Titel: | Ueber den Einfluss der Anlasstemperatur auf die Festigkeit und Constitution des Stahles; von A. Jarolimek in Hainburg a. d. Donau. |
Autor: | A. Jarolimek |
Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 1 |
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Ueber den Einfluſs der Anlaſstemperatur auf die
Festigkeit und Constitution des Stahles; von A. Jarolimek in Hainburg a. d. Donau.
A. Jarolimek, zum Härten des Stahles.
Es ist bemerkenswerth, daſs der Stahl, heute unser wichtigstes Constructionsmaterial,
in mancher physikalischen Beziehung noch recht dürftig
untersucht erscheint. Man hat zwar viele Mühe und Arbeit darauf verwendet, zu
erkennen, wie die verschiedene chemische
Zusammensetzung des Stahles auf dessen Eigenschaften zurückwirkt, und hierbei wohl
auch versucht, auf die molekulare Beschaffenheit dieses noch vielfache Räthsel
darbietenden Materials Schlüsse zu ziehen- aber man hat nicht nur in letzterer
Hinsicht die Wirkung gewisser mechanischer Processe und jene der mittleren Wärmegrade fast unberührt gelassen, sondern
kaum noch erforscht, welchen Einfluſs diese Faktoren auch nur auf die unmittelbar
meſsbaren physikalischen Zustände, namentlich also auf das specifische Volumen des Stahles äuſsern. Und doch sollte man glauben, daſs
Untersuchungen in dieser Richtung, welche nicht einmal besondere Schwierigkeiten
darbieten, ebenso wohl wissenschaftliches Interesse beanspruchen, als auch
vielleicht eine auſserordentlich praktische Wichtigkeit besitzen müſsten.
Ich bezwecke in den nachfolgenden Zeilen nur anzudeuten, was man meiner Ansicht nach
in dieser Hinsicht versäumte, indem ich hauptsächlich auf ein merkwürdiges
physikalisches Verhalten des Stahles hinweise, welches ich vor 4 Jahren ganz
zufällig entdeckte und dessen technische Bedeutung ich durch eine Reihe sehr
einfacher Versuche feststellte.
Bevor ich auf den eigentlichen Gegenstand dieser Mittheilung eingehe, möchte ich noch
daran erinnern, daſs ich seinerzeit in Bezug auf das Verhalten des Stahles beim Härten und Anlassen (vgl.
1876 221 436. 518) im Gegensatze zu den gebräuchlichen
Ansichten folgendes feststellte:
1) Der. Stahl ist nicht nur in kaltem, sondern auch in siedendem Wasser, in Wasser
von 150° Temperatur und mehr, in siedendem Oel, heiſsflüssigem Blei, Zinn und selbst
Zink, also einer Abkühlungsflüssigkeit von etwa 400° härtbar, so daſs die Härte des
Stahles hauptsächlich nur
von der Geschwindigkeit abhängt, mit welcher der
glühende Stahl bis zu einer gewissen, bei etwa 500°
liegenden kritischen Temperatur abgekühlt wird.
2) Das Anlassen des Stahles wird hingegen von dem dauernden Aussetzen einer innerhalb anderer Grenzen
liegenden Temperatur bedingt.
Daſs das Anlassen nicht nur innerhalb der gewöhnlich angenommenen engen
Temperaturgrenzen, sondern auch bei weit darunter liegenden Temperaturen erfolgt,
hat V. Strouhal durch bemerkenswerthe Versuche
dargethan, wie er auch das thermo-elektrische
Verhalten, dann den galvanischen LeitungswiderstandUeber Anlassen des Stahles und Messung seines Härtezustandes; von V. Strouhal und C.
