Titel: | Ueber die Fabrikation der Holzessigsäure; von W. Rudnew. |
Autor: | W. Rudnew |
Fundstelle: | Band 264, Jahrgang 1887, S. 128 |
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Ueber die Fabrikation der Holzessigsäure; von W. Rudnew.
(Schluſs der Abhandlung S. 88 d. Bd.)
Rudnew, über die Fabrikation der Holzessigsäure.
II) Ueber die Darstellung des reinen
essigsauren Kalkes und reiner Essigsäure; von S.
Wienzkowsky.
S. Wienzkowsky beschäftigte sich mit folgenden Fragen:
Welchen Einfluſs übt: 1) die Sättigungsmethode und 2) der Trockenprozeſs bei
verschiedener Temperatur auf die Zusammensetzung des rohen essigsauren Kalkes und
auf die Beschaffenheit der rohen Essigsäure aus? 3) Wie stellt man am besten reines
essigsaures Calcium aus dem Holzessig dar? 4) Wie gewinnt man am vortheilhaftesten
concentrirte Essigsäure aus verdünnter?
Ich habe schon erwähnt, daſs die Sättigung des Holzessigs mit Kalkhydrat in Fabriken
auf zweierlei Weise ausgeführt wird; um nun zu entscheiden, auf welche Art man den
reinsten essigsauren Kalk gewinnt, wurde die Sättigung des Holzessigs mit
Kalkhydrat, sowie die Darstellung von essigsaurem Kalk aus destillirtem Holzessig
nach beiden Methoden durchgeführt. Man verdampfte jedesmal die gesättigte
Flüssigkeit auf dem Wasserbade vollständig und trocknete den Rückstand bei 100°. In
dem so erhaltenen Producte bestimmte man die Essigsäure und in dieser den
Procentgehalt an schwer flüchtigen organischen Substanzen. Zu letzterem Zwecke wurde
die abgewogene Menge der erhaltenen Essigsäure verdampft, der Rückstand bei 120°
eine halbe Stunde erwärmt und gewogen. Dabei erhielt man folgende
VersuchsergebnisseFür jeden Versuch wurden 500cc Holzessig
aus Birkenholz und reines Kalkhydrat aus Marmor verwendet. Die mitgetheilten
Zahlen sind Mittelwerthe aus mehreren Versuchen.:
Roher essigsaurer Kalk ausdem nicht
destillirtenHolzessig nach Methode
Roher essigsaurer Kalk ausdem
destillirten Holz-essig nach Methode
I
II
I
II
Essigsaurer Kalk
68,14 %
69,38 %
85,85 %
86,75 %
Essigsäure
51,75
52,69
65,20
65,88
Nicht flüchtige org. Sub- stanzen in der
Essigsäure
0,297
0,285
0,172
0,165
Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, daſs bei der Benutzung der
gewöhnlichen Methoden zur Sättigung des Holzessigs nur ein sehr unreiner essigsaurer
Kalk erhalten werden kann.
Den reinsten essigsauren Kalk gewinnt man, wenn der Holzessig mit kohlensaurem Kalk
(z.B. mit Kreide) gesättigt wird; denn die den Holzessig verunreinigenden nicht
sauren Körper, wie Harze und Phenole, welche mit Kalk in Wasser lösliche
Verbindungen geben, wirken auf den kohlensauren Kalk nicht ein und bei der
Concentration des mit Kreide hergestellten essigsauren Kalkes scheiden sie sich mit
dem essigsauren Kalke nicht gleichzeitig aus. Man wendet aber in der Praxis diese
Methode der Sättigung gewöhnlich nicht an, weil bei Zugabe von Kreide zum Holzessig die
Flüssigkeit sehr stark aufschäumt und die Sättigung, in Folge der Bildung von saurem
kohlensaurem Kalk, nicht bis zum Ende geht; man erleitet groſse Verluste an
Essigsäure und gewinnt wieder ein unreines Product (bei solcher Sättigung bleibt
eine groſse Menge der Harze, in Folge der Anwesenheit von freien Säuren und
Phenolen, gelöst und beim Verdampfen der Lösung scheiden sie sich gleichzeitig mit
dem essigsauren Kalke aus). Ein ganz anderes Ergebniſs wird erreicht, wenn man die
Sättigung mit Kreide auf eine besondere Weise vornimmt. Destillirt man den Holzessig
und leitet die sich entwickelnden Dämpfe in bis zum Sieden erwärmte Kreidemilch, so
wirken auf die Kreide nur die flüchtigen Säuren ein, die sich in Calciumsalze
verwandeln; Phenole und andere flüchtige Stoffe werden mit dem Wasserdampfe
fortgerissen. Die Harze, welche in das Destillat übergingen, lösen sich in der
wässerigen Flüssigkeit nicht, weil dieselbe keine freien Säuren und nur noch geringe
Mengen schwer flüchtiger Phenole enthält. Auf diese Weise wird bei der Anwendung der
Kreide im Ueberschusse eine Lösung von essigsaurem Kalk gewonnen, welche keine
freien Säuren enthält. Dampft man die Lösung bis zu einer bestimmten Concentration
ab, so scheidet sich der essigsaure Kalk in krystallinischem Zustande aus. Werden
die Krystalle von der Mutterlauge getrennt und mit einer kleinen Menge einer Lösung
von reinem essigsaurem Kalk gewaschen, so erhält man fast vollständig reinen
essigsauren Kalk.
