Titel: | Einige neuere Constructionseinzelheiten für centrale Weichen- und Signalstellungen; von Prof. Dr. E. Schmitt. |
Autor: | E. Schmitt |
Fundstelle: | Band 233, Jahrgang 1879, S. 204 |
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Einige neuere Constructionseinzelheiten für
centrale Weichen- und Signalstellungen; von Prof. Dr. E. Schmitt.
Mit Abbildungen auf Tafel 20.
E. Schmitt, über centrale Weichen- und
Signalstellungen.
Bei den Apparaten für centrale Weichen- und Signalstellung, welche nunmehr auch auf
den deutschen Eisenbahnen eine immer gröſsere Verbreitung finden, dienen bekanntlich
als Transmission Stangen- und Drahtleitungen, erstere namentlich für die Stellung der Weichen, letztere
insbesondere für die Dirigirung der optischen Signale. Die diesfälligen
constructiven Detaileinrichtungen sind im Zusammenhange in meinem „Signalwesen“ (S. 664 bis 669) besprochen. Seit dem Erscheinen
dieses BuchesVortrage über Eisenbahnbau, gehalten an verschiedenen deutschen
polytechnischen Schulen. Begonnen von Dr. E.
Winkler. XI. Heft: Signalwesen. Von Dr. E.
Schmitt. Prag 1879. sind anderweitige hier einschlägige
Constructionseinzelheiten bekannt geworden, welche meines Wissens eine Beschreibung
bislang nicht gefunden haben. Es mögen deshalb im Nachstehenden und auf Tat. 20
einige wichtigere Vorrichtungen dieser Art vorgeführt werden.
1) Stangenleitungen.
a) Die Winkelhebel, welche an allen
Stellen einer Stangenleitung anzuordnen sind, wo in derselben Richtungsänderungen
eintreten, werden aus Guſseisen oder Schmiedeisen hergestellt. Die älteren
guſseisernen Winkelhebel (welche in Fig. 397 S. 665 meines „Signalwesens“
dargestellt sind) haben den Nachtheil, daſs sie bei Beanspruchung auf Zug wie auf
Druck leicht brechen, selbst dann, wenn man sie gegen die Drehachse zu möglichst
breit hält. Diesem Uebelstand wird auf der Paris-Lyon-Mittelmeer-Eisenbahn in
einfacher Weise dadurch vorgebeugt, daſs man zwischen den beiden Armen des
Winkelhebels den Bogen mn (Fig. 1) mit
angieſst; der Hebel selbst wird dadurch nicht wesentlich schwerer, weil man die
beiden Arme ma und na
desselben schmaler halten kann.
Als Hebelstühle oder Achsenhalter für diese Winkelhebel dienten bislang
meistens schmiedeiserne Bügel von der in Fig. 398 S. 665 meines
„Signalwesens“ dargestellten oder doch nicht wesentlich davon
abweichenden Form. Eine hiervon verschiedene, einfache und auch zweckmäſsige
Gestaltung hat der aus Fig. 2
ersichtliche Achsenhalter, welcher, wie die älteren Hebelstühle, auf einer hölzernen
Unterlagsschwelle befestigt werden kann, für den jedoch auch ein guſseiserner
Erdfuſs construirt wurde, mit welchem er durch drei Schrauben verbunden wird.
Ein solcher Achsenhalter könnte noch für diejenigen Fälle modificirt werden, wenn die
einzelnen Theile eines Gestänges eine verschiedene Höhenlage haben. Es sollte
allerdings eine solche Anordnung möglichst vermieden werden; indeſs läſst sich
dieselbe nicht immer umgehen. Man brauchte alsdann nur den verticalen Theil s des Bügels und die Drehachse entsprechend höher zu
machen, so daſs von den beiden verschieden hoch gelegenen Partien der Stangenleitung
die eine am oberen, die andere am unteren Ende der Drehachse befestigt werden kann.
In England kommen solche Einrichtungen häufig vor; es ist wohl ohne weiteres klar,
daſs in einem derartigen Falle der Winkelhebel in zwei einzelne Dreharme getrennt
ist.
Liegen mehrere Stangenleitungen neben einander und sind auch die zugehörigen
Winkelhebel an derselben Stelle gelegen, so erhält der in Rede stehende Achsenhalter
die Gestalt Fig. 3 und
4 entsprechend der gröſseren Zahl von Drehachsen, zu deren Lagerung
derselbe zu dienen hat.
Eine noch einfachere Form hat die Winkelhebel-Construction in Fig. 5 und
6; der Hebelstuhl besteht blos aus einer Sohlplatte, auf welcher die
verticale Drehachse befestigt ist. Wenn die letztere die erforderliche Stärke hat,
wenn sie also gegen Verbiegung entsprechend geschützt ist, so kann auch diese
Anordnung genügen. Derlei Hebelstühle werden auf Steinquadern montirt.
