Ueber Milchconservirung.Mit Abbildung.Ueber Milchconservirung.Nach Versuchen von A. Mayer (Milchzeitung, 1882 S. 321) wurde das Sauerwerden von Milch beim Erwärmen
auf 45° beschleunigt, durch 24stündiges Erhitzen auf 55° verzögert; doch nahm die
Milch einen an Gebäck erinnernden Geschmack an. Bei 10stündigem Erhitzen auf 55°
trat dieser Geschmack wenig hervor, die Milch lieſs sich aber dennoch einige Tage
unverändert aufbewahren. Dieselbe Geschmacksveränderung ist auch der Zucker freien
condensirten Milch eigen, welche neuerdings von der First
Swiss Alpine Milk Exporting Company in Romanshorn ausgeführt wird. Das
günstige Urtheil, welches dieses Präparat in vielen öffentlichen Blättern gefunden
hat, wird von Feinschmeckern keineswegs bestätigt werden. Zugleich ist hieraus ein
Rückschluſs möglich auf die Temperatur, bei welcher diese condensirte Milch gewonnen
wird.Mit Borsäure, Kochsalz oder Salicylsäure versetzte Milch zeigte, bei 16° aufbewahrt,
Beginn von durch den Geschmack nachzuweisender Säuerung und von Gerinnung:
SäuerungGerinnungBei 0,02Proc.BorsäureNach 30StundenNach 47Stunden0,04„35470,06„56600,02Kochsalz26300,04„26320,06„26340,02Salicylsäure33580,04„47820,06„144Gerinnt nach 8Tagen nicht.Ohne Zusatz25Nach 28 Stunden.
Die Zusätze von Borax und Kochsalz waren nicht durch den
Geschmack wahrzunehmen, wohl aber von Salicylsäure (vgl. 1881 241407).Wenn man nach Zusatz von Borsäure und Kochsalz auf Temperaturen über 60° erhitzt, so
kann ohne vorausgehende Säuerung sogleich Gerinnung eintreten durch Niederschlagen
des Caseïns. 45° ist nicht hinreichend; 50° gibt aber gute Resultate, da sich die
Milch dadurch für einige Tage conserviren läſst, ohne den erwähnten Nebengeschmack
anzunehmen. A. Mayer schlägt daher vor, Milch unter
Zusatz von 0,08 Proc. benzoësaurem Natrium oder 0,04 Proc. Borsäure 3 Stunden lang
auf 50° zu erwärmen, dann in verschlossenen Gefäſsen zu versenden.
[Textabbildung Bd. 247, S. 376]
Zum Kochen der Milch, um sie für einige Tage zu conserviren, empfiehlt Soltmann in der Deutschen
medicinischen Wochenschrift, 1882 S. 70 die Verwendung eines Cylinders aus
verzinntem Eisenblech,
dessen Trichteransatz a unten bei c verschiebbar ist. Beim Kochen tritt nun die Milch
unten durch die Einschnitte o ein und flieſst durch die
Ausfluſsrohre e wieder in den Topf zurück.Nach Versuchen von Biedert (Berliner klinische Wochenschrift, 1882 S. 75) ist eine dauernde
Conservirung nur durch 2stündiges Erhitzen unter Luftabschluſs auf 100° zu
erreichen. Ein ebenso langes Erwärmen auf 60°, wie auch das Kochen mit den Apparaten
von Soltmann und Bertling
genügt nur für die Aufbewahrung zu Haushaltszwecken. Durch die Erwärmung auf 60°
wird das Aufkochen nicht entbehrlich gemacht, da dies erforderlich ist, um sich
gegen Krankheitskeime, Perlsucht u. dgl., in der Milch zu schützen. Uebrigens beruht
der Vortheil aller Wärmeeinwirkungen lediglich in der Verhütung der Milchzersetzung;
die vielfach gerühmte Einwirkung auf das Caseïn findet nicht statt.Bezüglich der Veränderungen conservirter Milch bemerkt
O. Loew in den Berichten
