Titel: | Vorschläge für die Construction von Magazin- und Repetirgewehren. |
Fundstelle: | Band 254, Jahrgang 1884, S. 439 |
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Vorschläge für die Construction von Magazin- und
Repetirgewehren.
(Patentklasse 72. Fortsetzung des Berichtes Bd.
251 S. 185.)
Ueber die Construction von Magazin- und
Repetirgewehren.
Die Frage, ob und welche Mehrlader bei den stehenden Heeren eingeführt werden sollen,
ist noch immer nicht entschieden. Es hat sich aus diesem Grunde auch noch keine
Abnahme der Mehrlader betreffenden Erfindungen bemerkbar gemacht. Im Anschlüsse an
die frühere Mittheilung seien noch folgende neuere Verbesserungen alter Systeme
sowie neue Vorschläge nachgetragen.
Eug.
Stutzer in London (* D. R. P. Nr. 27098 vom 14. Juni 1883) ändert die bekannten
anhängbaren Patronenkasten in der Weise ab, daſs er die einzelnen kurzen Hülsen,
welche die Patronen aufnehmen, unabhängig von einander mit Spielraum in einen Rahmen
hängt, welcher auf irgend eine Weise links am Gewehrschafte leicht abnehmbar
befestigt wird. In Folge dessen können diese Hülsen bezieh. die Patronen, wenn der
Rahmen am Gewehre befestigt ist, etwas gegen den Soldaten hin geneigt werden, so
daſs dieser die Patronen leichter erfassen und herausziehen kann. Wird dagegen ein
mit Patronen gefüllter Rahmen in die Patronentasche gesteckt, so stellen sich die
Patronen wieder in einem Rechtecke zu einander, nicht in einem spitzwinkeligen
Parallelogramme wie am Gewehre, und erleichtern dadurch die Verpackung und die
Fortschaffung. Trotz dieses Vortheiles sind aber diese Patronenkasten zu leicht
zerstörbar und deshalb für den Soldaten untauglich.
Nicolai v.
Lutkorsky in St. Petersburg (* D. R. P. Nr. 27707 vom 29. August 1883) will das Füllen der
rechts neben dem Verschluſscylinder herunter hängenden Magazinkasten, deren oberer
Verschluſs von dem Verschluſscylinder bewerkstelligt wird, dadurch erleichtern, daſs
er die ganze äuſsere Wand um Gelenke herabklappbar macht. Zur Feststellung der Wand
dient ein Stift, welcher an der Federplatte befestigt ist und dessen Kopf durch
einen Schlitz der Wand hindurchreicht. Spannt man also die Vorschubfeder durch
Ziehen an einer Kette, welche an der Federplatte befestigt ist und durch den Boden
des Magazinkastens hindurchgeht, so kann man die Wand aufklappen und den Kasten
füllen. Ist dies geschehen, so schnellt die Federplatte beim Loslassen der Kette
etwas in die Höhe, der Kopf der Federplatte tritt in den Schlitz der Wand und hält
diese dadurch fest. Auch diese Neuerung ist kein Fortschritt.
Dagegen verdient der unter * Nr. 25821 vom 1. Juli 1883 patentirte Magazinkasten von
Josef Werndl in Steyr wirklich den Namen einer
Verbesserung. Um nämlich die Patronen in am Gewehre nach oben gerichteten
Magazinkästen ohne Federn lediglich unter Einwirkung
der Schwerkraft eine nach der anderen ohne Klemmen nach unten zu führen, gibt Werndl den Flachseiten der Magazinkästen eine gewellte
Form, so daſs die Patronen nur parallel zu sich selbst von einer Welle zur anderen
und zuletzt bis in die Verschluſshülse rollen können. Zum Verschlüsse der oberen und
unteren offenen Seite der Kasten sind besondere einfache Vorrichtungen getroffen, so
daſs die Kasten, ohne daſs die Patronen herausfallen, gefüllt, fortgeschafft und auf
das Gewehr gesetzt werden können.
Unter den Neuerungen an Repetirgewehren mit Cylinderverschluſs und unter dem Laufe
liegendem Magazin ist zu erwähnen die der Schweizerischen
Industrie-Gesellschaft in Neuhausen bei Schaffhausen (* D. R. P. Zusatz Nr.
