Titel: | Ueber Neuerungen im Eisenhüttenwesen. |
Fundstelle: | Band 246, Jahrgang 1882, S. 241 |
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Ueber Neuerungen im Eisenhüttenwesen.
Ueber Neuerungen im Eisenhüttenwesen.
Den Vorträgen, welche am 19., 20 und 21. September 1882 bei den Versammlungen des Iron and Steel Institute in Wien gehalten wurden,
entnehmen wir folgende Mittheilungen.
P. v. Tunner besprach die Lage
der Eisenindustrie in Steiermark und Kärnten und A.
v. Kerpely das Eisenhüttenwesen in Ungarn. Bezüglich beider Vorträge mag
auf die Oesterreichische Zeitschrift für Berg- und
Hüttenwesen 1882 S. 463 verwiesen werden.
Die Stahlschienenfabrikation bei Verwendung von Braunkohlen
in Teplitz behandelte A. Kurzwernhart,
Betriebsdirektor des Teplitzer Walzwerkes.
Das nordwestböhmische Braunkohlenbecken theilt sich in mehrere
kleinere, von welchen das wichtigste das sogen. Auſsig-Teplitz-Saazer Becken ist.
Die Längsrichtung dieses letzteren ist von Südwest nach Nordost gerichtet und
beträgt etwa 60km, während die Breite zwischen 25
und 4km schwankt, im südlichen Theile überhaupt groſser ist als
im nördlichen. Die Mächtigkeit des Hauptflötzes wechselt zwischen 10 und 30m; an manchen Stellen ist sogar eine Mächtigkeit
von 38m bekannt. Die Tiefe des Flötzes ist
nirgends gröſser als 200m, durchschnittlich nur
100m und an einigen Stellen so gering, daſs
mit Vortheil Tagebau betrieben wird. Der Aschengehalt der Braunkohle beträgt 2 bis 8
Proc., der Wassergehalt etwa 15 bis 20 Proc.; etwa 200k dieser Braunkohle sind 1cbm weichen
Holzes gleichwerthig. Die Gestehungskosten dieser Kohle sind äuſserst gering und
betragen für 1t nur 2 bis 2,40 M. Trotz dieser
günstigen Verhältnisse kann erst seit dem J. 1858 von einem wirklichen Bergbaue
gesprochen werden, welcher sich jedoch so schnell entwickelte, daſs im J. 1881
bereits 6000000t gefördert wurden.
Auf Grund dieser Kohle und der billigen Wasserstraſse, welche
einen billigen Bezug von englischem Roheisen über Hamburg ermöglicht, entstand im J.
1873 in der Nähe von Teplitz eine Bessemerhütte und ein Walzwerk, welches seit dem
Beginne des J. 1881 seinen Betrieb nach dem basischen Verfahren eingerichtet hat
(vgl. 1882 243 * 42). Die Einrichtungen dieser Hütte
unterscheiden sich in so fern von denen anderer Hütten, als sie speciell auf
böhmische Braunkohle berechnet sind, mit möglichstem Ausschluſs von Kokes, welcher
gerade hier sehr theuer ist. Nur bei der Erwärmung der Bessemer-Tetorte und der
Pfanne reicht die Braunkohle nicht aus und muſs dieselbe durch Kokes unterstützt
werden.
Wie jeder langflammige Brennstoff so hat auch die Braunkohle die
Eigenschaft die bei ihrer Verbrennung entwickelte Wärme zum geringsten Theile an dem
Punkte der unmittelbaren Entzündung abzugeben, so daſs hier ein kleiner Procentsatz
Kokes unterstützend eingreifen muſs. Es handelt sich bei der Retorte darum, die
Oberfläche des Retortenbodens entsprechend heiſs zu bekommen, also jene Stelle, auf
welcher der Brennstoff unmittelbar aufsitzt und die auſserdem durch die Zuführung
des Gebläsewindes theilweise sogar einer Abkühlung ausgesetzt ist. Die Erfahrung hat
gezeigt, daſs man mit der Braunkohle den Retortenboden nicht hinreichend anzuwärmen
im Stande ist. In Teplitz legt man groſsen Werth darauf, die Retortenböden lange zu
erhalten, und pflegt nach jeder Hitze durchschnittlich nahezu 2 der 6 im
Retortenboden vorhandenen saueren Düsen auszustoſsen, was für die Erhaltung des
Bodens vortheilhaft ist, da sich keine so tiefen Trichter bilden können.
