Titel: Die Entwickelung der Färberei, Druckerei und Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer.
Autor: A. Kielmeyer
Fundstelle: Band 234, Jahrgang 1879, S. 411
Download: XML
Die Entwickelung der Färberei, Druckerei und Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer. (Nachdruck vorbehalten.) (Fortsetzung der Abhandlung S. 324 dieses Bandes.) Kielmeyer, ü. Entwicklung der Färberei, Druckerei und Bleicherei. Mit der zweiten Hälfte der 40er Jahre beginnt eine Periode, welche für die theoretische und die angewandte Farbenchemie eine ebenso groſse Bedeutung hat, wie das letzte Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts für die allgemeine und technische Chemie. Die berühmtesten Namen und die bedeutendsten Laboratorien jener Zeit concentrirten ihre Thätigkeit auf das Studium bisher weniger beachteter Farbenerscheinungen, sowie auf die Untersuchung, Reindarstellung und Verbesserung der bis jetzt bekannten Farben und Farbstoffe (vgl. 1843 89 453. 1844 93 103), wie des Catechus, Safflors, Orleans, Quercitrons und des Sumachs, der Kreuzbeeren und der Galläpfel, der Orseille, Alkanna und der Cochenille.33) Die Arbeiten Robiquet's und Heeren's über das Orcin und die Roccellsäure wurden wieder aufgenommen, weitere Flechtensäuren aufgefunden, die Bedingungen festgestellt, unter welchen sich das Orceïn bildet, die alten Verfahren der Orseillefabrikation34) verbessert und damit der Verbrauch der Orseille bedeutend gesteigert. Auſser der alten teigförmigen Orseille, dem alten schottischen „Cudbear“ (1827 23 79) und dem deutschen Persio (1850 116 248) kam nunmehr auch das Orseilleextract und vorübergehend das Broquette'sche Orseilleviolett sowie seit dem J. 1859 der französische Purpur (vgl. 1859 152 63. 300. 153 208. 1860 156 311) in den Handel, die beiden letzteren für echtfarbiges Violett auf Wolle, Seide und Baumwolle, das Extract für unechtes Lila und Amarantroth auf ungeheizten animalischen Geweben, hauptsächlich aber als Mischfarbe für Braun in Gesellschaft mit Indigocarmin, Alaun und Oxalsäure, wie es immer noch zum Färben und Bedrucken von Wolle und Seide im Gebrauch ist. – In gleicher Weise setzte i. J. 1847 Robiquet die Untersuchung der Chrysamminsäure35) fort, welche Liebig und Boutin i. J. 1840 für das Rothfärben der Seide vorgeschlagen hatten, und versuchte deren Salze als Farbstoffe zu verwerthen. Wirklich gelang dies i. J. 1855, wo Sacc mit ihnen Wolle und Seide braun färbte und denselben eine vorübergehende Bedeutung verschaffte. – Eingehend beschäftigte man sich ferner mit Welter's Bitter oder der Kohlenstickstoffsäure oder der Pikrinsäure.36) Welter hatte dieselbe durch Behandeln von Seide mit Salpetersäure erhalten und beim Mandarindruck (vgl. 1827 25 79) hatte man längst die Reaction der Salpetersäure auf indigoblaugefärbte oder ungefärbte Wolle und Seide zur Entwickelung einer gelben Farbe auf dem Stoffe selbst benutzt. Nachdem jedoch Runge i. J. 1834 die Carbolsäure aufgefunden und deren Eigenschaften, Verbindungen und Derivate von verschiedenen Chemikern untersucht worden waren, konnte die Trinitrophenylsäure als fertig gebildeter, krystallisirter, gelber Farbstoff an die Färbereien geliefert werden. Er ist immer noch in der Woll- und Seidenfärberei für Gelb und namentlich für Grün im Gebrauch. Für Baumwolle dagegen, sowie für Dampffarben auf Wolle eignet sich die Pikrinsäure nicht. – Die interessantesten Resultate jener Zeit lieferten die Arbeiten über das von Wähler und Liebig schon i. J. 1839 untersuchte Murexid.37) Die fortgesetzten Forschungen, unterstützt durch die Einfuhr des Guanos als vortheilhaftem Rohmaterial für die Harnsäuredarstellung, ermöglichten schlieſslich i. J. 1853 Sacc's Versuche, auf Wolle mit dem von Brugnatelli i. J. 1817 entdeckten Alloxan ein feuriges Roth zu entwickeln. Zwei Jahre später griff Lauth zu dem Prout'schen purpursauren Quecksilber zurück und färbte Wolle und Seide prachtvoll roth mittels einer Lösung von teigförmigem, pulverförmigem oder krystallisirtem Murexid und einer Sublimatlösung. Und wieder ein Jahr später wurde das Murexid auch auf Baumwolle gefärbt und gedruckt unter Zuhilfenahme von salpetersaurem Blei und von essigsaurem Quecksilber. Aber der schönen, doch wenig echten Murexidfarbe war eine kurze Lebensdauer bestimmt; denn i. J. 1857 beginnt mit Perkin's Chromviolett (vgl. 1859 153 159. 