Titel: | Ueber die Herstellung und Untersuchung von Stärke. |
Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 209 |
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Ueber die Herstellung und Untersuchung von
Stärke.
Ueber die Herstellung und Untersuchung von Stärke.
Zur Bestimmung der Ausbeute in einer Stärkefabrik ohne
Mahlgang wählte O. Saare (Zeitschrift für Spiritusindustrie, 1884 S. 762) eine
Fabrik, welche eine Raspelhiebreibe und dahinter zwei 3m lange Cylinderbürstensiebe hatte, um das Reibsel vollständig
auszuwaschen. Die Stärke fiel aus den Sieben unmittelbar in die Absatzbottiche und
wurde in Quirlbottichen 2mal gewaschen, die Schlammstärke in einer Rinne gesammelt
und wieder in die Quirlbottiche zurückgegeben. Mit dem zum Rieseln benutzten
Abwasser lief ziemlich viel Stärke fort. Zu den Versuchen wurden im Mai 1884 die
Apparate vollständig geleert und gereinigt und je 5000k Kartoffeln (Seed I und gelbfleischige Zwiebel II), welche gewaschen nach
bei einer Probe festgestellten Wägungen in beiden Fällen 4800k wogen, auf Stärke verarbeitet. Dabei ergaben
4800k verarbeiteter Kartoffeln:
I
II
k
Proc.
k
Proc.
Nasse Pülpe
1786
37,2
2281
47,5
Trockene Pülpe
–
4,6
–
5,7
Grüne Stärke
1213
25,3
1233
25,7
Trockene Stärke
–
13,3
–
13,0
100k Kartoffeln geben
Stärke in der Pulpe
2,96
–
4,05
–
Verglichen mit den Ergebnissen einer Stärkefabrik, welche
auſser der Reibe noch einen Mahlgang zur Nachzerkleinerung besitzt (vgl. daselbst
1883 S. 174), wurden von 100k verarbeiteter
Stärke:
Stärke
Bei Seed
Bei Zwiebel bezieh.Daber
ohneMahlgang
mitMahlgang
ohneMahlgang
mitMahlgang
Gewonnen in Form von grüner Stärke
81,8
87,4
76,3
85,5
Verloren in der Pülpe
18,2
12,6
23,7
14,5
Die Zahlen beweisen den Vortheil der Anwendung des Mahlganges für Mehrgewinnung von
Stärke. Bei Seed werden für 100k verarbeiteter
Stärke 5k,6, bei Zwiebel gegenüber Daher 9k,2 Stärke mehr gewonnen. Auch zeigt sich, wie der
Mahlgang die Unterschiede in dem Verluste an Stärke in der Pulpe bei den
verschiedenen Kartoffelsorten einigermaſsen ausgleicht* denn während der Verlust
ohne Mahlgang bei Zwiebelkartoffeln um 5,5 Proc. höher ist als bei Seed, ist
derselbe mit Mahlgang bei der Daber'schen nur um 1,9 Proc. höher als bei Seed.
Dieser groſse Unterschied ist wohl kaum allein aus der Verschiedenheit zwischen der
Daber'schen und der verwendeten Zwiebelkartoffel zu erklären. Es ist aber hierbei
auch noch zu erwähnen, daſs die Fabrik mit Mahlgang eine Sägeblattreibe, die Fabrik
ohne Mahlgang eine Raspelhiebreibe besaſs, deren Leistung betreffs der Feinheit des
Reibsels wohl jener nicht ganz gleichkommt.
Zur Bestimmung des Wassergehaltes in der Kartoffelstärke
versuchte O. Saare (a. a. O. 1884 S. 550) das
Eigengewicht derselben zu verwerthen. Zu dem Zwecke wurde von 30 Proben Kartoffelstärke, wie
dieselbe im Handel vorkommt, das specifische Gewicht bezogen auf absolute
Trockensubstanz bestimmt, indem eine Trockensubstanzbestimmung durch Trocknen von
10g Stärke 1 Stunde bei 50° und 6 Stunden bei
120° vorgenommen und dann 10g lufttrockener Stärke
im 50g-Fläschchen mit ausgekochtem Wasser gemischt
und bei 17,5° aufgefüllt wurden. Aus dem so erhaltenen Gewichte wurde die Menge des
von der trockenen Stärke verdrängten Wassers und durch Division mit dieser Zahl in
das Gewicht der trockenen Stärke das specifische Gewicht derselben festgestellt.
Dabei wurde gefunden, daſs dasselbe 1,647 bis 1,653 bei 17,5° war und im Mittel der
30 gefundenen Zahlen 1,6496 oder rund 1,650. Nimmt man nun 1,65 als das Eigengewicht
der Kartoffelstärke an, so wird man beim Vermischen von 100g einer Stärke von 20 Proc. Feuchtigkeitsgehalt
mit Wasser und Auffüllen auf 250cc ein Gewicht von
281g,52, bei 21 Proc. Wasser von 281g,12, also für 1 Proc. Wasser 0g,4 weniger erhalten. Danach ist folgende Tabelle
berechnet:
Gefun-denesGewichtg
Wasser-gehaltderStärkeProc.
