Titel: | Die elektrische Eisenbahn in Paris. |
Autor: | E–e. |
Fundstelle: | Band 244, Jahrgang 1882, S. 165 |
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Die elektrische Eisenbahn in Paris.
Die elektrische Eisenbahn in Paris.
Ueber die während der Pariser Elektricitätsausstellung 1881 in Betrieb gewesene
Siemens'sche elektrische Eisenbahn (vgl. 1881 241 * 368)
hat Boistel in der Société des Ingenieurs
civils (vgl. Sitzungsbericht vom 18. November 1881
S. 336) eingehende Mittheilungen gemacht, denen wir Nachstehendes entnehmen.
Es wurde beschlossen, die beiden Fahrschienen als die eine Zuleitung des Stromes zu
der auf dem Wagen befindlichen Dynamomaschine zu benutzen; der zweite Leiter sollte,
um den Straſsenverkehr in keiner Weise zu stören, durch die Luft geführt werden, was
einige Schwierigkeiten machte. Einen kleinen Contactwagen auf einem oder zwei
eisernen Telegraphendrähten laufen zu lassen, erwies sich nicht als räthlich; die
Drähte zeigten ungleiche Spannung, der Wagen entgleiste sogar mehrmals. Auch wenn
zwei Drähte über einander gespannt wurden und die beiden Räder des Wagens zwischen
sich nahmen, hatten die Drähte verschiedene Spannung und Dehnung; der Wagen
entgleiste wieder. Endlich wählte man eine Messingröhre von 22mm Durchmesser und 1mm Dicke, welche unten einen Längsschlitz von 7 bis 8mm Breite hatte. In der Röhre lief ein kleiner
cylindrischer Wagen, ebenfalls aus Messing, von etwas geringerem Durchmesser als die
Röhre. Dieser Cylinder trug zwei kleine verticale Stäbe, welche durch den Schlitz
der Röhre heraustraten; unten waren sie durch einen Riegel verbunden und trugen etwa
in der Mitte einen zweiten in zwei Hülsen endenden Riegel; durch diese Hülsen gingen
die verticalen Stäbe hindurch. Dieser zweite Riegel trug seinerseits die Achse einer
Rolle und das die Achse tragende Zwischenstück wurde durch zwei Spiralfedern an die
untere Fläche der Röhre herangezogen. Die untere Wand der Röhre wird also bestrichen
von dem inneren kleineren Cylinder, welcher auf ihrer unteren Wand gleitet, und der
Rolle, welche unterhalb läuft. So ist ein sicherer doppelter Contact erzielt und
selten springt ein Funken zwischen dem Leiter und dem Contactwagen über; von
Abnutzung zeigte sich trotz der vielen Fahrten erstaunlich wenig. Während der
Ausstellungszeit kamen nur zwei Contactwagen in Gebrauch und der zweite war am Ende
der Ausstellung keineswegs abgenutzt.
Die treibende Dynamomaschine wurde durch eine etwa 20e-Dampfmaschine von Ville-Châtel in Brüssel
bewegt. Der Strom derselben wurde durch Kabel den Leitern zugeführt. Die
Dynamomaschine auf dem Wagen verbrauchte bis 8e,
was 17e in der treibenden Dynamomaschine und der
Dampfmaschine entspricht.
Da das Geleise nicht, wie in Lichterfelde, über den schmutzigen macadamisirten Boden
erhöht gelegt werden konnte, sondern in denselben eingesenkt werden muſste und
deshalb nicht rein blieb, so gab es nicht den nöthigen Contact zwischen den
Wagenrädern und den Schienen und man sah sich deshalb genöthigt, auf die Benutzung
der Schienen als Leiter zu verzichten. Es muſste deshalb noch ein zweiter Leiter
durch die Luft geführt werden; beide Leiter wurden durch eine Holzplatte gegen
einander isolirt, durch eine zweite Platte bedeckt und das Ganze wurde mit einem in
Gummilack getränkten Zeuge überzogen, um es zu isoliren. Die die beiden Röhren
tragenden Eisendrähte erwiesen sich, da sie nur für eine Röhre berechnet waren, zu
schwach und muſsten verdoppelt werden. Von den Röhren führten zwei Kabel nach dem
Wagen, und zwar zunächst an einen seitlich vorstehenden Arm und von diesem nach der Dynamomaschine.
