flüssigkeit. Dasselbe Ergebniſs erhielt man bei Eichenlohextract oder Valoneaauszug
als Indicator. Jetzt war also klar erwiesen, daſs mit dem Eintritte der alkalischen
Reaction die dunkle Färbung der vorher hellen Flüssigkeit im nothwendigen
Zusammenhange stand und daſs so die Möglichkeit gegeben war, mit Hilfe dieser
Reaction die freie Säure in Gerbbrühen einfach und sicher zu bestimmen, sobald sich
nur noch feststellen lieſs, daſs bei der Coagulation des Eiweiſs keine merklichen
Mengen freier Säuren gebunden wurden.
Eine Anzahl in dieser Richtung angestellter Versuche mit den hauptsächlichsten der in
Gerbbrühen vorkommenden Säuren zeigte, daſs dies in der That nicht der Fall war.
Als Grundlage wurde eine 0,1-Normal-Oxalsäure und eine darauf eingestellte Lösung von
Barythydrat benutzt. Zur Herstellung der letzteren wurden etwa 70g krystallisirtes Barythydrat in 3l Wasser gelöst und filtrirt. Ebenso gut kann man
aber auch Kali- oder Natronlauge, welche genügend frei von Kohlensäure ist,
anwenden. Die Concentration der Eiweiſslösung wählte ich so, daſs ungefähr 20g käufliches Eiweiſs aus Eiern in 0l,5 Wasser gelöst und hierauf das Unlösliche
abfiltrirt wurde. Da die Eiweiſslösung sich leicht zersetzt, so ist am besten stets
eine frisch bereitete Lösung zu verwenden.
Um in der Eiweiſslösung die alkalische Reaction mittels Phenolphtalein als Indicator
hervorzurufen, waren auf 20cc etwa 0,4 bis 0cc,5 Barythydrat erforderlich. Hierzu ist zu
bemerken, daſs das erste Auftreten eines schwach röthlichen Schimmers als den
Eintritt der alkalischen Reaction anzeigend betrachtet werden muſs, da auch bei
weiterem Zusätze von Barythydrat die Reaction nur allmählich an Deutlichkeit
zunimmt, wahrscheinlich deshalb, weil Barythydrat mit Eiweiſs selbst eine Verbindung
eingeht. Die letztere besitzt indessen doch noch eine alkalische Reaction, so daſs
es möglich ist, den Neutralisationspunkt der Flüssigkeit hinlänglich scharf zu
erkennen. Um jedem möglichen Einwände zu begegnen, kann man bei Bestimmung der
Acidität der Eiweiſslösung auch so verfahren, daſs man zu 50cc derselben etwa 0cc,5 0,1-Normal-Oxalsäure hinzufügt, das Eiweiſs coagulirt, nach
vorherigem Abkühlen auf Normaltemperatur durch ein trockenes Filter abfiltrirt und
nun in einem Theile des Filtrates (20cc) die Säure
mit Barythydrat und Phenolphtalein titrirt. Der Unterschied zwischen der so
gefundenen und vorher hinzugefügten Säuremenge ergibt die für die Eiweiſslösung in
Rechnung zu bringende Säuremenge. Dieses Verfahren schlieſst sich ganz der später zu
beschreibenden Art des Arbeitens bei der Bestimmung der freien Säuren in Gerbbrühen
selbst an. Auf beiden Wegen erhält man indessen dasselbe Ergebniſs.
Ich führe nun im Folgenden kurz die Zahlen an, welche ich bei Titration verschiedener
Säuren mit und ohne Eiweiſs- bezieh. Tanninlösung erhielt, wobei ich noch hinzufügen
will, daſs Tannin durch Eiweiſslösung fast völlig gefällt wird und man hier
Phenolphtalein noch als Indicator anwenden kann. Wendet man kein Phenolphtalein an,
so gibt sich die alkalische Reaction durch Auftreten einer schwach grünlichen Farbe
zu erkennen:
Es entsprechen cc (BaHO)2 für
Essig-säure
Milch-säure
Amei-sen-säure
Pro-pion-säure
Butter-säure
Phos-phor-säure
Schwe-fel-säure
20cc Säure
20,3
22,80
41,8
32,70
8,40
19,60
18,50
20cc Säure + 10cc Eiweiſslös.
