Titel: Neuerungen in der Gewebefabrikation; von Hugo Fischer, Professor an der technischen Hochschule in Dresden.
Autor: Hugo Fischer
Fundstelle: Band 240, Jahrgang 1881, S. 18
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Neuerungen in der Gewebefabrikation; von Hugo Fischer, Professor an der technischen Hochschule in Dresden. Patentklasse 86. Mit Abbildungen auf Tafel 3. H. Fischer, über Neuerungen in der Gewebefabrikation. Die Gewebefabrikation gründet sich im Allgemeinen auf die Verarbeitung fadenförmiger Körper zu solchen Körpergebilden, bei denen vorzugsweise zwei Dimensionen entwickelt sind. Sie bietet, gleichwie die Spinnerei, welche in den meisten Fällen das Arbeitsmaterial für die Weberei liefert, ein reiches Feld für die Thätigkeit des Erfinders. Dies wird bestätigt durch die groſse Zahl Patente, welche seit dem Inkrafttreten des Reichspatentgesetzes im Deutschen Reiche auf Erfindungen im Webereigebiete ertheilt wurden. Die Zahl derselben betrug bis Ende 1879 ungefähr 157, deren Veröffentlichung durch die officiellen Patentschriften des Kaiserlichen Patentamtes gegenwärtig erfolgt ist. Nur ein geringer Theil dieser Patente, nämlich 9,55 Procent der Gesammtzahl, entfallen auf Maschinen zur Vorbereitung der Kette und des Schusses für die Webearbeit, während die übrigen Patente (142 Stück oder 90,45 Proc.) der eigentlichen Weberei angehören. Diese letzteren Patente vertheilen sich, wie folgt: 26,1 Proc. auf Einrichtungen zum Eintragen des Schusses (Schützenconstruction, Schützenwechsel, Schützentreiber, Rietbauart, Ladenbewegung), 22,5 Proc. auf Einrichtungen zur Bildung des Faches (Geschirrconstruction, Mustergebung mittels Schaft- und Jacquardmaschinen), 18,3 Proc. auf Gewebearten nebst Verfahrungsweisen zu deren Herstellung, 16,9 Proc., auf Vorrichtungen zur Spannung des Gewebes im Stuhl (Längen- und Breitenspannung), 9,86 Proc. auf Anordnungen zum selbstthätigen Abstellen des Stuhles bei Störungen in der Arbeitsverrichtung (Schuſswächter, Absteller bei Kettenbruch), 6,34 Proc. auf specielle Gesammtanordnungen von Webstühlen. Die Hauptarbeit ist hiernach dem Theil der Erfinder geworden, welcher sich mit Construction von Einrichtungen beschäftigte, die unmittelbar zum gegenseitigen Verschränken der zur Gewebeerzeugung erforderlichen beiden Fädenschaaren, der Kette und des Einschusses, dienen. Das nähere Studium dieser Patente zeigt, daſs neue Arbeitsverfahren oder neue Arbeitsmittel zur Ausführung dieser Arbeit nicht ersonnen wurden, daſs sich die sämmtlichen Erfindungen vielmehr auf Neuerungen an den für die Schränkung der Fäden bereits üblichen Arbeitsmitteln beziehen, welche jedoch zum Theil anzuerkennende Verbesserungen dieser in sich schlieſsen. Das nachfolgende Referat bezweckt eine gedrängte Uebersicht des Inhaltes und Wesens dieser Neuerungen zu geben, wobei eine Theilung der Patente nach dem in ihnen zum Ausdruck gebrachten speciellen Arbeitszweck angestrebt wurde. Bereits früher in diesem Journal veröffentlichte Neuerungen in der Gewebeindustrie sind hierbei nicht, oder nur kurz erwähnt, bezieh. wiedergegeben. A) Vorbereitungsarbeiten der Weberei. Spulmaschinen. Anfang d. J. 1878 führte der Fabrikant R. Voigt in Chemnitz zuerst die Benutzung von Reibungsscheiben zum Antrieb stehender Spindeln an Trichterspulmaschinen ein (* D. R. P. Nr. 1804 vom 8. Januar 1878, vgl. 1879 233 * 453). Neben dem hierdurch erzielten ruhigen Gang der Maschine ist es namentlich die Möglichkeit einer leichten, schnellen und sicheren Auſserbetriebsetzung jeder einzelnen Spindel bei dem Bruche eines Fadens, welche diesen Spindelantrieb empfiehlt. Auch in der Folge war Voigt bemüht, die