Titel: | Die Telephonanlage der Wiener Privat-Telegraphen-Gesellschaft für Musikübertragung während der Wiener Ausstellung 1883. |
Fundstelle: | Band 256, Jahrgang 1885, S. 270 |
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Die Telephonanlage der Wiener
Privat-Telegraphen-Gesellschaft für Musikübertragung während der Wiener Ausstellung
1883.
Mit Abbildung.
Telephonanlage für Musikübertragung.
Während der Dauer der elektrischen Ausstellung in Wien hatte die Wiener Privat-Telegraphen-Gesellschaft eine von dem
Direktionsingenieur der Gesellschaft A. Kittel
entworfene und unter seiner Leitung ausgeführte Telephonanlage in der Rotunde in
Betrieb, welche die Verbindung mit dem k. k. Hof-Operntheater für Uebertragung von
Opern, die Verbindung mit dem Concertsaale des Wiener Rollschuh-Club für
Uebertragung von Concertmusik bezieh. für Uebertragung des Kärnthner Quintettes der k. k. Hof-Oper
abwechselnd mit Streichquartett, die Verbindung Korneuburg-Wien-Baden für
Uebertragung eines von verschiedenen an den genannten beiden Orten weilenden
Personen gleichzeitig aufgeführten Musik-Duettes, die für den kaiserlichen Hof
eingerichtete, 7 Paar Hörtelephone enthaltende Hofloge, mit welcher alle
vorgenannten Linien verbunden werden konnten, endlich die für den Controldienst
bestimmte Dienstzelle umfaſste.
In derselben wurden nach der Wochenschrift des
österreichischen Ingenieur- und ArchitektenvereinsArchtitektenvereins, 1884 S. 277 als Empfänger die gewöhnlichen Abonnenten-Telephone
von O. Schäffler, als Sender die von der Gesellschaft
benutzten Mikrophone Kittel's verwendet. Die letzteren
sind Pendel-Mikrophone mit mehrfachem Contact; sie besitzen drei neben einander in
ihren Achslagern sehr leicht beweglich hängende Metallhebel, deren Achsen in einer
Geraden liegen, während die Hebel mit den an ihre unteren Enden angeschraubten
Kohlenklötzchen auf drei an der Schallplatte befestigten Kohlencylindern ruhen; der
mittelste Hebel ist merklich kürzer als die beiden seitlichen. Zwei aufrechtstehende
Federn drücken die mit einem Gummiringe umspannte Membran an das Holzgehäuse fest
und dienen gleichzeitig zur Dämpfung und zur Stromzuführung. Die Schaltung zeigt
nichts Besonderes. Die aus zwei Elementen bestehende Mikrophonbatterie sendet ihren
Strom durch die primäre Spule des Inductors erst dann, wenn das Telephon, welches
mittels eines isolirten Drahtes an einem Umschalterhaken hängt, zum Ohre
emporgehoben wird, wobei der emporgehende Umschalterhebel erst den Lokalstromkreis
schlieſst. Der vom hängenden Telephon auf dem unteren Contacte festgehaltene Hebel
schlieſst den Linienstromkreis bloſs durch die Signalglocke und dabei ist zugleich
durch eine federnde Taste die Inductionsspule des Magnetinductors kurz geschlossen;
während also die Signalglocke dienstbereit ist, muſs beim Rufen mittels des
Magnetinductors zugleich die Taste gedrückt werden. Geht der Hebel beim Heben des
Telephons in die Höhe, so schaltet er die Signalglocke und den Magnetinductor aus
und statt deren das Telephon und die zweite Spule des zum Mikrophon gehörigen
Inductors ein.
