Titel: | Herstellung von ungeschweissten Radreifen. |
Autor: | St. |
Fundstelle: | Band 244, Jahrgang 1882, S. 356 |
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Herstellung von ungeschweiſsten
Radreifen.
Mit Abbildungen.
Herstellung von ungeschweiſsten Radreifen.
In früheren Jahren und stellenweise auch noch jetzt stellte man die Radreifen für
Eisenbahnfahrzeuge aus Puddelstahl in der Weise her, daſs man einen geraden Stab vom
Querschnitt des Radreifens auswalzte, ihn auf genaue Länge schnitt, dann zu einem
Kreise zusammenbog und schlieſslich die Enden am Stoſs zusammenschweiſste. Der
schwächste Querschnitt der Reifen lag in der Schweiſsstelle und nahm hier die Gefahr
des Zerspringens mit der Kohlenstoffzunahme, wodurch eine Abnahme der
Schweiſsbarkeit bedingt wurde, zu. Erst im J. 1853 kam Krupp in EssenVgl. 1853 130 * 404. 1854 133 396. auf den Gedanken, einen bereits
vorgeschmiedeten Stahlkuchen mit zwei durch einen Sägeschnitt verbundenen
Bohrlöchern zu versehen, denselben aus einander zu biegen und dann diesen Ring in
besonders construirten Walzwerken zu Radreifen auszuwalzen.
Später stellte die Bochumer GuſsstahlfabrikVgl. 1860 156 * 11. 1871 200 * 91. Ringe aus Guſsstahl her, dichtete dieselben
durch Hämmern und walzte sie dann aus. Um hierbei durch blasige Güsse hervorgerufene
Mängel zu vermeiden, goſs man in Horde volle Blöcke, stauchte und lochte dieselben
und walzte sie, nachdem sie auf einem Dorn durch Hämmern aufgetrieben worden, zu
Reifen aus. Dieses jetzt gebräuchlichste Herstellungsverfahren hat mit der Zeit
manche Verbesserungen erfahren, welche sich hauptsächlich erstrecken auf die
Verminderung des Abbrandes durch Herabsetzung der bei Ausführung des Verfahrens
nothwendigen Anzahl von Hitzen, was wiederum eine bedeutende Brennmaterialersparniſs im Gefolge hat. Das
Genie Civil, 1882 Bd. 2 S. 223 macht darüber
folgende Mittheilungen.
Das Material für die Radreifen ist jetzt fast ausschlieſslich Bessemer- oder
Siemens-Martin-Stahl. Der Kohlenstoffgehalt schwankt zwischen 0,20 bis 0,50 Proc.,
je nach der Ansicht der einzelnen Hütten und der abnehmenden Bahnen. Die einen
verlangen ein hartes Material, um einer zu schnellen Abnutzung vorzubeugen, während
die anderen weichen, aber zähen Stahl vorziehen.Als Beispiel, welche Anforderungen die französischen Bahnen an die Festigkeit
der Stahlradreifen stellen, sei erwähnt, daſs die
Paris-Lyon-Mittelmeer-Eisenbahngesellschaft ein Fallgewicht von 600k aus einer Höhe von 4m,50 auf die Reifen wirken läſst. Reifen
für Locomotiven und Tender müssen 2 Schläge, solche für Wagen, da sie aus
weicherem Material bestehen, 3 Schläge aushalten, ohne zu brechen.
Zugproben, der bei den Schlagversuchen am wenigsten angegriffenen
Reifenstelle entnommen, müssen für Locomotiv- und Tender-Radreifen eine
Bruchbelastung von 55 bis 60k/qmm aushalten; dabei muſs die Verlängerung
wenigstens 15 Proc. betragen; bei Wagenrad reifen beträgt die Bruchbelastung
nur 40k/qmm, die Verlängerung aber wenigstens 20 Proc. Die
Ostbahngesellschaft bringt die Radreifen vor den Festigkeitsversuchen bis
auf eine Temperatur, welche der beim Aufziehen auf den Radstern angewendeten
gleichkommt, und schreckt sie dann in Wasser ab. Die Südbahngesellschaft
unterwirft die Radreifen einer Durchbiegung auf der hydraulischen Presse, so
daſs der Durchmesser in einer Richtung zuerst um 1/20
vermindert, dann durch einen zur ersteren Druckrichtung senkrechten Druck
wieder auf seine ursprüngliche Gröſse gebracht und endlich nochmals um 1/20
vermindert wird, wobei weder Riſs, noch Bruch auftreten darf.