Für eine bleibende Anlage würde dies sich besser und gefälliger machen lassen.
Anfänglich wurden beide Achsen des Wagens von der Dynamomaschine in Umdrehung
versetzt; wegen der dabei zu Tage tretenden Ungleichmäſsigkeit der Uebertragung
muſste man indeſs sich auf die Benutzung blos einer Achse beschränken.
Der Wagen war ein gewöhnlicher Pferdebahnwagen, 7m,70 lang, 2m,25 breit, 3m,65 hoch bis zum Geländer. Das Gewicht des leeren
Wagens beträgt 5500k; er hat Raum für 40
Fahrgäste, wiegt also bei voller Beladung 9000k.
Schlieſslich wurden 67 Fahrende (Schüler der Ecole des Ponts
et Chaussées) auf einmal befördert.
Eine Reihe von Widerständen (Neusilberdrahtrollen) unter dem Wagenboden lieſsen sich
mittels eines Hebels aus- und einschalten zur Regulirung der Stromstärke. Auſserdem
war eine mechanische Bremse vorhanden.
Die Länge der Bahn war 497m,35. An der Place de la Concorde war eine Curve von 55m Radius und in ihr eine Steigung von 11mm, am Eingange zur Ausstellung aber eine solche
von 27m Radius mit einer Steigung von 21mm und eine Gegencurve von 21m. In 2½ Monaten wurden beinahe 4000 Fahrten
gemacht und 86000 Personen befördert.
Den Boulevards entlang soll eine elektrische Hochbahn auf Säulen angelegt werden, zu
welcher J. Chrétien einen Entwurf gemacht hat. Wir
theilen über diesen im verflossenen Herbst auf der Elektricitätsausstellung in Paris
ausgelegten Entwurf nach der Lumière Électrique, 1881
Bd. 5 * S. 136 ff. folgendes kurz mit. Die 3 Hauptlinien reichen von der Place de la Madeleine bis zur Place de la Bastille, von der Place de
l'Étoile bis zur Place Centrale, entlang dem
Boulevard Voltaire. Die zwischen den End- und
Abzweigungsbahnhöfen einzulegenden Haltestellen sollen 340 bis 400m Abstand von einander erhalten. Die Bahn soll,
abweichend von der bei Lichterfelde (vgl. 1881 241 * 368)
und der oben besprochenen Pariser, als zweigeleisige Hochbahn (vgl. 1880 236 * 389) ausgeführt werden und auf einer einzigen unter
der Mitte der meist horizontalen Fahrbahn stehenden Säulenreihe ruhen. Die normale
Höhe des Gebälkes des Viaductes über dem Straſsendamme beträgt 5 bis 7m. Starke Curven und Kreuzungen sind thunlichst
vermieden. Der auf den Säulen liegende Hauptträger sowohl, wie die beiden zu seinen
zwei Seiten vorhandenen Nebenträger sind Gitterträger und auf 4fache Sicherheit
berechnet. Die normal 40m von einander entfernten
hohlen Guſseisensäulen stehen auf 1,8 bis 2m
breiten und 4 bis 5m langen, massiven Fundamenten
mit Graniteinfassung.