Selbstverständlich wird hierdurch die Oberfläche des Retortenbodens ziemlich stark
abgekühlt, da die eingeschmierte Masse, gewöhnlichgewönlich sauere Quarzchamotte-Masse, beim Wiederanwärmen der Retorten die
Wasserdämpfe entweichen läſst und hierdurch die Temperatur der unteren
Brennstoffschichten sehr herabsetzt. Die aus der Braunkohle entwickelten Gase
steigen naturgemäſs gleich aufwärts und gelangen erst in höheren Schichten zu einer
entsprechend vollständigen Verbrennung, wo sie dann auch die umgebenden
Retortenwände entsprechend erhitzen, während der untere Theil, namentlich die
Oberfläche des Retortenbodens, kalt und beinahe schwarz bleiben würde. Es werden
daher nach jenen Hitzen, nach welchen sich der Boden kalt zeigt, etwa 15k Kokes in die Retorte geworfen und hierauf 150k Braunkohle zugesetzt. Die kurzflammigen Kokes
geben die Hitze unmittelbar auf die Oberfläche des Retortenbodens ab und es gelingt
hierdurch, die um die Düse herumgeschmierte Masse gründlichst auszutrocknen und zu
brennen, sowie den Retortenboden weiſs zu bekommen. Mit dieser Brennstoffgattung
pflegt man binnen 5 Minuten Blasezeit die Retorte hinreichend heiſs zu haben, um den
Roheisenabstich vornehmen zu können.
Die in Teplitz übliche Arbeit mit der Pfanne macht es jedoch
angezeigt, auch zum Aushitzen derselben etwas Kokes zu verwenden. Es werden in
Teplitz mit einer Guſspfanne hinter einander bis zu 120 und unter günstigen
Umständen selbst die doppelte Anzahl Hitzen gegossen, ohne die Pfanne zu wechseln.
Da hierbei die Ausguſsöffnung von inwendig eingesetzt wird, so wird die Pfanne nach
jeder Hitze sehr stark mit Wasser gekühlt. Es geschieht dies in der Weise, daſs der
Arbeiter einen Patzen Thon in die Guſsöffnung wirft, wonach die Hohlpfanne mit
Wasser angefüllt wird. Erst nach einer derartigen Abkühlung der Pfanne wird der neue
Ausguſs eingesetzt. Daſs hierbei die porösen Wände der Pfanne sehr viel Wasser
aufnehmen, ist natürlich und macht es die kurze Zeit, welche zur Verfügung steht, um dieselbe wieder heiſs
genug zu bekommen, wünschenswerth, manchmal hierzu Kokes zu nehmen und zwar werden
dann etwa 15k Kokes und 2 Körbe Braunkohle
verwendet. Zu allen übrigen Feuerungszwecken, auch für die sämmtlichen Dampfkessel,
wird nur Braunkohle benutzt.
Das Erwärmen des Spiegeleisens und des Kalkes wird in Teplitz
zusammen mit einer und derselben Feuerung durchgeführt, indem das Anwärmen des
Kalkes nur durch jene Ueberhitze bewerkstelligt wird, welche von der Erwärmung des
Spiegeleisens entweicht. Das Spiegeleisen wird somit nicht im flüssigen, sondern im
stark vorgewärmten Zustande zugesetzt und zwar so heiſs, als es möglich ist, um das
Spiegeleisen eben nicht zum Schmelzen zu bringen. Ist diese niedrige Temperatur
einerseits ein Nachtheil, so bringt sie andererseits den Vortheil, daſs man bei
diesem Vorgang sicher ist, daſs der ganze Mangangehalt des Spiegeleisens zur Wirkung
kommt. Es ist der Zusatz eines stark vorgewärmten, anstatt flüssigen Spiegeleisens
ein Mittel, um die Gleichmäſsigkeit des erzeugten Stahles betreffs der Härte zu
befördern. Zu diesem bloſsen Vorwärmen reicht aber die Braunkohle vollständig aus,
ohne daſs Gasfeuerung nothwendig wäre, und gibt sogar noch genügende Hitze, um durch
die abziehende Ueberhitze Kalk auf Gelbglut zu bringen. Der zur Vorwärmung des
Spiegeleisens und Kalkes dienende Ofen hat eine gewöhnliche direkte
Treppenrostfeuerung, zu deren Heizung nur NuſskohleUnter
Nuſskohle versteht man jene Kohle, in welcher die kleinsten Stückchen einen
Cubikinhalt von 0cc,75, die gröſsten
Stückchen einen Cubikinhalt von 36cc
besitzen. Die nächst kleinere Sorte wird mit Lösche bezeichnet; sie enthält
Alles, was noch kleiner ist als Nuſskohle, also auch den ganzen bei der
Kohlensortirung abfallenden Staub. Die nach der Nuſskohle nächst gröſsere
Kohle ist Mittelkohle Nr. 2, welche Stückchen von über 36cc bis etwas unter Faustgröſse enthält.