An die Winkelhebel schlieſsen sich unmittelbar die sogen. Regulirhebel an, welche für den Angriff des Gestänges an die Weichen
bestimmt sind; Fig. 7 und
8 zeigen einen solchen Hebel.
b) Die Führung der Stangenleitungen
geschieht bekanntlich mittels Rollen, die in sogen. Rollenstühlen gelagert sind. Es ist auf die diesfälligen Einrichtungen
eine groſse Sorgfalt zu verwenden; denn sie bilden einen wesentlichen Factor für das
leichte und empfindliche Functioniren der Weichen. Die durch die Unterstützung und
Führung des Gestänges erzeugte Reibung ist es namentlich, welche den
Bewegungswiderstand der Stangenleitung ausmacht. Je kleiner dieser Widerstand ist,
desto geringer wird auch die zur Bewegung des Gestänges erforderliche Kraft, und je
kleiner dieser Kraftaufwand ist, desto besser und zuverläſsiger wird ein
ungewöhnlicher Widerstand, der sich der Stangenleitung darbietet, vom bedienenden
Wärter bemerkt werden. Ein solcher auſsergewöhnlicher Widerstand wird hervorgerufen,
wenn sich Gegenstände zwischen die Weichenzunge und Stockschiene legen und ein
Klaffen der ersteren herbeiführen. Ist z.B. der zum Bewegen der Stangenleitung
erforderliche Kraftaufwand ebenso groſs wie derjenige, der nothwendig ist, um das
elastische Gestänge um so viel zum Nachgeben zu bringen, als ein zwischen Zunge und
Stockschiene befindlicher Gegenstand bedingt, damit der betreffende Stellhebel im
Centralapparat in seine Endstellung gebracht wird, so wird der bedienende Wärter
diese Unregelmäſsigkeit an seinem entfernten Standpunkte nicht bemerken. Es ist
sonach die thunlichste Herabminderung der Reibung an den Unterstützungs- und
Führungsstellen anzustreben.
Die für den in Rede stehenden Zweck bisher gewöhnlich verwendete Einrichtung besteht
im Wesentlichen aus einer Rolle, die an ihrem Umfange dem Querschnitt des Gestänges
entsprechend geformt ist; diese Rolle ist um einen Bolzen drehbar, der an beiden
Enden in guſseisernen Backen gelagert ist (vgl. Fig. 400 auf S. 666 meines
„Signalwesens“). Abgesehen von Uebelständen, welche diese Construction
schon bei der Montage bietet, besonders dann, wenn eine gröſsere Zahl von
Stangenleitungen neben einander geführt werden und mehrere Führungsrollen eine
gemeinschaftliche Drehachse haben, besitzt dieselbe den Nachtheil, daſs ein
regelrechtes Oelen der Drehachsen während des Betriebes nicht stattfinden kann; denn
das Schmierloch in der ziemlich langen Nabe nutzt aus dem Grunde nur wenig, weil die
Stellung der Rolle eine sehr veränderliche ist und das Schmierloch sich nur selten
in einer Lage befindet, in welcher von oben Oel zur Drehachse gelangen kann. Unter
solchen Umständen müssen sich die Rollen ungeölt auf den Achsen drehen, und es
findet häufig ein vollständiges Festrosten derselben statt, so daſs statt der
rollenden Reibung zwischen Rolle und Gestänge eine gleitende Reibung eintritt;
hierdurch wird die Beweglichkeit des Gestänges wesentlich gehemmt.
Diese Uebelstände sind bei dem in Fig. 9 und
10 dargestellten Rollenstuhl beseitigt. Die
Führungsrolle besteht mit ihrer Drehachse aus einem Stück; der abgedrehte Zapfen der
letzteren bewegt sich in einem ausgebohrten Lager, welches mit einem durch den
Deckel dieses Lagers hindurchgehenden Schmierloche versehen ist. Die Lagerung der
Rollen findet in einem guſseisernen Bocke statt, auf den ein Lagerdeckel mittels
vier Schrauben aufgesetzt ist. Bei dieser Construction ist ein regelrechtes Oelen
der Drehachse und ein leichtes Reinigen der Lagerstellen und Achsen ermöglicht. Die
Lagerung mehrerer Führungsrollen in einem Bocke zeigen Fig. 10 und
11; die Rollenstühle sind auf Steinquadern oder auf Holzschwellen
befestigt.
Für eine geringere Zahl neben einander laufender Stangenleitungen (1 bis 3) sind auch
die in Fig. 12 bis
14 dargestellten guſseisernen Rollenstühle von gabelförmiger Gestalt sehr
zweckmäſsig. Ein Erdfuſs aus gleichem Material steht mit dem Stuhl in unmittelbarer
Verbindung; ein und derselbe Rollenstuhl kann zur Lagerung von 1, 2 oder 3
Führungsrollen benutzt werden.
c) Die Compensations-Vorrichtungen,
welche dazu dienen, die in den Stangenleitungen in Folge der Temperaturschwankungen
entstehenden Längenänderungen unschädlich zu machen, werden horizontal und vertical
ausgeführt.