1860 155 60. 208) die glänzende Zeit der Anilin- überhaupt der Theerfarbenindustrie.38) Die Reduction des aus dem Steinkohlentheer i. J. 1847 fabrikmäſsig dargestellten Nitrobenzols zu Anilin durchbrach die lange Kette der seit Runge's Anilinölentdeckung i. J. 1834 begonnenen Vorarbeiten für die Entwickelung der gesammten Technik der Theerfarben. Dem Mauveïnviolett folgten Schlag auf Schlag die Erfindungen der anderen Anilinfarben: Im J. 1858 A. W. Hofmann's Fuchsinbereitung mit Chlorkohlenstoff, 1859 die französische Fabrikation des Anilinroths mit Chlorzinn, 1860 die billigere mittels Arsensäure, 1861 Lauth's Methylanilinviolett oder Pariser Violett und desselben Erfinders Aldehydgrün, sowie Girard und de Laire's Lyonerblau oder Tryphenylrosanilinblau, 1862 Nicholson's wasserlösliches Blau, 1863 A. W. Hofmann's Dahliaviolett, 1864 das Anilingelb, 1866 Poirrier's Violett und Coupier's arsenfreies Fuchsin, 1867 das Jodgrün und 1870 das Safranin. Endlich wurde i. J. 1872 das sogenannte Methylviolett und Methylgrün allgemein eingeführt und 1878 das Malachitgrün sowie 1879 das Dimethylanilinblau in den Handel gebracht. Gleichzeitig mit den Anilinfarben wurde auch die Fabrikation des Corallins (1860) in Angriff genommen, welchem i. J. 1863 das Phenylbraun (1865 175 304. 1870 195 150), das Martius'sche Naphtylamingelb (1868 187 165. 1869 194 504. 1870 195 205) und das von Demselben aus Kressol dargestellte Victoriagelb folgte (vgl. 1869 193 143. 1870 195 205). Mit dem J. 1874 endlich kam zu dieser Fülle künstlicher Farbstoffe eine neue Gruppe, die der Resorcinfarbstoffe, hinzu, welche mit dem Eosin beginnend wieder eine Menge der verschiedensten Farben umfaſst39), und in allerneuester Zeit hat man angefangen, die Azofarbstoffe gründlich zu studiren und damit ein Feld zu kultiviren, dessen Früchte erst die Zukunft zu beurtheilen vermag (vgl. 1879 232 192. 273. 543. 233 432. 234 140. 322. 422). Trotzdem ich des leichteren Ueberblickes halber nur die für die Praxis oder in wissenschaftlicher Beziehung wichtig gewordenen Producte aufgeführt habe, so ist ihre Reihe doch lang genug, um das reiche, prächtige Geschenk, welches mit ihnen die Praxis von der Theorie erhalten hat, nach seinem vollen Werth schätzen und dessen belebenden Einfluſs auf die gesammte Färberei und Druckerei bemessen zu können. Die Anilinfarben insbesondere haben der Colorie der Wolle und Seide für immer eine neue Richtung gegeben, ebenso einem Theil der Baumwollgarnfärberei, während ihre Anwendung für das Färben und Bedrucken der Baumwollgewebe, anfangs zwar die gesammte Färberei überwuchernd, allmälig jedoch einer gesunderen solideren Anschauung weichend, mit der Zeit sich auf einige wenige Specialitäten und auf den engen Rahmen der Illuminationsfarben beschränkt hat. Die ersten gröſseren Versuche mit jedem neu auftretenden Anilinfarbstoff wurden auf Seide und Wolle, dann auf Baumwolle ausgeführt, in derselben Reihenfolge, in welcher sonst die Mode vom theuersten zum billigsten Gewebe ihren Weg zu machen pflegt. Die anfänglich hohen Preise der neuen Farbstoffe standen in besserem Verhältniſs zu den kostbareren Stoffen animalischen Ursprunges und letztere boten auch technisch nicht die geringste Schwierigkeit für die