Titel: | Anwendung des Stahles im Schiffbau. |
Fundstelle: | Band 239, Jahrgang 1881, S. 79 |
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Anwendung des Stahles im Schiffbau.
Anwendung des Stahles im Schiffbau.
Seit einigen Jahren macht die Anwendung des Stahles im Schiffbau, besonders in
England, bedeutende Fortschritte, nicht allein bei den flachgehenden Fluſsdampfern,
sondern auch bei den Seedampfern sowohl der Handels-, als auch der Kriegsflotte. Im
vergangenen Jahre (1879) ist auf den hervorragenderen englischen Werften der Stahl
in solchen Mengen verarbeitet worden wie noch in keinem Jahre vorher. Eine einzige
Werft bei Glasgow hat bis jetzt schon gegen 7000t
Stahl zu Schiffbauzwecken verbraucht und allein im vorigen Jahre zehn neue
Stahlschiffe erbaut, darunter einen Dampfer von über 4000t, welcher als das gröſste bis jetzt in Stahl
ausgeführte Handelsschiff betrachtet wird. Auch wurden in England überhaupt im
vergangenen Jahre nicht weniger als 160 Dampfer mit Stahlkesseln versehen.
Bis vor Kurzem bestand ein groſses Vorurtheil gegen die Anwendung des Stahles zu
Schiffbauzwecken, indem derselbe während des Bearbeitens, besonders bei dem Lochen
und Nieten, groſsen Veränderungen in seinem Gefüge unterworfen war, welche ihn
spröde machten und hierdurch verursachten, daſs er trotz seiner bedeutend gröſseren
Festigkeit vor der Verarbeitung dem Schiffskörper eine geringere Sicherheit verlieh,
als wenn derselbe in Eisen erbaut worden wäre. Man benutzte daher früher den Stahl
fast nur zu den inneren Verbänden der Schiffe, nicht aber auch zur äuſseren
Beplattung.
Nachdem jedoch neuerdings Stahlsorten im Groſsen und in allen für Schiffbauzwecke nur
denkbaren Profilen hergestellt werden können, versehen mit allen denjenigen
Eigenschaften in Bezug auf Bearbeitung, welche man von den besseren Eisensorten zu
verlangen berechtigt ist, steht seiner allgemeinen Verwendung im Schiffbau nichts
mehr entgegen. Es kann nur noch Sache der Rheder sein, diesem Materiale mit
Vertrauen entgegen zu kommen, da der Vortheil bei Verwendung desselben ganz und gar
auf ihrer Seite gelegen ist. Allerdings wird ein Stahlschiff jetzt noch eine höhere
Anschaffungssumme erfordern gegenüber einem eisernen; jedoch ist der Unterschied
nicht so bedeutend und wird sich nur vermindern können, da der Stahl von Jahr zu
Jahr im Preise sinken und sich immer mehr dem Preise des Eisens nähern muſs, je
allgemeiner er zur Verwendung gelangt. Bedeutend verringert werden die Kosten eines
Stahlschiffes dadurch, daſs dasselbe bei gleicher Gröſse und gleicher Festigkeit mit
einem eisernen wegen der höheren Bruchfestigkeit des Stahles um 18 bis 20 Proc.
leichter erbaut werden kann, also ein geringeres Eigengewicht ergibt und daher bei
gleichem Tiefgange eine gröſsere Nutzlast zu tragen vermag, so daſs schon hierdurch
der Rheder binnen Kurzem die höheren Kosten gedeckt sehen würde. Vor allen Dingen
aber gewährt ein Stahlschiff gegenüber einem eisernen eine viel höhere Sicherheit
bei etwaigen Collisionen oder Strandungen. Es sind Fälle vorgekommen, daſs
Stahlschiffe auf Felsen liefen, ohne anderen Schaden zu erleiden, als daſs eine
zuweilen allerdings bedeutende Verbiegung der Schiffshaut sowie der zunächst
gelegenen Spanten und Bodenstücke stattfand, daſs aber kein Leck entstand, selbst
bei Stoſsen, welche ein eisernes Schiff unfehlbar zum Sinken gebracht haben würden.