Mittelkohle Nr. 1 enthält nur Stücke von Faustgröſse und darüber. Stückkohle
kommt im Teplitzer Walzwerk gar nicht zur Verwendung. verwendet
wird, von welcher 100k etwa 16 Pf. am Ofen kosten.
Das Spiegeleisen befindet sich auf einem flachen Herde, ähnlich wie in einem
Schweiſsofen, welcher mit einem Fuchse endigt. Der Fuchs mündet in einen Thurm von
quadratischem Querschnitte, in welchem sich über einander mehrere wechselseitig
gegen einander geneigte Etagen befinden, auf denen der Kalk liegt; der Thurm setzt
sich oben in einen feuerfest ausgemauerten Kamin von kreisförmigem Querschnitte
fort. Unmittelbar am unteren Ende des Kammes findet durch eine Seitenöffnung des
Thurmes die Aufgabe des Kalkes statt, welcher auf den Etagen nach abwärts gleitet
und schlieſslich dieselben bedeckt, so daſs die Ueberhitze durch die Zwischenräume
des Kalkes aufsteigen muſs. Da Teplitz seinen Kalk nicht selbst brennt, sondern
denselben bereits gebrannt bezieht, so kommt es vor, daſs manchmal ziemlich viel
feiner, zerfallener Kalk entsteht; um nun in solchen Fällen zu verhindern, daſs
derselbe auf den Etagen sich zu fest schlieſst und dadurch den Zug des Ofens
beeinträchtigt, so sind an den Seitenwänden des Thurmes senkrechte, Schlitze
gemauert, durch welche die Ueberhitze in reichlicherem Maſse aufsteigt, wenn der
Kalk nicht genügend Zwischenraum gewährt, so daſs in jedem Falle der Zug zur
Vorwärmung des Spiegeleisens nicht leidet. Selbstverständlich wird in solchen Fällen
der Kalk etwas weniger gut vorgewärmt. Diese Einrichtung der gleichzeitigen
Vorwärmung des Spiegeleisens und Kalkes hat sich sehr gut bewährt. Man braucht für
jede Hitze zur Vorwärmung des Kalkes und Spiegeleisens etwa 400k Nuſskohle. Eine Hitze von 6t,5 Roheiseneinsatz für Schienenstahl bekommt
einen Zusatz von 370k Spiegeleisen und 850k Kalk.
Besonders wichtig ist die Verwendung der Braunkohle zum Schmelzen
des Roheisens mittels Siemens'scher Gasöfen. Der
Einsatz in einen solchen Ofen beträgt, wie erwähnt, 6t,5 Roheisen. Der Herd ist 3m,8 lang,
2m breit; die Oberfläche des Eisenbades steht
in der vollen Herdbreite, jedoch beträgt die Länge nur 3m, die gröſste Tiefe in der Mitte 0m,3.
Die Gas- und Luftkammern bilden den Unterbau für den Herd, so daſs man also stehende
Regeneratoren hat. Der Inhalt einer Luftkammer beträgt 15cbm,5, der einer Gaskammer 14cbm,5.
Als Umsteuerungsventile dienen gewöhnlich guſseiserne
Kreuzklappen. Ein solcher Ofen schmilzt in 2 Stunden eine Hitze von obengenanntem
Einsatze, so daſs ein Ofen in 24 Stunden leicht 8 Hitzen macht. Es ist mit diesen
Oefen in derselben Zeit auch bei dem saueren Prozesse geschmolzen worden, wobei mit
an Silicium ziemlich reichem Eisen, selbst bei einem Zusätze von 50 Proc.
Stahlabfallen, gleichfalls die Schmelzdauer nicht länger war und das Eisen
auſserordentlich heiſs vom Ofen lief. Der Brennstoff zu dieser Feuerung ist
gleichfalls ausschlieſslich nur Nuſskohle. Die Gasgeneratoren der älteren Oefen
haben gewöhnliche Planroste, die neueren aber Treppenroste. In letzteren kann man
auch Nuſskohle Nr. 2 verwenden, welche Sorte zwischen Lösch- und Nuſskohle Nr. 1
steht und bei Planrosten durchfällt Man hat auf diesen Treppenrosten sogar versucht.