Die Verbindung mit dem 6km,5 entfernten Opernhause
wurde durch 3 Doppelleitungen hergestellt, von denen zwei der telephonischen
Musikübertragung und die dritte dem dienstlichen Verkehre dienten; diese 6 Leitungen
(1mm starker Patent-Silicium-Bronzedraht)
waren auf gewöhnlichen Telegraphenstangen aufgezogen und liefen 6km,3 offen durch den Prater und die Stadt bis zum
Dache des Hof-Operntheaters, von wo sie in der ungefähren Länge von 300m in einem Kabel vereinigt durch das Gebäude hinab
bis in die Versenkung unter der Bühne geführt wurden, woselbst die Batterien u.s.w.
aufgestellt waren. In der Stadt waren die zahlreichen bestehenden Telegraphen- und
Telephonleitungen möglichst senkrecht und wenigstens im Abstande von 500mm
gekreuzt worden, um die
schädlichen Einwirkungen durch Induction zu vermeiden. Die Aufstellung der 12
Mikrophone auf der Bühne ist aus der beigegebenen Textfigur zu ersehen, welche auch
über die Führung der Leitungen zu den Batterien Aufschluſs gibt. Wie bei den
Versuchen in Paris, waren je zwei Mikrophone von beiden Seiten des Souffleurkastens
mit einander verbunden.
Die Batterien bestanden aus 48 Leclanché-Elementen; je 24 derselben waren während
eines Actes oder Aufzuges in Thätigkeit; die Zwischenzeiten wurden zum Umschalten
benutzt. In der Figur ist bloſs die eine Gruppe B1 und B2 der Batterien gezeichnet, welche durch die
dickeren Drähte mit den 6 Mikrophonen gerader Nummer verbunden sind. Je nach der
Stellung des Umschalters u wird von dieser Gruppe die
Abtheilung B1 oder die
Abtheilung B2 benutzt.
Wie diese Gruppe mittels der Drähte p, q mit diesen 6
Mikrophonen und dem Inductor J und der Doppelleitung
L1 verbunden ist,
so ist die zweite Batteriegruppe durch die dünneren Drähte mittels der Drähte m und n mit den anderen 6
Mikrophonen, einem zweiten Umschalter und Inductor und einer zweiten Doppelleitung
verbunden.
Textabbildung Bd. 256, S. 272
Die primäre Leitung Rotunde-Rollschuh-Club empfing ihren Strom
gleichfalls von diesen Batterien. Die Aufstellung der Sender auf der Bühne begegnete
groſsen Schwierigkeiten und man muſste sich während der verschiedenen Opern
bedeutend mit der Stellung der Schalltrichter nach der Stellung der Solosänger und
der Chöre richten; die Hälfte der Mikrophone war hauptsächlich zur Aufnahme der
orchestralen Schallwellen bestimmt. Die Sender waren, um der vorstehend gedachten
Aufgabe gerecht zu werden, auf 0m,5 hohen hohlen
Eisenständern aufgebracht, die sich mitsammt den Schalltrichtern beliebig drehen
lieſsen. Auch hier standen die Sendergestelle nicht unmittelbar auf dem Bühnenplan,
sondern reichten, durch Ausschnitte in letzterem hindurchgehend, bis auf die
Versenkungsgesperre hinab, auf denen sie mittels dicker Kautschukunterlagen
angeschraubt waren.
Die Wirkung dieser Musikübertragung, sowohl was Gesang als was Orchester anlangte,
war nach dem allgemeinen Urtheile eine ganz vorzügliche, sofern sich die betreffende
Opernmusik überhaupt hierfür eignete. Es waren zwei Telephonkammern, jede zu 16 Paar
Empfängern zur Verfügung, welche abwechselnd von 10 zu 10 Minuten derart aus- und
eingeschaltet wurden, daſs, während die eine Zelle von Zuhörern besetzt war, die
andere sich leerte.