Barus. (Würzburg 1880.) und die MagnetisirbarkeitUeber den Einfluſs der Härte des Stahles auf dessen Magnetisirbarkeit u.
dgl.; von V. Strouhal und C. Barus. (Würzburg 1882.)
verschieden angelassener Stahldrähte eingehenden Untersuchungen unterzogen hat, ohne
natürlich diesen Gegenstand zu erschöpfen. Strouhal hat
eben den physikalischen Zustand, den seine Drähte schon
vor der Behandlung besaſsen, unberücksichtigt
gelassen und ich werde bald zeigen, wie irrig es ist, zu glauben, daſs eine erhöhte
(Anlaſs-) Temperatur die Härte, oder, richtiger gesagt, die Festigkeit des Stahles
immer nur herabziehen müsse, indem es im Gegentheile thatsächlich vorkommt, daſs die
gleiche Temperaturerhöhung auf die Festigkeit des Stahles das eine Mal mindernd, das andere Mal hingegen nicht unwesentlich
fördernd einwirkt.
Ich will nun zunächst die diesen Punkt betreffenden Thatsachen mittheilen. Ich habe
bei meinen den Stahlschnurtrieb (vgl. 1880 238 * 1)
betreffenden Arbeiten vielfache Versuche mit Schrauben- oder so genannten
Spiralfedern der verschiedensten Abmessungen angestellt und dabei zunächst ein sehr
einfaches und höchst empfindliches Mittel aufgefunden, die Festigkeit und namentlich
die Gleichmäſsigkeit der Härte von Stahldrähten zu
untersuchen. Dieses Mittel besteht darin, daſs längere
Stücke der zu prüfenden Drähte zu Schraubenfedern versponnen und letztere sodann
gestreckt werden. Jede in dem Drahte vorhandene weichere oder härtere
Stelle tritt beim Strecken der Feder sehr augenfällig hervor, indem die
Schraubenwindungen derselben an den weichen Stellen eine gröſsere, an den härteren
eine geringere Ganghöhe annehmen. Meine Versuche bekräftigten nun selbstverständlich
auch die von Uchatius (1877 223 242), Bauschinger (1877 224 1), Thurston (1877 225 233) u.a. mitgetheilte Thatsache, daſs die Belastung
„über die Elasticitätsgrenze“ die Elasticität steigert. So zeigt eine
dicht gesponnene und darauf auf eine gewisse Ganghöhe h
gestreckte Feder eine viel höhere Elasticitätsgrenze als eine Feder, welche von Haus
aus mit der Ganghöhe h gesponnen wurde.
Ich habe aber im Verlaufe meiner Arbeiten noch eine andere und, wie mir scheint, noch
nicht bekannte Thatsache aufgedeckt, nämlich die, daſs die Elasticitätsgrenze
der Federn, bezieh. jene des einer stärkeren Spannung oder Formänderung schon
unterworfenen Stahles auch noch auf einem anderen Wege: dem der bloſsen
Erwärmung, gesteigert werden kann, und ich habe diese Thatsache durch die
nachfolgend skizzirten, zwar nur primitiven, doch aber überzeugenden Versuche, wie
ich glaube, vollkommen sicher gestellt. Zur Erzielung eines passenden
Vergleichsmaſsstabes wählte ich Stahldrähte von genau 1mm Stärke, welche ich auf einer Spindel von 3mm Dicke zu Federn verspann und deren Festigkeits- oder Härtegrade ich
dann sehr einfach nach der Anzahl der Windungen bestimmte, welche auf ein Centimeter
Feder gingen, nachdem diese mit einem Gewichte von 12k belastet worden war. Eine ganz harte
Feder gibt bei dieser Belastung nicht nach und hat somit den Härtegrad 10; eine ganz
weiche gäbe den ideellen Härtegrad 0, und alle zwischenliegenden Härtegrade müssen
zwischen die Nummern 0 bis 10 fallen.
Ich untersuchte nun zunächst:
A) Gehärteten und darauf
angelassenen Stahldraht.
a) Die hieraus gesponnenen Federn würden auf 200 bis 300° erwärmt
und ergaben vor und nach der Erwärmung folgende Härtegrade:
Versuch:
1
2
3
4
5
6
Härte vor dem
Erwärmen:
3
3,1
3,1
3,25
3
2,8
nach dem Erwärmen
auf:
200
220
240
260
280
300°
1.
Probe
6
6,75
7
7,5
6
7,0
2.
