Titel: | Ueber die Einführung des metrischen Systemes bei Numerirung der Brillengläser. |
Fundstelle: | Band 243, Jahrgang 1882, S. 338 |
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Ueber die Einführung des metrischen Systemes bei
Numerirung der Brillengläser.
Metrisches System für Brillengläser.
Nach dem Brechungsverhältniſs des Stoffes, woraus das Brillenglas besteht, fällt der
Krümmungshalbmesser der Linsen ziemlich genau mit ihrem Brennpunkte zusammen. Man
pflegt daher die Brillengläser, convexe wie concave, nach der Gröſse ihres in Zoll
ausgedrückten Krümmungshalbmessers zu numeriren. So versteht man unter dem Glas Nr. 72 eine Convex-
oder Concavlinse von 72 Zoll Brenn- oder Zerstreuungsweite, deren Flächen auf einer
convexen oder concaven Schleifschale von 72 Zoll Halbmesser geschliffen sind.
Diese Numerirung bietet jedoch verschiedene Unbequemlichkeiten dar, wovon die
hauptsächlichsten in Folgendem näher bezeichnet sind. Die Nummer einer Linse drückt,
wie gesagt, zugleich ihre Brennweite aus. Da ihre brechende Kraft im umgekehrten
Verhältniſs zu ihrer Brennweite (oder Zerstreuungsweite) steht, so wird sie durch
einen Bruch dargestellt, dessen Zähler 1 und dessen Nenner die Brennweite ist. So
hat Nr. 7 eine Brennweite von 7 Zoll und eine brechende Kraft 1/7, Nr. 16 eine
Brennweite von 16 Zoll und eine brechende Kraft 1/16. Diese Brüche deuten an, daſs die
brechenden Kräfte der genannten Linsennummern gleich 1/7 bezieh. 1/16 der brechenden Kraft einer Linse
sind, deren Brennweite einen Zoll beträgt. Man sieht, daſs alle in der
„Okulistik“ gebräuchlichen Linsen, welche schwächer sind als die Linse
von der Brennweite eines Zolles, durch Brüche ausgedrückt werden, ein Umstand,
welcher die Berechnung der verschiedenen Linsencombinationen erschwert.
Da der Zoll kein unveränderliches, einheitliches Maſs ist, so kommt es, daſs die von
deutschen oder englischen Optikern geschliffenen Linsen nicht die nämliche
Brennweite haben, wie die durch französische Optiker geschliffenen gleicher Nummer.
Auf dem ophtalmologischen Congreſs in Paris im J. 1867 hat daher eine Commission,
bestehend aus Becker, Donders, Giraud-Teulon, Javal, Leber,
Nagel, Quaglino, Soelberg-Wells, ein neues Numerirungssystem für
Brillengläser aufgestellt. Diese Arbeiten sind auf dem Congreſs zu Heidelberg und im
J. 1875 zu Brüssel fortgesetzt worden, wo die Anwendung des metrischen Systemes nach
folgenden Principien angenommen wurde.
Das Metermaſs tritt an die Stelle des Fuſsmaſses. Die Gläser werden nach ihrer
brechenden Kraft und nicht nach ihrer Brennweite numerirt. Als Einheit wird ein
solcher Werth gewählt, daſs die Nummern der im Allgemeinen gebräuchlichen Brillen
ganze Zahlen und keine Brüche darstellen. Zwischen den verschiedenen Nummern sind
möglichst gleiche Brechungszwischenstufen anzuordnen. Die angenommene Einheit heiſst
„Dioptrie“ und wird mit D bezeichnet. Es ist dies eine Linse von 1m Brennweite; ihre brechende Kraft, d.h. der
reciproke Werth der Brennweite, wird durch den Bruch
\frac{1}{1^m} dargestellt. Nr. 2 heiſst diejenige Linse,
welche 2 Einheiten der brechenden Kraft oder 2 Dioptrien, d.h. 2 D entspricht; ebenso entspricht die Linse Nr. 3 drei
Einheiten der brechenden Kraft oder 3 D u.s.w.
Man erhält auf diese Weise eine Reihe von Linsen, welche unter sich eine Dioptrie als
Intervall haben. Da das letztere bei schwachen Linsen zu groſs ausfällt, so hat man
Bruchtheile einer Dioptrie eingeschaltet, nämlich Vierteldioptrien von Nr. 0 bis Nr. 2,5; halbe
Dioptrien von Nr. 2,5 bis Nr. 6. Man ersieht aus nachfolgender Tabelle, daſs nach
diesem System der Unterschied zwischen zwei beliebigen Linsen der Reihe durch eine
einfache Addition oder Subtraction der beiden Zahlen leicht zu berechnen ist.
