Titel: | Neuere Gaskraftmaschinen mit mehreren Kolben in demselben Cylinder. |
Autor: | Mg. |
Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 412 |
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Neuere Gaskraftmaschinen mit mehreren Kolben in
demselben Cylinder.
Patentklasse 46. Mit Abbildungen im Texte und auf
Tafel 29.
Gaskraftmaschinen mit mehreren Kolben in demselben
Cylinder.
Die Verwendung von zwei Kolben in demselben Cylinder ist mehrfach für Gasmaschinen
vorgeschlagen und ausgeführt worden. Das Gemenge wird in diesen Fällen zwischen
den beiden Kolben, deren Stangen nach beiden Cylinderenden hinausragen und hier in
geeigneter Weise mit einander bezieh. mit der Arbeitswelle gekuppelt sind, angesaugt
bezieh. verdichtet und dann derart entzündet, daſs beide Kolben unter
Arbeitsverrichtung aus einander getrieben werden (vgl. Gilles 1877 225 * 322. Funk, Kindermann bezieh. Hannoversche
Maschinenbau-Actiengesellschaft 1883 247 * 102).
Ferner wurde von der Deutzer Gasmotoren-Fabrik (1883
247 * 104) ein zweiter Kolben neben dem Arbeitskolben
im Cylinder verwendet, um die Verbrennungsrückstände gründlich auszufegen und ein
neues Gemenge anzusaugen. Neuerdings ist nun die Verwendung von zwei und mehr Kolben
in demselben Cylinder wesentlich zur Erreichung des letzteren Zweckes mehrfach
vorgeschlagen worden. In erster Linie scheint es darauf angekommen zu sein, die
Verbrennungsrückstände aus dem Cylinder zu schaffen, um dann ein möglichst
gleichförmiges Luft- und Gasgemisch zur Verbrennung zu bringen. Ob dies angestrebt
wird, weil die Ueberzeugung vorhanden ist, daſs ein solches plötzlich verbrennendes
Gemisch besser wirkt als ein mit indifferenten Gasen gemäſs dem Deutzer Patente Nr.
532 (vgl. 1878 230 * 292. 1883 247 * 97) gemischtes, langsamer verbrennendes Gemenge, oder ob nur nach
Constructionen gestrebt wird, welche nicht nach dem in Nr. 532 geschützten
Arbeitsverfahren arbeiten, also nicht unter den weitgehenden Schutz dieses Patentes
fallen, sei dahin gestellt.
Nach dem Vorschlage von M. Hecking in Dortmund (* D. R.
P. Nr. 24556 vom 27. December 1882) wird neben dem Arbeitskolben ein Hilfskolben
benutzt, welcher das explosive Gemenge zwischen sich und dem Arbeitskolben einsaugt,
verdichtet und nach erfolgter Entzündung hinter den Arbeitskolben schiebt.
Der Kolben k1 (Fig. 1 bis 3 Taf. 29) ist durch die
Pleuelstange mit der einfach gekröpften Hauptwelle verbunden; der eigentliche
Treibkolben k2,. dessen
Kolbenstange durch die zu diesem Zwecke durchbohrte Kolbenstange des anderen Kolbens
hindurchtritt, ist in seiner Bewegung zwischen k1 und dem Cylinderboden durch die auf seiner
Kolbenstange befindlichen Stellringe p1, p2, welche an den auf dem Maschinenrahmen befestigten
Nocken n anstoſsen, begrenzt.
Die Wirkungsweise ist nun derartig, daſs der durch die Explosion
des Gemisches gegen den Kolben k1 angedrückte Kolben k2 vor Ende des Hubes durch Anstoſsen an
den Nocken n (Fig. 2) festgehalten wird,
während k1 seinen Hub
vollendet. Der dadurch zwischen k1 und k2 (Fig. 1) entstehende
luftverdünnte Raum bewirkt das Ansaugen von Luft und Gas durch die Oeffnung s, vor welcher entweder ein Rückschlagventil angebracht
wird, oder welche mittels Hahn bezieh. Schieber von der Hauptwelle aus rechtzeitig
geöffnet und wieder geschlossen wird. Beim Rückhube wird das so angesaugte Gemenge
zwischen beiden Kolben mitgenommen. Um während dieser Zeit ein Zurückbleiben des
Kolbens k2 in Folge
seiner Reibung an der Cylinderwandung zu verhüten, kann die in den Fig. 1 bis 3 angedeutete Einrichtung
getroffen werden. Der an der zu k1 gehörigen Kolbenstange befestigte Winkelhebel h4 hat an einem Ende
eine Klinke, welche in der Stellung Fig. 1 den Kolben k2 festhält und erst
nach vollendetem Rückhube ausgelöst wird. Sobald diese Auslösung erfolgt ist, wird
der Kanal v, welcher den zwischen beiden Kolben
bleibenden Raum mit der anderen Seite des Kolbens k2 (Fig. 3) verbindet, durch Hahn- oder
Schiebersteuerung geöffnet. Gleichzeitig wird der Kolben k2 durch die von der Hauptwelle aus
mittels Excenter bewegte Hebelvorrichtung h1, h2, h3 wieder ein Stück vorgezogen, so daſs ein Theil des
Genienges auf die andere Seite des Kolbens übertreten kann.
