Titel: | G. Fernau's Carbonisationsverfahren für Wollkämmereien. |
Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 241 |
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G. Fernau's Carbonisationsverfahren für
Wollkämmereien.
Patentklasse 29. Mit Abbildungen auf Tafel 17.
Fernau's Carbonisationsverfahren für Wollkämmereien.
Da das in Wollkämmereien von der Krempel oder der Grobspulenbank erhaltene Band wegen
seiner Unregelmäſsigkeiten ein gleichmäſsiges Tränken im Säurebade behufs Zerstörung
der der Wolle beigemengten pflanzlichen Unreinigkeiten erschwert, so suchen G. Fernau und Comp. in Bruges, Frankreich (* D. R. P.
Nr. 27794 vom 12. August 1882) durch Vereinigung mehrerer Bänder zu einem Vlieſse
diesen Uebelstand zu verringern, wie dies auch bei dem Verfahren von Snoeck (vgl. 1883 249 * 305)
der Fall ist. Die einzelnen Bänder werden jedoch nicht einfach neben einander
liegend als Vlieſs behandelt, wie dort, sondern erhalten zuvor eine bessere
Verbindung unter einander, welche auch nur die Verminderung des genannten
Uebelstandes bedingt. Zu diesem Zwecke werden, wie aus der Schema tischen Figur 2 Taf. 17
hervorgeht, die von einem Spulenrahmen kommenden, durch das Walzenpaar A zugeführten Bänder von Nadelkämmen G, welche durch Schraubenspindeln wie in den bekannten
sogen. Gillbox bewegt werden, bearbeitet und dann als Vlieſs von gleichmäſsiger
Stärke durch das Walzenpaar B dem Säurebade P zugeleitet. In diesem Bade wird das Vlieſs durch eine
Reihe Walzenpaare C geführt, d.h. nach erfolgtem
Ansaugen immer wieder zusammengedrückt, auf welche Weise das vollkommene
Durchdringen des Vlieſses mit der Säureflüssigkeit gesichert ist; nach dem Austritte
aus dem Säurebade findet durch das starke Walzenpaar D
eine vollkommene Auspressung statt.
Der Säurebehälter P ist hufeisenförmig angeordnet und
läuft in den beiden Längsseiten je ein Vlieſs, damit eine in dem schmalen
Zwischenräume der Längsseiten stehende Arbeiterin gleichzeitig zwei Vlieſse bequem
überwachen kann; der Antrieb der Walzen ist natürlich auf den beiden Auſsenseiten
anzubringen. Die Walzen C sind gegen die Säure mit
Schwefel bekleidet, die Zapfen und Lager derselben aus einer passenden
Antimon-Blei-Zinn-Legirung und die guſseisernen Walzen D aus gleichen Gründen mit einer Umhüllung von Kautschuk oder Hartgummi
versehen. Damit sich bei dem starken Drucke die Kautschukhülle nicht loslöst,
versieht man die Walzenkörper mit Nuthen oder Erhöhungen.
Nach dem Auspressen des mit Säure getränkten Wollvlieſses gelangt dasselbe in eine
durch am Boden angebrachte Heizröhren H erwärmte
Kammer, in welcher die Verkohlung der pflanzlichen Beimengungen vor sich geht. Die
Erwärmung erfolgt durch Feuergase eines Kokesofens, welche die Blechröhren H durchziehen, auf welche Weise leichter die
erforderliche hohe Temperatur zu erhalten ist als mit Dampf, jedoch wieder
schwieriger als bei Dampfheizung zu regeln und auf bestimmter Höhe gleichmäſsig zu
erhalten sein wird. Das Wollvlieſs tritt oben in die Heizkammer ein, wird in
derselben durch endlose, abwechselnd nach verschiedenen Richtungen laufende Tücher
T hin- und hergeführt und tritt unten wieder aus.
