Titel: | Die Diffusion in der Extractfabrikation; von Arthur Zwergel in Hamburg. |
Autor: | Arthur Zwergel |
Fundstelle: | Band 249, Jahrgang 1883, S. 307 |
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Die Diffusion in der Extractfabrikation; von
Arthur Zwergel in Hamburg.
Zwergel, über Kohlrausch's Extractfabrikation.
Die Mittheilung über O. Kohlrausch's Verfahren zur
Extraction von Gerb- und Farbhölzern (vgl. 1881 240 72)
bezog sich speciell auf die Extraction von Gerbmaterialen und wurde nur
nebensächlich betont, daſs die genannte Methode auch auf die Extraction von
Farbhölzern ihre Anwendung finden könne; eine solche hat dieselbe bereits an
mehreren Orten gefunden und, nachdem auch ich schon seit einer Reihe von Monaten
nach diesem Verfahren arbeite und sowohl Quebracho, als namentlich Farbhölzer
extrahirt habe, so kann ich darüber Folgendes mittheilen.
Kohlrausch's Verfahren beruht bekanntlich auf Dialyse in
batterieartig angeordneten geschlossenen Diffuseuren. Der Erfolg der Arbeit ist um
so besser, je gröſser unter sonst gleichen Verhältnissen die Anzahl der Diffuseure
ist, denn desto concentrirtere Extracte gelangen dann zur Verdampfung und desto
weniger Wasser ist zur Extraction nöthig.
Materialien, welche einen oder mehrere werthvolle Bestandtheile enthalten, geben,
wenn man dieselben in geeigneter Form mit einem Lösungsmittel in Berührung bringt,
an dieses die auf ihrer Oberfläche abgelagerten, in Wasser löslichen Stoffe nach den
Gesetzen der Diffusion und die in ihrem Inneren befindlichen Stoffe nach den
Gesetzen der Endosmose und Exosmose so lange ab, bis ein Ausgleich im Gehalte der
Materialien und der Extractionsflüssigkeit eingetreten ist.
Auf die Dialyse sind im Allgemeinen von Einfluſs: 1) Die Zeitdauer des Vorganges. Die Geschwindigkeit, mit welcher Krystalloide
diffundiren, ist bekanntlich eine sehr verschiedene. Soviel nach bisherigen
Untersuchungen bekannt, scheinen gewisse Salze der Alkalien die höchsten
Diffusionscoefficienten zu besitzen; dieselben nehmen in dem Maſse der
Schwerlöslichkeit ab und ist als ideale Dialyse jene zu bezeichnen, bei welcher in
der Praxis der wissenschaftliche Diffusionscoefficient erreicht wird, was praktisch
aber nicht möglich ist. Während nun die älteren, bisher üblichen
Extractbereitungsverfahren der Praxis zu auch nur halbwegs annehmbarer Ausbeute
volle 24 Stunden benöthigten, gestattet es das Diffusions verfahren in höchstens ¼
dieser Zeit ein wesentlich besseres Resultat zu erzielen. 2) Der Einfluſs, den die
Wärme sowohl auf die Geschwindigkeit der Dialyse,
als auch auf das rasche Lösungsvermögen im Allgemeinen nimmt, ist bekannt. Minder
bekannt dürfte indeſs der Einfluſs sein, den ein Ueberschuſs oder, richtiger gesagt,
zu viel derselben auf die Qualität der gewonnenen Extracte nimmt. Durch übermäſsige
Wärmeanwendung erleiden die Farbstoffe der Extracte durch Bildung von dunkel
gefärbten Verbindungen eine wesentliche Einbuſse an sogenannter Frische, während
Farbstoffextracte geradezu gebräunt und hierdurch zu mancher gewerblichen Benutzung
unverwendbar gemacht werden. Bedenkt man nun, daſs nach dem alten
Extractionsverfahren die mitunter sehr empfindlichen Materialien durch 18 bis 24
Stunden mit hoch gespannten Dämpfen gekocht werden, während nach dem Kohlrausch'schen Verfahren heiſses Betriebswasser und
Anwärmung der durchziehenden Extracte genügen, so wird man schon aus diesem Umstände
allein die ganz besonderen Vortheile dieses neuen Verfahrens ermessen können.