27722 vom 31. Juli 1883, vgl. 1884 251 187); in der
Gewehrhülse ist auf der rechten Seite ein von auſsen zu handhabender Hebel
angeordnet, welcher in der einen Stellung eine Bewegung des Löffels durch die
Kammerleitschiene gestattet, in der anderen Lage den Löffel feststellt.
Die Oesterreichische Waffenfabriks-Gesellschaft in
Steyr (* D. R. P. Nr. 28445 vom 5.
December 1883) ordnet zu demselben Zwecke einen halb abgefeilten Bolzen
als Drehachse für den Löffel an und legt in letzteren eine drehbare Platte, welche
in der einen Stellung des Bolzens in die Gewehrhülse hineinragt, also, vom
Verschluſscylinder angestoſsen, den Löffel bethätigt, in der anderen Stellung des
Bolzens in den Löffel hineintritt; letztere Stellung entspricht dem Einzellader.
Eine Verbindung eines Repetirgewehres der vorbesprochenen Art mit einem anhängbaren
Patronenmagazine findet sich in der umfangreichen Patentschrift * Nr. 26768 vom 1.
März 1883 beschrieben. Die betreffende Einrichtung ist aber so umständlich, daſs von
einer Anwendung derselben für Militärzwecke keine Rede sein kann.
Ein in der Gesammtanordnung eigenthümliches Repetirgewehr haben A. L. Larsen und C. E. Winterros in
Lüttich (* D. R. P. Nr. 29234 vom 23.
April 1884) angegeben. Es besitzt einen mittels Bügelhebel bewegbaren
Verschluſscylinder und hinter dem unter dem Laufe liegenden Magazinrohre einen auf-
und absteigenden Löffel. Auch dieses Gewehr ist zu umständlich.
Franz v.
Dreyse in Sömmerda (* D. R. P. Nr. 27019 vom 25. September 1883) bringt eine
Verbesserung an dem unter * Nr. 23897 patentirten Gewehre (vgl. 1884 251 187).
Das Repetirgewehr von G. P. Bertoldo in
Turin (* D. R. P. Nr. 27665 vom 19.
December 1883) erinnert auf den ersten Blick sehr an das Magazingewehr
von Lee (vgl. 1881 239
*267); es unterscheidet sich jedoch dadurch von letzterem, daſs der Magazinkasten in
dem Gewehrschafte befestigt und daſs durch die untere offene Seite des Kastens ein
vor dem Abzugbügel befestigter nach oben federnder Arm ragt. Klappt man nun den Arm
zurück, so kann man den Kasten mit Patronen füllen; legt man aber den Arm gegen
letzteren, so drückt derselbe die Patronen nach einander in die Gewehrhülse vor den
Verschluſscylinder.
Einen Lee'schen Magazinkasten benutzt auch das
Repetirgewehr der Spencer Arms Company in
New-York (* D. R. P. Nr. 28240 vom 1.
August 1883). Der Verschluſs ist ein um einen senkrechten Zapfen zur
Seite aus der Gewehrhülse heraus schwingender Blockverschluſs, welcher ungefähr wie
beim Gewehre * D. R. P. Nr. 20728 (vgl. 1884 251 188)
mittels eines auf dem Vorderschafte gleitenden Schiebers bethätigt wird.
Zu dieser Klasse gehört auch das bemerkenswerthe Repetirgewehr von H. St.
Maxim in London (* D. R. P. Nr. 27657 vom 7. Juli 1883), welches *S. 458 d.
Bd. genauer beschrieben ist.
Auch die Repetirgewehre mit Kolbenmagazin sind Gegenstand vielfacher Versuche
gewesen. Schon früher war in Nordamerika vorgeschlagen worden, die Patronen aus dem
Kolbenmagazine nicht durch eine Schraubenfeder, sondern durch ein vom
Verschluſscylinder bewegtes Schaltwerk in den Lauf zu befördern (vgl. 1865 176 * 438). Man bezweckt dadurch hauptsächlich eine von
einander unabhängige Lagerung der Patronen, so daſs das Geschoſs der einen das
Zündhütchen der nächst folgenden nicht berührt. Dieses System wurde von J.