„
5
5,5
7
7
6,2
6,5
3.
„
5,5
6
7
7
6
6,5.
b) Hierbei zeigte es sich gleichgültig, ob die Erwärmung
wiederholt wurde oder nicht und:
c) ob sie durch 1 oder 5 Minuten anhielt, sowie es:
d) keinen merkbaren Unterschied machte, ob die Federn nach der
Erwärmung langsam oder rasch abgekühlt wurden.
B) Versuch mit nicht gehärtetem
Stahldraht.
e) Härtegrad bezogen auf die gleichen Federabmessungen wie zuvor,
jedoch auf eine Belastung von nur 6k:
Versuch:
1
2
3
4
5
Härte vor dem
Erwärmen:
3,7
3,5
3,6
3,4
4
nach dem Erwärmen
auf:
220
240
260
280
300°
1.
Probe
4
4,5
5,5
4,5
6,5
2.
„
4
4
5
4,3
6.
f) Nun habe ich eine Feder nach dem
Spinnen gehärtet und angelassen. Die
nachfolgende Erwärmung zeigte keine Zunahme der
Festigkeit.
g) Sodann wurde die eben gehärtete und angelassene Feder bis zu
einem gewissen Grade gestreckt und darauf erst erwärmt. Hier
erfolgte aus der Erwärmung abermals eine wenn auch weniger bedeutende Erhöhung
der Tragkraft.
h) Ebenso ergab eine aus gehärtetem Drahte gesponnene und dann
erwärmte Feder, nachdem dieselbe gestreckt worden war, durch nochmaliges Erhitzen
eine zweite Steigerung der Elasticitätsgrenze.
Aus alledem läſst sich somit der Schluſs ziehen, daſs, wenn der Stahl über die
Elasticitätsgrenze beansprucht wurde, sich seine Elasticitätsgrenze durch Erhitzen
bis etwa 300° nochmals steigern lasse und, wenn dieser Stahl hierauf durch
mechanische Einwirkung bezieh. Belastung abermals gestreckt wird, seine Tragkraft
durch nachfolgendes Erhitzen auch wieder weiter gesteigert werden kann.
Ich konnte die Sache mit meinen Federn nicht viel weiter verfolgen
und blieb darauf
beschränkt, die Festigkeit der Federn etwa durch diese 5 Behandlungen zu steigern:
1) Erhitzen des Drahtes, 2) Spinnen des Drahtes, 3) Erhitzen der gesponnenen Feder,
4) Strecken der gesponnenen Feder, 5) Erhitzen der gestreckten Feder.
Da das Strecken der Federn bald seine
Grenze findet und, wenn es von erheblicher Wirkung sein soll, schon das erste Mal
ziemlich weit gehen muſs, so konnte ich das Verfahren nicht weiter wiederholen. Es
lieſse sich dasselbe aber leicht dadurch genauer erforschen, wenn man Stahldrähte
oder Stäbe wiederholt abwechselnd entsprechend belasten und darauf erwärmen und die
Elasticitätsgrenze nach jeder Behandlung bestimmen würde, was allerdings nur mit
Hilfe geeigneter Festigkeitsprüfungsapparate möglich ist.
In dieser Absicht habe ich am 9. September 1880 den General Uchatius, bei welchem ich ein besonderes Interesse für
diesen Gegenstand voraussetzen durfte, zur Vornahme einiger einschlägiger Versuche
eingeladen und empfing von ihm folgenden vom 8. Oktober 1880 datirten Bericht:
„Ein Stäbchen von Neuberger Bessemerstahl, im cylindrischen Theile 75mm lang, im Querschnitte 0qc,5 dick, dessen Elasticitätsgrenze bei 1800
k/qc
eintrat, wurde von Null ansteigend nach und nach bis 1500k belastet; das ansteigende Belasten dauerte
etwa 30 Minuten. Das Stäbchen blieb 3 × 24 Stunden unter Belastung; täglich 4mal
wurde die Belastung abgehoben und erneuert von 0 auf 3000k ansteigend aufgelegt. Ert nachdem dieser
Vorgang zum 12. Male ausgeführt war, hatte das Stäbchen die Elasticitätsgrenze
von 3000 k/qc
erhalten. Die bleibende Streckung desselben betrug genau 1 Procent seiner Länge,
also 0mm,75.