Aufnahme der ersteren. Das Fuchsin verdrängte mit einem Schlag den Safflor, die „Cochenille ammoniacale“ (1852 124 77), das Rothholz und das Murexid, wie das Violett der Orseille und des Blauholzes dem Anilinviolett weichen und das Dampfblau vor dem Anilinblau zurücktreten muſste, während dem Indigocarmin für den Wolldruck und die Wollfärberei sein Platz in den Mischungsfarben angewiesen wurde. – Das Corallin hat bis jetzt noch nicht die verbreitete Anwendung gefunden, welche sein feuriges Türkischroth auf Wolle verdient; man zieht ihm vielmehr das gelbstichige Cochenilleponceau vor. Und doch hat es vor letzterem den bedeutenden Vorzug, daſs es von kalkhaltigem Fluſswasser, wie von dem Seifenwasser der Hauswäschen, von ersterem gar nicht, von letzterem nur wenig getrübt wird. Ich habe mich davon überzeugt an dem Corallinroth, welches ich auf Wolle gedruckt habe (vgl. 1872 204 338); dasselbe hat die anderen gleichzeitig mit ihm gedruckten Farben, namentlich das Cochenilleroth, überdauert und nach Jahren noch und nach häufigen Waschungen eine lebhafte Nuance beibehalten. – Die gelben Farbstoffe und das Jodgrün (1874 211 383) konnten nur in der Färberei, nicht in der Druckerei, Verwendung finden. – Die meisten Anilinfarben fixirten sich auf Seide und Wolle40) mit und ohne Vorbereitung derselben durch Zinnpräparate. Die Zinnpräparation erwies sich als besonders wirksam für Blau; doch läſst sie sich für den Druck auch durch Zusatz von Chlorzinn in die Druckfarbe umgehen. Dieselbe, für Halbwolle und Baumwolle oft geradezu unentbehrlich, sollte für Wolle möglichst vermieden werden, mit Ausnahme, wenn man mit ihr einen scharfen Druck besonders schwieriger Muster zu erzielen hofft. Im Uebrigen, wenn der Zinngrund nicht ganz gleichmäſsig im Stoff vertheilt ist, bietet er für den Druck schwerer Böden besondere Schwierigkeiten, ertheilt der Wolle ein rauhes Anfühlen und entzieht ihr den natürlichen Lüster, namentlich wenn er mit Zinnnatron anstatt mit Chlorzinn ausgeführt worden ist. Für die Baumwolle war die Einführung der Anilinfarben mit ziemlichen Schwierigkeiten verknüpft, da sich dieselben mit der vegetabilischen Faser nicht direct verbinden. Man hatte zuerst nur das Albumin und das wenig solide Lactrin und Lucin (1867 183 53) für ihre Befestigung zur Verfügung. Die Verwendung des ersteren eignet sich nur für leichtere Zeichnungen. Für schwerere Muster griff man zur Zinnpräparation und zum Animalisiren der Baumwolle, wie dasselbe von Broquette (1850 115 66) angeregt worden ist, indem man entweder weiſse gewöhnliche Baumwolle oder mit Zinnnatron vorbereitete Waare mit ammoniakalischer Caseïnlösung klotzte. Auch der Gedanke, die Baumwolle mit emulsionirtem Oel oder, wie er später abgeändert wurde, mit Sulfoleïnsäure zu präpariren, ist auf Broquette zurückzuführen. Die gröſste Verbreitung jedoch fand die Gerbstoffbeize sowohl in der Färberei, als in der Druckerei. Die Baumwolle wird hierfür entweder einfach mit einer Tanninlösung, einem Galläpfel- oder Sumachabsud getränkt, getrocknet und mit oder ohne Leimzusatz in der Lösung der Anilinfarbstoffe gefärbt, welche bekanntlich mit Gerbstoff, sowie mit der Verbindung von Gerbstoff und Leim unlösliche Verbindungen bilden, oder man alaunirt vor dem Galliren, oder man präparirt wie gewöhnlich mit Zinnnatron, bevor mit der Gerbstofflösung geklotzt wird. Die beliebteste Befestigung der Anilinfarben im Baumwolldruck41) wurde die mit arsenigsaurer Thonerde; zum Theil ging sie auch in die Färberei über, wo sie sogar für das Corallinfärben angewendet wurde und ohne Zweifel den Anlaſs zur Streitfrage über die Giftigkeit des Corallins gegeben hat. Unter allen Umständen sind derartige Befestigungsweisen eine groſse Rücksichtslosigkeit gegen das kaufende Publikum, namentlich wenn die gedämpfte