Gefun-denesGewichtg
Wasser-gehaltderStärkeProc.
Gefun-denesGewichtg
Wasser-gehaltderStärkeProc.
Gefun-denesGewichtg
Wasser-gehaltderStärkeProc.
289,40
0
283,50
15
277,60
30
271,70
45
289,00
1
283,10
16
277,20
31
271,30
46
288,60
2
282,70
17
276,80
32
270,90
47
288,20
3
282,30
18
276,40
33
270,50
48
287,80
4
281,90
19
276,00
34
270,10
49
287,40
5
281,50
20
275,60
35
269,70
50
287,05
6
281,10
21
275,20
36
269,30
51
286,65
7
280,75
22
274,80
37
268,90
52
286,25
8
280,35
23
274,40
38
268,50
53
285,85
9
279,95
24
274,05
39
268,10
54
285,45
10
279,55
25
273,65
40
267,75
55
285,05
11
279,15
26
273,25
41
267,35
56
284,65
12
278,75
27
272,85
42
266,95
57
284,25
13
278,35
28
272,45
43
266,55
58
283,90
14
278,00
29
272,05
44
266,15
59
Die Ausführung dieser Wasserbestimmung in Kartoffelstärke und Kartoffelmehl ist nun
folgende: 100g der Stärke werden in einer tarirten
Schale abgewogen, mit Wasser von 17,5° zu einer leichtflüssigen Milch angerührt und
ohne Verlust in einen Kolben gespült, welcher bei 250cc am Halse eine Marke trägt. Es wird dann fast bis zur Marke aufgefüllt,
der Kolben ½ Stunde in ein groſses Gefäſs mit Wasser von 17,5° gestellt und dann
vorsichtig Wasser bis zur Marke am Halse des Kolbens mittels einer Spritzflasche
zugegeben. Dann wird der Kolben abgetrocknet und gewogen; man erhält so nach Abzug
des ein für allemal festgestellten Gewichtes des vollständig trockenen Kolbens das
Gewicht von 250cc Stärke und Wasser und liest dann
aus der Tabelle die dazu gehörigen Procent Wasser unmittelbar ab.
Versuche ergaben, daſs die so ausgeführten Bestimmungen nur selten Fehler bis 0,5
Proc. Wasser ergaben und daſs das Verfahren auch zur Feststellung des Wassergehaltes
feuchter Stärke und zur Nachprüfung des Trockenprozesses in den Trockenstuben
angewendet werden kann.
Nach L. Bondonneau (Comptes
rendus, 1884 Bd. 98 S. 153) kommen bei der Trockensubstanz-Bestimmung in Stärke dadurch Fehler vor, daſs die feuchte
Stärke zu schnell über 60° erhitzt wird, so daſs Verkleisterung eintritt. Enthält
die Stärke Säuren, so bildet sich beim Trocknen Zucker. Er empfiehlt daher neutral
reagirende Stärke in dünner Schicht sehr langsam im trockenen Luftstrome auf 60° zu
bringen, nach etwa 3 Stunden dann etwa 1 Stunde lang auf 110° zu erwärmen. Ist die
Stärke sauer, so soll man sie mit Wasser und einigen Tropfen Ammoniak mischen, bei
40° vortrocknen und erst dann wie vorhin verfahren.
Dagegen geht Saare (Zeitschrift
für Spiritusindustrie, 1884 S. 595) in der Weise vor, daſs 10g Stärke in einem Wägegläschen 1 Stunde (bei
feuchter Stärke etwas länger) bei 40 bis 50° vorgetrocknet werden, dann die
Temperatur während ½ Stunde auf 120° gesteigert und 5 bis 6 Stunden bei dieser
Temperatur getrocknet wird. Vielfache Versuche haben ergeben, daſs für die Zwecke
der Handelsanalyse eine Dauer von 5 bis 6 Stunden bei 120° ausreicht, um alles
Wasser zu entfernen, und daſs bei Fortsetzung der Trocknung nach Verlauf dieser Zeit
entweder kein Verlust mehr eintritt, oder ein solcher von wenigen Milligramm,
welcher also nur in den Hundertstel Procent Schwankungen ergeben würde.
Ein Kartoffelmehl, welches stark sauer reagirte, ohne daſs sich in dem wässerigen
Auszug Schwefelsäure mit Sicherheit nachweisen lieſs, welches sich stark ballte und
18,5 Proc. Wasser enthielt, reagirte, in obiger Weise getrocknet, sauer und enthielt
6mg,7 während des Trocknens entstandenen
Zucker. Der dadurch veranlaſste Fehler ist also verschwindend. Weitere Versuche
ergaben, daſs ein Gehalt an Säure, selbst bis zu 0,1 Proc. Schwefelsäure, wie
Handelsstärken solchen nie haben dürfen, die Wasserbestimmung nicht beeinfluſst,
also anfängliches, vorsichtiges, dann bei 120° stattfindendes Trocknen genügt, um
den Wassergehalt der Handelsstärke sicher festzustellen, daſs dabei zwar Zucker
gebildet wird, seine Menge aber so gering ist, daſs das von demselben etwa
zurückgehaltene Wasser nicht in Betracht kommt, daſs endlich der Ammoniakzusatz zu
saurer Stärke seinen Zweck, die Zuckerbildung zu verhüten, nicht erfüllt und daher
unnütz ist, zumal derselbe die ganze Bestimmung um viele Stunden verzögert.