Einrichtung der Schuſsspulmaschinen nach dieser Richtung hin zu vervollkommnen, von welchem Bestreben die in den Patenten Nr. 2221 vom 11. Januar 1878 und Nr. 9106 vom 25. September 1879 enthaltenen Neuerungen Zeugniſs geben. Während im ersten Patente noch die rotirende Spindel beibehalten ist und Anspruch auf Neuheit nur die Ausführungsform des Fadenwächters erhebt, zeigt das letztere Patent in der Feststellung der Spindel und der Bewegungsertheilung an den Preſstrichter wesentliche Abweichungen von den bis dahin bekannten Constructionen von Schuſsspulmaschinen. Die Verwendung des Reibungsantriebes läſst auch hier leicht die Anfügung eines Fadenwächters von der durch die früheren Patente geschützten Construction zu. Besonders geeignet ist die Uebertragung der Bewegung auf den Preſstrichter für Schuſsgarn-Duplirmaschinen, da dieselbe bei geeigneter Fadenzuführung leicht ein schwaches Zusammenzwirnen der Fäden gestattet, welches eine nahezu gleiche Spannung der einzelnen aufgewundenen Fäden bewirkt. Bei dem Abwinden der Spule erfolgt eine Rückdrehung des gezwirnten ablaufenden Fadens, so daſs die die Schütze verlassenden Fadenbündel also schlicht und ungezwirnt in das Gewebe eingetragen werden. Die Patentschrift zeigt zwei verschiedene Anordnungen dieser Maschine, deren eine etwas modificirt durch Fig. 1 Taf. 3 wiedergegeben ist. Die von den Spulen s kommenden Fäden gelangen nach Ueberschreitung der Bremsrolle a durch das Auge des Fadenführers b und den Schlitz im Trichter t nach der feststehenden Spindel c. Der als Preſsflügel wirkende Trichter t, welcher die Form der Aufwindung bedingt, ist mit der die Spindel conachsial umgebenden Hülse d fest verbunden und wird mittels der Reibungsscheiben e1, e2 in Drehung versetzt. Der an dieser Drehung theilnehmende Fadenführer b erhält hierbei durch ein Excenter und den Hebel f eine auf- und abgehende Bewegung, deren Gröſse von der Höhe des Trichters f abhängt und welche das Uebereinanderordnen der Fadenlagen bewirkt. Ein Belastungsgewicht g bestimmt, indem es die Spindel c nach oben drückt, die Festigkeit der Spindelbewickelung. Die Kreisbewegung des Fadenführerauges bewirkt die Zwirnung der zwischen ihm und der Bremsrolle a ausgespannten Fadenstücke. Auf dem Wege s a durchläuft jeder Faden das Auge eines kleinen Hebels h, welcher bei dem durch Fadenbruch veranlaſsten Herabfallen des Hebels so auf den drei armigen Winkelhebel i wirkt, daſs dieser den Eingriff der Reibungsscheiben e1, e2 aufhebt, also den betreffenden Preſstrichter stillstellt. Eine gleiche Einwirkung des Winkelhebels i findet auch bei ungebrochenem Faden statt, sobald die Spule die erforderliche Gröſse erlangt hat, indem dann das Ende der herabsinkenden Spindel c durch Einwirkung auf den abwärts reichenden Arm des Hebels i die Hebung der Scheibe e2 veranlaſst. B) Gewebe-Erzeugung. I) Spannung der Kette und des Gewebes im Stuhl. a) Längenspannung. Während des Webens werden Spannungsänderungen der zwischen Kettenbaum und Waarenbaum ausgespannten Kettenfäden verursacht: durch die Fachbildung und das Anschlagen der Lade, ferner durch die Aufarbeitung der Kette. In Folge der Fachbildung erfahren die im Stuhl bereits straff gespannten Fäden eine Streckung und nehmen daher, namentlich bei der Verwendung scharf gedrehter Garne von geringer Elasticität bei dem Fachschluſs nicht wieder die ursprüngliche Länge an; die Spannungsänderung tritt periodisch bei jedem Eintragen eines Schuſsfadens ein. Während der Aufarbeitung der Kette windet sich dieselbe von dem Garnbaum ab und es wird bei constanter Garnbaumbelastung durch Verkleinerung des Baumdurchmessers, also des Hebelarmes der