Zur Herstellung der ungeschweiſsten Radreifen bedurfte man früher 5 Hitzen, welche im
Ganzen einen Abbrand von 15 Proc. bedingten. Von den 5 Hitzen vertheilten sich 2 auf
die Stauchung des Rohblockes und je 1 auf die Lochung des Kuchens, auf das
Auftreiben des Ringes und auf das Auswalzen des letzteren. Jetzt kommt man mit 3,
stellenweise sogar mit 2 Hitzen aus; in ersterem Falle geschieht das Stauchen und
Lochen in 1 Hitze, in letzterem Falle (z.B. in Creusot, Montlucon und auch zu
Wilkowitz in Oesterreich) verbindet man hiermit noch das Auftreiben und zieht
hiermit den Abbrand bis auf 7 Proc. herunter. Das Stauchen des Rohblockes, welcher
in Gestalt eines 8seitigen Prismas, eines Cylinders oder eines Kuchens gegossen
wird, geschieht in Weiſsglühhitze unter einem Hammer von 8 bis 10t derart, daſs die Höhe ungefähr auf die Hälfte
vermindert wird. Sodann locht man den Kuchen mittels eines am Hammer befestigten
conischen Durchschlages, indem man denselben zuerst auf der einen Kuchenfläche bis
zur Mitte (etwa 60mm) eindringen läſst und dann
die Lochung nach Umdrehen des Kuchens vervollständigt. Sodann erweitert man die
Oeffnung noch durch einige Dutzend Schläge, wobei man auf die Kuchenoberfläche
Kohlenpurver wirft, um ein Hängenbleiben des Kuchens an dem Durchschlag zu
vermeiden. Die Dicke des so hergestellten Ringes beträgt etwa 140, der äuſsere
Durchmesser ungefähr 480mm. Um den Ring aufzutreiben, hängt man
ihn über ein schräges Hörn, welches in einer schrägen Ambosfläche befestigt ist, und
läſst unter fortwährender Drehung des Ringes durch Handhebel einen Hammer in
senkrechter Richtung auf die Cylinderfläche des Ringes wirken, so daſs der
Durchmesser erweitert wird und die Form seines Querschnittes sich dem Querschnitt
des Radreifens nähert. Letzteres geschieht nach Bedarf noch unter einem besonderen
Gesenkhammer, welcher gleichfalls am Ambos ein Hörn trägt. Sodann legt man den Ring
in derselben Hitze auf die horizontale Ambosfläche und bereitet ihn durch Hämmern
zum Eintritt in das Vorkaliber des Walzwerkes vor. Für einen Radreifen von 824mm Durchmesser schmiedet man die Oeffnung des
Ringes beim Vorschmieden bis zu einem Durchmesser von 220mm aus, beim Fertigschmieden bis zu 550mm. Durch das Auftreiben hat die Dichte an der
Lauffläche des Radreifens bedeutend zugenommen.
Nach dem Auftreiben läſst man gewöhnlich die Ringe erkalten und entfernt noch während
der Dunkelrothglut oberflächliche Abblätterungen oder sonstige Walzfehler mittels
des Meiſsels. In den Werken bei Creusot, welche wie erwähnt nur 2 Hitzen anwenden,
besitzt der Stauchhammer ein Gewicht von 8t, der
gestauchte Kuchen für Reifen von 824mm Durchmesser
hat eine Dicke von 160mm und einen Durchmesser von
450mm. Der conische Durchschlag besitzt eine
Basis von 200mm Durchmesser und ist der Ring nach
dem Lochen auf einen Durchmesser von 540mm
erweitert worden, während die Dicke 150mm beträgt.
