Titel: | Ueber den Begleiter des Benzols im Steinkohlentheere. |
Fundstelle: | Band 249, Jahrgang 1883, S. 231 |
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Ueber den Begleiter des Benzols im
Steinkohlentheere.
V. Meyer, über den Begleiter des Benzols im
Steinkohlentheere.
Wie V. Meyer in den Berichten
der deutschen chemischen Gesellschaft, 1882 S. 2893 zeigte, gibt das aus
Benzoesäure hergestellte Benzol, sowie auch ein mit Schwefelsäure anhaltend
geschütteltes Theerbenzol nicht die Indopheninreaction – Bildung eines schönen
blauen Farbstoffes beim Behandeln mit Isatin und Schwefelsäure –, welche das reinste
krystallisirte Benzol des Handels in so ausgezeichneter Weise zeigt. Der Verfasser
hat jetzt a. a. O., 1883 S. 1465 nachgewiesen, daſs das käufliche, sogen, reinste
krystallisirte Benzol aus Theer etwa 0,5 Procent einer neuen Verbindung, Thiophen genannt, enthält, welche die Ursache ist, daſs
das Benzol sich mit concentrirter Schwefelsäure bräunt und bei Gegenwart von
Schwefelsäure mit Isatin, Phenylglyoxalsäure, Benzoylcyanid u.s.w. die bekannten
schönen Farbstoffe bildet, welche reines Benzol nicht gibt.
Zur Gewinnung dieser neuen Verbindung wurden 250l
reinstes Handelsbenzol mit 25l concentrirter
Schwefelsäure 4 Stunden lang kräftig durchgeschüttelt, die erhaltene schwarze
Säureschicht, nach Entfernung des aufschwimmenden Benzols, mit Wasser verdünnt und
in bekannter Weise auf das Bleisalz der gebildeten Sulfosäure verarbeitet. Die Menge
des so erhaltenen Salzes – hauptsächlich Bleisalz der neuen Sulfosäure neben etwas
benzolsulfosaurem Blei – betrug 16k; dasselbe
bildet eine graue, bröcklige, leicht zerdrückbare Masse und besitzt einen schwachen,
unangenehmen Geruch. Dieser rührt von einer nicht mit in das Salz übergehenden
Beimengung her, welche beim Eindampfen der rohen Bleisalzlösung zum gröſsten Theile
mit den Wasserdämpfen entweicht, unter Verbreitung eines sehr ekelhaften Geruches.
Das Bleisalz wird mit ¼ seines Gewichtes an Salmiak innig vermischt und destillirt.
Das Rohdestillat enthält reichlich Mercaptane und wird durch Schütteln mit Wasser,
dann mit starker Kalilauge gereinigt. Das Product wird durch Chlorcalcium entwässert und im
Wasserbade oder auch auf freier Flamme überdestillirt, wobei eine geringe Menge hoch
siedender Schwefel Verbindungen zurückbleibt, welche nicht näher untersucht worden
sind. Das erhaltene, leicht flüchtige Oel, nochmals entwässert, besteht aus etwa 70
Proc. Thiophen und 30 Proc. Benzol.
Zur Reindarstellung wurden je 20cc Rohthiophen mit
2l gereinigtem Ligroïn verdünnt und die
Flüssigkeit mit 200cc concentrirter Schwefelsäure
gerade so lange durchgeschüttelt, bis eine Probe der Ligroïnschicht mit Isatin und
Schwefelsäure die Indopheninreaction eben nicht mehr zeigt. Hierzu sind 1 bis 2
Stunden erforderlich. Nun ist alles Thiophen theils als Sulfosäure gelöst, theils
allerdings auch unter Schwärzung und Schwefligsäure-Entwickelung zerstört, während
das Benzol noch unangegriffen in dem Ligroïn geblieben ist. Die schwarze, die
Thiophensulfosäure enthaltende Schwefelsäure wird vom Ligroïn getrennt, sogleich mit
Wasser verdünnt und mit Bleicarbonat behandelt. Das erhaltene lösliche Bleisalz, mit
Schwefelwasserstoff zersetzt, liefert nach dem Abfiltriren des Schwefelbleies die
Thiophensulfosäure, absolut frei von
Benzolverbindungen, und diese gibt bei der trockenen Destillation das Thiophen, welches nach dem Waschen mit Kalilauge,
Trocknen mit Chlorcalcium und einmaliger Rectification chemisch rein ist. Auch hier
läſst sich übrigens die trockene Destillation der freien Thiophensulfosäure
vermeiden, indem man das thiophensaure Blei mit Salmiak destillirt.
Das Thiophen, C4H4S,
ist farblos, leicht beweglich, siedet bei 84°, mischt sich nicht mit Wasser, hat
einen schwachen Geruch und bei 23° ein specifisches Gewicht von 1,062. Es wird von
Alkalien und Alkalimetallen nicht angegriffen; Salpetersäure oxydirt es mit groſser
Heftigkeit. Das Monobromthiophen entspricht der Formel C4H3BrS.
Reinstes Theerbenzol aus der Fabrik von Courtois in
Mülhausen enthält etwa 0,2 Proc. Schwefel, demnach etwa 0,5 Proc. Thiophen. Diese
kleine Menge, welche sich wohl annähernd in jedem reinen Benzole, das in den
Laboratorien gebraucht wird, vorfindet, genügt, um dem Benzol die auffallendsten
Eigenschaften zu verleihen. Auſser der Indopheninreaction verursacht sie auch
zahlreiche andere Erscheinungen, die meist als dem Benzol eigenthümlich angesehen
wurden. So beschrieb Clanen bekanntlich die Bildung
schöner Farbstoffe beim Zusammenbringen von Benzol und Schwefelsäure mit
Benzoylcyanid, Phenylglyloxylsäure und deren Derivaten. Auch diese schönen
Reactionen gibt reines Benzol durchaus nicht, sie kommen vielmehr dem Thiophen zu.
Ferner gibt nach C. Liebermann Benzol aus Theer mit
Salpetersäure haltiger concentrirter Schwefelsäure eine schön violette Farbe, welche
Benzol aus Benzoesäure nicht gibt. Auch hier haben wir es mit einer Farbenreaction
des Thiophens zu thun. Daſs auch die jüngst von Boesseneck (Berichte, 1883 S. 640) und von
Thompson (Daselbst S. 1308) beschriebenen
Farbenreactionen welche α-Naphtoylameisensäure, C10H7.CO.COOH, sowie
wir m Azophenylglyoxylsäure mit Benzol geben, dem Thiophen
zuzuschreiben sind, kann wohl kaum bezweifelt werden. Man sollte daher, wo es sich
um Farbenreactionen handelt, nur mit Schwefelsäure gereinigtes Benzol verwenden, wie
es die Fabrikanten von Resorcin übrigens bereits
thun.
Alles aus Theer durch bloſse Destillation dargestellte Benzol enthält gerade wie das
reinste Handelsbenzol Thiophen; aber zur Nachweisung desselben bedarf es eines
kleinen Kunstgriffes. In solchen Benzolen finden sich Stoffe, welche mit
Schwefelsäure allein heftig reagiren (nicht Basen, da sie durch Salzsäure nicht
entfernt werden) und welche die Indopheninreaction völlig verdecken. Um daher ein
solches Benzol auf seinen Thiophengehalt zu prüfen, muſs man es zunächst kurze Zeit
mit Schwefelsäure schütteln, die untere Schicht entfernen und erst dann die
Indopheninprobe vornehmen. Die industrielle Behandlung des Rohbenzols mit
Schwefelsäure entzieht demselben kein Thiophen.