Titel: | G. v. Struve's Dreicylinder-Locomotive. |
Autor: | Wn. |
Fundstelle: | Band 239, Jahrgang 1881, S. 12 |
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G. v. Struve's Dreicylinder-Locomotive.
Mit Abbildungen auf Tafel 3.
G. v. Struve's Dreicylinder-Locomotive.
Die schon wiederholt angeregte Idee, unseren Locomotivmaschinen durch Anwendung des
Compoundsystemes (vgl. 1880 238 * 373) eine erhöhte Oekonomie zu geben, hat
neuerdings in dem Patente von
G. v. Struve in Kolomna, Gouvernement Moskau (* D. R. P. Kl. 20 Nr. 9848 vom 14. October 1879) einen
Lösungsversuch gefunden. Wie aus Fig. 5 und
6 ersichtlich, ist zwischen den beiden auſserhalb der Rahmen befindlichen
Cylindern ein dritter innerhalb angebracht und wirkt auf den unter 90° gegenüber den
zwei gleich gerichteten äuſseren Kurbeln abgekröpften Kurbelzapfen der Treibachse.
Die drei Cylinder haben nahezu gleiche Gröſse, der mittlere erhält den frischen
Kesseldampf, welcher dann durch die Ausströmung des mittleren Cylinders dem rechten
und linken Cylinder gleichmäſsig zugeführt wird und von hier schlieſslich zum
Blasrohr entweicht.
Der Erfinder glaubt hierdurch etwa 30 Proc. Kohlenersparniſs und einen wesentlich
ruhigeren Gang der Maschine zu erzielen. Was erstere betrifft, so ist nicht daran zu
zweifeln, daſs durch Compoundirung der Locomotivmaschine ein geringerer Dampf- und
Kohlenverbrauch erzielt werden kann; doch läſst sich hier von vorn herein kaum mehr
als höchstens 15 Proc. gegenüber gut construirten gewöhnlichen Locomotiven erwarten,
welche auch heute schon bei günstigen Verhältnissen mit 10 und 11k Wasser für 1e
eff. und Stunde auskommen. Thatsächlich wird dies durch die Mallet'sche
Compoundlocomotive völlig bestätigt.
Was die Ruhe des Ganges betrifft, so hängt sie bei weitem mehr von den Gegengewichten
ab als von den Dampfdrücken; zudem könnte die Struve'sche Anwendung nur dann diesen angeblichen Vorzug beanspruchen, wenn
ihre Kurbeln statt unter rechten Winkeln diametral gegenüber stünden. Die
Innencylindermaschinen mit diametral entgegengesetzt aufgesteckten Kuppelkurbeln
sind ihr in dieser Beziehung bei weitem überlegen.
Aber selbst alle diese Vortheile zugegeben, vermöchten sie nicht für die
unvermeidliche Complication zu entschädigen. Es wird vor Allem nöthig, dem einen
Seitencylinder (links in Fig. 5)
durch einen Zwischenschieber nach Bedarf auch directen Kesseldampf zuzuführen, um
das Anfahren bei ungünstigen Kurbelstellungen zu ermöglichen; ferner wäre ein
Receiver zwischen Mittel- und Seiten cylindern unumgänglich nöthig und müſste wohl
oder übel in der Rauchkammer untergebracht werden. Die Anordnung des Schiebers für
den Mittelcylinder macht denselben fast unzugänglich, die Uebertragung der
Schieberbewegung für die beiden Auſsencylinder von einer gemeinschaftlichen links
befindlichen Coulisse, während die rechts liegende Steuerung für den Mittelcylinder
dient, bedingt complicirte Uebertragungen. Endlich müſste man die aus Fig.
6 ersichtliche Gabelung der mittleren Kolbenstange, um der Vorderachse
ausweichend hinter derselben die Kreuzkopfführungen anzubringen, eine beispiellose
Kühnheit nennen, wenn nicht thatsächlich lange Jahre englische Lastzugmaschinen mit
demselben Detail verkehrt hätten, – allerdings gebaut i. J. 1835!
Wn.