Der Auftreibhammer kann eine profilirte Bahn hesitzen, um den Spurkranz
vorzuschmieden; auch setzt man auf das Hörn des Ambosses einen Ring auf, um ein
Plattschmieden des Ringes zu vermeiden und denselben in Bezug auf die Dicke für das
Walzwerk vorzubereiten.
Für Reifen unter 1m,8 Durchmesser genügt zum
Auswalzen im Vor- und Endkaliber des Kopfwalzwerkes 1 Hitze; dagegen müssen Reifen
mit einem Durchmesser von 1,8 bis 2m,185 zwischen
Vor- und Endkaliber nochmals in den Schweiſsofen gebracht werden. Die Anordnung der
Radreifen Walzwerke kann je nach der Wahl der Lagerung der Walzen, ihrer Anzahl, der
Bewegungsvorrichtung für die Druckwalze eine sehr verschiedene sein. Während des
Walzens vergewissert man sich mittels einer Handlehre oder eines auf einem
Zifferblatt spielenden, selbstthätig sich einstellenden Zeigers über den mit dem
Walzen zunehmenden Durchmesser des Reifens.
Nach dem Walzen werden die meistentheils noch unrunden und conischen Reifen in
glühendem Zustande um eine Scheibe gelegt, welche aus 6 getrennten Sectoren (vgl.
Textfig. 1 und 2 sowie D. p. J. vgl. 1856 139 * 101) besteht, welche durch Heben einer centralen
6seitigen Pyramide nach auſsen gedrückt werden können. Hierbei wird der Reifen unter
Berücksichtigung des Schwindmaſses auf den richtigen Durchmesser gebracht. Das Heben
und Senken der Pyramide geschieht gewöhnlich durch eine hydraulische Presse, auf
deren Kolben sie mit Schraubengewinde befestigt ist, um Radreifen verschiedener
Durchmesser ausrichten zu können. So werden beispielsweise Radreifen von 824mm endgültigem Durchmesser mittels dieses
Apparates im warmen Zustande bis auf 828mm
aufgetrieben und dann durch Zurückziehen der Pyramide frei erkalten gelassen. Das
von allen französischen Bahnen vorgeschriebene Ausglühen der Radreifen geschieht
während 24 Stunden bei Rothglühhitze in besonderen Glühöfen und läſst man sie
nachher in diesen Oefen während 1 oder 2 Tagen unter Luftabschluſs erkalten. Um die
hiermit verbundenen Betriebskosten zu umgehen, legt man die warmen Reifen auch
vielfach blos in mit Steinkohlenasche gefüllte Blechcylinder, oder umgibt sie ohne
weiteres mit Asche. Das Anlassen der Reifen in Oel wird seiner Kostspieligkeit wegen
fast gar nicht angewendet.
Fig. 1., Bd. 244, S. 359
Fig. 2., Bd. 244, S. 359
Da Abfälle bei dieser Herstellung von Radreifen nicht vorkommen, so muſs beim Gieſsen
die gröſste Sorgfalt auf das richtige Gewicht der Blöcke verwendet werden. Ist der
Block zu leicht, so kann er auf die bestimmte Reifensorte nicht verarbeitet werden;
ist er zu schwer, so wird ein umständliches Abdrehen der Lauffläche auf der Drehbank
nothwendig. Es ist deshalb die Einführung einer einfachen Vorrichtung zum Wiegen der
Blöcke während des Gieſsens sehr wünschenswerth. (Vgl. Moro 1880 238 * 284).
