Titel: | Dampfmaschinen-Steuerungen mit zwei einfachen Muschelschiebern. |
Fundstelle: | Band 247, Jahrgang 1883, S. 269 |
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Dampfmaschinen-Steuerungen mit zwei einfachen
Muschelschiebern.
Patentklasse 14. Mit Abbildungen auf Tafel 21 und 24.
Dampfmaschinen-Steuerungen mit zwei einfachen
Muschelschiebern.
Ein Hauptvorzug des Muschelschiebers ist bekanntlich der, daſs man mit einem Schieber sowohl Einströmung, wie Ausströmung und
zwar bei der gewöhnlichen Anordnung für beide
Cylinderseiten regeln kann. Auch wenn man denselben zur Vermeidung langer
Dampfkanäle trennt, also an jedem Cylinderende einen einfachen Muschelschieber
anbringt, ist die innere Steuerung gegenüber den Einrichtungen mit 4 Organen sehr
einfach zu nennen. Eine derartige Anordnung mit einem Muschelschieber an jedem Ende
gehört überhaupt, namentlich für kleinere Dampfmaschinen, jedenfalls zu den besten
Constructionen, welche man bezüglich der inneren Steuerung wählen kann. Die
schädlichen Räume lassen sich auf das geringste Maſs zurückführen. Die Schieber
fallen verhältniſsmäſsig klein aus, lassen sich leicht dicht halten, geben daher nur
geringe Dampfverluste u.s.w.
Erhalten die Schieber durch ein Excenter, etwa unter Einschaltung von Coulissen o.
dgl., eine gleichmäſsig hin- und hergehende Bewegung, so haben solche Steuerungen
allerdings den Uebelstand, daſs durch Aenderung der Einströmungsperiode auch die
Ausströmungsperiode geändert wird und daſs eine Aenderung des Füllungsgrades
überhaupt nur innerhalb enger Grenzen möglich ist. Sehr geringe Füllungen, wie sie
jetzt bei Betriebsmaschinen üblich sind, lassen sich gar nicht erreichen, wenn man
auſsergewöhnlich groſse Deckungen mit entsprechend groſsem Schieberhub und eine
übermäſsige Compression vermeiden will. Man kann jedoch auch die günstigste
Dampfvertheilung bei Anwendung der gebräuchlichen Deckungen u.s.w. erzielen, wenn
man nur den Schiebern eine solche Bewegung ertheilt, daſs sie nach Abschluſs der
Einströmung in ihrer mittleren Stellung, in welcher sie den Cylinderkanal
verschlieſsen, stehen bleiben, bis der geeignete Zeitpunkt für den Beginn der
Ausströmung gekommen ist. Eine solche Bewegung der Schieber zu erreichen und zwar
derart, daſs die Dauer der Einströmung durch die Stellung des Regulators bestimmt
wird, ist der Zweck der nachstehend beschriebenen Constructionen.
H. Lehmann in Karlsruhe (Erl. * D. R. P. Nr. 6585 vom 7.
December 1878) hat den Versuch gemacht, die Schieber durch kleine Dampfkolben zu
bewegen, welche durch einen einfachen Daumenmechanismus direkt von der
Regulatorhülse aus gesteuert werden, so daſs alle weiteren äuſseren
Steuermechanismen in Fortfall kommen. Wie aus Fig. 1 bis
3 Taf. 21 ersichtlich, ist in jeden der beiden Schieberkasten ein
kleiner, nach innen offener Dampfcylinder mit einem frei darauf liegenden
Vorsteuerschieber eingesetzt. Die beiden zugehörigen Kolben sind mit den beiden Hauptschiebern auf einer
gemeinschaftlichen Stange befestigt. Ebenso haben die beiden Hilfsschieber eine
gemeinsame Stange, welche in der Mitte von einem Hebel F umfaſst wird. Auf der Achse des letzteren ist ein verstellbarer
gegabelter Arm G angebracht, welcher, mit zwei Rollen
versehen, die Regulatorhülse umgreift. Auf dieser befinden sich zwei Daumen – ein
gerader, zur Spindel paralleler und ein schraubenförmig gewundener – welche, da der
Regulator gleiche Umlaufzahl mit der Kurbelwelle hat, während jeder Umdrehung auf
jede der Rollen 2mal hinter einander einwirken und hierdurch die Hilfsschieber
abwechselnd 2mal nach rechts und 2mal nach links verschieben. Durch zwei den Hebel
F zwischen sich fassende Federn werden sie jedesmal
sofort wieder in die Mittellage gebracht. Erhalten nun auf diese Weise in der
Stellung Fig. 1 die
Hilfsschieber durch den schraubenförmigen Daumen früher oder später einen kurzen
Ausschlag nach links, so kann aus dem rechten Steuercylinder ein Theil des Dampfes
entweichen. Kolben und Hauptschieber werden daher um ein Stück nach links rücken,
und zwar soll dieser erste Vorschub so weit gehen, daſs der Cylinderkanal links für
die Einströmung geschlossen wird, der Kanal rechts für die Ausströmung aber geöffnet
bleibt. Erst nach der zweiten Zuckung der Steuerschieber nach links, welche am Ende
des Kolbenhubes erfolgt, vollenden dann die Schieber ihren Hub und erhalten die der
gezeichneten entgegengesetzte Lage.