Die groſse Zähigkeit des Stahles ist es, welche ihn so überlegen dem Eisen macht und
ihn als das beste und vortheilhafteste Schiffbaumaterial der Zukunft erscheinen
läſst.
Wenn wir daher der ausgedehntesten Verwendung des Stahles das Wort reden, so
geschieht es hier vornehmlich im Hinblick auf unsere Binnenschifffahrt. Viele
unserer Wasserstraſsen werden mit einer Anzahl von Fahrzeugen, auch Dampfern,
befahren, deren Boden in Holz ausgeführt, deren übriger Körper aber in Eisen
hergestellt wurde, und viele, ursprünglich mit eisernem Boden erbaute Fahrzeuge
erhielten später einen Holzboden anstatt des eisernen. Diese Holzböden sind je nach
der Breite des Fahrzeuges 8 bis 12cm stark und
viel besser als die 5 bis 6mm starken Eisenplatten
geeignet, Stoſse auszuhalten, wenn das Fahrzeug mit im Fahrwasser gelegenen Steinen
oder Baumstämmen in Collision geräth. Ein solcher Holzboden ist jedoch bedeutend
schwerer als ein eiserner und ergibt einen um etwa ein Drittel der Bodenstärke
gröſseren Tiefgang. Wie theuer aber bei niedrigen Wasserständen jedes Centimeter
verminderte Ladetiefe zu stehen kommen kann, wird mancher Rheder schon oft zu seinem
Nachtheile erfahren haben.
Es möge sich beispielsweise um Erbauung eines Lastdampfers von 3001 Ladefähigkeit handeln, wie sie mehrfach auf der
Elbe verkehren, mit eisernen Bodenstücken, aber Boden von Holz in einer Stärke von
10 bis 11cm. Würde statt des letzteren Stahlblech
verwendet, so würden bei 320qm Bodenfläche etwa
12t am Eigengewichte des Schiffskörpers
erspart werden. Bei gleichem Tiefgange würde also eine um 12t gröſsere Nutzlast eingenommen werden können. Ein
solcher Dampfer macht aber jährlich 12 bis 15 Reisen von 1200km Länge (Dresden-Hamburg und zurück), und es
können gegenwärtig für jede Reise und Tonne durchschnittlich 18 M. Fracht erzielt
werden, so daſs für das ganze Jahr sich gegen 3000 M. Mehrfracht bei einem
Stahlblechboden ergeben würden. Diesem gegenüber steht der höhere Anschaffungspreis,
von höchstens 20 M. für je 1qm, also 6400 M. für
den ganzen Boden, welcher nach Obigem binnen weniger als 3 Jahren vollständig
gedeckt sein müſste. Daſs aber 4 bis 5mm starkes
Stahlblech mindestens dieselbe Sicherheit gegen Leckwerden bieten wird als der
Holzboden, scheint nach den mit neueren Stahlschiffen gemachten Erfahrungen keinem
Zweifel unterliegen zu dürfen.
Ganz ähnlich verhält es sich mit vielen gewöhnlichen Schleppdampfern und
Kettendampfern, deren Boden aus gleichen Ursachen in Holz construirt wurde. Mit
einem Stahlblechboden versehen, würden diese Schiffe flacher gehen oder bei gleichem
Tiefgange in geringeren Längen- und Breitenmaſsen ausgeführt werden können. Sollte
es nun noch gelingen, die von J. Humphrys
in Barrow-in-Furness (*
D. R. P. Kl. 65 Nr. 4797 vom 26. Mai 1878) vorgeschlagenen Profile in Stahl
herzustellen, so würde für Schiffe, wie wir sie hier im Auge haben, ein Boden
construirt werden können, welcher mit gröſstmöglicher Leichtigkeit eine bis jetzt
noch bei keinem solchen Dampfer erreichte Festigkeit und Sicherheit verbindet.
Der Stahl, welcher im Schiffbau zur Verwendung gelangt, ist weicher und zumeist nach
dem Siemens-Martin-Verfahren hergestellter Fluſsstahl (Fluſseisen); er ist in
gleicher Güte wie der englische von vielen unserer deutschen Hüttenwerke mit
Leichtigkeit zu beziehen.