der deutschen chemischen Gesellschaft, 1882 S. 1482, die Ansicht Meiſsl's (1882 245142),
daſs die bekannten Aenderungen durch das Aufeinanderwirken der einzelnen
Milchbestandtheile herbeigeführt würden, sei unhaltbar, weil nach längerem Erhitzen
auf 120° die Milch jahrelang völlig unverändert bleibt. Wenn, nach Nägeli's Beobachtungen, beim Conserviren von Milch das
Erhitzen der verschlossenen Gefäſse nicht hoch genug getrieben oder nicht lange
genug fortgesetzt wird, so treten allmählich Veränderungen ein, wobei die Milch
einen intensiv bitteren Geschmack annimmt und das Caseïn peptonisirt wird. Nägeli führt die Ursache dieser Veränderungen auf
Spaltpilze zurück, welche durch die hohe Temperatur sehr geschwächt, aber nicht
getödtet waren.Milch, welche im geschlossenen Dampftopf nur 40 Minuten auf 101° erhitzt war, bildete
nach 8jähriger Aufbewahrung eine schwach sauer reagirende, bräunliche Flüssigkeit
mit einer Fettschicht und einem geringen Bodensatz, letzterer wesentlich ein
Anhydrid des Tyrosins. Geruch war kaum wahrnehmbar, der Geschmack war intensiv
bitter, der Milchzucker als solcher war vollständig verschwunden und in seine
hydrolitischen Spaltungsproducte, Lactose und Glycose, verwandelt, das Caseïn und
Eiweiſs vollständig in Pepton übergegangen. Ferrocyankalium mit Essigsäure gab nicht
einmal eine Trübung, während Gerbsäure, Alkohol, Mercurinitrat, Phosphorwolframsäure
reichliche Peptonfällungen ergaben. Ein Theil des Peptons hatte indeſs weitere
Zersetzung erfahren, da sich Leucin, Tyrosin und Ammoniak in der eingeengten
Flüssigkeit leicht nachweisen lieſsen.Nach H. v. Liebig (Forschungen
auf dem Gebiete der Viehhaltung, 1882 S. 137) ist zur Herstellung condensirter Milch von jeher eine
theilweise abgerahmte Milch verwendet worden, weil dies für die Haltbarkeit
derselben nothwendig ist. Folgende Aufstellung zeigt die mittlere Zusammensetzung
der bayrischen Gebirgsmilch (I), der daraus mit 12 Proc. Zuckerzusatz erhaltenen
condensirten Milch (II), desgleichen mit 10 Proc. Zuckerzusatz wie in Milch aus
Kempten (III), bezieh. ganz und halb abgerahmt (IV und V):
Milch aus der englischen Schulfarm Cirencester frisch (I) und condensirt (II),
desgleichen Sommermilch aus Vorarlberg (III und IV) hatten folgende
Zusammensetzung:
Milch enthält mehr Fett als Eiweiſs; fast alle im Handel vorkommenden Sorten
condensirter Milch zeigen aber einen gröſseren Gehalt an Eiweiſs wie an Butter, sind
daher zweifellos von theilweise abgerahmter Milch hergestellt. Die Gesellschaft Luxburg Alpina, deren condensirte Milch 12,1 Proc. Fett
und 9,99 Proc. Eiweiſs enthielt, ist zu Grunde gegangen, ohne Zweifel mit aus dem
Grunde, weil condensirte Milch mit so hohem Buttergehalt nicht haltbar ist und
ranzig wird, namentlich wenn sie 29 bis 31 Proc. Wasser hat wie die Kemptener
condensirte Milch. Solche an Fett reiche Milch muſs nothwendiger Weise theilweise
bis zu ⅓ abgerahmt werden, wenn sie als ein Handelsartikel sich erhalten soll, bei
welchem Haltbarkeit die erste Bedingung ist, da nur dadurch der Wohlgeschmack
bewahrt bleibt.