Titel: Ueber die calorimetrische Untersuchungsmethode der Dampfmaschinen.
Autor: Gustav Schmidt
Fundstelle: Band 239, Jahrgang 1881, S. 329
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Ueber die calorimetrische Untersuchungsmethode der Dampfmaschinen. Die calorimetrische Untersuchungsmethode der Dampfmaschinen. Diese unter dem Namen „Praktische Theorie der Dampfmaschinen“ von G. A. Hirn geschaffene und zuerst von G. Leloutre, später in ausgedehntem Maſse von O. Hallauer zur Anwendung gebrachte, streng wissenschaftliche und praktisch wichtige Untersuchungsmethode der Dampfmaschinen ist schon vielfach in diesem Journal besprochen worden.1) Prof. V. Dwelshauvers-Dery gibt nun in der Revue universelle, 1880 Bd. 8 S. 370 bis 379 eine gedrängte Darstellung der Hirn'schen Theorie, welche wir hier abermals auszugsweise und unter Benutzung der bisher in diesem Journal angewendeten Bezeichnungsweise wiedergeben wollen, hauptsächlich in der Absicht, um jene vom Referenten empfohlene Abweichung bei der praktischen Anwendung nochmals anzurathen, welche bereits in dem Referate „Ueber Woolf'sche Maschinen“ (1879 234 1. 81) zur Anwendung gekommen ist, aber von Dwelshauvers-Dery nicht beachtet wurde. Wir fügen die Bezeichnungsweise von Prof. Dwelshauvers-Dery in Klammern unter Vorsetzung der Buchstaben D. D. bei und verweisen übrigens bezüglich der genauen Erklärung der einzelnen Gröſsen, welche zur numerischen Berechnung der Versuche zu wissen nöthig ist, auf den Artikel „Ueber die Auspuffwärme“ (1880 238 267), um hier Wiederholungen zu vermeiden. Für einen einfachen Kolbenschub sei: M das Gewicht des der Maschine zugeführten nassen Dampfes, m das Gewicht des in M enthaltenen Dampfes, M – m das Gewicht des in M enthaltenen Wassers, m0 das Gewicht der Dampfmenge, welche zur Compression in den schädlichen Raum gelangt, m0' die analoge Gröſse für den Niederdruckcylinder einer zweicylindrigen Maschine, Q0 (bezieh. D. D. Q) =mλ+(Mm)q die von M mitgebrachte Wärmemenge,2) μr (bezieh. D. D. q) die vom Dampfmantel zugeführte Wärmemenge, wenn μ der Dampfverbrauch im Dampfmantel, also M+μ der gesammte Dampfverbrauch für einen Hub ist, Q = Q0 + μr (bezieh. D. D. Q + q) die gesammte zugeführte Wärmemenge, A Li (bezieh. D. D. T) die mit der indicirten Leistung Li äquivalente Wärmemenge = 1/424 Li) α (bezieh. D. D. E) der Wärmeverlust nach auſsen, M0 (t3t0) (bezieh. D. D. C) die im Condensator auf das Einspritzwasser vom Gewichte M0 und der Temperatur t0 durch Erwärmung desselben auf t3 übertragene Wärmemenge, Mt3 (bez. D. D. c) die in dem Gewichte M schlieſslich verbleibende Wärmemenge, so ist zunächst: Q=Q0+μr=ALi+α+M0(t3t0)+Mt3 . . . . . (1) und der ideele Dampfverbrauch, nach welchem Hallauer die Maschinen ganz richtig beurtheilt, =Q:λ. Dagegen stellt Dwelshauvers-Dery den Satz auf: „Der wahre Verbrauch an Calorien ist =Q0+μrMt3; denn dies ist die Summe, auf welche alle anderen Wärmemengen bezogen werden müssen, wenn es sich handelt, die Gröſse des Beobachtungsfehlers zu bestimmen.