20,50
23,05
42,00
32,90
8,65
19,80
18,70
20cc Säure + 10cc Eiweiſslös. + 10cc Tanninlösung
20,50
23,05
42,00
32,90
8,65
19,90
18,70
10cc Eiweiſslösung
0,20
0,20
0,201
0,20
0,20
0,20
0,20
Diese Zahlen dürften vollauf genügen, um darzuthun, daſs bei der Coagulation des
Eiweiſs keine merklichen Mengen freier Säure gebunden werden, und ich gehe nun im
Folgenden zur Beschreibung der praktischen Ausführung der
Methode zur Bestimmung der freien Säuren in Gerbbrühen über.
Man miſst 20cc der zuvor filtrirten Brühe in ein
trockenes, möglichst lang- und enghalsiges Kölbchen von etwa 100cc Inhalt. Dazu setzt man 10 oder 20cc Eiweiſslösung (bei concentrirten Brühen besser
20cc), welche nach oben gegebener Vorschrift
bereitet wurde und die bei wärmerer Temperatur am besten nicht älter als 2 bis 3
Tage sein darf, weil nach dieser Zeit eine Zersetzung des Eiweiſs einzutreten
beginnt.
Hierauf läſst man aus einer Bürette, die unter den gewöhnlichen Vorsichtsmaſsregeln
gegen Aufnahme von Kohlensäure aufgestellt ist, Barythydrat unter beständigem
Umschütteln so lange hinzuflieſsen, daſs man sicher ist, nicht über den
Sättigungspunkt hinausgegangen, aber doch nahe an denselben herangekommen zu sein.
Einige Uebung läſst dies an den Farbenveränderungen bald beurtheilen. Statt des
Barythydrates kann man, wie ich schon früher bemerkt habe, ebenso gut Kali- oder
Natronlauge von entsprechender Concentration anwenden. Die Anzahl der hinzugefügten
Cubikcentimeter Barythydrat ist besonders zu notiren. Hierauf erwärmt man im
Wasserbade unter öfterem Umschwenken so lange, bis das zugesetzte Eiweiſs sich
flockig abzuscheiden beginnt, und kühlt wieder auf gewöhnliche Temperatur ab. Da das
Eiweiſs sich schon bei niederer Temperatur abscheidet, so ist eine Volumenänderung
durch Wasserverdunstung ausgeschlossen. Das an den kalten Theilen des Kolbenhalses
sich etwa verdichtende Wasser wird durch Umschwenken wieder in die Flüssigkeit
zurück gebracht. Nun filtrirt man durch ein trockenes Filter in ein trockenes
Becherglas oder Kölbchen, pipettirt 20cc heraus
und setzt so lange tropfenweise Barythydrat hinzu, bis eben Dunkelfärbung der vorher
hellen Flüssigkeit eintritt, oder, wie bei Fichtenbrühen, eine grüne Farbe zum
Vorschein kommt. Durch Aufstellung einer einfachen Proportion erfährt man aus der
zur Neutralisation von 20cc Filtrat erforderlichen
Menge Barythydrat die Gesammtmenge des letzteren, welche nöthig ist, um sämmtliche
in 20cc Brühe enthaltene, durch die erste
zugefügte Menge Barythydrat noch nicht gebundene freie Säure zu sättigen. Addirt man
diese Zahl zu der anfangs zugesetzten Anzahl Cubikcentimeter Barythydrat und zieht
davon den auf die
Neutralisation des Eiweiſs entfallenden Theil ab, so erhält man die Anzahl
Cubikcentimeter Barythydrat, welche erforderlich ist, um die in 20cc der Brühe enthaltene freie Säure zu
neutralisiren.
Bei den meisten der von mir titrirten Brühen lieſs sich der Neutralisationspunkt
leicht treffen. Besonders Brühen, welche vorherrschend Fichtengerbstoff enthalten,
lassen die Endreaction sehr scharf und sicher an dem Auftreten einer grünen Farbe
erkennen. Schwieriger und mehr Uebung erfordernd war dagegen die Titration einer
viel Quebrachogerbstoff enthaltenden Brühe. Aus der verbrauchten Anzahl
Cubikcentimeter Barythydrat läſst sich der Säuregehalt der Brühe in irgend einer
beliebigen SäureMan kann nach Simand's Vorgang Essigsäure als
Grundlage annehmen.in Gramm für 100cc Brühe ausdrücken.