Schulhof in Wien (* D. R. P. Nr. 26490 vom 9. April 1882) von Neuem erfunden
und dabei die Anzahl der Patronen durch in den Kolbenkörper eingelassene
Magazinkasten noch bedeutend vermehrt. Das Repetirgewehr faſst 25 Patronen. –
Denselben Weg mit geringen Abänderungen schlagen Richard
Bornmüller sowie Simson und Luck in
Suhl (* D. R. P. Nr. 26685 vom 17.
December 1882) ein, deren Repetirgewehr aber durch seine einfachere
widerstandsfähigere Einrichtung brauchbarer ist wie das vorhergehende. Den
Letztgenannten wurde unter * Nr. 28469 vom 11. März 1884 noch ein anderes
Repetirgewehr patentirt, bei welchem im Kolben ein Kasten angeordnet ist, der unten
in die zum Verschlusse führende Magazinröhre mündet. Vom Verschluſscylinder wird nun beim Oeffnen und
Schlieſsen eine Nürnberger Schere bewegt, welche jedesmal die unterste der im Kasten
befindlichen Patronen durch die Magazinröhre hindurch vor den Verschluſscylinder
befördert. So sinnreich die Einrichtung ist, ebenso unzweckmäſsig ist der Ersatz der
einfachen Schraubenfeder durch eine derartige umständliche Vorrichtung.
Unter den Revolvergewehren ist das der Oesterreichischen
Waffenfabriks-Gesellschaft in Steyr
(* D. R. P. Nr. 28428 vom 1. Februar 1884) zu erwähnen;
dasselbe ist eine Verbesserung des derselben Firma unter * Nr. 4394 patentirten
Gewehres (vgl. 1884 251 188).
Um die Dauer des Schnellfeuers verlängern zu können, ordnet J. Werndl
in Steyr (* D. R. P. Nr. 26883 vom 19.
Juni 1883) seitlich in dem die Revolvertrommel umgebenden Mantel eine
Oeffnung an, durch welche hindurch die Trommel mit Patronen geladen, auf welche aber
auch ein Patronenkasten aufgesetzt werden kann, so daſs beim Schnellfeuer unter
letzteren immer eine leere Zelle der Trommel zu stehen kommt und diese sich aus dem
Kasten wieder füllt. In diesem Falle muſs am Verschlüsse eine Auswerfvorrichtung für
die leere Hülse vorhanden sein.
Die Patente von Wilh. Buttermilch in
Breslau (* D. R. P. Nr. 24672 vom 14.
December 1882) bezieh. Cäsar Kaestner in
Magdeburg (* D. R. P. Nr. 27458 vom
9. December 1883) beziehen sich auf Revolvergewehre, bei welchen die
Revolvertrommel schnell gefüllt werden kann. Zu diesem Belaufe kann man bei ersterem
Gewehre um den Trommelkörper eine zweitheilige schellenartige Hülse legen, auf
welcher die einzelnen Patronen (14 an der Zahl) mittels Zwingen befestigt sind. Ein
durch Zahnbogen und Bügelhebel bewegter Verschluſscylinder schiebt dann die Patronen
aus den Zwingen in das Patronenlager des Laufes, wo sie verfeuert werden.
Gleichzeitig erfolgt die Umschaltung der Trommel. – Beim anderen Gewehre kann man
die Trommel behufs Ladung aus der Gewehrhülse schnell herausnehmen und wieder
einsetzen. Ein durch Handgriff bewegter Verschluſscylinder besorgt das Einschieben
der Patronen aus der Trommel in den Lauf.
Als Eigentümlichkeiten müssen endlich noch erwähnt werden: das Revolvergewehr mit
Magazin von Joh. Rottkamp und Herm.
Schröder in Nippes bei Köln (* D. R. P. Nr. 29287 vom 7. März 1884), welches
scheibenförmige, um die kurze Achse drehbare Geschosse verfeuert, und das ebenfalls
mit Magazin versehene Revolvergewehr des unermüdlichen amerikanischen Erfinders J. H.
McLean in St. Louis, Miss. (* D. R. P. Nr. 24326 vom 5. Januar 1882). Beide Gewehre
kommen ihrer umständlichen Einrichtung wegen wohl niemals zur Ausführung.