Lösche zu verwenden, von welcher 100k nur etwa 3
Pf. kosten, und gelangte auch mit diesem Brennstoffe zum Ziele; nur wurde die
Production etwas verlangsamt, so daſs man aus diesem Grunde auf die Verwendung der
Lösche verzichtete. Als Gesammtrostfläche entfällt auf jeden Ofen 5 bis 8qm. Die Brennstoffschicht hat bei den Generatoren
mit Planrosten eine mittlere Höhe von 0m,8, bei
den Treppenrostgeneratorcn eine gleichmäſsige Dicke von 0m,52. Das aus den Generatoren gesammelte Gas
gelangt in einen Sammelkasten aus Blech, welcher nach unten offen in einem
guſseisernen Wasserbehälter steht, in welchem sich ein groſser Theil des Theeres,
des Wassers und Flugstaubes niederschlägt. Mit Rücksicht auf den hohen Wassergehalt
der böhmischen Braunkohle scheint eine solche Condensationsvorrichtung angezeigt.
Aus diesem Sammelbehälter gelangt das Gas direkt zur Gasklappe. Der Zug wird so
geregelt, daſs das Gas im Ofen eine Spannung unter 1at besitzt, so daſs niemals Flammchen aus den Gucklöchern des Ofens
herausschlagen, sondern vielmehr Luft, von auſsen eingesaugt wird. Man läſst also
den Ofen mit sehr starkem Zuge gehen und erreicht auf diese Art das beste Resultat,
während man, wenn man dem Gase im Herde eine Spannung gibt, wie man es bei
Siemens-Oefen häufig sieht nicht nur langsamer schmilzt und Häute bekommt, sondern
sich auch der Gefahr aussetzt, das Gewölbe anzugreifen.
Die Oefen erfordern für 100k
geschmolzenen Eisens 45k Nuſskohle; der
Schmelzherd ist in allen seinen Theilen mit Dinassteinen zugestellt. Die
Feuerbrücken werden nach Bedarf während des Betriebes selbst reparirt, ohne daſs
hierdurch Aufenthalt entsteht; ebenso werden die Seitenwände des Herdes
ausgebessert. Ein Gewölbe hält etwa 600 Hitzen; nach Verlauf dieser Zeit ist auch
der Boden so uneben geworden, daſs ein gutes, vollständiges Ausrinnen des Ofens
nicht mehr sicher vor sich geht, so daſs man es vorzieht, nach etwa 600 Hitzen, also
nach ungefähr 3 monatlicher Betriebszeit, den ganzen Herd neu zuzustellen. Um
vortheilhaft zu schmelzen, ist es angezeigt, daſs für je 2 Oefen ein Kamin von 1m,5 Durchmesser und 45m Höhe zur Verfügung steht.
Der Natur des Flammofens entsprechend, unterliegt das Eisen beim
Umschmelzen mit Braunkohle im Siemens-Ofen einer kleinen Aenderung in seiner
chemischen Zusammensetzung. Früher, bei dem saueren Prozesse, pflegte ein Eisen,
welches mit etwa 2,5 Proc. Silicium in den Ofen eingesetzt wurde, mit einem Gehalt
von nur 2,25 Proc. Silicium aus dem Ofen zu laufen, so daſs also der Siliciumgehalt
eine nicht unwesentliche Abnahme erfahren hat. In viel höherem Maſse ändert sich
gegenwärtig bei dem basischen Prozesse der Mangangehalt des Roheisens, indem ein
Eisen, welches vor dem Schmelzen etwa 2 Proc. Mangan enthält, meist mit einem
Gehalte von etwa nur mehr 0,6 Proc. aus dem Ofen läuft.
Das Teplitzer Walzwerk gebraucht zur Durchführung des basischen
Prozesses täglich bei etwa 20 Hitzen zu je 6 bis 6t,5 Ausbringen 132t Braunkohlen und etwa
160k Kokes; somit beträgt die angewendete
Kokesmenge nur etwa 0,1 Procent des ganzen verbrauchten Brennstoffes, so daſs die
Braunkohle beinahe den ganzen Anforderungen zur Durchführung dieses Prozesses
gewachsen ist.
Herstellung dichter Stahlgüsse. Nach A. Pourcel ist das in Terre-Noire gebräuchliche
Verfahren der Anfertigung dichter Stahlgüsse erfolgreich in England, Schweden und
Amerika eingeführt worden.