Die englische Admiralität sowohl, als auch mehrere Versicherungsgesellschaften haben
Regeln festgestellt über die Prüfung, welcher die im Schiffbau zur Verwendung
gelangenden Stahlsorten vorher unterliegen müssen. Hiernach soll die mittlere
Zugfestigkeit des Stahles 44 bis 47k/qmm betragen und es ist eine Differenz von mehr als
6k unzulässig, so daſs z.B. bei 45k mittlerer Zugfestigkeit ebenso wenig Stahl über
48k als unter 42k verarbeitet werden darf; für Eisen soll nach denselben Regeln die
Zugfestigkeit 30 bis 34k betragen. Eine obere
Grenze muſste festgesetzt werden, damit kein zu harter Stahl verarbeitet wird, mit
welchem häufig die schon eingangs erwähnten Nachtheile verbunden sind. Die Prüfung
der Platten soll mit Streifen von 200mm Länge und
40mm Breite geschehen, welche theils längs,
theils quer zum Walzfaden abgeschnitten sind, und es darf beim Reiſsen eine
Verlängerung von mehr als 20 Proc. nicht vorkommen. Ebensolche Streifen sollen
gleichmäſsig schwach kirschroth erhitzt, hiernach in Wasser von 28° abgekühlt und in
der Mitte so umgebogen werden, daſs die beiden Enden an einander zu liegen kommen,
wobei die Krümmung auf der Mitte einen inneren Halbmesser gleich der 1½- bis 2fachen
Plattendicke haben soll. Kein Stück darf bei diesen Versuchen Risse oder Brüche
zeigen, anderenfalls die betreffende Platte zur Verwendung für ungeeignet erklärt
wird.
Eine eigenthümliche Erscheinung beim Stahl, welcher bis vor Kurzem nicht die
genügende Aufmerksamkeit geschenkt und welche daher die Ursache manches verfehlten
Stahlbaues wurde, ist es, daſs die Scherfestigkeit desselben bedeutend geringer ist
als die Zugfestigkeit. Während bei Eisen die Differenz zwischen beiden
Festigkeitsbeanspruchungen nur 4 bis 5k/qmm beträgt, hat man bei Stahl hierfür 10 bis 12k ermittelt. In Folge dessen müssen bei letzterem
alle Nietverbindungen in anderen Verhältnissen als bei Eisen ausgeführt, stärkere
und mehr Nieten, sowie stärkere Laschen angewendet werden. Von der Kimme bis zum
Schandeckel sollte man bei allen Stahlschiffen auf mindestens der halben mittleren
Länge nur 3 fache oder 4 fache Nietung anstatt der sonst üblichen doppelten nehmen
und die Nieten ebenso stark machen, wie bei einem gleich groſsen Eisenschiff von
entsprechend stärkeren Winkeln und Platten. Für die Nieten selbst könnte man dann
nach Belieben Eisen oder Stahl wählen; bei Verwendung von Stahlnieten würde die
Festigkeit eine etwas höhere, weil die Scherfestigkeit des Stahles immer noch um 4
bis 5k höher liegt als diejenige des Eisens.
Im Uebrigen läſst sich dieser weiche Stahl genau so bearbeiten wie die besseren
Eisensorten und es sind keinerlei besondere Manipulationen mit ihm erforderlich. Zu
beachten ist einzig, daſs seine Bearbeitung stets entweder in kaltem oder im
kirschrothwarmen Zustande erfolgen muſs, nie aber im dunkel warmen stattfinden soll,
um Risse und Brüche zu vermeiden. Wegen der gröſseren Festigkeit gegenüber dem Eisen
werden die stärkeren Platten und Profile gebohrt anstatt gelocht werden müssen und
dürfte dies als die einzige Vertheuerung bei der Bearbeitung anzusehen sein.
In Bezug auf den Anwuchs der Schiffsböden im Seewasser hat man bis jetzt beobachtet,
daſs dieser bei Stahl geringer ist als bei Eisen, sowie man auch bei den bis jetzt
erbauten stählernen Schiffskesseln nach mehrjährigem Gebrauche noch keinen anderen
Zustand hat entdecken können, als er bei einem unter gleichen Verhältnissen im
Gebrauch gewesenen eisernen Kessel sich hätte ergeben müssen. (Wochenschrift des Vereines deutscher Ingenieure,
1880 S. 535.)