Die Verbindung mit dem Rollschuh-Club war hauptsächlich mit Rücksicht darauf
hergestellt worden, daſs die Musikübertragung vom Opernhause nur in den Abendstunden
und auch da nicht an allen Tagen stattfinden konnte; die Entfernung des im Bezirke
Landstraſse in der Zollamtstraſse gelegenen, vollkommen bedeckten Saales des
Skating-Club von der Rotunde betrug 3km,5; die
Leitung war ganz in derselben Weise wie die vom Opernhause kommende mit zwei
Silicium-Bronzedrähten ausgeführt. In der Concerthalle, woselbst eine
Streichmusik-Capelle mit Gesangsvorträgen abwechselte, waren 8 Mikrophone, System
Kittel, an den 4 Wänden vertheilt aufgehängt. Für
die Zuhörer stand Nachmittags von 2 bis 5½ Uhr eine Zelle mit 30 Paar Telephonen,
welche hinter einander geschaltet waren, zur Verfügung und an Abenden, an denen
keine Opernvorstellungen stattfanden, wurden auch die 32 Paar Hörtelephone der
Opernzellen für diese Musikübertragung herangezogen.
Die Verbindung Korneuburg-Wien-Baden in der Gesammtlinienlänge von 85km gestattete, ähnlich wie dies im J. 1882 schon
zwischen München (Tutzing und Oberammergau) durchgeführt worden war (vgl. 1882 246 132), die in so weit entfernten Orten wie Korneuburg
und Baden von verschiedenen Personen gleichzeitig
gebotenen musikalischen Einzelvorträge in der Rotunde
als harmonische Gesammtleistung zu vernehmen. Zwischen
den 3 Orten war eine einfache, aus 3mm starken,
längs den Telegraphenleitungen geführte Verbindung eingerichtet, in welche,
gewissermaſsen als Mittelglied, in der Rotunde ein Zuhörerraum mit 12 Paar hinter
einander geschalteten Hörtelephonen, wie sie die Wiener
Privat-Telegraphen-Gesellschaft bei ihren Abonnentenstationen im täglichen
Gebrauche hat, sowie der Controlapparat der Dienstzelle mit Wecker und Sprechapparat
eingeschaltet war. Den Strom für diese Verbindung lieferte ein Paar
Leclanché-Elemente, wie diese für die Abonnentenstationen der Gesellschaft im
Gebrauche sind.
Die beiden mitwirkenden Personen waren mit sogen. Telephonhauben ausgerüstet,
bestehend aus einem an der Innenseite gepolsterten Stahlbügel, mittels dessen zwei
flache, in die Leitung eingefügte Hörtelephone an beide Ohren angedrückt gehalten
wurden; während also z.B. eine Dame in Baden ganz genau das Spiel eines Herrn in Korneuburg hörte, war
es ihr leicht möglich, in gleichem Rhythmus dazu zu singen; und da sie sich hierbei
stets der Schallmembran eines gleichfalls in die Leitung eingeschalteten
Sprechtelephones zugewendet hielt, gelangten die Undulationswirkungen ihres Gesanges
zu den Ohren des die Begleitung spielenden Herrn in Korneuburg, welcher sich somit
sehr leicht mit seinem Spiele dem Gesänge anpassen konnte.
Bei der Klavierbegleitung stand das Mikrophon auf dem Resonanzboden des Klaviers; bei
anderer Musik war es dem Instrumente zunächst aufgehängt.
Im Anschlusse hieran sei noch eine erst gegen Ende der Ausstellung ausgeführte Anlage
von Protaszewicz erwähnt, welche die Musik vom
Restaurant nächst dem Bahnhofe der elektrischen Eisenbahn vor dem Nordthore nach
zwei Telephonkammern in der russischen Abtheilung (300m) übertrug und laut, d.h. ohne Benutzung besonderer Hörtelephone zu Gehör
brachte. Die Mikrophone für Streichmusik hatten keine besondere schwingende Membran,
waren vielmehr an den Instrumenten selbst befestigt; als Contact besaſsen sie zwei
Platinspitzen und zwischen diesen ein geheim gehaltenes Pulver. Die Mikrophone für
Blasinstrumente, Gesang und Sprache besaſsen eine doppelte Membran, von denen die
vordere aus einem gespannten Gummihäutchen, die hintere aus feinem Stahlblech
bestand, während der Contact selbst wie bei den Mikrophonen für Streichmusik zu
Stande kommt.