“ Dies wäre allerdings in so fern richtig, als die Speisewassermenge (M+μ) aus dem Ausguſskasten der Luftpumpe mit der Temperatur t3 entnommen wird. Dann wäre aber richtiger nicht Q0+μrMt3, sondern Q0+μr(M+)t3 als der wahre Verbrauch an Calorien zu bezeichnen und die ideele Speisewassermenge von Temperatur t3=Q(M+μ)t3λt3 statt Qλ nach Hallauer, welch letztere Rechnung sich der Einfachheit halber doch empfehlen dürfte. Bei dem Eintritt in den Cylinder und während der ganzen Admissionsperiode condensirt an den Cylinderwandungen, hauptsächlich an dem Cylinderdeckel, eine gewisse Dampfmenge. Ist m1 die Dampfmenge bei Beginn der Expansion, m2 (bezieh. bei Woolf'schen Maschinen m2') die Dampfmenge am Ende der Expansion in Kilogramm, beide aus dem Diagramm berechnet, so ist die in diesen Momenten im Cylinder enthaltene Wassermenge =(M+m0m1) bezieh. (M+m0m2), oder aber (M+m0m2). Die vom Dampf mitgebrachte Wassermenge war aber nur M – m; also ist in der Admissionsperiode die Dampfmenge (m+m0m1) condensirt und hat hierbei an den Cylinder die Wärmemenge Q1 (bezieh. D. D. Ra) abgegeben, welche allgemein mit Rücksicht auf etwaige Anwendung von überhitztem Dampf den Werth hat: Q1=(m+m0m1)r1+0,45M(tt1). Im Beharrungszustande muſs diese Wärmemenge, vereinigt mit der beim ganzen Hub vom Dampfmantel gelieferten Wärmemenge μr während der Expansionsperiode und während des Auspuffes verbraucht werden. Dieser Verbrauch besteht erstens in dem Verluste α, zweitens in der Wärmemenge (D. D. Rd), welche während der Expansion von den Cylinderwänden an den Dampf übertragen und auf äuſsere Arbeit verbraucht wird, und drittens in der Auspuffwärme ε (bezieh. D. D. Rc), welche den Wänden während der ganzen Auspuffperiode entzogen wird. Ist die indicirte Arbeit für einen Hub, gleichgültig, ob die Maschine ein- oder zweicylindrig ist, ausgedrückt durch: Li=L1+L2L3, worin L1 die Admissionsarbeit, L3 die Gegendampfarbeit bedeutet, so ist die Expansionsarbeit L2=LiL1+L3. Die äquivalenten Wärmemengen obiger Arbeiten sind:
ALi AL 1 AL 2 AL 3 (bezieh. D. D. T Ta Td Tc)
und die den Zeitmomenten 1 und 2 (Beginn und Ende der totalen Expansion) entsprechenden im Dampfe enthaltenen Wärmemengen sind: U1, U2' (bezieh. D. D. U0, U1), wobei U1=(M+m0)q1+m1ϱ1 und U2=(M+m0)q2+m2ϱ2, in welch letzterer Formel bei eincylindrigen Maschinen die Striche wegzulassen sind. Es ist also U2U1 die Zunahme der Dampfwärme und AL2 die auf Expansionsarbeit verbrauchte Wärmemenge, daher die von Dwelshauvers-Dery mit Rd bezeichnete Gröſse =AL2+U2U1, folglich: Q1+μr=α+AL2+U2+ε . . . . . . . (2) Die von M mitgebrachte Wärmemenge Q und die bereits im Cylinder vorhandene Wärmemenge m0i=m0(q+ϱ) (bezieh. D. D. U2) wird bis Beginn der Expansion verwendet zur Wärmeabgabe Q1=(m+m0m1)r1 an den Cylinder, zur Verrichtung der äuſseren Volldruckarbeit L1 und für die verbleibende Dampfwärme U1 bei Beginn der Expansion; daher ist: Q0+m0i=Q1+AL1+U1 . . . . . . . (3) Die vierte Gleichung Dwelshauvers-Dery's: U2=U1+RdAL2 . . . . . . . . . . . . (4) gibt nur den schon früher benutzten Werth Rd=AL2+U2U1 jener von mir gar nicht bezeichneten Gröſse Rd an, die man nicht zu wissen nöthig hat, daher diese Gleichung entfallen kann. Die fünfte Gleichung gibt den im Cylinder (bezieh. Niederdruckcylinder) verbleibenden Wärmevorrath m0 i oder m0'i' (bezieh. D. D. U2) an, indem die am Ende der Expansion vorhandene Wärmemenge U2 ' vermehrt um die von den Cylinderwänden gelieferte