Das gestreckte Stäbchen wurde nun durch 2 Minuten in ein
Zinnbad von 300° mittels einer Holzkluppe untergetaucht und dann auf trockenem
Holze liegend an der Luft dem Abkühlen überlassen.
Neuerdings der langsam ansteigenden Belastung unterzogen,
zeigte es ganz dieselbe Elasticitätsgrenze wie vor dem Erwärmen, nämlich 3000
k/qc.
Der Versuch lehrt, daſs Stahl, dessen Elasticität durch
andauerndes Belasten und Strecken künstlich erhöht worden ist, auf 300° erhitzt
und langsam abgekühlt, nichts an Elasticität verliert. Wenn Sie unter gleichen
Umständen eine Steigerung der Elasticität wahrgenommen haben, so muſs irgend
eine mir nicht bekannte Nebenursache mitwirken.“
Es liegt nun auf der Hand, daſs der vorstehend beschriebene Versuch nur so viel
beweist, daſs, wenn die Elasticitätsgrenze des Stahles durch systematische Belastung
bis zu dem auf diesem Wege erzielbaren Höchstbetrag
gesteigert wurde, dieselbe auch durch Erwärmung nicht mehr erhöht werden
kann.
Es müſste demnach der Versuch so angestellt werden, daſs die
Belastung nicht bis zur äuſsersten Grenze getrieben, sondern unterbrochen wird,
sobald das Stäbchen eine Elasticitätsgrenze von etwa 2400k ausweist. Die Frage ist, ob die
Elasticitätsgrenze auch des also behandelten Stahles durch nachfolgendes Erwärmen
nicht gesteigert werden kann? Meine Versuche, welche mit Drähten ausgeführt wurden,
welche nur durch Ziehen, Spinnen oder Strecken, also stets, wenn auch stark, doch
nur plötzlich über die Elasticitätsgrenze beansprucht
wurden, scheinen anzudeuten, daſs die die Maximal-Elasticitätsgrenze bedingende
Lagerung der Stahlmoleküle ebenso wohl durch das der Ueberlastung nachfolgende
Erwärmen, als wie durch die lang andauernde gesteigerte Belastung gefördert wird.
Ist diese günstigste Molekularanordnung einmal erreicht, so kann natürlich weder
eine längere Belastung, noch das folgende Erwärmen daran etwas ändern.
Indessen kann hier auch der Umstand nicht unbeachtet bleiben, daſs
meine eigenen Versuche den gröſsten Zuwachs an Elasticität durch Erwärmung bei
vorher gehärteten und angelassenen und darauf über die Elasticitätsgrenze beanspruchten Drähten
ergaben. Aber ich fand eine Zunahme an Elasticität durch Erwärmung stets und in
ziemlichem Grade auch bei nicht gehärteten Drähten, wenn diese vorher einer
erheblichen Formänderung unterlagen.
Sollte das Erwärmen auf langsam belastete Stahlstäbe, auch nachdem
deren Elasticitätsgrenze nur um einen Theil des zulässigen Betrages gesteigert
wurde, ohne Einfluſs
bleiben, so könnte ich bloſs den Schluſs ziehen, daſs ein solcher Einfluſs eben nur
nach vorheriger gewaltsamer Formänderung (wie Ziehen, Spinnen u.a.) statthat, nicht
aber nach einer allmählichen Streckung.
Gerade um die Entscheidung dieser Frage handelte es sich mir aber;
doch konnte ich hierzu die Hilfe des General v.
Uchatius nicht ferner beanspruchen, da er zu jener Zeit diesen Gegenstand
nicht mehr verfolgen konnte und der Tod bald darauf, wie bekannt, seine Thätigkeit
gänzlich abschloſs.
