Titel: | Zur Analyse der Presshefe; von Alfred Jörgensen. |
Autor: | Alfred Jörgensen |
Fundstelle: | Band 252, Jahrgang 1884, S. 425 |
Download: | XML |
Zur Analyse der Preſshefe; von Alfred
Jörgensen.
Technisches Laboratorium in
Kopenhagen.
A. Jörgensen, zur Analyse der Preſshefe.
In seiner Abhandlung über die „Bedeutung der technischen Rohstofflehre“ (vgl.
1880 237 319) führt J.
Wiesner eine neue Methode zur Entscheidung der insbesondere für die
Zymotechnik wichtigen Frage an, ob eine Preſshefe mit Bierhefe verfälscht sei oder
nicht. Es ergibt sich von selbst, daſs Beobachtungen dieser Art, welche mit
Sicherheit und ohne jeden Vorbehalt vorgeführt werden, ein allgemeines Interesse
hervorrufen müssen, namentlich auf Seiten der technischen und speciell der
zymotechnischen Laboratorien. Als Analytiker bei Brauereien und Preſshefefabriken
hatte ich mehrere Jahre vielfache Gelegenheit dazu, die in der Literatur
vorliegenden Angaben zu prüfen; mit vorliegendem Beitrage versuche ich darzulegen,
was in dieser Frage bisher geleistet worden und welches die Resultate meiner eigenen
Erfahrungen sind.
Wiesner sagt, daſs „die Askosporenbildung bei
Branntweinhefe gar nicht vorkommt und deren Vermehrung ausschlieſslich durch Sprossung erfolgt,
wohl aber bei der Bierhefe“ (vgl. 1880 237 407),
welche Mittheilung er theils auf seine eigenen Beobachtungen stützt, theils auf
Untersuchungen von Brefeld und Schumacher. Hiermit wäre denn dem Techniker ein klarer und einfacher Weg
zur Entscheidung der Frage angewiesen, eine Entscheidung, welche recht erhebliche
Folgen mit sich heranziehen kann, wenn der Verdacht einer Verfälschung vorliegt.
Der Standpunkt Brefeld's ist in dem Sitzungsberichte der
Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin, 16. März 1875 (vgl. Botanische Zeitung, 1875 S. 401) mitgetheilt:
„Vortragender versuchte nach dem von Reess
angegebenen Verfahren während 2 Jahren vergeblich die verschiedenen Kulturhefen, Ober-, Unter- und Preſshefe zur
Fructification (Askosporenbildung) zu bringen. Die Fructification trat niemals
ein; die Hefezellen starben im Laufe mehrerer Wochen ab, ohne zu fructificiren.
Nur ein einziges Mal fand Verfasser bei einer Branntwein-Oberhefe eine sehr
spärliche Fructification nach 12 Tagen. Sonst führten alle irgend erdenklichen
Variationen der Versuche mit den verschiedensten Kulturhefen zu keinem anderen
als negativen Resultate. Es handelte sich nun darum, die lange Reihe der
Miſserfolge bezüglich der Fructification der Hefe natürlich zu erklären, und
hierfür gab der Gedanke, daſs sich bei den verwendeten Kulturhefen die Kultur die Fructification der Hefe schädlich
beeinflussend geltend gemacht haben könne, den leitenden Faden. Den Kulturhefen
ist nämlich unter den bei der Kultur obwaltenden Verhältnissen die Gelegenheit
zur Fructification nicht gegeben; sie pflanzen sich ausschlieſslich durch
vegetative Vermehrung fort.“ Und in der neuesten Arbeit desselben
Verfassers: Botanische Untersuchungen über Hefenpilze
(Leipzig 1883) heiſst es S. 186 wörtlich: „Diese Sporenbildung, welche bei der
Weinhefe ziemlich allgemein eintritt, wenn die geeigneten Bedingungen hierzu
gegeben sind, konnte schon bei der kultivirten Hefe, also bei der Bierhefe,
nicht sicher mehr beobachtet werden; wenigstens habe ich sie in sehr zahlreichen
Versuchen mit der Bierhefe aus den verschiedensten Gährungsanstalten nicht
auffinden können.“
Schumacher veröffentlichte seine Beiträge zur Morphologie und Biologie der Hefe in den Sitzungsberichten der k. Akademie der Wissenschaften,
Wien 1874, Abtheilung I Bd. 70 S. 13: „Die Branntweinhefe bildet unter bestimmten
äuſseren Bedingungen gleich der Bierhefe sogen. Askosporen. Die
Askosporenbildung tritt bei der Branntweinhefe viel später ein als unter
ähnlichen Bedingungen bei der Bierhefe.“ Dieser Angabe steht wie die vorige
die Wiesner'sche entgegen, obwohl in anderer Weise.
Im J. 1883 theilte dann E. Chr. Hansen seine
umfangreichen Untersuchungen über Askosporenbildung bei der Gattung Saccharomyces
mit und es lag jetzt eine ganze Reihe einander zum Theile widersprechender Angaben in der Literatur
vor. Meine Aufgabe als Zymotechniker bestand also darin, die sämmtlichen
vorliegenden Untersuchungen zu prüfen, theils um eine persönliche Ueberzeugung ihres
wissenschaftlichen Werthes zu erwerben, theils um eine Entscheidung der Frage zu
gewinnen, ob es möglich wäre, aus den gegebenen Daten Erleuchtungen von direkter
Bedeutung für die Praxis zu gewinnen.
Durch recht zahlreiche Versuche mit Preſshefe aus einer schwedischen und dänischen
Fabrik fand ich, daſs es nicht mit der geringsten Schwierigkeit verbunden ist, in
solcher Hefe reichlich und schnell eine Askosporenbildung hervorzubringen; dies gilt
der in der Preſshefe am häufigsten vorkommenden Form. Mittels der von Hansen dargestellten Fractionsmethode habe ich aus der
Preſshefe z.B. eine ausgeprägte Unterhefe ausgeschieden, welche ebenso reichlich wie
die obengenannte Preſshefe-form (Obergährungsform) und noch schneller als diese die
endogenen Zellen hervorbringt. Schlieſslich kann ich auch durch Versuche in meinem
Laboratorium die von Hansen hervorgehobene Thatsache
bestätigen, daſs es möglich ist, aus der Preſshefe – so wie aus anderer
„Kulturhefe“ – Formen zu isoliren, welche unter keinen Umständen Sporen
im Inneren entwickeln.
Meine sehr zahlreichen Versuche über Brauereihefe haben dargethan, daſs sowohl Ober-
als Unterhefe im Stande sind, sich durch endogene Sporenbildung zu vermehren. In
meiner Praxis stellte sich die Sache häufig so, daſs unter denselben äuſseren
Umständen die Preſshefe ihre Sporen noch schneller als die Brauerei-Oberhefe bildete
und diese wieder schneller als die Brauerei-Unterhefe; es ist aber hier unmöglich,
allgemeine Regeln zu geben, da die Industriehefe offenbar immer, oder doch
wenigstens in den meisten Fällen, eine Mischung von mehreren verschiedenen Arten
ist.
Meine Erfahrungen, welche alle durch die von Hansen
dargestellten grundlegenden Methoden und mit dem verschiedenartigsten Materiale
gesammelt wurden, sprechen vollständig gegen die Behauptungen der drei erstgenannten
Autoren; sie bieten dagegen ein durch die tägliche Praxis erhärtetes Zeugniſs für
die Genauigkeit und Gemeingültigkeit der Untersuchungen Hansens, während sie gleichzeitig zeigen, daſs die von Wiesner vorgeschlagene Methode nicht zum Ziele
führt.