Auspuffwärme ε und um die in Wärme =AL3 umgesetzte Vorderdampfarbeit L3 zusammen hinreichen müssen, um die im Condensator sich vorfindende Wärmemenge M0(t3t0)+Mt3 und überdies die im schädlichen Raum sich vorfindende Wärmemenge m0'i' zu liefern; daher: m0i=U2+ε+AL3M0(t3t0)Mt3 . . . . . (5) Dwelshauvers-Dery gruppirt nun diese 5 Gleichungen in folgender Reihenfolge: (3) Q1=Q0+m0iU1AL1 (4) Rd=U2U1+AL2 (5) ε=m0iU2AL3+M0(t3t0)+Mt3 (2) Q1(AL2+U2U1)ε=αμr (1) Q0+μr=ALi+α+M0(t3t0)+Mt3 und sagt: „Diese Gleichungen gelten für jede Art von Maschine, mit einem oder zwei Cylindern, mit oder ohne Dampfmantel, mit trockenem, feuchtem oder überhitztem Dampfe.3) Um die praktische Theorie auf eine Maschine anzuwenden, muſs man die Gröſsen Q0, μr, M0(t3t0), Mt3, α, AL1, AL2, AL3, ALi, U1, U2 und m0i (auch m0i) messen oder durch den Versuch bestimmen, wobei sämmtliche Gröſsen auf den einfachen Kolbenlauf (natürlich im Mittel des Hin – und Herganges) zu beziehen sind. Zu diesem Zwecke muſs man die Maschine hinreichend lange Zeit unter so gleichen Umständen wie möglich laufen lassen, so oft als möglich die verschiedenen Meſsinstrumente beobachten und das Mittel der Ablesungen bestimmen. Da die Zahl dieser Instrumente sehr groſs ist, so begreift man, daſs sich Schwierigkeiten bei dieser Art zu beobachten ergeben können.“ „Wir geben eine allgemeine Methode, nach welcher bei den Versuchen vorzugehen ist. Zuerst ist an der Maschine selbst zu messen: Kolbendurchmesser, Kolbenlauf, Kolbenstangenstärke, die Kolbenwege während der Admission, Expansion, Ausströmung und Compression in Bruchtheilen des ganzen Kolbenweges und die schädlichen Räume. Hieraus bestimmt man die vom Dampf eingenommenen Volumen bei Beginn der Admission und am Ende der Admission, der Expansion und der Dampfausströmung oder Beginn der Compression. Vorhergehende Versuche werden die Menge des vom Dampf mitgerissenen Wassers und den Wärmeverlust a durch Ausstrahlung ergeben. Aus den Indicatordiagrammen bestimmt man L1, L2, L3 und Li=L1+L2L3 sowie die Dampfspannungen in den oben angegebenen Phasen, womit sich aus der Zeuner'schen Dampftabelle die Gewichte der jeweilig vorhandenen Dampfmengen sowie deren Dampfwärme U1, U2', m0 i (m0'i') ergeben.“ „Um die für einen Hub zugeführte Dampfmenge M zu erhalten, muſs man das Gewicht des während des Versuches verdampften Wassers bestimmen, das Gewicht des in derselben Zeit im Dampfmantel condensirten Wassers abziehen und durch die Zahl der Hübe dividiren. Indem man andererseits aus dem Diagramm die Dampfmenge m1 am Ende der Admission kennt, so ergibt sich die vorhandene Wassermenge =M+m0m1. „Man berechnet dann μr, Q0, Mt3 und mittels der beobachteten Einspritzmenge M0 die Wärmemenge M0(t3t0). Mit Hilfe dieser aus der Beobachtung folgenden Gröſsen kann man nach den Gleichungen (3), (4) und (5) die Gröſsen Q1 Rd und ε berechnen, während Gleichung (2) zur Controle von ε und Gleichung (1) zur Controle des aus der Beobachtung gefundenen Werthes von Q=Q0+μr dient.