Die in Terre-Noire noch jetzt betriebene Fabrikation ist
augenblicklich gerichtet auf die Herstellung groſser Guſsstücke und die Methode des
Anlassens und Temperas, denen das Metall unterworfen werden muſs, um ihm alle die
Eigenschaften zu geben, welche seiner chemischen Beschaffenheit entsprechen. Das
Endziel ist die Ersetzung des Guſseisens für alle Constructionszwecke im
Maschinenbau durch Stahl; doch liegt die Lösung dieser Aufgabe noch in weiter Ferne.
Die Herstellung von Stahlgüssen beliebiger Form und Gröſse und bestimmter chemischer
Zusammensetzung, welche die Festigkeit und Dichte des Stahles mit der reinen
Oberfläche und Gleichförmigkeit des Guſseisens vereinigen, ist eine schwierige
Aufgabe.
Eine Pariser Maschinenfabrik verlangte einige Guſsstahlcylinder
von 2m,04 Durchmesser und etwas mehr als 2m Höhe einer gleichförmigen Metallstärke von 50mm. Diese Cylinder sollten einen inneren
hydraulischen Druck von 45at aushalten, ohne
irgend welche Anzeichen einer Durchdringung des Wassers zu zeigen. Das getemperte
Metall sollte eine absolute Festigkeit von wenigstens 50k auf 1qmm und eine Minimaldehnung von 8
Proc. anzeigen. Die äuſseren Oberflächen der bis jetzt gegossenen 6 Cylinder sind
ebenso glatt, als ob sie von Guſseisen gemacht wären, und dabei ist das Metall
verhältniſsmäſsig weich. Es enthält durchschnittlich 0,65 Proc. Kohlenstoff, 1 bis
1,2 Proc. Mangan und 0,25 bis 0,3 Proc. Silicium. Das Metall wird in Lehmformen
gegossen, welche. um den Gasen den Abzug zu gestatten, mit zahlreichen Löchern
versehen und mit gröſster Sorgfalt getrocknet sind. Das Gieſsen geschieht von oben
und nicht von unten herauf und nimmt nicht mehr als 2 Minuten in Anspruch, was ganz
besonders beachtet werden muſs.
Vor mehr als 2 Jahren lieferte das Werk von Terre-Noire für die
französische Flotte eine beträchtliche Anzahl von Kanonenringen (frettes) für 10cm
Geschütze. Dieselben haben einen äuſseren Durchmesser von 360mm, einen inneren Durchmesser von 246mm, eine Metalldicke von 57mm und eine Höhe von 265mm. Die Ringe werden aus einem runden Guſsblocke
von 385mm Durchmesser geschnitten, welcher massiv
in eine eiserne Form gegossen wird, und gibt jeder Block mehrere Stücke. Das bei
dieser Fabrikation befolgte Verfahren besteht darin, daſs ein Block ziemlich von der
geforderten äuſseren Gröſse des Gegenstandes gegossen wird und derselbe dann seine
endgültige Form erhält, indem das überflüssige Metall mit Hilfe kräftiger
mechanischer Werkzeuge ausgeschnitten wird. In den meisten Fällen besitzt das
unbearbeitete Stück die Gröſse, welche ein entsprechend geschmiedetes Stück haben
würde; meistentheils hat man wohl etwas mehr Metall auf der Drehbank zu entfernen.
Der Guſskopf ist hierbei natürlich nicht eingeschlossen.
Ein Ring von jedem Guſsblocke, bald vom Kopfe, bald vom Boden,
bald von der Mitte desselben, wird ausgearbeitet, von welchem Proben für die
Zerreiſs- und Fallproben genommen werden. Der betreffende Ring wird etwas höher als
die übrigen gemacht, nämlich 310 anstatt 265mm.
Die Proberinge werden genau derselben Behandlung unterworfen wie alle zu demselben
Gusse gehörigen, d.h. sie werden nach einer bestimmten Vorschrift erhitzt und in Gel
abgekühlt. Dann wird ein Probecylinder (rondelle
d'essai) von etwa 40mm Höhe auf der
Drehbank ausgearbeitet und zur Regierungswerkstätte geschickt, woselbst er fertig
gestellt und den Fall- und Zerreiſsproben unterworfen wird. Der für die Fallprobe
bestimmte Stab ist von quadratischem Querschnitte, von 30mm Seite und 180mm Länge; der Ambos wiegt 350k. Der Stab
muſs, ohne zu brechen, wenigstens 15 Schläge eines 18k schweren Fallgewichtes aus einer Höhe von 2m,75 aushalten. Die für die Zerreiſsprobe bestimmten Stäbe haben 13mm Durchmesser und eine Länge von 10cm. Die mindestens zu erfüllenden Bedingungen
sind: Elasticitätsgrenze von 30k für 1qmm, absolute Festigkeit von 56 k/qmm und nach dem
Bruche gemessene Dehnung von 14 Proc. Zwischen 2 Stäben von demselben Ringe ist eine
Abweichung von 6k für den Elasticitätsmodulus und
von 7k für die absolute Festigkeit zugelassen. Die
folgende Tabelle gibt eine Anzahl von Resultaten, welche zu Terre-Noire von während
dieses Jahres gemachten Guſsstahlringen erhalten wurden.