Mit der Zeitdauer und Anwendung groſser Wärmemengen sind übrigens die Hilfsquellen
der alten Extractbereitungsverfahren erschöpft. Die
durch anhaltendes Kochen gewonnenen dünnen Extracte (das 6 bis 8 fache Gewicht des
verarbeiteten Holzes) wurden zur Abdampfung gebracht und die letzten ganz dünnen
Extracte in eigene Behälter gepumpt, um an Stelle von Wasser zur Extraction neuen
Holzes wieder benutzt zu werden. Bei dem neuen Verfahren dagegen stehen sämmtliche
Diffuseure der Batterie unter dem constanten Drucke von
etwa 1at und befördert derselbe, ähnlich wie die
Wärme durch Ausdehnung der Poren, ein leichteres und rascheres Eindringen der
Auslaugeflüssigkeit. Die Wirkungen des Wasserdruckes und der Wärme unterstützen einander, so
daſs, was man von dem einen hinzuthut, an dem anderen gespart werden kann; hierin
liegt ein Kernpunkt des Verfahrens, welches sich schlieſslich noch durch einen
zweckmäſsigen Aufbau der Diffusionsbatterie auszeichnet.
Die Batterie, wie ich sie in Verwendung habe, besteht aus 12 Diffuseuren. Jeder
derselben ist mit einem oberen Einfüll- und einem unteren Ausleermannloche versehen
und besitzt ein Eintritt- oder Druckventil, ein Uebersteigventil und ein
Abtreibventil. Zwischen den Uebersteigern je zweier Diffuseure befindet sich ein
kleiner Röhren vor wärmer (Calorisator), welcher es gestattet, das durchziehende
Extract beliebig aufzuwärmen. Sämmtliche Diffuseure sind durch entsprechende
Uebersteigrohre so mit einander verbunden, daſs das Extract unter dem Drucke der
Wassersäule bei geschlossenen Deckeln durch bloſses Oeffnen der entsprechenden
Ventile vom Diffuseur Nr. 1 auf Nr. 2, von diesem auf Nr. 3 und so fort bis auf Nr.
12 übersteigt und von letzterem wieder auf Nr. 1 übergehen kann. Der Wasserdruck
besorgt daher den gesammten Umlauf der Extracte innerhalb der Batterie (in ähnlicher
Weise wie in den Diffusionsbatterien für Zuckerfabriken); durch seine Mitwirkung
geschieht ferner die Beschickung eines frisch gefüllten Diffuseurs mit Extract und
die Entnahme des bei jeder einzelnen Operation für die Verdampfstation entfallenden
concentrirten Extractes der Batterie. Die Arbeit geht in bekannter Weise
ununterbrochen im Kreise herum und überträgt ihre Regelmäſsigkeit auch auf alle
anderen Betriebsstationen der Fabrikation. Jeder Diffuseur besitzt ein Luftventil,
einen Probehahn und ein Thermometer zu stets ermöglichter Controlirung der
Temperaturen innerhalb der Batterie, welche gewissenhaft und immer mit Rücksicht auf
das zu verarbeitende Material eingehalten werden müssen, wenn ein vollkommener
Erfolg bei der Arbeit erzielt werden soll. Zum Ueberflusse besitzt auch noch jeder
Diffuseur eine Vorrichtung zu direkter Dampfeinführung, welche indeſs nur bei ganz
besonders schwer extrahirbaren Stoffen, wie gewissen Rothhölzern o. dgl., und auch
hier nur selten, aber dann nur bei geschlossenen Diffuseuren zur Verwendung
gelangt.