Will man sich nicht bloſs auf Bestimmung des Gesammtgehaltes an Säure beschränken,
sondern auch eine Trennung der flüchtigen und nicht flüchtigen Säuren ausführen, so
würde man ganz das von Kohnstein und Simand eingeschlagene Verfahren zu befolgen haben.
Sollen die nicht flüchtigen Säuren nicht einfach aus der Differenz bestimmt werden,
so bringt man den Destillationsrückstand auf 100cc
und titrirt in einem Theile desselben nach oben beschriebener Methode die nicht
flüchtigen Säuren.
Flüchtige und nicht flüchtige Säuren auf verschiedene Säuren, z.B. Essigsäure und
Milchsäure zu berechnen, wie es Kohnstein und Simand vorschlagen, halte ich eigentlich für unnöthig
und in der Praxis nur die Rechnung erschwerend. Ich würde es vorziehen, den Gehalt
an beiden Arten von Säuren nur durch eine einzige Säure, etwa Essigsäure oder
Schwefelsäure, auszudrücken. Indessen ist das ja lediglich Geschmacksache. Im
Folgenden habe ich die Berechnung auf Essigsäure
angenommen.
Ich theile nun zunächst einige Versuchsergebnisse mit, welche ich bei Untersuchung
verschiedener Gerbbrühen auf den Gesammtsäuregehalt nach oben beschriebener Methode
erhielt und die besonders die Uebereinstimmung der einzelnen Versuche unter sich
darthun sollen.
Die Darstellung der Analysenergebnisse wird leicht verständlich
sein, wenn ich hinzufüge, dais die Zahlen links von den senkrechten Strichen in der
ersten Zahlenreihe die zur vorläufigen annähernden Neutralisation zugesetzten
Cubikcentimeter Barythydrat angeben, diejenigen rechts die Summe der ersteren,
vermehrt um die Anzahl Cubikcentimeter, welche nöthig ist zur völligen
Neutralisation von 20cc Filtrat vom
Eiweiſsniederschlage. Hat man also z.B. zu 20cc
Brühe 8cc,1 Barythydrat zugesetzt, um zunächst
eine Abscheidung des Eiweiſs zu ermöglichen, und muſs man weiter zu 20cc Filtrat von dem abgeschiedenen Siweiſs noch
1cc,2 Ba(OH)2
hinzusetzen, damit sämmtliche in 20cc Filtrat
enthaltene, noch ungesättigte Säure neutralisirt werde, so schreibt man links vom
senkrechten Strich die Zahl 8,1, rechts davon die Zahl 9,3. Aus der Proportion 20 :
1,2 = 38,1 : x folgt dann, daſs zur Neutralisation der
in 38cc,1 Flüssigkeit noch enthaltenen freien
Säuren (38,1 × 1,2) : 20 = 2,29 oder rund 2cc,3
Barythydrat nöthig sind. Im Ganzen werden also zur Neutralisation der in 20cc Brühe enthaltenen freien Säure 8,1 + 2,3 =
10cc,4 Ba(OH)2
erforderlich. Daher die Aufschreibung: 20cc Brühe
+ 10cc Eiweiſs = 8,1|9,3 = 10cc,4 Ba(OH)2.
Brühe aus einer mittleren Farbe einer Sohlledergerberei, welche
hauptsächlich mit Fichte und Valonea arbeitet.
I
II
III
20cc Brühe + 10cc Eiweiſs
= 8,1|9,3
= 10,4
= 9,9|10,2
= 10,4
= 10,1|10,3
= 10,5cc Ba(OH)2
10cc Eiweiſs
= 0,3
= 0,3
= 0,3 „
20cc Brühe
= 10,1
= 10,1
= 10,2 „
100cc Brühe
= 0,578
= 0,578
= 0,584g Essigsäure
Dieselbe Brühe nach 2 Tagen.