Nr.
Elasticitäts-modulus
Bruchfestig-keit
Dehnung
Contractions :
SS ursprünglicher
Querschnitt, s Querschnitt nach dem
Brache.
Schläge desFallgewichtesbis zum
Bruch
mm Durch-biegung nach15. Schlage
1
39,4
66,0
16,6
0,74
24
31,0
2
39,0
65,5
16,8
0,72
29
31,8
3
41,8
67,5
15,6
0,715
29
31,4
4
40,3
66,7
14,9
0,66
29
31,6
5
36,1
61,7
17,9
0,55
29
32,8
6
39,3
66,3
15,4
0,70
36
31,0
7
37,2
63,6
18,3
0,56
34
32,0
8
38,5
65,2
17,3
0,64
35
32,0
9
38,0
64,8
20,1
0,52
45
31,8
10
40,0
66,7
17,6
0,55
42
31,0
11
38,9
65,1
18,1
0,54
41
31,7
12
39,3
65,9
17,3
0,54
36
31,6
13
40,8
68,0
13,2
0,68
45
31,0
14
39,8
65,6
18,0
0,55
47
31,5
15
38,3
64,5
17,2
0,53
36
33,0
16
37,5
63,1
16,1
0,68
28
32,5
17
37,4
62,6
14,9
0,64
26
33,0
18
38,5
64,2
14,4
0,72
27
36,0
19
37,9
63,0
16,7
0,52
42
?
20
36,0
56,6
24,2
0,50
25
40,0
Jede dieser Zahlen entspricht dem Durchschnitt von 2 Proben, in
welchen die Unterschiede des Elasticitätsmodulus und der Brüchfestigkeit von 0,1 bis
0k,6 für 1qmm schwankten. Die Proben Nr. 9 bis 12 beziehen sich auf Ringe, welche
3mal in Oel getempert wurden. Nr. 13 hat eine ziemlich geringe Dehnung. aber eine
hohe Bruchfestigkeit. Es kommen Hitzen vor, welche bei einer Bruchfestigkeit von
70k und mehr weniger als 13 Proc. Dehnung
ergeben. In einem solchen Falle werden die durch das Probestück repräsentirten Ringe
nochmals erhitzt und in Oel gekühlt, aber bei niedrigerer als der vorher
angewendeten Temperatur. Dadurch wird eine erheblich gröſsere Dehnung erreicht ohne
wesentliche Herabsetzung der Bruchfestigkeit. Andererseits, falls die
Bruchfestigkeit zu niedrig ist und die Dehnung zu hoch, wird das zweite Tempern bei
einer höheren Temperatur als das erste vorgenommen. Im regelmäſsigen Betriebe werden
alle Ringe bis zu einer gelben Oxydationsfarbe (couleur de
jaune oxydant) erhitzt und bei dieser Temperatur in der Richtung ihrer
Achse in ein bestimmtes Gewicht Oel getaucht. Man läſst sie im Oele abkühlen und
erhitzt sie dann nochmals auf eine von hell kirschroth bis dunkel kirschroth
wechselnden Temperatur, je nach der chemischen Zusammensetzung des Metalles, und
taucht sie dann wiederum in ein Oelbad, worin sie bis zum Erkalten gelassen
werden.
Das erste Tempern verwandelt das krystallinische Korn des Stahles
in ein feines, homogenes; das zweite bestimmt das der chemischen Beschaffenheit
entsprechende moleculare Gleichgewicht des Metalles. Das Kühlen sollte mehr oder
weniger intensiv sein, je nachdem das Metall mehr oder weniger als 0,3 Proc.
Kohlenstoff und 0,5 Proc. Mangan enthält. Die chemische Zusammensetzung des für
diese schwierige Fabrikation geeigneten Metalles liegt zwischen engen Grenzen. Der
Kohlenstoffgehalt schwankt zwischen 0,28 und 0,32 Proc. der Mangangehalt zwischen
0,6 und 0,45 Proc. Schwefel ist kaum zu entdecken und der, Siliciumgehalt beträgt
zwischen 0,15 und 0,2 Proc. Die gebrauchte Bezeichnung Tempern (trempe) schlieſst aber nicht die Idee einer Härtung
ein, so daſs sie richtiger durch „Eintauchen“ ersetzt würde.