Zum Zwecke der Untersuchung des auf solche Weise erzeugten essigsauren Kalkes wurde
Holzessig in Kreidemilch überdestillirt, die erhaltene Lösung verdampft, der
Rückstand bei 100° getrocknet und analysirt. Es ergaben sich folgende Zahlen:
Essigsäure
Essigsaurer Kalk
Nichtflüchtige organischeSubstanzen in der
Essigsäure
69,55 %
91,58 %
0,112 %.
Eine andere Menge Holzessig wurde ebenso mit Kreide gesättigt, die erhaltene Lösung
bis zur Krystallisation verdampft, die ausgeschiedenen Krystalle von der Mutterlauge
getrennt, mit einer concentrirten Lösung von reinem essigsaurem Kalk gewaschen, bei
100° getrocknet und analysirt. Das gewonnene Product enthielt 98,86 Proc. Ca(C2H3O2)2.
Da die nach gewöhnlicher Methode dargestellte Holzessigsäure höhere Fettsäuren
enthält, so wurde das gewonnene Calciumsalz auf die Anwesenheit der Salze dieser
Säuren geprüft. Zu diesem Zwecke führte man dasselbe in Bariumsalz über, dieses
wurde mit absolutem Alkohol behandelt und die alkoholische Flüssigkeit bis zur
Trockne verdampft. Im Mittel erhielt man aus 2 Analysen 0,04 Proc. in Alkohol
löslicher Salze. Man kann also annehmen, daſs das gewonnene essigsaure Calcium von
den Salzen der höheren Fettsäuren frei ist.
Es wurde nun noch ein Versuch angestellt, um die Ausbeute an essigsaurem Kalk bei der
Verarbeitung des Holzessigs nach beschriebener Methode zu ermitteln. Bei Anwendung von 2l Holzessig mit 6,53 Proc. Essigsäuregehalt wurden
99,0 Proc. Essigsäure in Form von Kalksalz erhalten.
Um den Einfluſs des Trocknens bei höherer Temperatur auf die Zusammensetzung des
gewöhnlichen rohen essigsauren Kalkes kennen zu lernen, stellte Wienzkowsky essigsauren Kalk nach den beschriebenen
Verfahren dar, trocknete denselben bei 100° und erwärmte einzelne Proben davon bei
verschiedenen Temperaturen 22 Stunden im Luftbade.Die Temperatur wurde jedesmal sehr langsam erhöht.Nach der
Erwärmung bestimmte er die Essigsäure in jeder Probe. Auf diese Weise konnte man
nicht nur den Gehalt von essigsaurem Calcium bestimmen, sondern auch gleichzeitig
den bei der Erwärmung entstandenen Verlust von Essigsäure ermitteln. Ich führe hier
die Tabelle an, welche die Ergebnisse dieser Versuche enthält, indem ich bezeichne:
1) mit A den durch die Neutralisation des rohen Holzessigs mit Kalkhydrat gewonnenen
essigsauren Kalk, 2) mit B das durch die Sättigung des rohen Holzessigs mit
Kalkhydrat bis zur alkalischen Reaction dargestellte Salz, 3) mit C und D die Salze,
welche ebenso aus destillirtem Holzessig erhalten wurden, 4) mit E das durch
Sättigung des Holzessigs mit Kreide bereitete rohe Salz:
Der essigsaure Kalkwurde erwärmt
auf.
Procentgehalt des gerösteten Salzes an
Verlust anC2H2O2 in %
C2H4O2
Ca(C2H3O2)2
A) 100°
51,67
68,04
–
140
49,44
65,09
9,73
180
48,04
63,26
18,56
220
45,61
60,06
29,40
B) 100
52,65
69,48
–
140
49,70
65,43
11,10
180
48,59
63,74
15,37
220
46,26
62,23
30,28
C) 100
64,88
85,42
–
140
62,11
81,78
6,29
180
65,65
86,44
12,50
220
64,01
84,29
21,89
D) 100
65,71
86,51
–
140
64,05
84,33
4,93
180
65,15
85,77
10,35
220
63,05
83,02
22,81
E) 100
68,56
90,27
–
140
68,09
89,65
2,54
180
69,97
92,12
8,53
220
67,58
89,28
16,64.