Es sind mir dann wohl auch von anderer Seite Versuche in dieser
Richtung bereitwillig in Aussicht gestellt worden. Da es jedoch verschiedener
Zufälligkeiten halber bis jetzt nicht zur That kam und ich selbst wegen geänderter
Stellung nichts mehr in der Sache thun kann, so gebe ich die von mir gemachten
Erfahrungen, so mangelhaft sie in ihren Ergebnissen blieben, bekannt, indem ich
hoffe, daſs meine Mittheilungen zu weiteren Versuchen anregen und vielleicht zu
besserer Erkenntniſs der Natur des Stahles Veranlassung bieten werden.
Inwiefern eine auf die hier aufgedeckte Eigenthümlichkeit des Stahles gegründete
Behandlung dieses Materials technische Bedeutung zu erlangen verspricht, möge aus
den Ergebnissen folgender Versuche ermessen werden:
1) Eine dmm dicke Stahlschnur (Spiralfeder) aus nicht gehärtetem, sondern nur hart
gezogenem Seildraht von Feiten und Guilleaume trug an
der Elasticitätsgrenze P = 1,12d2 Kilogramm bei einer Federung von f = 8,4 Proc.
2) Wurde derselbe Draht vor dem Spinnen auf 300° erwärmt, so trug
die davon erzeugte Schnur gleicher Abmessung P =
1,22d2, bei einer
Federung von f = 9,5 Proc.
3) Wurde aber die Feder als solche auf 300° erwärmt, so trug
dieselbe P = 1,40d2, bei einer Federung von f = 10,2 Proc.
Der Arbeitsmodul (P × f)
stellt sich demnach im 3. Falle auf 14,28 gegen jenen im 2. Falle mit 11,59 bezieh.
9,40 im 1. Falle und erscheint demnach durch das bloſse Anlassen des Drahtes um 23
Proc. und durch das Erwärmen der Schnur gar um 52 Proc. gesteigert. Ich will nun
jene Gründe erwähnen, welche mir Untersuchungen über die Veränderungen des specifischen Gewichtes von Stahl, nachdem dieser
ähnlichen Prozessen unterworfen wurde, wünschenswerth erscheinen lassen.
Ich sendete am 3. Mai 1881 Hrn. Dr. V.
Strouhal 8 Proben von aus 1mm starkem
Stahldraht erzeugten, 5mm dicken Spiralfedern mit
dem Ersuchen, deren specifischen Leitungswiderstand zu bestimmen.
Sämmtliche 8 Proben waren einem
Stücke vorher gehärtetem, jedoch gut angelassenem Stahle entnommen, Probe 1 bis 6
nur durch Ueberlastung gestreckt, Nr. 7 und 8 zuvor noch durch Erwärmung gehärtet. Die nachfolgende Tabelle gibt die Belastungen an
der Elasticitätsgrenze nebst den elastischen Streckungen und dem Arbeitsmodul (in
Verhältniſszahlen), dann in der letzten Spalte den von Strouhal zufolge Bericht vom 17. Mai 1881 bei diesen Proben gefundenen
galvanischen Leitungswiderstand:
Probe Nr.
Tragkraftk
Federung
Verhältniſs-zahlen fürden
Arbeits-modul
SpecifischerLeitungs-widerstand s
in % derLänge
im Verhält-nisse d.
Feder-gewichtes
123456
7 8 9101112
52,9 54,8 51,8
42,9 31,0 20,2
56,5 66,0 76,7 87,6 96,9106,3
395 528 690 87610651275
0,4000,4080,4020,4030,4020,393
78
1214
42,920
99,8114,3
11971600
0,3930,379
Läſst man die ersten und letzten Ziffern sprechen (s = 0,408 bis 0,379), so erkennt man, daſs hier der specifische Leitungswiderstand mit zunehmender
Festigkeit abnimmt, wogegen Strouhal bei allen
seinen früheren Versuchen den specifischen Leitungswiderstand durchwegs mit
steigender Härte oder Festigkeit zunehmend fand. Man
sieht also, daſs es in Bezug auf den galvanischen Leitungswiderstand nicht von
gleicher, ja geradezu von entgegengesetzter Wirkung ist, wenn ein gewisser Härtegrad
bloſs auf dem Wege des Härtens und Anlassens, oder aber zugleich durch Ueberlastung
bezieh. durch diese und die darauf folgende Erwärmung des Stahles herbeigeführt
wurde.
