Titel: | Technisch-chemische Untersuchungsmethoden; von Dr. F. Salomon. |
Autor: | F. Salomon |
Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 222 |
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Technisch-chemische Untersuchungsmethoden; von
Dr. F. Salomon.
Mittheilung aus dem Laboratorium für technische
Chemie der technischen Hochschule in Braunschweig.
Salomon, über Bleizucker und Bleiessig.
Bestimmung des Säuregehaltes im Bleizucker und
Bleiessig.
Für die Untersuchung der neutralen und basischen Bleiacetate ist es nicht
unwesentlich, eine einfache und bequeme Methode zu besitzen, welche es ermöglicht,
den Essigsäuregehalt dieser Fabrikate schnell und sicher zu bestimmen. Die bisher zu
diesem Zweck benutzten Verfahren erwiesen sich als ungemein zeitraubend und haben
keine Aussicht in der Technik zu ausgedehnter Anwendung zu kommen. Im Nachfolgenden
will ich deshalb eine einfache und praktische Titrirmethode angeben, welche mir bei
der Analyse verschiedener Bleizucker und Bleiessige aus der Fabrik von A. Forst in Braunschweig wesentliche Dienste geleistet
hat.
Das zu Grunde liegende Princip ist einfach und längst bekannt; es beruht auf Bindung
der Essigsäure durch Kalihydrat und Zurücktitriren des überschüssig zugesetzten
Fällungsmittels mit Essigsäure von bekanntem Gehalt. Allein die Art und Weise der
Ausführung war es, welche ich dem vorliegenden Zweck anzupassen hatte.
Zur Ausführung bedarf man: 1) eine Essigsäure, welche genau 50g Anhydrid (wasserfreie Essigsäure) in 1l enthält; 2) eine Kalilauge, welche der
Essigsäurelösung äquivalent ist, von welcher also 1l 50g Essigsäureanhydrid absättigt.Ueber die Herstellung dieser Lösungen vgl. Fresenius:
Quantitative Analyse, 5. Auflage S. 725.
Hat man sich die betreffenden Reagentien vorgerichtet, so ist die Ausführung einfach:
10cc der zu untersuchenden Lösung oder 2 bis
4g in Wasser gelösten Bleizuckers werden in
einem 100cc fassenden Kölbchen mit einem
Ueberschuſs der titrirten Kalilösung ausgefällt, die Flüssigkeit bis zur Marke mit
destillirtem Wasser aufgefüllt und kräftig durchgeschüttelt. Die gröſste Menge des
Bleigehaltes gelangt hierbei als Hydrat zur Fällung, ein der überschüssig
zugesetzten Kalilauge entsprechender Theil bleibt in Lösung. Nach dem innerhalb
weniger Secunden erfolgten Absetzen wird die klare Lösung durch ein Filter
abgegossen, 50cc des Filtrates mit
PhenolphtaleïnVgl. Zeitschrift für analytische Chemie, 1877
Bd. 16 S. 333. Lackmus ist nicht brauchbar, da der Neutralitätspunkt bei der
gleichzeitig erfolgenden Ausscheidung des gelösten Bleihydrates nicht zu
erkennen ist. versetzt und nun so lange von der titrirten
Essigsäure zugelassen, bis Entfärbung der rothen Lösung erfolgt. Der
Neutralitätspunkt ist bei Anwendung von Phenolphtaleïn äuſserst scharf und leicht zu
treffen; ein halber Tropfen der Essigsäure genügt, um die Flüssigkeit aus roth in farblos
umschlagen zu lassen.
Einige Beispiele werden den Vorgang und die anzustellenden einfachen Rechnungen klar
legen; da jedoch die Titrirung der Bleiessige eine etwas modificirte Behandlung
verlangt, so möge zuerst die Anwendung der Methode zur Analyse der Bleizucker
Erwähnung finden und die Bestimmung der Bleiessige durch ein besonderes Beispiel
näher erläutert werden.
Untersuchung der neutralen oder sauren Bleiacetate
(Bleizucker). Sind die Lösungen der Bleisalze neutral, so kann die
Bestimmung der gesammten Essigsäure sofort vorgenommen werden; hat man aber mit
sauren Lösungen zu thun, so ist es zweckmäſsig, den Gehalt an freier Säure
wenigstens annähernd durch Titriren einer besonderen Probe mit der Kalilauge unter
Anwendung von Lackmus (Phenolphtaleïn ist an dieser Stelle unbrauchbar) zu
ermitteln. Der Neutralitätspunkt ist hierbei ziemlich schwer zu treffen, und möchte
es gerathen sein, das Lackmus ganz fortzulassen und die nach vollendeter
Neutralisation durch den Zusatz von überschüssiger Kalilauge eintretende Trübung als
Endpunkt anzuerkennen.