Waare, ohne gewaschen worden zu sein, in den Handel kommt, und es war ein verdienstliches Vorgehen, als Professor W. F. Gintl (1874 214 425) gegen diesen Unfug öffentlich sich aussprach. Seitdem wird die arsenigsaure Thonerde kaum mehr als Fixation benutzt, mit Ausnahme in der Schweiz, welche jährlich groſse Mengen derartig vergifteter Waare in den Orient sendet. Daſs dieselbe nur von den Hindus und von den Türken gekauft wird, und daſs letztere die mit Fuchsin und Anilinviolett gedeckten Tüchel auf der blosen Stirne als Turban tragen, kann gewiſs nicht als Milderungsgrund angesehen werden. Ebenso leichtfertig war auch das Bedrucken der Baumwolle mit dem reichliche Mengen von Arsensäure und arseniger Säure enthaltenden Rückstande der Fuchsinfabrikation, welcher unter dem Namen „Marronteig“ oder unter der abenteuerlichen Benennung „Naphtalinlack“ in Fässern auf den Markt geworfen wurde. Er wurde wegen seines Aussehens einfach mit Stärke verdickt, als braune Farbe aufgedruckt, gedämpft, was eigentlich überflüssig war, weil jedes Befestigungsmittel für dieses unreine Fuchsin fehlte, und schlieſslich vor jeder Berührung mit flieſsendem Wasser behütet. Ehe das gereinigte Marron und das Grenadin (1872 205 174) in den Handel kamen, wurde jener Teig auch für Braun auf Wolle an Stelle des immer theurer gewordenen Orseilleextractes vorgeschlagen und zum Theil auch verwendet. Er wurde ohne weiteres verdickt, aufgedruckt, gedämpft und gewaschen. Es hatte sich in diesem Falle der ungelöste Farbstoff mit der Wolle allerdings verbunden, das Braun hatte jedoch kein Leben und keinen Ausdruck; es war eine unbrauchbare Farbe. Ich habe deshalb den Naphtalinlack in Salzsäure gelöst, um saures, gelbes Rosanilinsalz auf der Wolle zu befestigen, dann mit Indigocarmin vermischt, mit gebrannter Stärke verdickt, nach Zusatz von essigsaurem Natron zur kalten Farbe auf nicht präparirten Stoff gedruckt, gedämpft und gut gewaschen.42) Man erhält damit einen angenehmen warmen Caroubierton, wie er immer noch beliebt ist; soll das Braun mehr Rothstich bekommen, so wird die Menge des essigsauren Natrons vermehrt: soll es sich mehr dem gelbstichigen Orseillebraun nähern, so wird dieselbe vermindert. Ganz ohne essigsaures Natron darf die Farbe nicht zusammengesetzt werden; der Braunboden verliert dann den Rothstich, wird aber fleckig und leblos. Sie ist mindestens um die Hälfte billiger als ein Orseillebraun von der gleichen Stärke; für mich aber hatte sie das besondere Interesse, daſs das essigsaure Natron in derselben offenbar dieselbe Rolle spielt, welche ich ihm in meiner Vorschrift für Cochenilleroth und Füstelorange (vgl. 1877 224 96) zugewiesen habe. Willm's Beobachtung der Emeraldinbildung beim Behandeln von chlorwasserstoffsaurem Anilin mit wenig chlorsaurem Kali führte i. J. 1860 zunächst zu den Versuchen, diese grüne Farbe auf den Geweben zu entwickeln. Das Verfahren hat aber nur insofern einige praktische Bedeutung erhalten, als es die Grundlage für Lightfoot's viel wichtigere Erfindung des Anilinschwarz vom J. 1863 abgegeben hat (vgl. 1863 168 63). Die Vortheile und Vorzüge, die Echtheit und Schönheit des Anilinschwarz sind schon bei seinem ersten Auftreten, trotzdem es damals noch mit vielen Schwierigkeiten verknüpft und mit groſsen Mängeln behaftet war, zur Genüge hervorgehoben und in fast überschwänglicher Weise gepriesen worden. Wie es bei neuen Farben zu gehen pflegt, so hielt man auch das Anilinschwarz für ein Universalschwarz, welches in der gesammten Färberei und Druckerei müsse angewendet werden können. Diese Hoffnung ist bis jetzt nicht erfüllt worden; die Versuche, Wolle oder Seide anilinschwarz zu färben, sind Versuche geblieben. Von der Baumwolle werden nur ganz schwere Stoffe, wie Sammete und Barchente, wirklich anilinschwarz gefärbt, während für gewöhnliche Gewebe oder Garne nur ein verschwächtes Anilinschwarz beschränkte Anwendung gefunden hat, um denselben für Dunkelküpenblau, anstatt des sonst wohl gebräuchlichen Cachougrundes, einen blauen Grund zu geben und damit eine nicht unerhebliche Ersparniſs an Indigo zu erzielen. Dagegen ist der praktische Werth des Anilinschwarz für den Baumwolldruck auf Geweben und Garnen sowohl für einfarbige, als mehrfarbige Muster allgemein anerkannt und aus einander gesetzt worden, worüber ich in diesem Journal wiederholt (vgl. 1870 196 67. 