Dieser Versuch scheint demnach zu beweisen, daſs von dem galvanischen
Leitungswiderstand und dem thermo-elektrischen Verhalten des Stahles nicht immer auf
die Härte oder Festigkeit desselben, sondern vielleicht allgemeiner auf dessen
specifisches Volumen geschlossen werden kann.
Daſs das specifische Volumen bezieh. auch der Kohlenstoffgehalt
des Stahles hierbei eine Rolle spielen, deuten schon die hohen Ziffern in der
letzten Spalte der obigen Tabelle an, die auch Strouhal
auffielen. Dieser fand nämlich für den specifischen Leitungswiderstand verschieden
harter Drähte durchschnittlich folgende Ziffern:
Stahl
Mit dem Durchschnitts-volumen nach Fromme
SpecifischerLeitungswiderstand
Roh
1,000
–
Glashart
1,012
0,417
Gelb
angelassen
1,006
0,295
Blau
„
1,002
0,205
Grau
„
1,000
0,193
Ausgeglüht
1,003
0,171.
Da meine an Hrn. Dr. Strouhal
gesendeten Drähte als gut blau angelassen zu schätzen sind, so muſs es in der That
auffallen, daſs dieselben einen doppelt so hohen
specifischen Leitungswiderstand, nämlich s = 0,4,
ausweisen als Strouhal's früher untersuchte blau
angelassene Drähte, welche laut vorstehender Tabelle nur einen Leitungswiderstand
von s = 0,2 zeigten, und da drängt sich eben sehr
zwingend die Vermuthung auf, daſs dieser Unterschied mit dem specifischen Gewichte zusammenhängen mag, welches sich hinwieder mit dem
Kohlenstoffgehalte des Stahles bekanntlich
wesentlich ändert.
Nach Metcalf und Langley beträgt bei einem Kohlenstoffgehalte des
Stahles von 0,529 bezieh. 1,079 Proc. das specifische Gewicht des gewalzten bezieh.
des stark gehärteten Stahles 7,844 und 7,825 bezieh. 7,814 und 7,741. Dies gibt eine
Abweichung beim glasharten Stahle von 0,9 Proc., welche also ebenso groſs ist wie
der Unterschied im specifischen Gewichte von glashartem und
ausgeglühtem Stahle desselben Kohlenstoff geholtes.
Ohne Zweifel dürften also Drähte verschiedenen Kohlenstoffgehaltes
einen sehr bedeutenden Unterschied auch im galvanischen Leitungswiderstande
ausweisen und Strouhal gab mir denn auch zu, „daſs
das Verhalten des Stahles in seinen verschiedenen Härtegraden wesentlich
verschieden sein müsse, je nachdem die Härte durch einen chemischen oder durch
einen mechanischen Prozeſs dem Stahle ertheilt wurde.“„Sie haben ganz Recht“, so schrieb mir Hr. Dr. Strouhal am 5. Juni 1881, „daſs man nach den Zahlen der
specifischen Leitungswiderstände gar keinen Schluſs über einen
Zusammenhang ziehen kann.“
Ohne nun vielleicht haltlose Theorien über die molekularen Veränderungen des Stahles
bei verschiedenartiger Bearbeitung und Behandlung desselben aufstellen zu wollen,
möchte ich doch behaupten, daſs durch eine bessere Erkenntniſs aller durch diese
Prozesse herbeigeführten Veränderungen der physikalischen Beschaffenheit und
namentlich also des
specifischen Volumens des Stahles leicht möglich wichtige Aufschlüsse über die Natur
und Constitution des Stahles und damit wohl auch festere., vortheilhafte Regeln zur
Behandlung dieses Materials gewonnen werden könnten. Allem Anscheine nach wird der
Stahl durch ruhige Belastung ebenso wohl, wie durch Hämmern und Strecken verdichtet.