Neue Reihe
Brennweitein Zoll
AlteReihe
Neue Reihe
Brennweitein Zoll
AlteReihe
Dioptrien
Brennweitein mm
Dioptrien
Brennweitein mm
0,25
4000
148
–
5,5
182
6,74
6½
0,50
2000
74
72–60
6
166
6,14
6
0,75
1333
49
48–42
7
143
5,29
5½–5
1
1000
37
36
8
125
4,6
4½
1,25
800
29,6
30
9
111
4,11
4
1,50
666
24,5
24
10
100
3,7
3¾
1,75
571
21
20
11
91
3,37
3½
2
500
18,5
18
12
83
3,07
3¼
2,25
444
16,4
16
13
77
2,84
3
2,50
405
15
15–14
14
71
2,63
2¾
3
333
12,3
13–12
15
67
2,48
2½
3,50
286
10,5
11–10
16
62
2,29
2¼
4
250
9,25
9
17
59
2,18
2
4,5
222
8,22
8
18
55
2,03
–
5
200
7,4
7
20
50
1,77
–
Um aus einer Linsennummer des neuen Systemes (der dioptrischen Nummer) die Brennweite
abzuleiten, braucht man sich nur zu vergegenwärtigen, daſs die Brennweiten sich umgekehrt wie die brechenden Kräfte verhalten. Nehmen
wir z.B. eine Linse 6 D, so ist ihre Brennweite
\frac{1^m}{6}=\frac{100^{cm}}{6}=16^{cm},6. Ebenso leicht
läſst sich umgekehrt die dioptrische Nummer einer Linse aus ihrer gegebenen
Brennweite bestimmen, indem man nur 1m oder 100cm durch die letztere zu dividiren braucht. So ist
z.B. die dioptrische Nummer einer Linse von 25cm
Brennweite oder Zerstreuungsweite =(1\,:\,0,25)\,D=4\,D.
Will man von dem neuen auf das alte System übergehen, so hat man zu berücksichtigen,
daſs 1m = 37 Zoll, daſs also die Dioptrie
gleichbedeutend ist mit einer Linse von 37 Zoll Brennweite oder mit der Linse Nr.
37. Da nun die Dioptrien den Krümmungshalbmessern oder den Brennweiten umgekehrt
proportional sind, so sind in Uebereinstimmung mit obiger Tabelle:
zwei
Dioptrien
= 37/2 =
18,5
Zoll
Brennweite
oder
Nr. 18
drei
„
= 37/3 =
12
„
„
„
Nr. 12
vier
„
= 37/4
= 9
„
„
„
Nr. 9.
Will man umgekehrt die Linsennummern des alten Systemes in
Dioptrien verwandeln, so hat man nur die Zahl 37 durch diese Nummern zu dividiren.
So ist z.B. der dioptrische Werth der Linse Nr. 27 = 37/27 = 1,3 D, derjenige der Linse Nr. 15 = 37/15 = 2,50 D (vgl. obige
Tabelle).
Die Berechnung der verschiedenen Linsenverbindungen wird gleichfalls durch das neue
System erleichtert. Sucht man z.B. eine Linse, deren Brechungsvermögen demjenigen
der vereinigten Linsen Nr. 13 und Nr. 5 des alten Systemes gleichkommt, so hätte man
nach der seitherigen Methode erst Brüche auf gleichen Nenner zu bringen und zu
reduciren, wogegen man in der Tabelle sofort findet: Nr. 13 = 3 D und Nr. 5 = 7 D,
zusammen = 10 D. Diesem dioptrischen Werthe entspricht
nach der gleichen Tabelle der gewöhnliche Nummerwerth 3,7. Sucht man dagegen eine
einzige Linse, deren Wirkung die nämliche ist, wie diejenige der Combination einer
Concavlinse Nr. 13 und einer Convexlinse Nr. 5, so hat man: + Nr. 5 = 7 D und – Nr. 13 = – 3 D,
zusammen = + 4 D = Nr. 9 als die der gesuchten Linse
entsprechende Nummer. (Nach Armengaud's Publication industrielle,
1881 Bd. 27 S. 524.)