“ Gegen diese Methode habe ich folgende Einwendung zu machen: Der zweite Theil der Gleichung (1) fällt in weitaus der meisten Zahl von Fällen kleiner als der erste Theil Q aus, so daſs also jene Gröſse, welche Hallauer die Verification von Q heiſst: δ=QALiαM0(t3t0)Mt3 . . . . . (6) fast immer positiv ausfällt, und dies hat seinen natürlichen Grund darin, daſs nicht nur am Cylinder ein Wärmeverlust α, sondern auch am Condensator ein oft nicht unbeträchtlicher Wärmeverlust α' eintreten wird, den man bei der Unmöglichkeit, ihn zu bestimmen, eben = δ annehmen kann. Dann ist aber die im Condensator vorgefundene Wärmemenge richtiger =M0(t3t0)+Mt3+δ zu setzen, womit sich statt der Gleichung (5) die folgende ergibt: ε=m0iU2AL3+M0(t3t0)+Mt3+δ= m0iU2AL3+QALiα, also wegen Li=L1+L2L3: ε=Q+m0iU2A(L1+L2)α . . . . . (7) Diese Gleichung, in welcher bei eincylindrigen Maschinen m0 i statt m0'i' zu schreiben ist, betrachtete ich bisher als diejenige, welche den maſsgebenden Werth der Auspuffwärme ε liefert, und die Gleichung (2) gibt dann zur Controle den Werth derselben Gröſse nach der ersten Methode Hallauer's: ε1=Q1+μr(AL2+U2U1)α . . . . . . (8) Nach gründlicher Ueberlegung dieser Sache finde ich aber, daſs die bisher allgemein benutzte Gleichung (1) nur für eincylindrige Maschinen gilt. Für Woolf'sche Maschinen muſs man ganz analog wie in Gleichung (3) auf die Wärmemengen m0 i, m0'i' Rücksicht nehmen und setzen: Q0+m0i+μr=ALi+α+M0(t3t0)+Mt3+m0i, weil einerseits m0 i mit zur Verwendung kommt, andererseits m0'i' nicht in den Condensator tritt, sondern in der Maschine verbleibt. Für Woolf'sche Maschinen tritt daher der Unterschied der Wärmemengen in den schädlichen Räumen des groſsen und kleinen Cylinders: m0im0i als ein nothwendiges Correcturglied auf, weshalb die richtige meines Wissens zum ersten Mal mit dieser Correction geschriebene Gleichung (1) lautet: Q=Q0+μr=ALi+α+M0(t3t0)+Mt3+m0im0i, in welcher das hinzugekommene Glied m0im0i allerdings wohl in allen praktischen Fällen nicht positiv, sondern negativ sein wird. In Folge dessen kommt aber auch in der Gleichung (6) und (7) an Stelle von Q richtiger zu schreiben: Q+m0im0i, wodurch die Gleichung (7) erst ihre volle Richtigkeit erhält: ε=Q+m0iU2A(L1+L2)α . . . . . . (9) Denn es folgt nicht nur aus der Natur der Sache, daſs die gesammte Wärmemenge Q+m0i=Q0+μr+mi verwendet wird, um bis zu Ende des Kolbenhubes die Dampfwärme U2', die in dem Cylinder verbliebene Auspuffwärme ε und die verlorene Wärme α zu liefern, sowie um die äuſsere Arbeit L1+L2 zu leisten, sondern es geht auch dieselbe unmittelbar hervor, wenn man in die Gleichung (3): Q0+m0i=Q1+AL1+U1 den Werth von Q1 aus (2): Q1=α+AL2+U2U1+εμr einsetzt, womit folgt: Q0+m0i=α+AL2+AL1+U2+εμr somit ε=Q0+μr+m0iU2A(L1+L2)α . . . . (10) Dieser Hauptwerth von ε sollte nun mit dem aus Gleichung (8) sich ergebenden Nebenwerth ε1=Q1+μr(AL2+U2U1)α übereinstimmen, wodurch sich die wichtige Verification von ε ergibt: δ1=εε1=Q0+m0iQ1AL1U1, übereinstimmend mit der Gleichung (3), nach welcher δ1 = 0 sein sollte. Keinesfalls darf man das Correcturglied m0im0i oder, wie Hallauer irrthümlich schreibt, (m0ϱm0ϱ) an dem Werthe ε1 der Gleichung (8) anbringen und, wie es Hallauer gethan hat, diesen Werth nach der Gleichung berechnen:4) ε1=Q1+μr+U1U2AL2α+m0ϱm0ϱ. Wir glauben mit der an der Gleichung (1) angebrachten Correctur m0im0i das Hallauer'sche Fehlerglied m0ϱm0ϱ rectificirt und an den rechten Platz gestellt zu haben. Gustav Schmidt.