Vermuthlich bringt das Anlassen des Stahles nach erlittener Formänderung, indem es
dessen Festigkeit steigert, gleichfalls eine Verdichtung hervor und, dies zu wissen,
wäre sicherlich von Nutzen. Sollte man bei eindringlicher Verfolgung dieses
Gegenstandes nicht einen Standpunkt zu erreichen vermögen, von welchem aus sich die
Beurtheilung der die Festigkeit und alle wichtigen Eigenschaften des Stahles
bestimmenden Faktoren einfacher, natürlicher, als es bis jetzt der Fall ist,
gestalten würde?
Frid. ReiserDas Härten des Stahles. (Leipzig
1881.) unterscheidet zuerst eine Streckhärte und eine Löschhärte; sodann
zwischen Glashärte, Naturhärte und Anlaſshärte. Nach meiner Entdeckung gäbe es dann noch
eine combinirte Streckanlaſshärte. Ich glaube aber
nicht, daſs die Wissenschaft durch Schaffung solcher Namen gewinnen könnte, und ich
möchte es für einfacher und der Natur der Sache angemessener halten, wenn man dabei
bliebe, die Härte des Stahles nur nach ihrem höheren
oder geringeren Grade zu unterscheiden. Mag es auch seine Richtigkeit haben, daſs
die Härte, welche der glühende Stahl durch Ablöschen
erlangt, zum Theile auf anderen Ursachen, als die durch bloſse Verdichtung erlangte
Härte beruht. Nach Tunner sind es die
Kohleneisenkrystalle (das Viertelcarburet), welche hierbei eine Rolle spielen.
Allein daſs auch bei der „Löschhärte“ die Verdichtung mitwirkt, haben nicht
nur Caron und Akermann,
wie dies Reiser anführt, schon hervorgehoben, sondern
es erscheint auch durch die Untersuchungen von W.
Lorenz in Karlsruhe, auf welche ich noch zu sprechen kommen werde, klar
erwiesen; überhaupt wird der Begriff der Härte nur zu
oft mit jenem der Festigkeit verwechselt. Es sind denn
auch die Festigkeit und die Zähigkeit jene Eigenschaften des Stahles, deren Bedeutung in der Technik
obenan steht und deren Zusammenhang mit dem specifischen Volumen ich vornehmlich
ergründet sehen möchte.
Nachdem der Stahl ebenso wohl durch die mit einer Volumenzunahme verbundene
eigentliche Härtung, als wie durch die mit einer Volumenabnahme verbundene
Verdichtung an Festigkeit gewinnt, so wäre man versucht, zu schlieſsen, daſs die Festigkeit des Stahles überhaupt durch Erhöhung sowohl,
als auch durch Verminderung des dem gegossenen Stahle ursprünglich zukommenden
specifischen Volumens gesteigert werden könne; nachdem die Zähigkeit des Stahles gewöhnlich mit steigender Festigkeit abnimmt, so
könnte man glauben, daſs die Zähigkeit überhaupt um so weniger, beeinträchtigt wird, je weniger
das specifische Volumen des Stahles nach der erlittenen Behandlung von dem
ursprünglichen Betrage desselben, also dem Normalvolumen, bei welchem die Moleküle
ihre natürlichste Lage annehmen, abweicht.
Beide Schlüsse sind aber zum mindesten verfrüht und begegnen wichtigen Einwänden.
Erstlich müssen in dem gehärteten Stahle Schichten von sehr verschiedenen
specifischen Volumen vorausgesetzt werden und kann daher von dem durchschnittlichen Volumen desselben nicht so ohne
weiteres auf seine Beschaffenheit geschlossen werden. Andererseits hat Uchatius bekanntlich Stahl von gleichzeitig sehr
bedeutender Festigkeit und sehr groſser Zähigkeit dargestellt und, da dieser Stahl
nicht vorher gehärtet war, so muſs man das specifische Gewicht desselben trotz
seiner bedeutenden Zähigkeit als weit über dem specifischen Gewichte des rohen
Stahles voraussetzen, wenn man nicht annehmen will, daſs das specifische Gewicht
dieses Stahles durch die Behandlung, welche in einer lang andauernden Belastung über
die Elasticitätsgrenze bestand, herabgezogen wurde.
