Titel: Th. Ricour's Verbesserungen an Locomotiven und Eisenbahnwagen.
Autor: Müller-Melchiors
Fundstelle: Band 263, Jahrgang 1887, S. 113
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Th. Ricour's Verbesserungen an Locomotiven und Eisenbahnwagen. Mit Abbildungen auf Tafel 7. Ricour's Locomotive und Eisenbahnwagen. In einem früheren Aufsatze (vgl. 1885 255 * 453) sind die Verbesserungen beschrieben, welche Th. Ricour, Maschinendirektor der französischen Staatsbahnen in Tours, an den Locomotiven der ihm unterstellten Linie Clermont-Tülle durchgeführt hat. Das in der Zwischenzeit vielfach angewendete „Ricour-Ventil,“ welches, in die Dampfleitung zum Schieberkasten eingeschaltet, bei Unterdruck in dieser Leitung sich selbstthätig öffnet und damit das Eindringen von Verbrennungsproducten in den Schieberkasten und Cylinder unmöglich macht, gestattet gleichzeitig, durch Verhinderung einer übermäſsigen Erhitzung der Cylinderwandungen, den Ersatz der sonst zur Schmierung nothwendigen Pflanzenöle durch Mineralöle. Hierdurch wurde sowohl eine wesentliche und unmittelbare Ersparung in den Betriebsauslagen erzielt, noch mehr aber dadurch gewonnen, daſs die vom Pflanzenöle veranlaſsten Verlegungen der inneren Deckelflächen, Einströmkanäle und Ausströmrohre bei Anwendung des Mineralöles nicht mehr vorkommen. In weiterer Folge war deshalb die Anwendung des von Ricour erdachten Kolbenschiebers möglich, dessen feiner Mechanismus ein leicht flüssiges und nicht verharzendes Schmiermittel erfordert. Diese Verbesserungen, von denen zur Zeit des ersten Berichtes das Luftventil bei 36 Maschinen, der Kolbenschieber bei 7 Maschinen in Anwendung war, ergaben eine Ersparniſs gegenüber den im übrigen gleichartigen Locomotiven von 16 Proc. In der Zwischenzeit ist nach Th. Ricour's Bericht in den Annales des Mines, 1886 Bd. 9 * S. 110 ff., auf der französischen Staatsbahn das Ricour-Ventil an 150 und der Kolbenschieber an 30 Locomotiven eingeführt worden mit Erfolgen, welche die ursprünglich angegebenen Ersparungsziffern vollständig bestätigen. Die Kosten der Locomotivschmierung beliefen sich 1884 an einer mit Rüböl geschmierten Personenzugmaschine bei 19k für 1000 Zugkilometer auf 10,50 M.; durch die mittels des neuen Ventiles ermöglichte Anwendung von Mineralöl betrug der Schmiermittelverbrauch entsprechend 25k oder 6 M., somit 43 Proc. Preisersparung, was bei 50000 Zugkilometer im Jahre 225 M. ergibt, womit die Kosten der Herstellung und Anbringung des Ventiles mehr als dreimal gedeckt sind. Die mittels der Kolbenschieber erzielte Kohlenersparniſs wird von Ricour daraus berechnet, daſs die 40 Personenzuglocomotiven im Heizhause von Saintes im J. 1882 bei 169 Millionen Kilometertonnen 75k Steinkohle für 1000kmt verbrannten, 1884 dagegen bei 210 Millionen Gesammtverkehr nur 66k Kohle. Dies ergibt eine Ersparung von 12 Proc., welche dadurch erklärt wird, daſs im J. 1882 noch alle 40 Maschinen mit Flachschiebern versehen waren, 1884 30 davon mit Kolbenschiebern. Diese Ziffern stimmen im Verhältnisse 3 : 4 vollständig mit denen s. Z. (vgl. 1885 255 456) als Versuchsergebniſs einzelner Maschinen angegebenen 16 Proc. Die Ausführung des Luftventiles sowie des Kolbenschiebers hat nur ganz geringe Aenderungen erfahren, auf welche hier nicht näher einzugehen ist, und möge nur erwähnt werden, daſs Ricour den Ventildurchmesser im Verhältnisse zum Cylinderinhalte wählt und bis 100l Inhalt 80mm, bis 150l 90mm Durchmesser anwendet. Der Erhaltungszustand hat die ursprünglichen Erwartungen noch übertroffen, indem das Luftventil überhaupt keine merkliche Abnutzung zeigt, die Dichtungsringe der Kolbenschieber nur 0mm,5 in der Wandstärke für die ersten 100000km und späterhin, in Folge einer gewissen Härtung der Schleifflächen, noch weniger Abnutzung zeigen. Feuerschirm und Luftwiderstand-Verminderung. Die günstigen Erfolge, welche Ricour mit seinen bisherigen Verbesserungen erzielt hat, lenken die Aufmerksamkeit auf seine weiteren Versuche zur besseren Ausnutzung der Locomotivmaschine einerseits, andererseits zur Verminderung der Widerstände. Ersterem Zwecke dient die Anwendung des Feuerschirmes in der Feuerbüchse (vgl. Fig. 4 und 5 Taf. 7), während die aus Fig. 1 bis 3 bezieh. Fig. 6 Taf. 7 ersichtliche Verkleidung von Locomotiven und Wagen die aufzuwendende Zugkraft vermindern soll. Die Anwendung des Feuerschirmes (vgl. Tenbrink 1863 167 * 86. 164. 