1874 211 313. 1875 216 361) und insbesondere bei Besprechung der Combinationen des Schwarz mit Chromorange, Chamois, Manganbraun und Cachou ausführlicher berichtet habe.43) Ueber die Bildungsweise des Anilinschwarz auf der Baumwolle unter Mitwirkung der Salze solcher Metalle, welchen zwei leicht in einander übergehende Oxydationsstufen zukommen, sind die verschiedensten Ansichten ausgesprochen worden; die annehmbarste Erklärung hat Guyard und fast gleichzeitig mit ihm Rosenstiehl aufgestellt (vgl. 1877 223 638). Letzterer namentlich hat durch directe Versuche nachgewiesen, daſs die gasförmigen Zersetzungsproducte, welche die Chlorsäure aus ihren Metallsalzen, also namentlich aus ihrem Kupfersalz, bei einer Temperatur von 35° entwickelt, das salzsaure Anilin in Anilinschwarz überführen. Damit ist wohl ein Aufschluſs über die Aufgabe der für die Schwarzbildung verwendbaren Metallsalze gegeben, aber der Verwandlungsproceſs des Anilinsalzes selbst, welchen jene Zersetzungsproducte der Chlorsäure durchzuführen haben, ist noch nicht erklärt. Diese für die Praxis nicht unwichtige Frage lassen auch Goppelsröder's hochinteressante Untersuchungen über das aus chlor wasserstoffsaurem Anilin darstellbare elektrolytische Anilinschwarz offen (vgl. 1876 221 76), welche die erste zuverlässige, auf gut übereinstimmende Analysen gestützte empirische Formel C24H21N4Cl für das Lightfoot-Schwarz und für die aus letzterem durch Behandeln mit schwacher Kalilösung erhaltene Tetraminbase die Zusammensetzung C24H20N4 ergaben und auſserdem ein ungemein reiches, werthvolles Material für die weiterhin aufzustellende Theorie des Anilinschwarz lieferten (vgl. 1877 223 317 und Coquillion 1876 221 68). Die Lightfoot'sche Vorschrift konnte auf die Dauer den Druckfabriken nicht genügen. Das lösliche Eisen- oder Kupfersalz verursachte viele Schwierigkeiten, machte die Druckfarbe wenig haltbar und das Kupfersalz insbesondere gefährdete die Stahlrakel. Erst als nach Lauth's Vorgang das unlösliche Schwefelkupfer eingeführt wurde, war die Fabrikation sicher und lebensfähig geworden. Dasselbe wurde anfänglich durch Einleiten von Schwefelwasserstoffgas in Kupfervitriollösung hergestellt, gab jedoch in dieser Form ganz schlechte Resultate. Nur durch Fällen der Kupfervitriollösung mit Schwefelnatrium erhält man ein im frisch bearbeiteten Zustande brauchbares Schwefelkupfer. Die Vorschrift, welche Schützenberger's deutsche Ausgabe, 1873 Bd. 2 S. 512 anführt, enthält ganz gute Verhältnisse; nur dürfte ausdrücklich hinzugefügt werden, daſs unter keinen Umständen die wässerige Kupfervitriollösung concentrirter genommen werden soll, als dort angegeben ist. Nimmt man für die Lösung des Kupfervitriols weniger Wasser, so schlieſst der erhaltene grobkörnige Schwefelkupferniederschlag unzerlegtes schwefelsaures Kupfer mechanisch ein, welches beim Drucken zwischen der Auftrag- und der Kupferwalze herausgequetscht wird, die Farbe sauer macht und schon nach dem ersten Stücke die Rakel angreift, auch wenn das Schwarz sonst gut bereitet und genügend neutralisirt worden ist. Hat man dagegen das Schwefelkupfer in Form eines feinen, zarten Teiges zur Verfügung, so gestattet es bei leichten Mustern den Druck von 30, bei mittelschweren von 20 und