Das Verhalten des Stärkekornes beim Erhitzen untersuchte
S. Schubert (Monatshefte
für Chemie, 1884 S. 472). Es ergibt sich, daſs die Formund
Structurveränderungen, namentlich das Hervortreten der Schichtung durch den
Wassergehalt des lufttrockenen Kornes nicht ausschlieſslich bedingt werden, vielmehr
einzig und allein in dem verschiedenen physikalischen oder auch chemischen Verhalten
einzelner Schichten zu finden sind. Durch die Einwirkung der Hitze tritt dieser
Unterschied nur noch deutlicher hervor, indem einzelne Schichten mehr oder weniger
angegriffen werden, so daſs bei nachherigem Zutritte von Wasser durch theilweise
Auslaugung bestimmter Schichtenreihen und dem entsprechend durch verschiedene
Einlagerung der Wassermoleküle jene Erscheinungen zu Tage treten. Das Stärkekorn
erleidet bei höheren Temperaturen eine derartige Umwandlung, daſs zunächst die
Granulöse oder, besser gesagt, die an Granulöse reichen Schichten in lösliche Stärke
und Dextrin übergehen, während die Hauptmasse der Cellulose oder die an Cellulose
reichen Schichten diese Umänderung erst später erleiden.
Behandelt man die erhitzte, stark geschichtete, im heiſsen Wasser lösliche Stärke
längere Zeit hindurch mit Wasser von gewöhnlicher Temperatur, so geht zunächst der
in lösliche Stärke und Dextrin umgewandelte Theil der Granulose in Lösung, während
ein organisirter Rest des Stärkekornes zurückbleibt, welcher mehr oder weniger die
Form und Structur des ursprünglichen Kornes beibehalten hat und von dem man annehmen
kann, daſs er frei von leicht löslichen Dextrinen sei. Dieser „Rest“ weist in
den einzelnen Körnern, je nach den Hitzegraden, denen die Stärke ausgesetzt war,
gröſsere oder geringere Mengen unverändert gebliebener Granulöse auf und das Korn
erscheint um so deutlicher geschichtet, je mehr es an Masse verloren hat. Die
Granulöse des „Restes“ läſst sich aus den Körnern noch weiterhin auslaugen
und scheint überhaupt derart umgewandelt zu sein, daſs sie chemischen Veränderungen
leicht unterworfen ist. Behandelt man nämlich den, „Rest“ von Neuem mit rasch
wechselnden Wassermengen, so färbt sich das anfangs blauviolette Korn bald
rothviolett, nach einigen Tagen nurmehr roth, endlich schwach röthlich oder
braungelb. Die Körner geben hierbei an das Wasser den gröſsten Theil der noch
vorhandenen Granulöse ab, verlieren demnach bedeutend an Masse, nicht aber an
Volumen, behalten ihre Structur bei und bestehen wenigstens der Hauptmasse nach nur
noch aus Cellulose. Es verhalten sich demnach die Körner des „Restes“ bei
diesem Waschprozesse ähnlich solchen Stärkekörnern, deren äuſsere Schichten (Hüllen)
durch Zerreiben und Zerschneiden verletzt wurden; nur geht die Granulöse rascher und
leichter in das umgebende Wasser über. Die so ausgelaugten Körner färben sich auf
Zusatz von Schwefelsäure und Jod blau oder zum mindesten blauviolett, wobei die
einzelnen Schichten stark aufquellen und sich von einander lösen. Beim stärkeren
Erwärmen der Körner mit einem Tropfen Wasser am Objectträger tritt, selbst auf
Zusatz neuer Jodmengen, tiefblaue Färbung ein. In den Körnern des Restes ist somit
der weitaus gröſste Theil der Cellulose unverändert geblieben. Offenbar ist der
sogen. Rest keine gleichartige Substanz; derselbe enthält auſser Granulöse und
Cellulose ein Dextrin artiges Umwandlungsproduct der Stärke, welches Fehling'sche Lösung reducirt, sich mit Jod mehr roth
färbt und Veränderungen durch Wasser leicht unterworfen ist. Ob dieser Körper nicht etwa
mechanisch festgehaltenes Erythrodextrin sei, ist
vorläufig nicht zu entscheiden. Reibt man anhaltend eine gröſsere Menge der Körner
mit gestoſsenem Glase, so kann man durch wiederholte Behandlung mit kaltem Wasser –
wobei eine Zersetzung oder Umsetzung ganz ausgeschlossen erscheint – den sich roth
färbenden Bestandtheil nicht entfernen; vielmehr färbt sich auf Jodzusatz der
Rückstand immer mehr und mehr roth, während das Rotationsvermögen fast ungeändert
bleibt.