Die anzustellende Rechnung, um den Gehalt an freier Säure zu finden, ist, wenn man
10cc der sauren Bleizuckerlösung in Anwendung
brachte, sehr einfach; man braucht nur die verwendeten Cubikcentimeter Kalilauge
durch 2 zu dividiren, um den Procentgehalt an Essigsäure zu erhalten.
Z.B. 10cc der sauren
Bleiacetatlösung forderten zur Neutralisation 4cc,5 der oben angegebenen Kalilauge; somit (4,5 : 2) = 2,25 Proc. freie
Essigsäure.
Viel sicherer und völlig genau gelingt die Bestimmung des Gesammtgehaltes an
Essigsäure sowohl in sauren, als in neutralen Lösungen, wenn man in folgender Weise
vorgeht.
Die abgewogene und in Wasser gelöste Bleizuckerprobe wird im
100cc-Kölbchen mit etwas Phenolphtaleïnlösung
versetzt und von der titrirten Kalilange so lange zugelassen, bis starke Rothfärbung
der über dem Bleihydrat stehenden Flüssigkeit eingetreten ist; das Kölbchen wird bis
zur Marke mit destillirtem Wasser aufgefüllt, kräftig durchgeschüttelt und
hingestellt.
Nach wenigen Augenblicken hat sich das Bleioxydhydrat am Boden
abgelagert. Man gieſst die Lösung durch ein grobes Filter, miſst 50cc mit der Pipette ab, bringt dieselben in ein
Becherglas, fügt noch einige Tropfen des Indicators hinzu und titrirt nun mit der
5procentigen Essigsäure zurück, bis Entfärbung eintritt.
Multiplicirt man jetzt die verbrauchten Cubikcentimeter der
Essigsäure mit 2, zieht die gefundene Zahl von den zugesetzten Cubikcentimeter der
Kalilauge ab, so stellt der Rest diejenige Menge der Kalilösung dar, welche zur
Sättigung der im Bleizucker enthaltenen Essigsäure gedient hat, und durch Division
der übrig bleibenden Cubikcentimeter Kalilauge durch 2 erfährt man den
Essigsäuregehalt in Procent.
Z.B. 30g Bleizucker wurden zu
100cc gelöst. 10cc der 30procentigen Lösung = 3g
Bleiacetat mit 20cc Kalilauge ausgefällt und die
Lösung auf 100cc verdünnt. Zur Absättigung des
überschüssig zugesetzten Kalihydrates forderten:
50cc
des
Filtrates
= 1cc,9
Essigsäure, also
100cc
„
„
= 3cc,8
„
Diese, 3cc,8, von den
20cc ursprünglich verbrauchter Kalilauge
abgezogen, geben 16cc,2 Kalilauge als für die
Sättigung der in der angewendeten Bleizuckermenge enthaltenen Essigsäure
erforderlich:
1000cc der Kalilauge
sättigen 50g Essigsäureanhydrid,
also zeigt je 1cc
Kalilauge = 0g,05 Essigsäureanhydrid,
16cc,2 KOH = 0g,81 Essigsäure.
10cc der Lösung =
3g Bleizucker enthalten also 0g,81 = 8,1 Proc. Essigsäure = 3g,0097 Bleizucker oder 100,32 Proc.
Von den zahlreichen Analysen, welche ich mit Hilfe der vorstehenden Methode
ausgeführt habe, mögen nur noch folgende als Belege für die Zuverlässigkeit
derselben Erwähnung finden.
10cc einer
20proc. Bleizuckerlösung forderten
16cc Kalilauge
– 2 × 2,55 =
5,2 Essigsäure
––––
10,8 KOH = 5,4 Proc.
Essigsäure = 20g,064
Bleizucker in 100cc = 100,32 Proc. Pb(C2H3O2)23H2O. Berechnet Essigsäure = 5,38, gefunden 5,4
Proc.
10cc einer 10procentigen
Bleizuckerlösung forderten 5cc,4 KOH = 0g,27 Essigsäure. Gefunden 1g,0032 Bleizucker = 100,32 Proc.