bei ganz schweren von 10 Stück zu 55m ohne jegliche Gefahr, ohne Unterbrechung und ohne daſs die Rakel auszulegen wäre. Neben dem Schwefelkupfer ist für die Fixation des Anilinschwarz auch das wolframsaure Chromoxyd vorgeschlagen worden, fand jedoch keine sehr ausgebreitete Verwendung. Gröſseren Beifall erfreut sich seit dem J. 1876 Guyard's Vanadiumchlorür (1876 222 390), über dessen Vortheile für die Anilinschwarzfabrikation G. Witz (1877 224 639) eingehend und sehr günstig berichtet hat. Trotz des hohen Ankaufspreises der Vanadverbindungen stellen sich dieselben doch gegenüber dem Schwefelkupfer um mindestens die Hälfte billiger, weil sie, in ausnehmend kleiner Menge zur Farbe zugesetzt, eine überraschend groſse Wirkung auf die Entwickelung der schwarzen Farbe auf der Baumwolle ausüben. Trotz der zahlreichen Verbesserungen im Anilinschwarzdruck hat doch bis in die neuesten Zeiten ein Uebelstand desselben bedeutenden Schaden in manchen Fabriken dadurch angerichtet, daſs die appretirte Waare auch bei leichteren Mustern nicht parallel, sondern senkrecht zum Einschlag, am liebsten nach den Linien des Musters, zu reiſsen pflegte und daſs zugleich bei solcher Waare das geringfügigste Fältchen vom Kalander nicht geglättet, sondern durchgeschnitten wurde. Man erklärte in der Regel solche Stücke für morsch und den Faden für angegriffen. Dies trifft jedoch nicht zu; die Baumwolle ist in der ziemlich trockenen Wärme der Hänge und im Sodabad der Rollenkufe nicht morsch, sondern spröde geworden; gibt man ihr vor dem Appretiren eine Schlichte, indem man das Degummiren im Farbkessel mit Schmierseife anstatt mit harter Seife oder mit Soda vollendet, so wird der Faden wieder geschmeidig und man kann ohne Gefahr mit starker Presse kalandriren. Das Anilinschwarz ist eine um so wichtigere Farbe geworden, sowohl für einfarbigen als für mehrfarbigen Druck, je mehr in letzterer Zeit die alten Artikel, einer nach dem anderen, zurückgetreten sind. Nachdem der Violettüberdruck aufgehört hatte, muſste ihn der Anilinschwarzüberdruck mit weiſser Reserve ersetzen; letztere wurde mit verdicktem essigsaurem Natron oder in der Regel mit dem von mir (1873 208 203) zuerst vorgeschlagenen und eingeführten Thonerdenatron hergestellt. Für diesen Zweck ist es jedenfalls anzurathen, sich das Thonerdenatron selbst zu befeiten, weil das im Handel vorkommende Präparat (vgl. 1856 141 449) meistens überschüssiges Alkali enthält, wodurch in der Hänge ein schwaches Flieſsen des weiſsen Musters veranlaſst werden kann. Das aus gelöstem, concentrirtem Alaun niedergeschlagene Thonerdehydrat wird ausgewaschen, filtrirt, in einer nicht vollkommen genügenden Menge Natronlauge von 1,3298 sp. G. kochend gelöst, die trübe Lösung auf die Hälfte des ursprünglichen Volums eingedampft, dann mit Wasser nach Bedürfniſs verdünnt und die klare Flüssigkeit mit dunkel gebrannter Stärke verdickt. – Wie ich in jener Abhandlung bemerkte, und wie ich daraufbezügliche günstige Versuche etliche Jahre zuvor auf dem Wege der Garancinefärberei ausgeführt hatte, läſst sich das Thonerdenatron unter einem mit salzsaurem, nicht weinsaurem, Anilin zusammengesetzten Anilinschwarz auch als rother oder grüner Mordant benutzen, wenn man nach dem Verhängen mit Zusatz von krystallisirtem Salmiak kuhmistet und das eine Mal in Alizarin, das andere Mal in Quercitron mit Leim und nachträglich in einem wieder mit Leim versetzten Methylgrünbade ausfärbt. Es ist diese Rothreserve, welche neuerdings einen wichtigen Druckartikel begründete, der anderen mit essigsaurer Thonerde und einem Ueberschuſs von Zinnsalz bereiteten bei weitem vorzuziehen, wie letztere auch wenig zur Verwendung kam. Als es sich darum handelte, zweifarbig Roth und Weiſs unter Anilinschwarz zu drucken, so muſste eine neue weiſse Reserve neben der