171 * 324) ist bekannt und gerade in Frankreich schon 25 Jahre in Verwendung; bemerkenswerth ist hier nur die besondere Anordnung, welche sich mehr an amerikanische Muster anlehnt.Solche Anordnungen finden sich bei der New-York, Lake Erie und Western Eisenbahn seit 1883, bei der Chicago, Burlington und Quincy Eisenbahn seit 1883; vgl. J. Pechar: Die Locomotivfeuerbüchse für Rauchverzehrung und Brennstoff-Ersparniſs in Glaser's Annalen, 1884 Bd. 14 * S. 183. 203 bezieh. als Sonderabdruck bei Spielhagen und Schurich, Wien 1884. Siehe auch Nepilly 1882 243 * 283. Uebersicht 1886 260 * 157. Die feuerfesten Ziegel sind durch Wasserrohre gestützt, welche einerseits in die Rohrwand, andererseits in die Feuerbüchsdecke münden und durch Ueberwurfmuttern gedichtet sind. Dabei ist deren Anordnung so getroffen, daſs die feuerfesten Ziegel in Gestalt eines flachen „V“ zu liegen kommen, dessen untere Spitze gegen den Rost gekehrt ist, um auf diese Weise die Flammen gegen die Seitenwände zu leiten. Der Schirm geht, im Gegensatze zu anderen derartigen Einrichtungen, bis zu 150mm lichter Weite unter die Decke, läſst aber auch seitlich einen Zwischenraum von 60mm für das Durchstreichen der Flammen. Dies ist jedenfalls ein Vortheil gegenüber der gewöhnlichen Anbringung des Feuerschirmes, welcher als eingesprengter Bogen zwischen die Seitenwände der Feuerbüchse als Widerlager eingewölbt ist, dafür aber allerdings die voraussichtlich öfterer Ausbesserung bedürftigen Wasserrohrträger vermeidet. Ricour findet die mit dieser Anordnung erzielten Erfolge zunächst in der bedeutenden Verminderung der mitgerissenen Aschen- und Kohlentheilchen, deren Betrag für 1000km Fahrtlänge von 491k auf 138k vermindert wurde und somit auch eine entsprechend geringere Abnutzung der Siederohre bedingt; ferner in dem mit dem hohen Schirme erzielten vollständigen Schütze der Rohrwand gegen den Zutritt der kalten Luft beim Oeffnen der Heizthür; endlich in der Kohlenersparniſs, welche er folgendermaſsen beziffert: Die in der Rauchkammer sich ansammelnde Flugasche hat folgende Zusammensetzung: 71 Th. reine Kohle, 5 Th. flüchtige Körper und 24 Th. Asche und entspricht angeblich 83 Proc. vom Werthe der frischen Kohle. Der der Wirkung des Feuerschirmes zuzuschreibende Unterschied beträgt daher 310k Kohle für 1000km und für 50000km Jahresleistung der Personenzugmaschine und einem Preise von 18 M. für 1l Kohlen ergibt sich eine Ersparniſs von 279 M. jährlich. Endlich ist noch die wahrscheinliche Erhöhung der Verdampfung anzuführen, über welche aber keine Angaben vorliegen, und die theilweise erzielte Rauchverzehrung. Die Herstellung der ganzen Einrichtung soll 200 M. kosten, was jedoch kaum genügen dürfte. Zur Ermittelung des in der Fahrtrichtung auftretenden Luftwiderstandes hat Ricour eine Reihe von Versuchen vorgenommen. Es wurde zunächst der Widerstand, welchen die Luft der Fortbewegung einer senkrecht zur Zugsrichtung gehaltenen Blechscheibe entgegensetzt, gemessen, indem eine Scheibe von 100qc Fläche an einem Doppelhebel befestigt wurde, dessen anderer Arm durch eine Spiralfeder dem Winddrucke entgegenwirkte und auf einem Gradbogen die jeweilige Spannung der Feder und somit den Druck der Luft angab. Bei windstiller Fahrt mit 70km Geschwindigkeit ergab eine solche Messung 49k Winddruck auf 1qm; statt der ebenen Flächen wurden dann verschieden steile Kegel – mit der Spitze in der Fahrtrichtung – angebracht, welche geringere Widerstandsziffern ergaben, je steiler der Kegel wurde, bis bei dem Verhältnisse 2 zu 3 zwischen Höhe und Durchmesser eine weitere Verminderung nur sehr schwach zur Geltung kam. In Folge dessen wurde eine Locomotive an allen senkrecht zur Fahrtrichtung gelegenen Flächen mit unter diesen Winkel geneigten Verschalungen ausgerüstet (vgl. Fig. 1 bis 3 Taf. 7); auſserdem wurden die Zwischenräume zwischen Maschine und Tender und den einzelnen Wagen (vgl. Fig. 6) durch drehbare Seitenwände möglichst knapp geschlossen und endlich die Speichenräder der Maschine mittels Holzfutter in eine geschlossene Scheibe verwandelt. Auf diese Weise soll der Luftwiderstand auf die Hälfte ermäſsigt worden sein. Dieser Coefficient wurde durch Rechnung aus der Vergleichung eines Jahresbetriebes der betreffend ausgestatteten Locomotive mit vier anderen derselben Lieferung gewonnen; der mittlere Kohlenverbrauch für 1000kmt betrug bei der Locomotive „mit Oberflächen für verminderten Luftwiderstand“ 63k,3, bei den anderen vier 70,4 bis 73k,5 und der Gewinn gegen die Durchschnittsziffer war über 12 Proc. zu Gunsten der neuen Einrichtung. Diese Versuche dürften jedoch noch nicht als abgeschlossen zu betrachten sein. Müller-Melchiors.

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