spannenden Kraft diese selbst vergröſsert; die Spannungsänderung tritt auch hier periodisch bei jedem Eintragen eines Schuſsfadens ein. Während aber im ersten Fall die jedesmalige Aenderung der Spannung durch das Abziehen der Kettenfäden von dem Garnbaum wieder aufgehoben wird, bleibt die Spannungszunahme im zweiten Fall bestehen, so daſs sich im Verlauf des Webens die einzelnen Spannungszunahmen summiren und schlieſslich eine für die Gleichartigkeit des Gewebes und die Fadenfestigkeit gefährliche Gröſse erlangen müssen. Die älteren Einrichtungen zur constanten Erhaltung der KettenspannungVgl. Civilingenieur, 1875 * S. 615. 1877 * S. 145. nehmen nur auf den letzten Fall, als den gefährlichsten, Rücksicht, bei einer Anzahl der neueren Kettenspannvorrichtungen ist jedoch auch dem ersten Punkt Berücksichtigung geschenkt. An die Stelle der bisher üblichen Band- und Seilbremsen tritt bei den verschiedenen patentirten Neuerungen die Backenbremse, ein meist aus zwei starren Theilen zusammengesetzter, im Innern mit weichem Stoff (Leder, Tuch u.a.) ausgekleideter Ring, welcher durch gegenseitige Näherung der beiden Theile beliebig fest gegen einen am Garnbaumende befestigten metallenen Bund gepreſst werden kann. Der Ring ist durch einen Stützpunkt des Gestelles gegen Drehung gesichert; die zwischen der inneren Ringfläche und dem Bund auftretende Reibung bestimmt die Spannung der Kettenfäden. Der unveränderliche Durchmesser d des Bundes erfordert im Verlauf der Gewebeerzeugung eine Verkleinerung der Reibungskraft R, damit der Gleichung Rd =   auch dann genügt wird, wenn bei Abnahme des Garnbaumdurchmessers ϑ die Spannung S der Kettenfäden sich nicht ändert. Die Regulirung der Spannung ist unvollkommen bei periodischer, vollkommen bei stetiger, von der Abnahme des Garnbaumdurchmessers abhängiger Verkleinerung der Reibungskraft R. Die Anwendung der Backenbremse zur Regulirung der Kettenspannung zeigt zuerst das Patent der englischen Firma Hahlo und Liebreich (* D. R. P. Nr. 1801 vom 18. November 1877, vgl. 1879 232 * 32). – Karl Wetzel in Gera (* D. R. P. Nr. 5129 vom 28. September 1878) bewirkt den Anschluſs der Bremsbacken a und b (Fig. 2 Taf. 3) an den Wellenbund durch eine bügelartig gekrümmte Blattfeder c, deren Spannung durch die in den oberen Bügeltheil eingeschraubte Schraube d mit Mutter e und Gegenmutter f regulirt wird. Durch Einstellung der Muttern wird die zulässige Gröſse der Anfangsspannung bei gefülltem Kettenbaum bestimmt, welche im Verlauf der Webearbeit durch Rechtsdrehung der Schraube und dadurch bewirkte Entlastung der Bremsbacken von dem Federdruck zeitweilig verringert wird. Die Wirkung der Bremse ist in Bezug auf Erhaltung einer constanten Kettenbelastung unvollkommen und steht hierin in gleicher Linie mit der alten Seilbremse mit Schnellwage. Die Garnbaumbremse von Louis Laſsmann in Geibsdorf bei Lichtenau in Schlesien (* D. R. P. Nr. 3813 vom 30. Mai 1878) zeigt denselben Mangel einer selbstthätigen, von der Abnahme des Kettenbaumdurchmessers abhängigen Aenderung der Reibungskraft, verhütet aber ein Anwachsen der Kettenspannung während und nach der Fachbildung. Die durch Anziehen der Schraube a (Fig. 3 Taf. 3) an dem Kettenbaumende erzeugte Reibung wird gemessen durch die am Webstuhlgestell befestigte Feder b, gegen welche sich der Arm c des unteren Bremsbackens stützt. Bei der Fachbildung findet eine Spannungsvergröſserung nicht statt, da die zur Verlängerung der Fäden erforderliche Fadenmenge durch Drehung des Garnbaumes in dem Bremsring gewonnen wird; während des Fachschlusses nimmt der unter der Wirkung von Feder b sich rückwärts drehende Garnbaum die überschüssige Fadenlänge