Es ist also hier für die Carbonisation das Gegenstromprinzip in Anwendung und kommt
das Wollvlieſs erst nach und nach, wenn es immer mehr vorgetrocknet, mit der ganz
heiſsen Luft in Berührung. Dieser Vorgang ist nicht unwichtig für das gute Gelingen
des ganzen Verfahrens; denn es muſs, ehe das Verkohlen der pflanzlichen Stoffe durch
die Sauerstoffentziehung vor sich gehen kann, die gesammte Feuchtigkeit aus der mit
Säure getränkten Wolle entfernt werden, wenn die Wolle in ihrer Elasticität nicht
geschädigt, durch die Säure nicht angegriffen und dadurch schmutzig-gelb werden
soll. Der Weg des Wollvlieſses in der Kammer ist in derselben Absicht auch ein sehr
langer. (Die Kammer ist in der Figur in ihrer Höhe verkürzt wiedergegeben.)
Die verkohlten Unreinigkeiten werden hierauf, indem das Wollvlieſs durch drei
Preſswalzenpaare F läuft, zu Staub zerdrückt. Zur
Absonderung dieses Staubes aus dem Wollvlieſse dienen nun eine ganze Anzahl von
Vorrichtungen. Zur besseren Lockerung des Staubes von den Fasern wird das Wollvlieſs
zuerst nach jedem Preſswalzenpaare F einer reibenden
Behandlung durch schwingende Roste R ausgesetzt und
dann, um den gelösten Staub zu entfernen, durch zwei abwechselnd auf- und
niedergehende Stabreihen L zwischen den Walzenpaaren
O geschlagen. Das Wollvlieſs, welches bisher ohne
gröſsere als die für den geraden Lauf zwischen den Walzenpaaren nöthige Spannung
lief, wird nun durch das mit gröſserer Geschwindigkeit umgehende, fest
zusammengepreſste Walzenpaar Q angespannt und
gestreckt, wobei es von den Nadelkämmen G, wie beim
Beginne des ganzen Verfahrens, behandelt wird, und gelangt darauf nochmals unter die
Wirkung von Reibkissen R und Schlagstäben L. Gleichzeitig hilft hier zur fertigen Reinigung die
von den darunter liegenden Heizröhren H1 abgegebene Wärme, welche das bei der bisherigen
Behandlung ausgekühlte Wollvlieſs wieder anwärmt, damit die leichte Absonderung des
Kohlenstaubes, welcher sich kalt schwer von der Wolle trennen läſst, nicht gehindert
ist. Zuletzt wird das Wollvlieſs durch eine Trichterreihe, welche es wieder in die
einzelnen Bänder zerlegt, geführt und die letzteren dann von den Walzen W auf Spulen gewickelt.
Bei einer solchen Behandlung der Wolle als Vlieſs, aus neben einander liegenden
Bändern gebildet, wird sich der Uebelstand herausstellen, daſs die
Anknüpfungsstellen der einzelnen Bänder während des Verfahrens sich leicht wieder
lösen. Um also eine festere Verbindung der einzelnen Bänder im Vlieſse zu erreichen,
werden in einem Zusatzpatente (Nr. 28641 vom 1. December 1882) an Stelle der
Nadelkämme G zur Vlieſsbildung vor dem Eintritte in das
Säurebad Apparate mit Stachel- oder Sägezahn walzen, wie solche in der Spinnerei
vielfach vorkommen, vorgeschlagen; die freie Führung des Vlieſses in dem Säurebade
und von den Preſswalzen D in die Verkohlungskammer ist
dadurch gesichert. An Stelle der Vereinigung von Preſswalzen, Reibkissen und
Schlagstäben zur Entfernung der verkohlten und zerdrückten Unreinigkeiten sollen
wieder solche den Krempeln ähnliche Apparate, durch welche das Vlieſs geht, treten.
Dieselben werden so beschaffen sein müssen, daſs sie nicht auf eine Verkürzung der
Fasern hinarbeiten.
Es ist noch zu erwähnen, daſs die Tragtücher T in der
Verkohlungskammer aus verbleitem Drahtgewebe hergestellt und alle in der Kammer
vorhandenen Metalltheile mit einem säurebeständigen galvanischen Ueberzuge versehen
sind. Die Wolle wird dadurch in sauberem und leicht verkäuflichem Zustande
erhalten.