Für sehr groſse Guſsstahlringe wird ein 2maliges Eintauchen in Oel
unter den beschriebenen Bedingungen nicht genügen, sondern man wird es
wahrscheinlich für nöthig finden, dieselben 2 oder 3 mal bei einer gelb oxydirenden
Temperatur einzutauchen und darauf 1 oder 2mal bei einer niederen Temperatur
kirschroth oder dunkelkirschroth.
Bezüglich der Blasenräume des Stahles erinnert Pourcel daran, daſs dichte Güsse von weichem Stahl
mittels der Legirungen von Silicium, Eisen und Mangan mit einem Minimum von
Kohlenstoff erhalten werden. Diejenigen Legirungen, welche die wesentlichen
Bedingungen eines niederen Kohlenstoffgehaltes erfüllen, sind solche, in welchen
Silicium und Mangan im Verhältnisse ihrer Atomgewichte gefunden werden, und ist es
ihm gelungen, diese Legirungen von der gewünschten Zusammensetzung mit 13,5 Proc.
Silicium und 18 Proc. Mangan herzustellen. Dieselben werden rothglühend dem
Metallbade nach dem Siemens-Martin-Prozeſs unmittelbar vor dem Gusse zugesetzt. Das
Verfahren ist in der That ganz dasselbe, welches bei der Fabrikation weichen Stahles
mittels Ferromangans zur Ausführung kommt. Aber das Eingeben von Ferromangan in ein
Bad weichen Metalles ist von einer mehr oder weniger heftigen Reaction, verbunden
mit Gasentwickelung, begleitet. Bei der Zufügung der Silicium-Mangan-Legirung
hingegen ist die intermoleculare Wirkung ruhig. Alles Aufkochen hört sofort auf, die
Oberfläche des Bades wird ruhig und keine Gasentwickelung durch die Schlacke findet
statt. Es wird allgemein zugegeben, daſs das von einem Metallbade in der Mitte der
Feinungs- (refining) Periode entwickelte Gas Kohlenoxyd
ist. Nun ist die Zuführung von 0,003 bis 0,004 Silicium, in der Form von
Siliciummangan und Siliciumeisen, genügend, sofort diese Entwickelung von Kohlenoxyd
zu hemmen. Eine Probe des Metalles, genommen, ehe das Silicium zugeführt wird, ist
voll von Blasen; nachher ist es vollkommen dicht und homogen. Ist dies eine rein
physikalische Wirkung und ist es eine genügende Erklärung, zu sagen, daſs das
Silicium die Lösung des Wasserstoffes im Metalle bewirkt hat? Jedenfalls wird
Kohlenoxyd vor der Hinzufügung des Siliciums entwickelt und wenig oder gar kein
Wasserstoff, je nachdem Mangan in geringer Menge im Bade vorhanden oder gänzlich
abwesend ist. Das Gas, welches sich so reichlich entwickelt, wenn der Stahl im
Begriffe steht, in der Form fest zu werden, ist Kohlenoxyd, wenigstens in groſsem
Maſse. Die i. J. 1877 von Harmet zu Denain und kürzlich
von Stead gemachten Versuche haben diese Thatsache
bewiesen. Das Metall, welchem Siliciummangan zugefügt ist, entwickelt beim Erstarren
nicht Kohlenoxyd, sondern Wasserstoffnammen treten auf, welche während des Gieſsens
an der Oberfläche brennen. Wenn aber das Silicium in der Form von Siliciumeisen
zugefügt wird und der Stahl nur Spuren von Mangan enthält, so entwickelt sich keine
Spur von Gas, wie heiſs auch das Metall gegossen werden mag. In beiden Fällen
indessen wird ein von Blasen freier, dichter und homogener Stahl erhalten.