wieder auf. Das allmähliche Aufarbeiten der Kettenfäden führt die Anfangsspannung der Feder b von neuem rasch herbei. Zur selbstthätigen Constanterhaltung der Kettenspannung empfiehlt T. E. Wilson in Lille (* D. R. P. Nr. 9004 vom 16. September 1879) die Benutzung der Gewichtsabnahme des Garnbaumes während des Webens zur Regulirung der Pressung des Bremsringes. Eine der angegebenen, nur in constructiver Hinsicht von einander abweichenden, Anordnungen zeigt Fig. 4 Taf. 3. Die beiden Ringtheile, welche die Bremsbacken b umschlieſsen und gegen den Umfang des Garnbaumes B pressen, tragen zwei nach oben ragende divergirende Arme a1 und a2. Zwei an einem Steg des Stuhlgestelles befestigte Rollen c1, c2 schlieſsen diese Arme ein, tragen in Folge dessen den frei schwebenden Garnbaum und erzeugen zwischen diesem und den Bremsbacken einen dem Garnbaumgewicht proportionalen Druck. Für die Functionirung des Apparates ist Bedingung, daſs der halbe Neigungswinkel der Arme gegen einander gröſser ist als der Reibungswinkel, welcher dem Material der sich berührenden Rollen- und Armflächen entspricht. In diesem Fall steigt der Garnbaum bei Gewichtsverminderung durch Abwickeln der Kette und wird proportional der Gewichtsabnahme entlastet. Der stets vorhandene Unterschied zwischen Reibung der Ruhe und Reibung der Bewegung läſst die Wirkung dieses Apparates nur unvollkommen erscheinen, da der Reibungsverminderung stets eine gröſsere Gewichtsabnahme, welche mit einer Zunahme der Kettenspannung gleich bedeutend ist, vorangehen muſs. Entsprechende Vergröſserung des Neigungswinkels vermehrt die Empfindlichkeit des Apparates. Die Patente des H. Vogt in Reutlingen (* D. R. P. Nr. 5372 vom 9. November 1878 und Zusatz Nr. 8737 vom 18. Juli 1879) enthalten Neuerungen an Kettenspannapparaten mit selbstthätiger, von der Abnahme des Garnbaumdurchmessers direct abhängender Regulirung. Die principielle Einrichtung dieser verschiedenen Stuhlconstructionen angepaſsten Apparate ist durch Fig. 5 Taf. 3 wiedergegeben. Die beiden abwärts gerichteten Arme a1, a2 des durch die Schraube s anzuspannenden Bremsringes B sind durch den Sperrhaken b und den um das Ende des Armes a2 drehbaren Winkelhebel c gekuppelt; letzterer wird für die Erzeugung einer bestimmten Reibung am Bremsring zweckentsprechend belastet. Einer Abnahme der Belastung folgt unmittelbar die Abnahme der Reibungsgröſse. Die Belastung dieses Hebels durch ein bei richtigen Verhältnissen der Constructionstheile für die Praxis als constant zu betrachtendes Gewicht G bewirkt die Schnellwage S, welche durch die Stange d mit dem Hebel c verbunden ist. Die Verlängerung der Stange liegt beständig an dem Umfang der aufgebäumten Kette und rückt bei Abnahme des Garnbaumdurchmessers allmählich gegen die Garnbaummitte hin, wie dies die punktirten Linien zeigen. Liegt der Angriffspunkt m der Stange d an der Schnellwage auf der durch den Drehpunkt n des Winkelhebels c und die Achse o des Garnbaumes bestimmten Geraden, so ist, da Δ mop1 ~ Δ mnq1, Δ mop2 ~ Δ mnq . . . Δ mopn ~ Δ mnqn, der Hebelarm der Belastung G des Winkelhebels und damit auch der Anzug der Bremse stets direct proportional dem Garnbaumhalbmesser, wie dies für die richtige selbstthätige Regulirung erforderlich. Eine höchst sinnreiche und durch ihre Einfachheit überraschende Lösung der Aufgabe, eine während der ganzen Webdauer constante Kettenspannung zu erhalten, bietet die Einrichtung zur gleichmäſsigen Kettenzuführung an mechanischen Webstühlen von Samuel O'Neill in Eccles bei Manchester und Otto Schmidt in Schloſschemnitz bei Chemnitz (* D. R. P. Nr. 10546 vom 15. Februar 1880). Zwischen dem walzenförmigen