Die Steuerung ist sehr einfach und würde recht zweckmäſsig sein, wenn nicht die
Begrenzung des ersten Schieberweges bei jedem Hube so durchaus unsicher wäre. Eine
derartig freie, 2mal hinter einander in gleicher
Richtung erfolgende Bewegung wird nur mit Hilfe besonderer Sperr- und
Auslösemechanismen zu ermöglichen sein. Bei den folgenden Anordnungen ist die
Schieberbewegung nur zum Theil eine freie, im Uebrigen aber zwangläufig.
Fig.
4 bis 7 Taf. 21
zeigen eine Steuerung von C. Witscher in M.-Gladbach
(Erl. * D. R. P. Nr. 5357 vom 12. September 1878). Der Kesseldampf wird bei E zugeführt und strömt durch den Längskanal o in die beiden Schieberkasten. Der Abdampf gelangt
durch die Kanäle u, welche sich an den Cylinderenden zu
beiden Seiten um den Cylinder herumziehen, und durch einen unteren Längskanal in das
Ausströmrohr. Dies ist schon in so fern ungünstig, als hierbei die Cylinderenden,
welche eine Heizung am meisten nöthig haben, durch den Abdampf fortwährend gekühlt
werden. Jeder der beiden Schieber F und F1 ist durch seine
Stange mit einem Gleitklotz N bezieh. N1 verbunden. Diese
Gleitklötze, welche sammt dem zwischen ihnen befindlichen Schlitten M in einer Schwalbenschwanzführung laufen, tragen
winkelförmige Klinken K und K1, durch welche sie zeitweise mit dem
Schlitten M gekuppelt werden. Bewegt sich dieser aus
der gezeichneten Mittellage, bei welcher sich beide Klinken in Eingriff befinden,
nach links, so folgt der rechte Schieber nur so lange, bis die rechte Klinke gegen den mit dem
Regulator verbundenen, horizontal geführten, keilförmigen Auslöser C stöſst und ausgehoben wird. Zwei Federn, welche auf
beiden Seiten des Gleitstückes N1 hinter Vorsprünge desselben fassen, führen den
Schieber schnell in die Mittellage zurück. Dieselbe ist dadurch festgelegt, daſs bei
denselben die Enden der Federn sich gegen feste Nasen D
legen. Die linke Klinke bleibt während des ganzen Ausschlages nach links und der
Rückkehr zur Mittellage in Eingriff. Bei dem Ausschlag nach rechts wird dann die
linke Klinke ausgelöst und die rechte bleibt in Eingriff. Die Steuerung ist
gleichfalls einfach, aber auch in mancher Hinsicht mangelhaft. Die Federn müssen
auſsergewöhnlich kräftig sein, um die beträchtliche Schieberreibung sammt dem auf
die Schieberstangen treffenden Dampfdruck zu überwinden.
Diesem Uebelstande würde dadurch abzuhelfen sein, daſs man eine passend verstärkte
Verlängerung der Schieberstangen durch die äuſseren Schieberkastenwände
hindurchführte. Die leicht brechenden Blattfedern wären auſserdem zweckdienlicher
durch Schraubenfedern zu ersetzen. Die Begrenzung der nach der Auslösung folgenden
freien Schieberbewegung erscheint auch hier noch unsicher, da die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen ist, daſs die Schieber über die Mittellage hinausgeschnellt
werden.
Hinsichtlich des letzteren Umstandes ist die der vorigen sehr ähnliche Steuerung von
J. R.
Frikart in Lille (* D. R. P. Nr. 20836 vom 12. Juli 1882) zweckmäſsiger zu
nennen. Dieselbe ist in Fig. 8 bis
12 Taf. 21 veranschaulicht. Die beiden Klinken sind hier (wie bei der
bekannten Steuerung von Wannieck und Köppner, vgl. 1876 221 *
492) auf dem Schlitten D gelagert, welcher entweder
durch ein Excenter oder, wie in der Zeichnung angegeben, durch Kegelräder und eine
Kurbelschleife seine hin- und hergehende Bewegung erhält. Die gabelförmigen Enden
desselben greifen mit den Stahlnasen d (Fig. 9)
hinter die prismatischen Stahlklötze F, welche an den
Enden der beiden Schieberstangen befestigt sind. Andererseits fassen die Klinken
hinter diese Stangenköpfe, so daſs, wenn letztere in Eingriff sind, die Schieber
zwangläufig nach beiden Richtungen bewegt werden, wie bei der vorigen Anordnung. Die
Rückführung der Schieber in die Mittellage nach der Auslösung der Klinken erfolgt
durch je eine Schraubenfeder C, welche derart zwischen
zwei Kolben angeordnet ist, daſs dieselbe durch jede Entfernung des zugehörigen
Schiebers aus seiner Mittellage, mag dieselbe nach rechts oder nach links
stattfinden, zusammengepreſst wird. Der innere Kolben wirkt bei der freien
Abschluſsbewegung des Schiebers zugleich als Luftbuffer. Haben die Federn schon in
dem Zustande gröſster Streckung, also bei der Mittelstellung der Schieber einige
Spannung, so scheint das Verbleiben der letzteren in der Mittellage nach der
Auslösung möglich.
Der gleiche Mechanismus soll auch für Hähne (Rundschieber) verwendet werden.
(Schluſs folgt.)