Titel: | Paul Widemann's Herstellung einfacher und gemusterter Gazegewebe. |
Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 304 |
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Paul Widemann's Herstellung einfacher und gemusterter
Gazegewebe.
Mit Abbildungen auf Tafel 23.
Widemann's Herstellung einfacher und gemusterter
Gazegewebe.
Die Einrichtung des in D. p. J. 1878 227 * 351 beschriebenen Sahlleistenapparates von Paul Widemann, Webereidirector in Liepvre (Elsaſs), welche die Kettenfaden der
Schnittränder in Gazebindung verschlingt, kann nach dem Genie
civil, 1883 Bd. 3 S. 510 zur Herstellung von
Gazebindung in der ganzen Gewebebreite und bei besonderer Einrichtung des benutzten
Kammes zur Erzeugung beliebig gemusterter gazebindiger Stoffe verwendet werden.
(Vgl. auch S. Weigert * D. R. P. Kl. 86 Nr. 23566 vom
21. Januar 1883.)
Die etwas vereinfachte Anordnung zur Erzeugung der Gazebindung ist in Fig. 17
Taf. 23 dargestellt. Es ist A der feststehende sogen.
Gazekamm, welcher sich zusammensetzt aus ganzen, von Stab zu Stab reichenden Zinken
und halblangen Zinken, welche vom unteren Kammstab bis in die Mitte des Kammes
reichen und an ihren spitzen Enden durchlöchert sind; sie haben in der Figur eine
etwas schräge Stellung zu den durchgehenden Zinken. Durch die Löcher der halblangen
Zinken werden die Fäden F gezogen, welche dann über den
unteren, mit Plüsch bezogenen Stab des zweiten Kammes H
laufen. Die Fäden F1
gehen frei durch die Kämme A und H und werden durch ein Stäbepaar C abwechselnd auf und nieder geführt. Diese Bewegung
wird durch die von der Kurbelwelle des Webstuhles mit derselben Geschwindigkeit
umgetriebenen Excenter E erreicht, welche auf die Stäbe
C tragende Hebel D
wirken. Der Kamm H wird ein wenig seitlich hin und her
verschoben und diese Verschiebung bewirkt, daſs die Fäden F1 bei ihrem Niedergange abwechselnd
rechts oder links zu den Fäden F kommen, wodurch die
Verschlingung der beiden Fäden herbeigeführt wird.
Die Fig. 18 bis 20 zeigen
verschiedene Einrichtungen des Gazekammes zur Herstellung von gemusterten
Gazegeweben. Auch von dem oberen Kammstabe aus reichen halblange Zinken (vgl. Fig.
18 und 19) über
die Mitte des Kammes herab, welche jedoch nicht an ihren Enden durchlöchert sind; in
Fig. 18 ist zwischen zwei unteren mit Fadenöffnungen versehenen
halblangen Zinken immer abwechselnd eine obere halblange und eine durchgehende Zinke
und in Fig. 19
folgen die unteren und oberen halblangen Zinken auf einander. In Verbindung mit
einer Jacquardmaschine werden die verschiedensten Muster durch die Verschiebung des
Kammes H erreicht. So wird z.B. bei einer mehrere Male
hinter einander fortgesetzten Verschiebung des Kammes H
nach einer Richtung sich
auch die Kreuzung eines Fadens mit den Nachbarfäden immer fortsetzen und in der
willkürlichen absatzweisen Hin- und Herschiebung des Kammes H in Verbindung mit der verschieden zu gestaltenden Einrichtung des Kammes
A liegt die Möglichkeit, die verschiedensten Muster
zu erhalten.
Der Kamm in Fig. 20
enthält zwei gegenüber stehende halblange durchlöcherte Zinken abwechselnd mit
durchgehenden Zinken und die Einrichtung ist dann so, daſs jede Fadenreihe der
oberen oder niederen halblangen Zinken für sich durch Führungen, ähnlich dem
Stäbepaare, welche entsprechend niedriger oder höher liegen, gehoben und gesenkt
wird.
Bei der Verbindung dieser Einrichtung mit einer Jacquardmaschine, wenn ein Schuſs für
den Grund des Gewebes mit einem Schusse für das Muster abwechselt und die
Gazebindung im Grunde festgehalten wird, würde sich der Verlauf des Webens etwa
folgendermaſsen gestalten: 1) Der Gazekamm bleibt stehen; die eine Hälfte der Fäden,
welche frei, d.h. nicht durch die Löcher der halblangen Zinken gezogen ist, wird
durch ihren gewöhnlichen Harnisch gehoben. Der Einschlag für den Grund wird
eingeschossen. 2) Ein Tritt für das Muster wird in den freien Fäden gemacht; der
Gazekamm bleibt noch stehen und der Schuſs für das Muster erfolgt. 3) Eine Hälfte
der freien Fäden wird gehoben, sowie der Gazekamm (entsprechend für die Führung
durch das Stäbepaar C in Fig. 17);
der Einschlag wird geschossen. 4) Ein Tritt für das Muster wird in den freien Fäden
gemacht; der Gazekamm senkt sich; der Einschlag für das Muster ist vorbei. – Die
Verschiebung des Kammes H zur Herstellung der
Gazebindung erfolgt übereinstimmend vor jedem Tritte für den Grund vor der ersten
und dritten der vorstehenden Hantirungen.
Der in Fig. 20 dargestellte Gazekamm ist auch für das Weben einfacher Gaze zu
gebrauchen; er ist in diesem Falle abwechselnd mit dem oberen und niederen Theile
für die wechselnden Tritte thätig. Die freien Fäden, welche nicht durch die Löcher
der halblangen Zinken gehen, laufen schief zum Kamme H,
aber jede Hälfte derselben ist nach oben und unten durch Führungen getheilt. Die
Kettenfaden sind nicht in vertikaler Bewegung, die Hälfte ist immer oberhalb der
Schütze, die Hälfte unterhalb derselben. Zur Herstellung der Tritte sind die
vorherigen abwechselnden Vertikalbewegungen des Gazekammes mit den wechselnden
seitlichen Verschiebungen des Kammes H nicht
erforderlich. Die letztere Bewegung ist in einer Richtung vollzogen, während der
Gazekamm in oder nahe bei der höchsten Stellung ist, für welche die Hälfte der
freien Fäden sich stark unter den Spitzen der nach unten gerichteten halblangen
Zinken kreuzt. Dasselbe zeigt sich in entgegengesetzter Weise, wenn der Gazekamm in
oder nahe bei der tiefsten Stellung anlangt, für welche die zweite Hälfte der freien
Fäden nach unten gegen die Spitzen der in die Höhe gerichteten halblangen Zinken
geht. Die Vortheile dieser neuen Herstellung von Gaze sind nicht unbedeutend: Die
Einrichtung ist ohne groſse Kosten und leicht an jedem Webstuhle anzubringen und der
gewöhnliche theuere Gazeharnisch, welcher eine kostspielige Unterhaltung erfordert,
ist umgangen. Weiter werden die Kettenfäden mehr geschont und doch gestattet der
Webstuhl eine Geschwindigkeit von 160 Schuſs in der Minute gegen eine
Geschwindigkeit von 100 Schuſs bei den älteren Gazestühlen; endlich kann ein
Arbeiter gut zwei Stühle beaufsichtigen, wodurch in Allem an 75 Proc. Ersparniſs
erzielt werden soll, so daſs die Preise solcher Waaren wesentlich billiger gestellt
werden können.