Fig. 3., Bd. 244, S. 359
Neben den bisher besprochenen Verfahren zur Herstellung von Stahlradreifen verdient
auch die Erzeugung eiserner Radreifen, welche allerdings nur mehr von einigen
französischen Bahnen verwendet werden, Erwähnung. Diese geschieht durch Aufrollen
eines Flächigeisenstabes auf einen DornDies ist das bekannte Verfahren von Petin und
Gaudet 1851 122 396. 1856 141 * 417. 1859 151
153. 1860 155 154. 1871 200 * 90., so daſs der Stab hochkantig auf letzterem
steht, und durch darauf folgende Schweiſsung der in diesem Falle parallel; zur
Radfläche liegenden schraubenförmigen Fugen (vgl. Fig.
3). Der Stab hat in diesem Falle 30 bis 35mm Dicke und 80 bis 100mm Breite und
wird beim Austritt aus
dem Walzwerk sofort aufgewickelt. Die Schweiſsung der Fugen geschieht in den Werken
von Saint-Chamond und Saint-Etienne in 4 Hitzen. Das Auswalzen und Richten erfolgt
wie bei den ungeschweiſsten Radreifen.
Fig. 4., Bd. 244, S. 360
Ein neueres, in Saint-Chamond ausgeführtes Verfahren, Radreifen herzustellen, besteht
darin, daſs man um einen Cylinder a (Fig. 4) aus Feinkorneisen am oberen und unteren Ende 2
schmiedeiserne ringförmige Scheiben b und c legt, von denen die eine b aus einer Windung, die andere c, später den
Spurkranz bildende, aber aus drei Windungen besteht. Zwischen diese Scheiben legt
man in radialer Richtung keilförmige Stücke o eines
Feinkorneisens oder Walzstahles von winkelförmigem Querschnitt und schweiſst nun das
Ganze unter dem Hammer zusammen. Die Schweiſsfugen erhalten auf diese Weise eine zur
Radfläche, auf welche der Hammer wirkt, nahezu parallele Lage. Das Lochen und
Auswalzen geschieht wie gewöhnlich. Die Lauffläche dieser Reifen besteht hiernach
aus Feinkorneisen oder Stahl, der Spurkranz aus Eisen.
Die Nachfrage nach geschweiſsten Radreifen ist deshalb noch immer vorhanden und wird,
trotzdem man heute Stahl von weniger als 0,1 Proc. Kohlenstoffgehalt herstellen
kann, noch lange nicht ganz verschwinden, weil einige Bahngesellschaften Radreifen
aus Eisen denen aus Stahl vorziehen, besonders wenn es sich um Reifen für Tender
handelt. Man will nämlich beobachtet haben, daſs Stahlreifen, welche nach dem
Anziehen der Bremsen auf den Schienen schleifen, an der Lauffläche Flecke bekommen,
die sich ins Innere des Reifens fortsetzen (vgl. Fig.
5) und zu häufigen Brüchen Veranlassung geben. Allerdings treten diese
Flecke nur bei denjenigen Bahnen auf, welche Bremsklötze aus Holz benutzen, welches
mit Eisen einen gröſseren Reibungscoefficienten aufweist als Eisen auf Eisen und
daher auch schneller zum Schleifen der Räder Veranlassung gibt.
Fig. 5., Bd. 244, S. 360
Als Radreifenmaterial verwendet man auch bessere Stahlsorten als Fluſsstahl. Krupp in Essen stellt z.B. Reifen aus Tiegelguſsstahl
her. Dieselben weisen eine zurückgelegte Wegeslänge von 200000km auf, ihre Bruchbelastung beträgt 75k/qmm, die
Verlängerung 18 bis 20 Proc. Die Blöcke werden mit groſsen verlorenen Köpfen
gegossen und so in Verbindung mit einer energischen Bearbeitung unter Hämmern eine
groſse Dichte derselben erzielt.
In England wendet man stellenweise Cementstahl, welcher in einem Flammofen
umgeschmolzen wird, zum Gieſsen der Blöcke an. Auch wird ungeschmolzener und von
eingeschlossenen Schlacken durch ein besonderes Verfahren getrennter Bessemerstahl
für Radreifen verwendet.
St.