I
II
20cc Brühe + 10cc Eiweiſs
= 9,2|9,9
= 10,6
= 9,7|10,2
= 10,7cc Ba(OH)2
10cc Eiweiſs
= 0,3
= 0,3 „
20cc Brühe
= 10,3
= 10,4 „
100cc Brühe
= 0,590
= 0,595g Essigsäure
Dieselbe Brühe nach 4 Tagen.
20cc Brühe + 10cc Eiweiſs
= 9,65|10,2
= 10,8cc Ba(OH)2,
10cc Eiweiſs
= 0,3 „
20cc Brühe
= 10,5 „
100cc Brühe
= 0,601g Essigsäure
Die freie Säure in dieser Brühe hat also innerhalb 4 Tagen noch um etwa 0g,02 Essigsäure für 100cc Brühe zugenommen.
Bei der Trennung der flüchtigen und nicht flüchtigen Säuren in einer Gerbbrühe
ergaben sich folgende Versuchszahlen:
100cc Brühe enthielten g Essigsäure
I
II
Flüchtige Säuren
0,299
0,300
Nichtflüchtige Säuren
0,303
0,303
Flüchtige + nicht flüchtige Säuren
0,602
0,603
Gesammtsäure, unmittelbar titrirt
0,601
0,601.
Da es von Interesse schien, zu sehen, ob und wie weit beide Methoden der
Säurebestimmung in ihren Endzahlen übereinstimmten, so habe ich einige Brühen
gleichzeitig, sowohl titrimetrisch wie gewichtsanalytisch, untersucht:
Titrimetrisch: 1cc Ba(OH)2 = 0g,0091
Essigsäure.
1. Brühe aus einer kleinen, mit Fichte
undValonea arbeitenden Sohlledergerberei
Dieselbe Brühe nach 2
Tagen
I
II
20cc Brühe + 10cc Eiweiſs
= 8,95|9,5
= 10,05
= 9,0|9,5
= 10,0
= 9,2|9,7
= 10,2cc Ba(OH)2
10cc Eiweiſs
= 0,20
= 0,2
= 0,2 „
20cc Brühe
= 9,85
= 9,8
= 10,0 „
100cc Brühe
= 0,448
= 0,446
= 0,455g Essigsäure
2. Brühe aus der-selben Gerberei
3. Brühe aus derselben Gerberei
20cc Brühe + 20cc Eiweiſs
= 15,4|16,4
= 18,10
= 4,3|4,65
= 5,10cc Ba(OH)2
20cc Eiweiſs
= 0,50
= 0,50 „
20cc Brühe
= 17,60
= 4,60 „
100cc Brühe
= 0,801
= 0,209g Essigsäure
Gewichtsanalytisch nach Kohnstein und Simand.
Eine abgemessene Menge der Brühen wurde mit geglühter Magnesia
behandelt, vom Filtrate ein abgemessener Theil eingedampft, verascht u.s.w. und die
Magnesia als Mg2P2O7 gewogen; unter Abzug der
pyrophosphorsauren Magnesia, welche der in der Brühe bereits enthaltenen Magnesia
entsprach, wurde der Gehalt der Gerbbrühen an Säuren (Essigsäure) berechnet.