Streichbaum s (Fig. 6 Taf. 3) und den, wie gewöhnlich, durch eine Seilbremse mit Laufgewicht belasteten Kettenbaum k ist eine mit Leder oder Tuch überzogene, parallel zum Streichbaum liegende Transportwalze t eingeschaltet, mit welcher die Kettenfäden durch die Spannwalze n in inniger Berührung erhalten werden. Die Fäden umspannen den gröſsten Theil des Walzenumfanges t, so daſs die Drehung dieser Walze ein Abziehen der Kette von dem Kettenbaum bewirkt. Diese Drehung und damit die Abgabe der Kette erfolgt genau in demselben Maſse, als sich die Kette durch die Bindung eingetragener Schuſsfäden einarbeitet, so daſs beständig eine gleich groſse Kettenlänge zwischen dem Streichbaum und Brustbaum ausgespannt ist und demzufolge auch die Kettenspannung immer den gleichen Werth behält. Die schrittweise Drehung der Transportwalze t erfolgt proportional der Aufwindung des fertigen Gewebes auf den Waarenbaum w, sie wird von der Ladenschwinge l abgeleitet und durch das Gesperre r1, die Kegelradgetriebe r2, r3 und Schnecke mit Schneckenrad r4 übertragen. Die kleine Seilbremse b auf der Zwischenwelle a hebt den todten Gang der Kegelräder auf. Für die richtige Functionirung des Apparates muſs eine sorgfältig und fehlerfrei gebäumte Kette, eine sorgsame Nebeneinanderlagerung der Kettenfäden auf der Transportwalze und eine möglichst gleiche Anfangsspannung der einzelnen Kettenfäden unbedingt vorausgesetzt werden. Bei Webstühlen, welche dem speciellen Zweck der Erzeugung nicht ebenflächiger Stoffe dienen, wie z.B. Corsetwebstühle, können die sonst üblichen Spannapparate nicht Anwendung finden, da zum Zweck der Formgebung Theile der Kettenfäden stärker eingewebt werden müssen als benachbart liegende. Die Spannapparate müssen daher abwechselnd auf die ganze Breite der Kette und auf verschieden groſse, verschieden gelegene Theilstücke derselben einwirken können. H. Gutmann in Cannstatt (* D. R. P. Nr. 6623 vom 18. Februar 1879) wendet für die volle Breitenspannung eine mit Heftstiften ausgestattete, parallel zum Brustbaum liegende und durch Riemenzug in der Längenrichtung des Stuhles bewegbare Spannlatte an, welche zur Anheftung des bereits fertigen Gewebes dient; nach jedem Schuſs wird die Latte mittels Handhebel und Gesperre verschoben. Zum stellenweisen Gewebeanzug dient eine leicht zu entfernende Spannwalze, deren Lager von einer Stuhlwand und dem Rahmen der Spannlatte gestützt werden. Dieselbe liegt ebenfalls parallel zum Brustbaum, wird mittels Kurbel schrittweise gedreht und bewirkt mittels Heftstiften, welche über den ganzen Walzenumfang vertheilt sind und in das Gewebe eindringen, den Transport eines der Walzenlänge gleichen Theiles der Gewebebreite. Zur straffen und gleichmäſsigen Aufwindung des fertigen Gewebes auf den Waarenbaum empfiehlt Franz Rodel in Greiz (* D. R. P. Nr. 10513 vom 23. October 1879) den Ersatz der bisher üblichen belasteten Hebel zum Andrücken des Waarenbaumes an den vom Regulator bewegten Sandbaum durch zwei Federbremsen, welche an den Enden des Baumes angeordnet sind. Jede dieser Bremsen besteht aus einer Schraubenfeder a (Fig. 7 Taf. 3), welche einen von ihr umschlossenen Bolzen b aufwärts treibt; die Federspannung wird durch die Schraubenmutter c regulirt. Das zugespitzte Ende des Bolzens unterstützt den den Waarenbaum tragenden Winkelhebel d, welcher am Beginn des Webens die erhobene, ausgezogene Stellung einnimmt. Bei Füllung des Waarenbaumes sinkt derselbe und preſst hierbei die Feder a entsprechend der Gewichtszunahme zusammen. Die Entfernung des Baumes erfolgt, nach Ueberführung des Hebels d in die punktirte Stellung, mittels des Handgriffes e, in welcher derselbe