Hierauf findet die Zündung statt; die Explosion treibt den Kolben
k2 vorwärts und der
zwischen k1 und k2 verbliebene Rest des
brennbaren Gemisches tritt allmählich vollends durch v
über und gelangt zur Verbrennung. Der Kanal v hat
mehrere Verbindungen mit dem Cylinder, damit bei der Vorwärtsbewegung der Kolben
auch dann noch Gemisch übertreten kann, wenn k2 die erste Oeffnung überschritten hat. Die zwischen
k1 und k2 eingeschlossenen
Gase bilden namentlich zu Anfang der Verbrennung ein federndes Kissen, wodurch die
Stoſswirkung auf die mit dem Kolben verbundenen Arbeitstheile verringert werden
soll.
Die mitgetheilte Arbeitsweise hat Hecking (Zusatz * D.
R. P. Nr. 28180 vom 11. Januar 1884) nach Fig. 4 Taf. 29
abgeändert.
Das Gemenge wird vor Beendigung des Arbeitsausschubes durch
Stutzen s angesaugt, indem der Kolben k2 durch Anstoſsen des
Stellringes h an den Nocken p mitgenommen wird. Der Verbindungskanal v
wird während dieser Zeit geschlossen gehalten. Sobald k1 seinen Rückhub vollendet hat, empfängt
die Kolbenstange des Kolbens k2 von der Kurbelwelle aus mittels Excenter o. dgl.
einen Anstoſs nach dem Cylinderboden zu unter gleichzeitiger Oeffnung des
Verbindungsweges v und bei a tritt eine geeignete Zündvorrichtung in Thätigkeit, worauf der
Arbeitsausschub erfolgt.
Anstatt den Kolben k2 behufs Einleitung der Verbrennung von der
Hauptwelle aus zu bewegen, kann eine Feder f
eingeschaltet werden, welche beim Ansaugen des Gemisches gespannt wird. Diese
Spannung hält während des Rückhubes an, da ein Entweichen der angesaugten Gase erst
nach Oeffnen des Verbindungsweges v geschehen kann;
letzteres geschieht, sobald die Zündung stattfinden soll.
In gleicher Weise, wie eben beschrieben, wirken die beiden Kolben derjenigen
Maschine, welche von der Bull's Power Company Limited in Liverpool (* D. R. P. Nr. 29709 vom 10. Februar
1884) angegeben ist.
Das Gemisch wird hier nicht durch einen Kanal (v), sondern durch selbstschlieſsende Ventile, welche in
dem Hilfskolben in bekannter Weise vorgesehen sind, zwischen beide Kolben
gebracht.
Die Entzündung findet in der Stellung Fig. 6 Taf. 29 durch das
Zündventil P statt. Wenn der Arbeitskolben B (Fig. 7) dann über die
Auspufföffnung a3
vorgetrieben ist, wird der Hilfskolben D durch eine auf
der Triebwelle sitzende Curvenscheibe E, E1 und Gestänge G, G1, G2, D1 vorbewegt, um die Rückstände durch die Oeffnung
a3 auszutreiben.
Gleichzeitig saugt der Kolben D hinter sich ein
frisches Gemenge in den Cylinder, um dasselbe beim Rückschube, welcher zunächst
durch den Kolben B und dann durch das Gestänge erfolgt,
zu verdichten und durch die selbstthätigen Ventile d1 in den Explosionsraum zwischen beide Kolben zu
drängen. Die Ventile d1
werden durch den Rückschlag der Explosion geschlossen.