Als horizontale Compensationsvorrichtungen dienen fast
ausschlieſslich doppelarmige Compensationshebel (vgl. S. 667 meines
„Signalwesens“). Zur Festhaltung und Lagerung ihrer Drehachsen können
dieselben Achsenhalter benutzt werden, wie bei den unter a erwähnten, in Fig. 2 bis
6 dargestellten Winkelhebeln.
Als verticale Compensationsvorrichtung wird (auſser den
in den Fig. 404 bis 406 S. 668 meines „Signalwesens“ abgebildeten Apparaten)
in England auch die Construction Fig. 15
häufig gefunden. Wie bei den horizontalen Compensationsvorrichtungen wird hier
gleichfalls ein doppelarmiger Hebel abc verwendet,
dessen Drehachse b horizontal gelegen ist. Würde man
keine weitere Vorkehrung treffen (was in England wohl auch vorkommt), so würden die
einzelnen Theile der Stangenleitung stark auf Biegung beansprucht werden. Um dies zu
vermeiden, wird das Ende der Stangenpartie s1 in einer Hülse h
geführt; bei d ist ein Gelenk angebracht, die
Gelenkstange da eingeschaltet und mit dem Ende a des Compensationshebels verbunden; die andere
Stangenpartie s2 ist
unmittelbar (bei c) am Compensationshebel
befestigt.
d) Die Stellhebel für die nach
Weichen führenden Stangenleitungen haben häufig dieselbe oder eine ähnliche
Construction wie die Stellvorrichtungen, welche für gewöhnliche Einzelweichen
angewendet werden; der Stellhebel Fig. 16
gehört in diese Gattung von Apparaten. Allein man findet auch complicirtere, in der
Wirkung sicherere Einrichtungen wie z.B. die in Fig. 17
dargestellte Construction, wo der Stellhebel mit einem fixirten Hub und einer
Federklinke zum Feststellen desselben in den beiden äuſsersten Lagen versehen ist;
der Hebel ist auf einer Sohlplatte montirt und wird mit dieser auf einem Steinquader
befestigt.
2) Drahtleitungen.
Die constructiven Details für Drahtleitungen, welche nachstehend vorgeführt werden
sollen, können nicht nur bei centralen Signal- und Weichenstellungen, sondern auch
für alle Distanzsignale mit Drahtzügen Anwendung finden. Dieselben beziehen sich
hauptsächlich auf die Construction der Führungsrollen, welche, wie bekannt, fast
ausschlieſslich zur Unterstützung der Drahtleitungen benutzt werden.
a) Verticale Führungsrollen sind in
den Fig. 248 bis 250 S. 525 meines „Signalwesens“ abgebildet. Auſser diesen
dürften die in Fig. 18 und
19, sowie in Fig. 20
dargestellten Constructionen von Interesse sein. Die erstere ist bestimmt, an einer
Wand, einer Brüstung, einem Pfahle o. dgl. befestigt zu werden, während die andere
an Signalmasten angebracht werden soll; da letztere verschiedene Dicken haben, ist
das Rollenlager derart gestaltet, daſs es für kleinere und gröſsere Mastdurchmesser
Anwendung finden kann.
b) Bewegliche Führungsrollen nehmen
in gekrümmten und ansteigenden Strecken selbstthätig die zweckmäſsigste Lage ein
(vgl. S. 524 und 526 meines „Signalwesens“). In Fig. 21 und
22 ist eine derartige Construction dargestellt, welche sich an vielen
Orten bewährt hat.
c) Führungsrollen für mehrfache
Drahtzüge (vgl. Fig. 255 bis 260 S. 526 und 527 meines
„Signalwesens“) haben in neuerer Zeit eine ziemlich verschiedene
Einrichtung erhalten. Die Fig. 23 und
24 zeigen eine Anordnung mit horizontaler Sohlplatte, welche auf dem
Kopfe eines Pfahles o. dgl. anzuschrauben ist. Eine dreifache Rolle, die an
cylindrischen Masten befestigt werden soll, ist in Fig. 25
dargestellt.
d) Die Spannschrauben, wohl auch
Spannbügel, Drahtspanner oder Schraubenschlösser genannt, dienen zum Anspannen der
Drahtleitung. In Fig. 26 ist
ein solcher Apparat (von der Kaschau-Oderberger Eisenbahn) mit doppeltem
Schraubengewinde, in Fig. 27 ein
solcher mit einfachem Gewinde abgebildet; auf der französischen Westbahn sind die
Spannschrauben aus Bronze hergestellt.
Indem die vorstehenden Betrachtungen hiermit geschlossen werden, sei nur noch
bemerkt, daſs die in den Fig. 2 bis
4 und 12 bis 14, 18 bis 25 und 27 dargestellten Constructionen aus der
Fabrik von Siemens und Halske in Berlin, die in den
Fig. 5 bis 11, 16 und 17
abgebildeten Vorrichtungen aus der Eisenbahnsignal-Bauanstalt Max Jüdel und Comp. in Braunschweig hervorgegangen
sind.