Untersuchung der basischen Bleiacetate (Bleiessige). Die
Bestimmung des Säuregehaltes in den Bleiessigen gelingt nicht vollständig, wenn man
die für die neutralen oder sauren Lösungen angegebene Methode befolgt; man erhält
stets etwas abweichende Zahlen, und der Fehler wird um so gröſser, je höher die
Basicität der Lösung steigt. Wahrscheinlich entsteht hier die Verbindung des
Bleioxydes mit Kali, das lösliche Kaliumplumbat (Bleioxydkali), in erheblicher Menge
und stört die Empfindlichkeit der Reaction. Es gibt jedoch ein einfaches Mittel,
diesem Uebelstande abzuhelfen und dieselbe Genauigkeit der Bestimmung wie bei den
neutralen Lösungen zu erreichen; es genügt, die basische Lösung vorher mit der
titrirten Essigsäure zu neutralisiren, um die Analyse scharf und sicher in gewohnter
Weise beendigen zu können. Ein Beispiel wird das Gesagte unterstützen.
10cc eines (basischen)
Bleiessigs, welcher durch Ueberführung einer 9,45procentigen Essigsäure über
oxydirte Bleigranalien hergestellt war, wurden mit 15cc der titrirten Essigsäure übersättigt und dann mit 40cc Kalilauge ausgefällt. Nach dem Auffüllen auf
100cc und Filtriren forderten 50cc des Filtrates 2cc,55 Essigsäure zur Neutralisation. Demnach waren in Rechnung zu
stellen:
40cc
Kalilauge
–
16
Essigsäure
– 2,5 × 2 =
5,1
„
–––––––––––––––
bleiben
18cc,9
Kalilauge = 9,45 Proc. Essigsäureanhydrid =
100,0 Proc.
Eine zweite Analyse desselben Bleiessigs gab
dasselbe Resultat.
Ueberhaupt habe ich mich durch zahlreiche Analysen der verschiedenartigsten
Bleiessige überzeugt, daſs die Methode in dieser Fassung volle Sicherheit bietet und
dürfte dieselbe allen Anforderungen sowohl für technische, als selbst für
wissenschaftliche Zwecke genügen.
Ueber das specifische Gewicht der Bleizuckerlösungen und der
Bleiessige.
Die specifischen Gewichte der Bleizuckerlösungen von verschiedener Concentration sind
von Gerlach ermittelt und gibt dessen Tabelle den Gehalt an Bleizucker
in Gewichtsprocenten. Die nachfolgende Zusammenstellung ergibt die dem
Volumprocentgehalt an Bleizucker Pb(C2H3O2)2.3H2O
entsprechenden specifischen Gewichte nach Maſsgabe der von mir ausgeführten
Bestimmungen:
%
Sp. G.
%
Sp. G.
%
Sp. G.
%
Sp. G.
%
Sp. G.
%
Sp. G.
%
Sp. G.
1
1,0062
9
1,0559
16
1,0994
23
1,1422
30
1,1844
37
1,2261
44
1,2676
2
1,0124
10
1,0622
17
1,1056
24
1,1482
31
1,1903
38
1,2320
45
1,2735
3
1,0186
11
1,0684
18
1,1118
25
1,1543
32
1,1963
39
1,2380
46
1,2794
4
1,0248
12
1,0746
19
1,1180
26
1,1603
33
1,2022
40
1,2440
47
1,2853
5
1,0311
13
1,0808
20
1,1242
27
1,1663
34
1,2082
41
1,2499
48
1,2912
6
1,0373
14
1,0870
21
1,1302
28
1,1723
35
1,2142
42
1,2558
49
1,2971
7
1,0435
15
1,0932
22
1,1362
29
1,1783
36
1,2201
43
1,2617
50
1,3030
8
1,0497
Der Gebrauch dieser Tabelle ist einfach: Ist z.B. das specifische Gewicht einer
Bleizuckerlösung = 1,0932 bei 20°, so enthält dieselbe 15g Bleizucker in 100cc oder 150g im Liter. Ein specifisches
Gewicht von 1,303 entspricht einem Gehalt von 50g
Neutralsalz in 100cc oder 500g im Liter. Diese Angabe der Volumprocente ist für
viele technische Zwecke bequemer und möchte namentlich für den Bleizucker- und den
Bleiweiſsfabrikanten erwünscht sein.