Aus dieser Tabelle ersieht man leicht, daſs beim Trocknen des rohen essigsauren
Kalkes bei Temperaturen, welche höher als 100° liegen, immer ein bedeutender Verlust
von Essigsäure stattfindet, der mit der Temperatur wächst. Um zu ermitteln, welchen
Einfluſs auf die Beschaffen hei t des Productes das
Trocknen bei höheren Temperaturen hat, wurde der Gehalt der schwer flüchtigen
organischen Substanzen in Essigsäure aus jeder erhitzten Salzprobe bestimmt und
dabei folgende Ergebnisse erhalten:
Gehalt an nichtflüchtigen organischen Substanzen bei den
Temperaturen:
100°
140°
180°
220°
Salz A)
0,292 %
0,285 %
0,215 %
0,184 %
B)
0,291
0,274
0,218
0,190
C)
0,165
0,150
0,118
0,095
D)
0,161
0,148
0,188
0,093
E)
0,110
0,085
0,048
0,010
Die letzten Versuche zeigen, daſs die aus dem bei höheren Temperaturen getrockneten
essigsauren Kalk erhaltene Essigsäure etwas weniger schwer flüchtige organische
Substanzen enthält als die Säure, welche aus dem bei 100° getrockneten Salze
dargestellt wird; doch ist der Unterschied nicht sehr bedeutend.
Es ist somit erwiesen, daſs das in der Praxis sehr gebräuchliche Trocknen des rohen
essigsauren Kalkes bei hoher Temperatur überhaupt nicht zweckmäſsig ist, da dadurch
nur eine geringe Verbesserung des Productes erreicht wird und gleichzeitig ein
groſser Verlust an Essigsäure stattfindet.
Aus dem reinen essigsauren Kalk kann nur verdünnte
Essigsäure dargestellt werden, da bei der Zersetzung des Salzes mit Schwefelsäure
diese letztere nur in verdünntem Zustande angewendet werden darf; das Destilliren
von essigsaurem Kalk mit concentrirter Schwefelsäure ist überhaupt unbequem und
bewirkt Zerstörung des Salzes. In Folge dessen wurden einige Versuche angestellt,
bei welchen man aus verdünnter Essigsäure durch Destilliren mit englischer
Schwefelsäure die concentrirte Essigsäure erhalten wollte. Es wurden jedesmal 100g verdünnter Essigsäure mit 135g englischer Schwefelsäure destillirt:
Procentgehalt an Essigsäure
vor der Destillation
nach der Destillation
1) 29,84
49,21
2) 49,21
66,41
3) 66,41
84,00
4) 84,00
86,17
5) 86,17
86,24.
Auf Grund der beschriebenen Versuche kann man den folgenden Weg zur Darstellung des
reinen essigsauren Kalkes und der reinen Essigsäure aus dem Holzessig vorschlagen:
Man destillirt den Holzessig aus einem kupfernen Kessel und führt die Dämpfe in
einen Kühler, solange der Holzgeist übergeht; nach dem Abdestilliren des letzteren
leitet man die Dämpfe, ohne sie abkühlen zu lassen, in Kreidemilch, die beständig
bei Siedetemperatur gehalten wird. Die Flüssigkeit muſs während der ganzen
Destillation umgerührt werden und einen Ueberschuſs an Kreide enthalten. Nach
Beendigung der Destillation läſst man die Flüssigkeit absitzen; dann gieſst man die
klare Lösung ab und verdampft, bis die Masse sich in einen krystallinischen Brei
verwandelt. Dieser wird von der Mutterlauge in einer Schleudermaschine getrennt und
mit einer Lösung von reinem essigsaurem Kalk oder mit einer kleinen Menge Wasser
ausgewaschen. Das Salz zersetzt man mit verdünnter Schwefelsäure, trennt die
Flüssigkeit von ausgeschiedenem Gyps und destillirt. Die so erzielte verdünnte Essigsäure kann
durch nochmalige Destillation mit einer entsprechenden Menge englischer
Schwefelsäure in concentrirte verwandelt werden. Die nach dieser Destillation
zurückgebliebene verdünnte Schwefelsäure benutzt man zur Zersetzung neuer Mengen von
essigsaurem Kalk.
Ich habe hier nur den Gang der Fabrikation der Holzessigsäure im Allgemeinen
angegeben, glaube aber, daſs die beschriebene Darstellungsweise reiner Essigsäure
aus Holzessig für den Groſsbetrieb vollständig geeignet ist; sie übertrifft das
gewöhnlich in Fabriken gebrauchte Verfahren der Bereitung von essigsaurem Kalk in
folgenden Punkten: 1) Man gewinnt nach unserer Methode eine viel gröſsere Ausbeute an Essigsäure. 2) Man erhält die
Essigsäure in reinem Zustande. 3) Die Verarbeitung des
Holzessigs kann in kürzerer Zeit ausgeführt werden.
Moskau, Januar 1887.