durch Einlegen der Sperrklinke f erhalten wird. Die Feder ruht in einem trichterförmigen Gehäuse G, das am Stuhlgestell festgeschraubt wird. b) Breithaltung. Zur Schonung der Stoffränder bei der Breiten-Spannung des Gewebes durch Sperrruthen ersetzt J. G. Queisser in Lauban (* D. R. P. Nr. 6299 vom 21. Januar 1879) die zur Befestigung des Gewebes an der Ruthe dienenden Heftstifte durch kleine Zangen, welche an den Ruthenenden angeordnet sind. Der obere Zangenbacken a wird durch die Ruthe (Fig. 8 Taf. 3), der untere durch die winkelförmig gestaltete, um den Bolzen b drehbare Platte c gebildet. Der Haken d hält die Zange geschlossen und damit den Stoff eingeklemmt, die Feder f bewirkt die Zangenöffnung. Zur Verlängerung und Verkürzung der Ruthe dienen die bisher benutzten Mittel. Ein Zangenbreithalter mit selbstwirkender Versetzung der Zange ist von J. B. E. Brulé in Paris (* D. R. P. Nr. 4095 vom 5. Mai 1878) angegeben. Aus der wenig klaren Patentbeschreibung geht hervor, daſs der Erfinder zwei Zangenpaare benutzt, je eines an einer Langseite des Gewebes. Die Zangen jeden Paares sind in der Kettenrichtung hinter einander angeordnet und wirken wechselweise derart, daſs die dem Riet zunächst liegende Zange von ihrer Endstellung am Brustbaum gegen das Rietblatt vorschreitet, am Ende des Weges durch Schlieſsen der Zangenbacken das Gewebe erfaſst und sich mit diesem eine kurze Strecke parallel zum Riet gegen die Webkante hin bewegt. Da die entsprechenden Zangen der beiden Zangenpaare die Bewegungen gleichzeitig ausführen, so bewirkt dies Breitenspannung des Gewebes; die noch in der Nähe des Brustbaumes verbliebenen Zangen, vom Erfinder Hilfszangen genannt, führen hierauf ähnliche Bewegungen aus, stellen sich wieder dicht an die ersten Zangen und gehen dann mit diesen gemeinschaftlich, das Gewebe haltend, nach jedem Schuſseintrag gegen den Brustbaum zurück. Die Zangenbewegungen werden von der Lade abgeleitet und durch Hebel, Federn und Sperrräder vermittelt. Werkzeugconstructionen zur dauernden Breitenspannung des Gewebes im Stuhl enthalten auſser den deutschen Patenten Nr. 1263, 1871 bezieh. 8796 (vgl. Robertshaw 1878 229 481. Parkinson 1880 230 * 473. Hertel 1880 237 * 79) auch die Patente Nr. 9594 vom 3. September 1879 und Nr. 11249 vom 20. Februar 1880 ab. Die Inhaber des ersteren, A. C. Hoyer und C. R. Hertel in Chemnitz, ordnen in einem feststehenden Gehäuse A (Fig. 9 und 10 Taf. 3) eine endlose Hakenkette an, deren Gliedenden zu Spitzen ausgebildet sind, welche über die Kettenebene hervorragen. Die Längenachsen der an den Sahlleisten des Gewebes angeordneten Ketten liegen in einer Horizontalebene und divergiren nach dem Brustbaum zu, so daſs das von den Spitzen erfaſste und von einem Deckel a niedergehaltene Gewebe bei der Fortbewegung allmählich verbreitert wird. Louis Cronenberger in Colmar i. E. (* D. R. P. Nr. 11249 vom 20. Februar 1880) benutzt zwei parallelachsige Schraubenräder zum Breithalten des Gewebes. Die Zähne dieser Räder sind durch parallel zur Radachse eingehobelte Nuthen von dreieckigem Querschnitt unterbrochen; die hierdurch gebildeten pyramidalen Erhöhungen erfassen das zwischen den Rädern hindurchgeführte Gewebe und strecken dasselbe bei der durch die Fortbewegung des Gewebes hervorgerufenen Drehung der Räder in der Breitenrichtung. Zum leichteren Einlegen des Gewebes zwischen die Räder ist eine der Radachsen um einen zu derselben normalen Bolzen drehbar und wird in der Arbeitslage durch eine Feder und Schraube festgestellt. (Fortsetzung folgt.)

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Tafel Tafel 3
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