Die Einrichtung der Aufgänge zu den Bahnhöfen hängt von deren Lage ab; sie müssen
selbst genügend breit und bequem sein und dürfen den Straſsenverkehr in keiner Weise
stören. Für mehr als 6 bis 7m über dem Erdboden
liegende Bahnhöfe sollen elektrische Fahrstühle (vgl. 1881 239 * 22) eingerichtet und beständig im Betrieb erhalten werden. Der
Bahnhof Madeleine bekommt eine Treppe, die sich in
halber Höhe theilt und einerseits nach der Abfahrtsrampe, andererseits unter dem
Viaduct hindurch zur Ankunftsseite führt. Der Bahnhof Bastille erhält zwei gesonderte Treppen, welche von den Bürgersteigen der
Straſse ausgehen. Die Abzweigungsbahnhöfe werden mit einer Mittelrampe versehen,
welche mit der Straſse und den verschiedenen Aus- und Einsteigplätzen verbunden ist;
ein Steg, dessen Boden nur 2m über diesen Plätzen
liegt, gestattet den Uebergang von einer Seite der Mittelrampe zur anderen.
Die Betriebskraft wird durch stationäre Dampfmaschinen geliefert, welche Gramme'sche
Maschinen treiben. Die von letzteren gelieferte Elektricität wird durch Kupferdrähte
entlang der Bahn geleitet und den Gramme'schen elektromagnetischen Maschinen auf den
Wagen zugeführt. Die Dampfmaschinen sollen nicht mehr als höchstens 2 bis 3km von den Punkten entfernt sein, bis zu denen hin
sie die Elektricität zu liefern haben. Die Maschine für die Place Centrale ist auf 100e berechnet,
die anderen auf 75e.
Die Wagen, zu je 50 Plätzen, sind 8m lang und 2m,5 breit; ihre Thüren, mit 70cm Oeffnungsweite, öffnen und schlieſsen sich in
allen Stationen ohne Zuthun der Fahrgäste. Ein einziger, über die ganze Länge des
Wagens reichender Fuſstritt in 16cm Höhe über der
Rampe der Stationen erleichtert das Ein- und Aussteigen. Die ungefähr in Im Höhe über der
Rampe beginnenden Fenster lassen Jeden die freien Plätze mit Leichtigkeit übersehen.
Es sollen in Zwischenräumen von je 1 Minute zwei zusammengekuppelte Wagen fahren.
Chretien meint so die gröſste Leistungsfähigkeit zu
erzielen, ohne zu groſse Bahnhöfe und eine zu massige Fahrbahn nöthig zu haben und
dann den Straſsenverkehr in stärkerem Maſse zu stören. Somit würden in der Stunde
ohne Personenwechsel etwa 6000, bei Berücksichtigung des Personenwechsels wenigstens
12000 Personen befördert werden können, mit zu zweien gekuppelten Wagen aber 20000
bis 25000. Die Fahrgeschwindigkeit ist auf etwa 400m in der Minute angenommen, so daſs bei Stationsentfernungen bis 360m nie zwei Züge zwischen zwei benachbarten
Stationen zugleich in derselben Richtung fahren. Dabei werden verwickelte
Signaleinrichtungen entbehrlich und ein Telephon wird vollständig allen Bedürfnissen
genügen.
Die Betriebskosten für die Strecke Madeleine-Bastille
werden auf 32 Pf. berechnet, nämlich 12 Pf. für die Kraft, Abnutzung und
Unterhaltung des Materials und 20 Pf. für den Schaffner.
Man glaubt auf 30000000 Fahrende rechnen zu können und würde dann schon bei einem
Fahrpreise von 3,2 Pf. (4 Centimes) für die Person die auf 960000 M. veranschlagten
Betriebskosten (= 640000 M.) und eine 5procentige Verzinsung der auf 5 bis 8
Millionen veranschlagten Baukosten und des Betriebsmaterials decken können. Doch ist
der Fahrpreis auf 8 Pf. (10 Cent.) festgesetzt, weniger weil man eine so viel
schwächere Benutzung befürchtet, als weil die Stadt ein Recht auf Entschädigung für
die Benutzung der Straſsen, entlang denen die Bahn läuft, hat, die auf 0,8 bis 1,2
Mill. Mark jährlich veranschlagt wird.
E–e.