Brühe
AngewendeteMagnesia
Farbe desFiltrates
AngewendeteFiltrat
Erhaltene
pyro-phosphorsaureMagnesia
Der in der BrüheenthaltenenMagnesia
ent-sprechenP2O7Mg2
Der durch dieSäuren der Brü-hen in
Lösunggebrachten Mag-nesia entspre-chen P2O7Mg2
Für 100cc
Brüheergeben sichEssigsäure
Brühe aus einer kleinen, mit Fichte und Valonea
arbei- tenden Sohlledergerberei
70cc
3,5
dunkel
30cc
0,1485g
0,0180g
0,1305g
0,470g
Dieselbe Brühe
70
3,5
schwach
30
0,1400
0,018
0,122
0,440
Dieselbe Brühe nach 2 Tagen
70
4
gelblichschwach
20
0,0895
0,012
0,0775
0,419
2. Brühe aus derselben Gerberei
50
4
gelblichschwach
20
0,1520
0,0186
0,1334
0,700
3. Brühe aus derselben Gerberei
70
4
gelblichdunkel
20
0,049
0,010
0,039
0,205
Vergleicht man nun die nach beiden Methoden erhaltenen Zahlen, so ergibt sich eine
wenigstens annähernde Uebereinstimmung. Indessen ist bei (nach Kohnstein und Simand)
normalem hellem Aussehen der von der zugesetzten Magnesia abfiltrirten Flüssigkeit
das Ergebniſs der gewichtsanalytischen Methode stets ein kleineres als das auf
titrimetrischem Wege erhaltene. Nur wenn das Filtrat dunkel bleibt, sind die
Versuchszahlen sehr annähernd gleich oder gröſser als bei dem titrimetrischen
Verfahren. Die gröſste Abweichung zeigen die Vergleichsanalysen der Brühe Nr. 3, bei
der eine Abweichung von 0g,101 Essigsäure für
100cc Brühe stattfindet und zwar gibt die
gewichtsanalytische Methode den kleineren Werth. Die durch Titration gewonnenen
Zahlen bleiben nur in einem Falle hinter denen der gewichtsanalytischen Methode
zurück und zwar um etwas mehr als 0g,02 Essigsäure
für 100cc Brühe.
Wenn ich mir nun nach dem verhältniſsmäſsig sehr geringen Vergleichsmaterial erlauben
darf, eine Meinung über die Ursache dieser Abweichung auszusprechen, so bin ich der
Ansicht, daſs die Bildung basischer schwer löslicher
Magnesiasalze wahrscheinlich zu einer wesentlichen Fehlerquelle der Kohnstein und Simand'schen
Methode werden kann. Gelangen doch verhältniſsmäſsig sehr groſse Mengen Magnesia auf
sehr kleine Mengen Säure zur Einwirkung, so daſs dieser Gedanke schon von vornherein
einige Wahrscheinlichkeit für sich hat und noch gröſsere Wahrscheinlichkeit gewinnt,
wenn man das Ergebniſs der Analysen der Brühe Nr. 3 in Betracht zieht, wo
absichtlich nur 50cc Brühe zu dem Höchstwerthe der
vorgeschriebenen Menge Magnesia gegeben wurden. Für diese Ansicht sprechen endlich
aber auch die von Kohnstein und Simand selbst gegebenen Zahlen, deren Beleganalysen in der Mehrzahl der
Fälle einen oft ganz erheblichen Fehlbetrag an gefundener gegenüber der berechneten
Säuremenge zeigen. Es dürfte daher jedenfalls angezeigt sein, nach dieser Richtung
hin, die genannte Methode noch einer näheren Prüfung zu unterziehen.
Neuerdings habe ich, wie ich glaube, gelegentlich einer Untersuchung von
Gerbstoffextracten auf Zucker den Grund erkannt, weshalb bei Behandlung der Brühen
mit Magnesia bald ein helles, bald ein dunkles Filtrat erhalten wurde. Um allen
Gerb- und Farbstoff mit Magnesia auszufällen, bedarf es augenscheinlich eines
verhältniſsmäſsig sehr groſsen Ueberschusses von Magnesia und einer ziemlich langen
Zeit der Einwirkung. Oefteres Umschütteln scheint ebenfalls wesentlich zu sein. Nach
meinem Dafürhalten ist nun der Vorgang der Ausfällung von Gerb- und Farbstoff durch
gebrannte Magnesia folgender: Das Magnesiumoxyd muſs zunächst, um zur Wirkung
gelangen zu können, Wasser aufnehmen und in Magnesiumoxydhydrat übergehen, da das
stark erhitzte Magnesiumoxyd als solches höchst wahrscheinlich im Wasser so gut wie
unlöslich ist, daher nicht fällend auf den Gerbstoff u.s.w. wirken kann. Diese
Wasseraufnahme geht nun aber sehr langsam von statten, ein Vorgang der sicher auch
durch die Stärke des Glühens beeinfluſst wird und um so langsamer erfolgt, je
stärker und anhaltender die Magnesia erhitzt wurde. Sobald jedoch das Magnesiumoxyd
Wasser aufgenommen hat, wird es löslicher und reactionsfähiger und kann in dem
Maſse, als es sich bildet, fällend auf Gerb- und Farbstoffe wirken.