Die Patentschrift weist noch auf einige bemerkenswerthe Neuerungen
hin. So ist neben der Kühlung des Cylinders in eigenartiger Weise auch eine Kühlung
der Kolben und Kolbenstangen vorgesehen. Das Kühlwasser für den Zylinder kreist in
dem Räume, welcher durch die mittels Rippen a1 an die innere Cylinderwandung A angeschlossene Ausfütterung a gebildet wird. Gekünstelter sind die Kühlkanäle für Kolben und
Kolbenstangen. Der Kolben B ist mit seinem Kreuzkopfe
B1 aus einem Stücke
gefertigt, in welchem die Kanäle B2 angebracht sind. Der ebenfalls hohle Hilfskolben
D steht mit diesem Kanäle B2 durch das Rohr d in Verbindung, welches in dem Kolben B
abgedichtet sein muſs. Den Umlauf des Wassers bewirkt die Pumpe c, welche je einen Kolben b bezieh. b1
für den Hin- und Hergang des Wassers besitzt. Es ist zu beachten, daſs beide Kolben
B und D am Umfange
durchbrochen sind, damit auch die Cylinderwandung a von
dieser Seite gekühlt bezieh. wohl auch geschmiert wird.
Das Gaszuleitungsventil bei J (vgl.
Fig. 6,
8 und 9) wird durch
ein auf der Welle L sitzendes Excenter K geöffnet und geschlossen. L wird durch ein Vorgelege von der Triebwelle gedreht. Ein Kugelregulator,
welcher durch Kegelräder von der Welle L gedreht wird,
stellt das Ventil J derart, daſs es geschlossen bleibt,
wenn die Maschine zu schnell läuft. Mit dem Regulator steht nämlich durch einen
Hebel die um die Welle L liegende Hülse L2 in Verbindung,
welche durch einen Arm x den zwischen zwei Schiebern
n, n1 liegenden
Block l hebt oder senkt. Von diesen beiden Schiebern
wird n von dem auf L
sitzenden Excenter K hin- und hergeschoben, um diese
Bewegung durch den Block l dem Schieber n zu übermitteln, welcher durch das Gelenk j das Gasventil J öffnet
oder schlieſst. Wird der Block l bei beschleunigtem
Gange der Maschine von dem Regulator durch die Hülse L2 gehoben, so ist die Verbindung zwischen
den Schiebern n und n1 unterbrochen, so daſs letzterer der Bewegung des
Schiebers n nicht mehr folgen und deshalb auch das
Gasventil nicht mehr öffnen kann, bis bei normaler Geschwindigkeit der Block l sich wieder zwischen beide Schieber legt. Eine Feder
j1 schlieſst das
Ventil J selbstthätig.
Drei Kolben in demselben Cylinder verlangt die Construction von W. E. Hale in Chicago (* D. R. P. Nr. 27685 vom 1. Mai
1883). Der Arbeitskolben befindet sich hinter beiden Hilfskolben. Zwischen den
beiden Hilfskolben wird Luft angesaugt, welche einestheils zur Ausfegung der
Verbrennungsrückstände aus dem Cylinder, anderentheils zur Bildung des Gemenges
benutzt wird, zu welchem Zwecke die Luft in den Füllungsraum hinter dem
Arbeitskolben gedrückt wird.
Auf der Kolbenstange a (Fig. 5 Taf. 29)
des Arbeitskolbens B sitzt der Tauchkolben B1, welcher mit nach
einwärts sich öffnenden Ventilen v versehen ist, ferner
der Verdichtungskolben B2. Letzterer ist auf der Kolbenstange a
verschiebbar und sitzt an zwei durch den Kopf des Kolbens B1 dicht schlieſsend führenden
Kolbenstangen d, an welchen der Kreuzkopf d1 sitzt. Die
Pleuelstange b des Tauchkolbens B1 greift an den Zapfen der Hauptkurbel
c der Welle C an,
während die Pleuelstange d2 des Kolbens B2 an den Zapfen d3 der Gegenkurbel d4 angreift. Die Pleuelstange b des Kolbens
B ist zur Aufnahme des Kreuzkopfes d1 mit einem
bogenförmigen Schlitze versehen, so daſs der Kreuzkopf in diesem gleitet, während
die Pleuelstange b schwingt.
Fig. 1., Bd. 255, S. 414
Fig. 2., Bd. 255, S. 414
Fig. 3., Bd. 255, S. 414
Fig. 4., Bd. 255, S. 414
Fig. 5., Bd. 255, S. 414
Fig. 6., Bd. 255, S. 414
In der gezeichneten Stellung wird die im hinteren Cylinderende
gebildete Ladung durch einen seitlich vorgesehenen Schlitz q entzündet. Dann bewegen sich die Kolben des Cylinders A vorwärts, der Kolben B2 bewegt sich aber wegen des längeren
Kurbelarmes, an welchen seine Pleuelstange d2 angreift, schneller, so daſs er vom Kolben B sich entfernt, wie in dem Diagramme Textfigur 1 dargestellt ist; zugleich wird die Luft,
welche beim vorhergegangenen Einwärtshube durch Ventile v eingedrungen war, zwischen den Kolben B2, B1 verdichtet.