Von ungleich gröſserem Interesse ist aber für den Blei weiſsfabrikanten die Kenntniſs
des Gehaltes der Bleiessige. Das specifische Gewicht derselben gibt ohne weiteres
keinen sicheren Aufschluſs über ihren Procentgehalt, und man kann die oben für die
neutralen Lösungen angegebene Tabelle nicht zu ihrer Gehaltsbestimmung benutzen, da
bei gleichem specifischem Gewicht der Procentgehalt der Bleiessige höher ist als
derjenige der Bleizuckerlösungen und dieser Unterschied um so bedeutender wird, je
mehr die Basicität des zu untersuchenden Bleiessigs steigt.
Ich habe deshalb versucht, eine Grundlage aufzufinden, nach welcher man den Gehalt
dieser basischen Essige bestimmen kann. Der Bleiesssig ist anzusehen als eine Lösung
von Bleioxyd oder Bleioxydhydrat in neutralem Bleisalz. Kennt man nun den Gehalt der
basischen Verbindung an Bleizucker, so wird man nach der oben angegebenen Tabelle
leicht dasjenige specifische Gewicht ermitteln können, welches dem Neutralsalze
allein zukommt. Bringt man die so gefundene Zahl von dem specifischen Gewicht des
Bleiessigs in Abzug, so muſs der Rest auf Rechnung des im neutralen Salz gelösten
Bleioxydes oder Bleioxydhydrates zu stellen sein. Durch Bestimmung der specifischen
Gewichte und der Procentgehalte von 15 Bleiessigen verschiedenster Concentration,
deren Gehalt an Neutralsalz mir entweder bekannt war, oder nach der im Vorstehenden
angegebenen Titrirmethode ermittelt wurde, habe ich versucht, die dem Zuwachs an
Bleioxyd entsprechende Zunahme des specifischen Gewichtes festzustellen. Auf diesem
Wege fand ich die Vergröſserung des specifischen Gewichtes für jedes Volumprocent
Bleioxyd als
zwischen 0,0091 und 0,0086 schwankend, woraus sich im Mittel 0,00885 als Vermehrung
des specifischen Gewichtes für je 1 Vol.-Proc. Bleioxyd ergibt. Die folgende Tabelle
gibt die aus dieser Zahl berechneten Werthe für die den Volumprocenten Bleioxyd
entsprechende Vergröſserung der specifischen Gewichte bei 20°.
PbO
Sp. G.
PbO
Sp. G.
PbO
Sp. G.
PbO
Sp. G.
1
0,00885
6
0,05310
11
0,09735
16
0,14160
2
0,01770
7
0,06195
12
0,10620
17
0,15045
3
0,02655
8
0,07080
13
0,11505
18
0,15930
4
0,03540
9
0,07965
14
0,12390
19
0,16815
5
0,04425
10
0,08850
15
0,13275
20
0,17700
Wie auf Grund dieser Zahlen der Gehalt eines Bleiessigs
ermittelt werden kann, wird folgendes Beispiel erläutern.
Das specifische Gewicht des Bleiessigs war gefunden zu 1,1559 bei
20°. Demselben lag eine Bleizuckerlösung von 15 Vol.-Proc. zu Grunde, deren
specifisches Gewicht nach der ersten Tabelle = 1,0932 ist. Dieses von dem oben
gefundenen specifischen Gewicht 1,1559 subtrahirt, gibt 0,0627 als den für das
spezifische Gewicht des gelösten Bleioxydes bleibenden Rest und somit nach der
zweiten Tabelle 7,1 Proc. Bleioxyd. Durch die Analyse war der Gesammtgehalt des
Bleiessigs zu 15,85 Vol.-Proc. PbO ermittelt; bringt man hiervon die den 15 Procent
neutralem Bleiacetat entsprechenden 8,828 Vol.-Proc. Bleioxyd in Abzug, so bleiben
7,022 Proc. Bleioxyd statt der aus dem specifischen Gewicht berechneten 7,1
Proc.
Auf diesem Wege ist es also möglich, den Gehalt der Bleiessige an gelöstem Oxyd
leicht und sicher zu ermitteln, und wird es vielleicht mit Hilfe derselben gelingen,
den Bleiweiſsproceſs einer genauen Controle zu unterwerfen und die dort harrenden
Aufgaben ihrer Lösung näher zu bringen.