Titel: | Neuerungen an stellbaren Drehbankbrillen (sog. Lünetten). |
Fundstelle: | Band 262, Jahrgang 1886, S. 211 |
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Neuerungen an stellbaren Drehbankbrillen (sog.
Lünetten).
Patentklasse 49. Mit Abbildungen auf Tafel 14.
Neuerungen an stellbaren Drehbankbrillen.
Die nothwendige Unterstützung langer Werkstücke (Wellen u. dgl.) auf der Drehbank
wird fast allgemein durch Lager mit auswechselbaren Holzschalen, die sogen.
Setzstöcke, bewerkstelligt. Neuerdings sucht man hierfür sogen. Brillen oder
Lünetten mit verstellbaren Backen anzuwenden, womit
eine bessere Standfestigkeit der Führung erreicht werden soll.
Eine einfache und dauerhaft erscheinende stellbare Drehbankbrille mit Rollen hat J. Pohl in Köln
(* D. R. P. Nr. 36312 vom 26. Januar 1886) in Vorschlag gebracht. Der Brillenkörper
k (Fig. 10 Taf. 14) erhält
drei im Kreise gleichmäſsig vertheilte, radial gerichtete Schlitze, in welchen durch
Schrauben s verstellbare Stahlstücke g gleiten. Dieselben legen sich auf der einen Seite mit
einem Ansätze gegen den Guſskörper k an und werden auf
der Rückseite durch eine Mutter mit starker Unterlegscheibe festgehalten. Auf Zapfen
der Gleitstücke g sind die gehärteten Stahlrollen r drehbar und mittels Unterlegscheiben und
Schraubenmuttern gehalten. Der Körper k kann auf einer
beliebigen Stelle des Drehbankbettes festgeschraubt und die Stützrollen r für Werkstücke von verschiedenem Durchmesser
innerhalb ziemlich weiter Grenzen verstellt werden. Bei dieser Brille muſs jedoch
jede Stützrolle für sich unabhängig von den anderen eingestellt werden, was
zeitraubend ist.
Eine gleichzeitige Verstellung der Führungsbacken ist
der von E. Zimmermann in Lindenau-Leipzig (* D. R. P.
Nr. 35299 vom 23. Oktober 1885) entworfenen Brille eigenthümlich. Dieselbe weist
jedoch viele bewegliche Theile auf und ist nur von einer Stellschraube getragen,
dürfte also nicht genügend standfest sein. Die Backen a
(Fig. 8
und 9 Taf. 14)
sind mit dem Ringe b bei h
drehbar verbunden und mit schrägen Rückenflächen versehen. Der Ring b besitzt Aussparungen, in welche sich die Zapfen e zum Vorschieben der Backen a gegen das Arbeitstück legen. Die Stifte e
sind in den zwei Schildern f (Fig. 9) befestigt, welche
zu einem mittels der Handhaben g drehbaren und den Ring
b zwischen sich fassenden Ganzen mit einander
verbunden sind. Die Stifte e legen sich also gegen die
inneren Flächen der Aussparungen an b und gegen die
schrägen Rückenflächen der Backen a, so daſs bei
Drehung von f alle vier Backen a gleichzeitig bewegt werden; den Ring b
halten dabei in die untere Hälfte des zweitheiligen Ringes k eingreifende Zapfen fest. Der Ring f ist
nach dem Drehen festzustellen, um die Backen a in
Berührung mit dem Arbeitstücke weiterhin zu erhalten. Zu diesem Festhalten des
Ringes f dient der zweitheilige Ring k, welcher den Ring f
zwischen sich durch die Schraube l festzuklemmen
gestattet. Der Ring k wird mittels der Stützschraube
m am Drehbankbette befestigt. Die vielen Gelenke
und die Zapfen e werden ein genaues Einstellen der
Backen a besonders nach längerem Gebrauche des
Apparates kaum ermöglichen.
Die beiden besprochenen Lünetten sind nur zum Abdrehen cylindrischer Werkstücke
brauchbar. Eine Drehbankbrille, welche auch beim Abdrehen
kegelförmiger Arbeitstücke verwendet werden kann, ist von F. Pichot in Angers, Frankreich (* D. R. P. Nr. 28941
vom 4. März 1884) angegeben und in Fig. 11 Taf. 14
dargestellt. Die drei Stützbacken C, D und E werden während der Arbeit der herzustellenden
Kegelform entsprechend gegen das Werkstück gleichmäſsig selbstthätig vorgeschoben. Zu diesem Zwecke sind die Gleitstücke der
Backen C und D in
Schlitzen des Brillenkörpers A durch die
Schraubenspindeln I und K
verschiebbar, während der Backen E mit einem
Gleitstücke in dem wagerechten Schlitze von A von der
Spindel F aus verschoben wird. Letztere ist mit den
Spindeln I und K durch
Kegelräder H verbunden und wird von der Scheibe G aus dadurch in Drehung versetzt, daſs man auf diese
Scheibe einen Draht aufwickelt, dessen Enden an dem Drehbankgestelle passend
befestigt werden. Natürlich müssen die Schraubenspindeln I,
K und F ganz bestimmte Gewindesteigungen
besitzen, wenn sich die Backen C, D und E gleichzeitig gleichmäſsig dem Arbeitstücke nähern
oder von demselben entfernen sollen. Die Steigung des herzustellenden Kegels ist
jedesmal von der Gröſse der Scheibe G abhängig und zwar
entspricht eine kleine Scheibe einer groſsen und eine groſse Scheibe einer kleinen
Neigung.
In Bezug auf die Führung des Werkstückes durch drei Backen wie bei der vorstehend
beschriebenen Anordnung, nur daſs die Backen C und D ebenfalls wie der Backen A wagerecht im Körper A verstellt werden,
scheinen Drehbankbrillen neuerdings mehrfach ausgeführt zu werden. Verschiedene
Drehbänke auf der Ausstellung in Antwerpen 1885 besaſsen solche Brillen.
Es ist anzuführen, daſs sowohl bei diesen, als auch bei der Zimmermann'schen Lünette die Stützbacken auf dem Arbeitstücke gleiten und
dasselbe daher in einem gewissen Grade zu glätten vermögen.
Schlieſslich ist noch die für Uhrmacher, Goldarbeiter
u.s.w. bestimmte Lünette von H. M. Potter in
Williamsport, Nordamerika (* D. R. P. Nr. 27 336 vom 6. November 1883) zu erwähnen.
Die drei Backen dieser Brille, welche das Arbeitstück mit ziemlich scharfen Kanten
stützen, werden auf dieselbe Weise, wie die Schneidbacken bei der Selleri'schen Gewindeschneidmaschine gegen einander
verschoben und dann durch eine Klemmschraube in der richtigen Lage zum Werkstücke
festgehalten. Für bestimmte Uhrmacherarbeiten ist die Lünette noch mit mehreren
dafür bestimmten Werkzeugen in Verbindung gebracht.