Nach der Entfernung des Kohlenstaubes aus dem Vlieſse bedarf dasselbe einer weiteren
Behandlung zum Neutralisiren der angewendeten Säure. Zu diesem Zwecke geht das
Vlieſs oder die einzelnen Bänder neben einander durch alkalische und Seifenbäder
über gleichfalls mit Schwefel, Hartgummi oder Kautschuk umhüllte Walzen und wird
hierauf über erwärmten Metallwalzen getrocknet. Zum Schlüsse werden die Bänder oder
Vlieſse wieder von Nadelkämmen behandelt und dabei gleichzeitig eingeölt, was für
das nachfolgende Kämmen nicht unwesentlich ist.
Der Säuregehalt der Flüssigkeit wird im Behälter P mit
Hilfe eines besonderen, in Fig. 1 Taf. 17
dargestellten elektrischen Apparates so geregelt, daſs
derselbe unveränderlich der gleiche bleibt, was als ein wesentlicher, die
gleichmäſsige Behandlung der ganzen Vlieſslänge bedingender Vorzug zu bezeichnen
ist. In einem mit dem groſsen Behälter P in Verbindung
stehendem Gefäſse ist ein Glascylinder C zwischen zwei
im unteren Theile mit kleineren Löchern versehenen Platten A und B angebracht, in welchem, durch die
zwei unter einander durch Stäbe Q verbundenen Scheiben
O und O1 lose geführt, ein Dichtigkeitsmesser M schwimmt. Durch die Platten A und B werden etwaige Flüssigkeitsschwankungen
aufgehalten und ein ruhiges Schwimmen des Meſsrohres M
erreicht, damit ein auf demselben befestigter Kupferring n beim Auf- und Niedergange in steter Berührung mit der auf der oberen
Scheibe O befestigten Stange L1 bleibt. Eine zweite solche Stange l trägt einen verstellbaren Zeiger t und führen sich beide Stangen L und L1 bei
ihrer mit der Veränderung des Flüssigkeitsspiegels erfolgenden Auf- und Abbewegung –
da die Scheiben O und O1 in dem Glascylinder nicht fest sind, sondern in
demselben lose geführt schwimmen – in den Hülsen H,
welche in den auf den Stangen S stellbar befestigten
Armen B hängen. Mit den beiden Stangen S werden mit Hilfe der Stellschrauben p und p1 die beiden Leitungsdrähte einer elektrischen
Batterie verbunden und ist in einem der beiden Drähte ein Elektromagnet
eingeschaltet, welcher auf einen das Ablaſsventil im Säuregefäſse tragenden Hebel
wirkt. Wenn sich bei zu niedrigem Säuregehalte der Dichtigkeitsmesser M senkt, so kommt der Ring n mit dem Zeiger t, welcher dem geringsten
zulässigen Säuregehalte entsprechend eingestellt ist, in Berührung, der elektrische
Strom wird geschlossen und durch Anziehen des Ventilhebels durch den Elektromagnet
so viel Säurezufluſs bewirkt, bis in Folge Aufganges der Meſsröhre M der Strom wieder unterbrochen wird und das Ventil im
Säuregefäſse durch sein Eigengewicht sich schlieſst.
Wenn das Säurebad sich nach längerem Gebrauche zu sehr mit Schmutz versetzt hat, wird
es auf ein unter dem Behälter P angebrachtes Filter,
das aus mit Asbest ausgefütterten Trichtern besteht, abgelassen und kann also nach
dieser Reinigung wieder in Benutzung genommen werden.
Bei dem beschriebenen Carbonisationsverfahren sind alle für ein solches in Betracht
kommenden Punkte berücksichtigt, wodurch dasselbe allerdings die Einfachheit
einbüſst. Die Kosten der Einrichtung desselben sind jedoch ganz bedeutende; es wird
viel Platz zur Aufstellung gebraucht und durch die Mitbenutzung von den Krempeln
ähnlichen Apparaten, wie sie bei dem mechanischen Entklettungsverfahren ebenfalls in
Anwendung sind, der Vorzug dieses chemischen Verfahrens vor dem bis jetzt meist in
Kämmereien benutzten mechanischen Vorgange sehr in Frage gestellt.