Die obigen zwei Sätze sind also schwer zu vereinigen und es fehlt in diesen Dingen
sowie über den Einfluſs der nach einer Formänderung vorgenommenen Erwärmung des Stahles auf dessen specifisches Volumen
noch jede Klarheit, Wenn ich nun auch nicht den gründlichen Untersuchungen Anderer
vorzugreifen wünsche, so will ich doch meine schlieſsliche Vermuthung nicht
unausgesprochen lassen, welche dahin geht, daſs es nur
allein die Compression, die dichtere Aneinanderlagerung der Moleküle sein
mag, was die Festigkeit des Stahles fördert. Zum mindesten kann man sagen, daſs die
Verdichtung, mag sie auf welchem Wege immer erreicht worden sein, stets mit einer
Zunahme an Festigkeit einhergeht und daſs der letzte Grund davon in dem Hervorrufen
gewisser Spannungen im Stahle gesucht werden muſs.
Daſs der Stahl auch durch die einer Ueberlastung nachfolgende Erwärmung an Festigkeit
gewinnt, steht mit dieser Ansicht nicht im Widerspruche; denn es ist leicht denkbar,
daſs die durch die vorangegangene Verdichtung hervorgerufenen Spannungen durch die
Wirkung der Wärme mehr gleich gerichtet werden, was ihre Einwirkung steigert bezieh.
die bessere Aneinanderlagerung der Moleküle auch wieder fördert. Ein Gleiches mag
auch bei der lang andauernden Belastung des Stahles über die Elasticitätsgrenze
statthaben.Der bedeutende Einfluſs, welchen die Anlaſstemperattir auf die auch im
ungehärteten Stahle bestehenden Molekularspannungen ausübt, wird u.a. in
sehr deutlicher Weise durch folgende Thatsache bekräftigt: Ich habe nämlich
gefunden, daſs gekrümmter Stahldraht, auf etwa 300° erwärmt und dabei nur kurze Zeit über die Elasticitätsgrenze
belastet, nach dieser Behandlung vollkommen
gerade erscheint, und es ist meiner Meinung nach kaum möglich, steifen Draht, ohne denselben auszuglühen, nach
einer anderen als der eben angegebenen Methode in so vollkommener Weise
gerade zu richten. Es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daſs
die Bearbeitung des Stahles in bis zur Anlaſstemperatur erwärmtem Zustande
sich für manche Zwecke sehr nützlich erweisen könnte. In der
nordamerikanischen Patentschrift von C. H.
Morgan (Forming and Tempering Wire,
Nr. 207201 vom 20. August 1878) finde ich auch folgende Stelle: „Ich habe
durch Versuche gefunden, daſs Eisen- oder Stahlstücke, welche einer
Formänderung unterzogen wurden, während dieselben noch der Anlaſshitze
ausgesetzt waren, die ihnen hierbei ertheilte Form stets beibehalten,
wogegen in kaltem Zustande geformte federnde Metalle immer das Bestreben
haben, jene Form wieder anzunehmen, welche sie vor der Formänderung
besaſsen.“
Die Zähigkeit hingegen erachte ich nur als von der Gleichmäſsigkeit der im Stahle bestehenden Spannungen
abhängig, was ja beim Glase und anderen Materialien nicht anders vorausgesetzt wird.
Die bei dieser Anschauung von der Sache der Wärme zugetheilte Rolle steht keineswegs
im Gegensatze zu der beim eigentlichen Anlassen
vorausgesetzten Wirkung derselben. Auch dort wirkt die Wärme ausgleichend, daher nebstbei die Zähigkeit fördernd; aber bei gehärtetem
Stahle zieht diese Ausgleichung die Spannungen in manchen (äuſseren) Schichten so
wesentlich herab, daſs die Festigkeit des Gesammtkörpers dadurch eine Einbuſse
erleidet.
(Schluſs folgt.)