So erklärt es sich auch, weshalb bei dunklen Filtraten die Ergebnisse der
Säurebestimmung nach Kohnstein und Simand der Wahrheit näher kommen als bei hellen
Filtraten. Im ersteren Falle gelangt kein überschüssiges Magnesiumhydroxyd auf die
durch die freien Säuren der Gerbbrühen gebildeten Magnesiasalze zur Einwirkung. Die
Neigung der letzteren, basische, schwer lösliche Salze zu bilden, kommt also nicht
zur Geltung, Ist dagegen eine gröſsere Menge Magnesia in reactionsfähigem Zustande
vorhanden, so kann dieser Neigung, nachdem aller Gerb- und Farbstoff ausgefällt ist,
Folge gegeben werden und man erhält deshalb zu niedrige Versuchszahlen.
Will man daher mit Magnesia Gerb- und Farbstoff aus einer Flüssigkeit ausfällen, so
würde nach meiner Meinung am besten in der Weise zu verfahren sein, daſs man MgCO3 bei möglichst niedriger Temperatur in MgO
verwandelt und nun diese reactionsfähigere Magnesia in entsprechender Menge
verwendet. Hiervon würde sehr wahrscheinlich auch eine viel geringere Menge genügen.
Bei Verwendung der Magnesia zur Säurebestimmung würde besonders auch noch darauf zu
achten sein, daſs die hell gewordene Flüssigkeit sofort von der überschüssigen
Magnesia getrennt und damit den durch die freien Säuren der Gerbbrühen gebildeten
Magnesiasalzen nicht Gelegenheit geboten wird, sich in basische, schwer lösliche
Salze zu verwandeln und als solche wieder abzuscheiden. Die bei Zusatz von Magnesia
zu Gerbstoff haltigen Flüssigkeiten entstehende dunkle Farbe ist
selbstverständlich nur eine Folge der alkalischen Reaction der Magnesia.
Um nun zum Schlusse noch an zwei Beispielen in der Praxis vorkommende Verhältnisse
vorzuführen, sei mir gestattet, die vollständigen Analysen der Brühen zweier
kleineren Sohlledergerbereien anzuführen, bei denen sowohl Gerbstoff, als auch
Gesammtsäure titrimetrisch bestimmt wurden. Zur Gerbstoffbestimmung will ich noch
bemerken, daſs vor dem Zusätze der Haut zur Brühe, dem Ergebnisse der
Säurebestimmung entsprechend, Barythydrat hinzugefügt wurde, um die freien Säuren
zuvor zu neutralisiren. Selbstverständlich ist das Volumen des hinzugefügten
Barythydrates später mit in Rechnung zu ziehen. Der Zusatz von Barythydrat geschah
deshalb, weil die freien Säuren, besonders in sehr sauren Brühen, sehr energisch auf
das Hautpulver einwirken und es in eine leimartige Masse verwandeln. Daſs dabei
Chamäleon reducirende Substanzen sich bilden, ist im Voraus natürlich nicht
ausgeschlossen. Auch aus dem Grunde wurde Barythydrat zugesetzt, weil Hautpulver,
wie ja schon Simand behauptet hat, freie Säuren in, wie
später noch gezeigt werden soll, nach der Concentration wechselnden Mengen
absorbirt. Um aber die Absorption dessen, was man für gewöhnlich unter Gerbstoff zu
verstehen pflegt, unter möglichst gleichartigen Umständen vorzunehmen, wurde
dieselbe in neutraler Lösung bewerkstelligt. Ueberhaupt verfolgte ich bei Bestimmung
des Gerbstoffes nur den Zweck, einigermaſsen einen Anhalt für den Gerbstoff in den
Brühen zu erhalten. Einen übergroſsen Nachdruck auf absolute Genauigkeit zu legen,
hat ja hier nach meinem Dafürhalten für die Praxis keinen Werth. Es würde sich
vielmehr zunächst nur darum handeln, durch möglichst zahlreiche Analysen von
Gerbbrühen allgemeine Mittelzahlen für die verschiedenen Zwecke und die