rothen gefunden werden. Ich habe eine solche mit dem in doppelter Richtung, durch seine reducirende Eigenschaft und durch seine alkalische Beschaffenheit, wirkenden arsenigsauren Natron zusammengesetzt, nicht zu verwechseln mit dem arsensauren Natron, wie es so häufig in der Praxis vorkommt. Die Vorschrift ist kurz folgende: 4k,8 weiſser Arsenik werden in 4l Natronlauge von 1,3298 sp. G. und in 4l Wasser heiſs aufgelöst und kalt auf 1,7047 sp. G. gestellt. Von der erhaltenen klaren Lösung werden 3l,2 mit 9l Wasser verdünnt und mit 5k dunkelgebrannter Stärke verdickt. Diese Reserve, dem Anilinschwarz neben Reserveroth vorgedruckt, gibt ein sehr scharfes und sehr reines Weiſs, so daſs es auch für einfarbig weiſsen Vordruck dem Thonerdenatronpapp vorzuziehen ist. Seit etlichen Jahren wird auch ein in Teigform käufliches Anilinschwarz mit dunklem Albumin oder mit Lactrin verdickt auf Baumwolle gedruckt (vgl. 1871 201 363). Man erhält dasselbe, indem 800g salzsaures Anilin, 320g krystallisirter Salmiak, 340g chlorsaures Kali und 220g Kupfervitriol in 10l Wasser zusammen aufgelöst und ½ Stunde bei 50° digerirt werden; nach dem Erkalten wird vom entstandenen Niederschlag abfiltrirt, derselbe gewaschen, mit 11l Natronlauge von 1,023 sp. G. ausgekocht und nochmals ausgewaschen. Es ist hierbei von Wichtigkeit, daſs die Temperatur von 50° und die angegebene Menge von Chlorkali nicht überschritten werden, wenn die Ausbeute des schwarzen Niederschlages nicht um die Hälfte schwächer ausfallen soll. Man hat diesen Schwarzteig zunächst neben Alizarinroth und anderen echten Dampffarben für leichte Muster an Stelle des Chromschwarz oder des mit braunem Albumin verdickten Eisenblauholzniederschlages eingeführt. In diesem Fall mag seine Verwendung gerechtfertigt erscheinen; wenn dagegen gedeckte einfarbige, 1 bis 1l,5 Farbe verbrauchende Muster mit diesem Albuminschwarz bedruckt und gedämpft werden, so kann man nur auf Grund einer falschen Rechnungsweise zu der Ansicht gelangen, daſs das so erhaltene matte, trübe Schwarz billiger zu stehen komme als das auf der Baumwolle entwickelte glänzende, reine Anilinschwarz. Wenn man endlich ein solches Schwarz für die Ausfuhr, weil es die gute Eigenschaft besitzt, nicht abzuschmieren, nach dem Drucken, ohne zu dämpfen, appretirt, so gehört dieses Verfahren wieder in das Kapitel jener unreellen Fabrikationen, welche, ohne daſs mit ihnen eine wirkliche Ersparniſs erreicht wird, nur dazu dienen, den ohnehin schwächlich gewordenen Credit der gesammten Kattundruckerei noch mehr zu untergraben. Im Ganzen genommen wird das Albuminanilinschwarz ziemlich selten neben den echten Dampffarben gedruckt. Viel häufiger findet man noch das alte Chromschwarz, welches in den verschiedenen Fabriken nach meist gleichlautender Vorschrift gearbeitet wird. Es enthält Blauholz- und Quercitronextract, ferner etwas chlorsaures Kali und durch doppelte Zersetzung erhaltenes, essigsaures Chromoxyd, druckt sich trotz des zugefügten Wallraths möglichst schlecht, weil das Chromoxydsalz die Verdickung zusammenzieht, verunreinigt das Seifenbad sammt den Nebenfarben und wird in der Hauswäsche sehr bald grau und unansehnlich. Gros-Renaud (1874 213 236) hat vor einigen Jahren eine Vorschrift für ein salpeteressigsaures Chromoxyd gegeben, welches die Stärkeverdickung nicht zusammenziehen soll. Es ist dies richtig, wenn man vor dem Zusetzen desselben die Verdickung mit Essigsäure genügend ansäuert. Ich habe dieses Verhalten benutzt, um die alte Vorschrift für Chromschwarz brauchbarer zu machen. Wenn man 2k,4 Stärke, 0k,96 dunkelgebrannte Stärke, 14l,4 Blauholzextract von 1,0740 sp. G. und 1l,2 Quercitronextract von 1,1598 sp. Gr. verkocht, 264g chlorsaures Kali bei 60° und kalt 0k,6 Cachou, in 2l,4 Essigsäure von 1,0506 sp. G. gelöst, hinzufügt und schlieſslich 2l von jenem salpeteressigsauren Chromoxyd von 1,2828 sp. G. einrührt, so erhält man ein tiefes Chromschwarz, welches beim Drucken keine Schwierigkeiten bietet und durch seinen Cachougehalt zugleich an Solidität gewonnen hat. Uebrigens, wenn es auch keine vollkommen zufriedenstellende Vorschrift für Dampfanilinschwarz gibt, für ein solches, welches vor dem Dämpfen nicht verhängt zu werden braucht (vgl. 1874 214 324. 