Dieser Aufbau der Diffusionsbatterie bietet nach verschiedenen Seiten Vortheile, wie
sie die alten Methoden nicht bieten konnten. Von besonderer Bedeutung ist vor Allem
der Umstand, daſs bloſs das höchst concentrirte Extract zur Abdampfung gelangt und
die ganze Reihe der schwächeren Extracte (10 an der Zahl) in der Batterie
verbleiben. Es wurde bereits betont, daſs nach dem alten Extractionsverfahren das 6
bis 8 fache Gewicht des verarbeiteten Holzes an Extract zur Abdampfung gelangt; Kohlrausch's Verfahren setzt diese Menge auf genau die
Hälfte herab.
Von hervorragender Wichtigkeit ist ferner die Ausnutzung des Rohmaterials. Nur in den
allerwenigsten Extractfabriken werden die Rohstoffe auf ihren Gehalt untersucht; die
meisten gehen nach Erfahrungszahlen vor. Es heiſst da beispielsweise, „Campecheholz gibt 10
bis 12 Procent an festem Extract,“ nicht aber, wie viel festes Extract kann
vorliegendes Campecheholz liefern und wie viel wird thatsächlich daraus erzielt. Nur
diese Zahlen können einen Maſsstab für den rationellen Betrieb liefern; leider
stellen indeſs die wenigsten Fabrikanten die Frage in diesem Sinne. Ich hatte
wiederholt Gelegenheit, festzustellen, daſs nach dem alten Extractionsverfahren 20
bis 25 Procent an Extract im Abfalle verblieben. Die Ursache solch groſser Verluste
liegt eben im Verfahren selbst. Wollte man das Material mit den gegebenen Mitteln
bis auf 5 bis 10 Proc. extrahiren, so würde man Flüssigkeitsmengen erzielen, deren
Verdampfung unmöglich, oder doch nur mit groſsen Geldopfern möglich gemacht werden
könnte, oder man würde durch zu lange Einwirkung der hohen Temperaturen die zu
gewinnenden theuren organischen Stoffe theilweise zerstören und den Werth der Farben
beeinträchtigen. Diesem Uebelstande begegnet der Aufbau der Diffusionsbatterie: Das
erste Glied derselben enthält ganz frisches Holz, das letzte im praktischen Sinne
bereits vollständig extrahirtes und nur mehr für den Dampfkessel verwerthbares
Material.
Im Nachstehenden sei das tabellarische Bild der Concentrationen in der
Diffusionsbatterie gegeben:
Diffuseur
Nr.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Concentr. der Extracte
%
0,10
0,30
0,40
0,60
0,70
0,70
0,80
1,00
1,40
2,40
4,70
–
Temperatur
Grad
64
–
65
–
–
70
–
–
63
–
61
–
Gehalt des Holzes
%
0,68
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
15,2
Der Abtrieb betrug das 3fache Gewicht des Holzes, daher
Die Ausbeute an Extract
3 × 4,70
=
14,10
Proc.
Der
Verlust
im
Holze
0,68
„
„
„
Ablaſswasser
3 × 0,10
=
0,30
––––––––––––
15,08
Proc.
Die Ausbeute daher
94,0
Proc.
Der Verlust
6,0
Proc.
Das verarbeitete Holz war Blauholz
(Campecheholz).
Die Vortheile des Verfahrens lassen sich kurz in folgenden Sätzen zusammenfassen: 1)
Die abzudampfende Flüssigkeit ist auf die Hälfte vermindert; 2) das Rohmaterial wird
vorzüglich ausgenutzt und die Ausbeute dem entsprechend erhöht; 3) die Qualität der
gewonnenen Extracte ist eine wesentlich bessere; 4) die Leistungsfähigkeit ist
vervielfacht und die Arbeit billiger.
Es liegt in diesem neuen Verfahren gegenüber den bisherigen Extractionsmethoden somit
ein Fortschritt, welcher die bisher in den meisten Fabriken übliche empirische
Darstellungsmethode ganz zu verdrängen in der Lage ist.