verschiedenen Umstände festzustellen, und Sache des den Betrieb überwachenden
Chemikers oder Gerbers würde es dann sein, die Zusammensetzung seiner Brühen
möglichst in der Nähe der entsprechenden Mittelzahlen zu halten. Um diesen Zweck zu
erreichen, bedarf es aber möglichst rasch ausführbarer Methoden und aus diesem
Grunde erscheint mir insbesondere für Untersuchung der Gerbbrühen im praktischen
Betriebe von den bisher vorhandenen Methoden die Löwenthal'sche (vgl. 1878 227 490. 228 53. 1886 259 177)Vgl. auch Bericht über die Verhandlungen der Commission zur Feststellung
einer einheitlichen Methode der Gerbstoffbestimmung. (Cassel 1885. Verlag
von Theod. Fischer.)in Verbindung
mit der soeben beschriebenen Methode der Säurebestimmung die geeignetste. Ich bin
mir dabei wohl bewuſst, daſs ganz besonders hier, wo doch in den allermeisten Fällen
Gemische von Gerbmaterialien mit oft sehr verschiedenen Reductionsfactoren
angewendet werden, die Löwenthal'schen Werthe nur
innerhalb ziemlich weiter Fehlergrenzen vergleichbar sein können. Indessen werden
diese
Saure
Textabbildung Bd. 264, S. 404
Sauerbrühe; Oberlederbrühe;
Sohlleder; Farbe Nr. 2; Farbe Nr. 3; Farbe Nr. 4; Farbe Nr. 1 (Sohlleder) Diese
Farbe zeigte alkalische Reaction; 1. Versuchereihe; Bühe; Erweiſs;
Eiweiſslösung; 2. Versuchsreihe aus einer anderen Gerberei.;
Normal-Oxalsäurelösung; Alkelität von 100cc
Brühe entspricht
Gerbstoff
Textabbildung Bd. 264, S. 404
Sauerbrühe; Oberlederbrühe;
Sohlleder; Farbe Nr. 1; Farbe Nr. 2; Farbe Nr. 3; Farbe Nr. 4; 1. Versuchereihe;
Ohne Haut; Bühe; Indigolös; Hautfiltrat; Indigolösung Gerbtoff in 100cc Brühe; Löwenthal'sche Proc.; 2.
Versuchsreihe Ohne Haut Bühe; Indigolös; Hautfiltrat; Indigolösung Gerbtoff in
100cc Brühe; Löwenthal'sche Proc.
Fehlergrenzen schwerlich weiter sein als die Grenzen,
innerhalb deren der Gerbstoffgehalt der Brühen schwanken darf, ohne die Güte des
erzeugten Leders zu beeinträchtigen. Auf diesen Gegenstand gedenke ich später noch
einmal in etwas ausführlicherer Weise zurückzukommen.
Ein Vergleich der S. 404 zusammengestellten beiden Zahlenreihen lehrt, wie
verhältniſsmäſsig verschieden die in zwei Gerbereien obwaltenden Verhältnisse sind,
und es würden bei weiteren Vergleichsanalysen vielleicht noch viel gröſsere
Abweichungen zu Tage gefördert werden. Welches die richtigsten Verhältnisse sind,
vermag vorderhand wohl kaum Jemand zu sagen; dies würde sich erst durch eine
gröſsere Anzahl von vergleichenden Untersuchungen, die selbstverständlich am
zweckmäſsigsten in einer Gerberei selbst auszuführen wären, feststellen lassen. Es
genügt nicht bloſs, derartige Zahlen zu gewinnen, sondern es müſste zugleich damit
auch eine sachkundige Beurtheilung des unter diesen bekannten Umständen erzielten
Leders Hand in Hand gehen. Erst dann würde eine wirklich fruchtbringende Thätigkeit
auf diesem Gebiete möglich sein. So viel aber dürfte feststehen – und darin wird mir
jeder denkende Gerber beipflichten –, daſs durch fortgesetzte chemische Controle des
Betriebes mittels einer rasch ausführbaren, wenn auch weniger genaue Zahlen
liefernden Gerbstoff- und der soeben beschriebenen Säure-Bestimmungsmethode sehr
bald Zahlen gefunden werden würden, welche auf diesem Gebiete die Gerberei vom
bloſsen Erfahrungsstandpunkte auf sachgemäſse Grundlagen stellen müſsten.
(Schluſs folgt.)