327), so läſst sich doch das gewöhnliche mit salzsaurem Anilin bereitete Anilinschwarz neben Alizarinroth und anderen echten Dampffarben ganz gut verwenden, sobald nach dem Verhängen und der vollständigen Entwickelung des Schwarz mit der nöthigen Sorgfalt vorgegangen wird. Hierzu gehört, daſs die Waare vor dem Dämpfen breit und langsam in einem geschlossenen Rollenkasten (bei leichtem Schwarz 1mal, bei schwerem Schwarz 2mal) durch Ammoniakgas geführt wird. In den angewärmten, hölzernen oder steinernen Dampfkasten werden die Stücke so eingehängt, daſs die Säcke mindestens 12cm von einander entfernt sind; auf den Boden des Kastens werden je nach Muster 1 oder 2 Töpfe mit 1 oder 21 starkem Salmiakgeist gestellt, dann wird die Thür geschlossen und das Abzugsrohr für die entweichenden Dünste ganz geöffnet. Den Dampf läſst man erst nach ¼ Stunde zutreten und dämpft dann, wie es die Rücksicht auf die neben dem Schwarz gedruckten Nebenfarben verlangt. So gefährlich auf den ersten Anblick dieses Verfahren namentlich für schwerschwarze Muster aussieht, so habe ich doch nach den zwei ersten miſslungenen Versuchen Tausende von Stücken nach demselben fertig gemacht, ohne morsche Waare oder gelbes Weiſs oder zerstörte Nebenfarben erhalten zu haben. Ein Weinsäureschwarz ist nicht zu rathen, weil die krystallisirte Weinsäure sich mit dem Salmiakgeist nicht so rasch verbindet wie mit der Salzsäure. Neben Albuminorange ist ein Vanadanilinschwarz zu nehmen, damit das Orange nicht durch die vom Schwefelkupfer ausgehenden Schwefel- und Schwefelwasserstoffdünste gebräunt wird. Für Roth, bei Abwesenheit von Albuminorange, empfiehlt es sich, den essigsauren Kalk durch das unterschweflig-saure Salz zu ersetzen. Da dem Roth immer zwei Pressen gegeben werden, so hat es noch über die schwarze Walze zu gehen und nimmt von derselben einen Hauch der anilinschwarzen Farbe mit ihrem Gehalt an chlorsaurem Kali in sich auf; gegen letzteres verhält sich alsdann der unterschwefligsaure Kalk wie ein Antichlor und schützt das Alizarinroth vor der Einwirkung des beim Verhängen auftretenden Chlores. Daſs diese Farbaufnahme keineswegs zu unterschätzen ist, geht aus dem Umstände hervor, daſs, wenn bei einem Muster wenig Anilinschwarz inmitten von viel Ultramarinblau sitzt, wo letzteres natürlich mit einer Presse gedruckt wird, ersteres in der Hänge sich unvollkommen und ungleich entwickelt in Folge der neutralisirenden Wirkung der Spur von Ultramarinblau, welche es von der blauen Walze aufgenommen hat. Bei derartig vertheilten Mustern ist man deshalb gezwungen, zum weniger echten Chromschwarz zurückzugreifen. Endlich bietet das Anilinschwarz noch den Vortheil, daſs wenn Schwarz vorgedruckt und Roth oder Ultramarinblau über dasselbe gedruckt wird, wie bei den Knickerbokermustern des vorigen Jahres, das auffallende Roth von dem Schwarz zerstört und das Ultramarinblau abgeworfen wird, während dieselben mit dem Chromschwarz eine dritte und vierte, aber durchaus unreine, unbrauchbare Zwischenfarbe hervorrufen würden. Was die Nuance des unter Beihilfe von Ammoniak gedämpften Alizarinroths anbelangt, so ist dieselbe nicht so feurig und warm wie das in Alizarin mit Oel gefärbte Purpurroth; doch ist das erhaltene Roth für kleine unbedeutende Muster genügend lebhaft, dabei sehr kräftig und, was eine Hauptsache ist, sehr solid. (Schluſs folgt.)