Wenn der Kolben B1 den Kanal i und der
Kolben B2 den Kanal t überschreitet, so strömt die Luft durch den Kanal f nach dem Räume zwischen den Kolben B2, B1, und wenn der Kolben
B den Kanal t
überschreitet (vgl. Textfigur 2), so wird die
verdichtete Luft in den Raum hinter dem Kolben B
befördert und führt beim Durchstreichen dieses Raumes durch den Auspuffkanal e und das Ventil e1 die Verbrennungsrückstände ab. Nunmehr befinden
sich der Arbeitskolben B und der Tauchkolben B1 am Ende ihres
Auswärtshubes, der Kolben B2 setzt dagegen seine Bewegung in der Pfeilrichtung fort (vgl. Textfigur 2 und 3), bis
derselbe den Gaskanal s freimacht und Gas ansaugt,
welches sich mit der in dem Räume zwischen den Kolben B,
B2 befindlichen Luft vermischt.
Bei der Einwärtsbewegung verdrängt der Kolben B (Textfig. 4) die
hinter demselben befindliche Luft durch den Kanal e,
der Kolben B2 entfernt
sich vom Kolben B1 und
verdichtet die zwischen B2 und dem Kolben B befindliche Ladung; in der
Lage Textfigur 5 ist die Ladung bis zur gröſsten
Dichtigkeit gebracht. Nun nähert sich der Kolben B dem
Kolben B2 (vgl. Textfig. 6) und die Ladung wird ohne Expansion durch
die im Inneren des Arbeitscylinders angeordneten Kanäle h hinter den Kolben B übergeführt. Der Kolben
B bewegt sich auswärts, bis derselbe mit dem Kolben
B2 in Berührung
kommt, welcher während dieser Zeit fast bewegungslos bleibt. Jetzt befindet sich die
Kurbel c in einer Stellung, daſs die nun folgende
Explosion ihre Wirkung zur Drehung der Achse am vortheilhaftesten äuſsert.
Die Bewegung des Gaszulaſsventils s
wird durch einen Regulator beeinfluſst.
Während bei den bisher angeführten Maschinen sämmtliche Vorarbeiten zur Bildung des
Gasgemenges u.s.w. in demselben Arbeitscylinder selbst geleistet wurden, hat J. Graddon in Forest Hill, England (* D. R. P. Nr.
28176 vom 16. Juni 1883) einen Ladungs- und einen Arbeitscylinder angeordnet, so
daſs sich die Wirkungen auf zwei Cylinder vertheilen. In jedem Cylinder sind zwei
Kolben thätig, ferner sind beide Cylinder durch einen Schieber getrennt.
Im Verdichtungscylinder A (Fig. 10 Taf.
29) hat der Kolben a einen gröſseren Hub als a1; beide Kolben
besitzen Ventile, welche sich nach dem hinteren Cylinderende öffnen. In der
gezeichneten Stellung ist der Raum zwischen den Kolben a und a1 mit
einer verdichteten Mischung gefüllt. Dreht sich die Kurbel c weiter, so wird diese Mischung durch die Ventile d des Kolbens a1 hindurch gedrückt. Die Mischung geht unter geringer fernerer Verdichtung
durch den Kanal b in den Arbeitscylinder B zwischen dessen Kolben b1, b2, welche in diesem Augenblicke nahe bei einander
und in der Mitte des Cylinders stehen. Erfolgt nun die Zündung, so werden die Kolben
in gleicher Weise wie bei den ältesten Maschinen dieser Art aus einander getrieben,
um diese Bewegung durch die Kolbenstangen b3, b4 auf die Kurbelwelle c
zu übertragen. Am Ende des Hubes dieser Kolben öffnet sich der Auspuff, während je
eine weitere Ladung durch das zwischen beiden Cylindern angebrachte Schieberventil
vor den Kolben b1 und
hinter den Kolben b2
gebracht und entzündet. wird. Auf diese Weise wird bei jeder halben Umdrehung der
Kurbelwelle eine Wirkung hervorgebracht. Die Kolben a,
a1 bewegen sich in entgegengesetzter
Richtung, so daſs der Kolben a durch seine Ventile d1 eine neue Ladung
einsaugt, wenn der Kolben a1 die Verdichtung der von demselben vorher angesaugten Ladung vollendet
und letztere durch die Ventile d fortgedrückt hat.
Die am Cylinder B angebrachte Pumpe
O soll das Ausfegen der Verbrennungsrückstände
durch Aussaugen befördern.
Die Stange des Kolbens a1 geht durch die des Kolbens a hindurch und wird durch eine Stange a2 vom Excenter a3 aus bewegt. Die Excenter c steuern den Schieber zwischen beiden Cylindern.
Mg.