Nach F. Müller wird Undichtigkeit
dadurch vermieden, daſs man die vorherige Entwickelung des Wasserstoffes aus seiner
Lösung im Metalle hervorruft. Nun hat aber in dem von Pourcel angeführten Beispiele weder das Metall, welches beim Erstarren
Wasserstoff abgibt, noch dasjenige, welches dieses nicht thut, irgend welche
Blasenräume. Diese Thatsache kann leicht von Jedem bestätigt werden und ist
wahrscheinlich schon häufig in solchen Werken beobachtet worden, in denen die
Eigenschaften des Siliciums in der Fabrikation von Güssen benutzt werden. Ist es
nicht auch sehr wohl bekannt, daſs der Zusatz von Silicium zu Stahl die Löslichkeit
des Wasserstoffes nicht nur vermindert, sondern fast gänzlich aufhebt, wenn nur
Spuren von Mangan zugegen sind. So haben wir mehrere Stahlproben, welche dieselben
Mengen Kohlenstoff und Silicium – von letzterem 0,4 bis 0,5 Proc. – enthalten, in
denen aber der Mangangehalt von 0 bis 2 Proc. wechselt. Alle die Proben haben ein
dichtes, aber krystallinisches Gefüge und ihre Bruchflächen zeigen durchaus keine
Höhlungen. Trotzdem enthalten sie Wasserstoff und Stickstoff. Aber merkwürdigerweise
enthält der Siliciumstahl mit nur Spuren von Mangan nur ein auſserst geringes
Volumen von Gas mit niedrigem Wasserstoffgehalt, während der Stahl mit 0,5 Proc.
Mangan eine sehr beträchtliche Menge enthält, die sich Schritt für Schritt mit dem Mangangehalte
vermehrt, bis das Maximum bei 2 Proc. Mangan erreicht wird; in solchem Stahle ist
die höchste Menge des an Wasserstoff reichsten Gases enthalten.
Als Pourcel zuerst die Aufmerksamkeit
auf diese Widersprüche der Wasserstofftheorie richtete, machte man den Einwand, daſs
die von ihm untersuchten Metallproben, wenn nicht blasig, so doch jedenfalls porös
wären und daſs sorgfältig gehämmerter Stahl, welcher weder blasig, noch porös ist,
nur unendlich kleine Mengen von Gas ergebe. Nun liefert aber ein Metall, mit nur
Spuren von Mangan und mit Siliciumeisen hergestellt, nicht mehr Gas als ein
gewöhnlicher gehämmerter Stahl; ferner gibt Guſsstahl von der angegebenen
Zusammensetzung, ohne gehämmert zu sein, doch nicht mehr Gas als gehämmerter Stahl,
der seine kristallinische Structur verloren hat und durch Wiedererhitzen und
Eintauchen in Oel in einen Zustand vollkommenen molecularen Gleichgewichtes gebracht
ist. Man könnte vielleicht sagen, daſs das Metall alle seine mechanischen
Eigenschaften entwickelt, sobald der in Verbindung oder Lösung gehaltene Wasserstoff
entfernt wird.
Metall, welches mit Siliciumeisen dargestellt ist, bleibt immer
spröde unter den Fallproben und gibt bei der Zerreiſsprobe nur niedrige Dehnungen
bei niedriger und veränderlicher Bruchfestigkeit. Diese üblen Eigenschaften kommen
beim Schmieden zu Tage. Das Metall bricht unter den Hammerschlägen, während mit
Siliciummangan gemachter Stahl sich in einer viel mehr befriedigenden Weise
bearbeiten läſst.
Pourcel hat niemals die Ansicht
ausgesprochen, daſs durch intermoleculare Reaction Silicium das Kohlenoxyd zersetze
und Kohlenstoff frei mache, sondern daſs bei Gegenwart von Silicium keine Reaction
zwischen Kohlenstoffeisen und Eisenoxyd möglich ist. Es ist das Silicium, welches
oxydirt wird, so daſs Kohlenoxyd nicht gebildet werden kann, und ein Silicat ist das
Product der intermolecularen Reaction. F. Müller fand
in einigen Guſsblöcken Wasserstoff und behauptete darauf hin, Wasserstoff verursache
die Höhlungen. Es ist jedoch nicht bewiesen, daſs das Verhältniſs des Wasserstoffes
mit dem der Höhlungen steigt; im Gegentheil enthält dichter Stahl bisweilen ebenso
viel Wasserstoff, als wäre er durchlöchert wie ein Sieb. Stickstoff ist unschuldig.
Kohlenoxyd existirt gewiſs im flüssigen Stahle und tritt wiederum auf, wenn der
Stahl erstarrt, und sehr reichlich beim Aufwallen des Stahles in den Guſsformen;
dann verschwindet es. Es kann nicht wieder im Blocke nachgewiesen werden; darum soll
es an den im Stahle gefundenen Blasen unschuldig sein? Dieses Urtheil ist einer
erneuten Prüfung bedürftig.
(Fortsetzung folgt.)