Titel: | Ueber die Kokesfabrikation von Süd-Durham, mit Bezug auf die Eisen- und Stahlfabrikation im Norden Englands. |
Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 504 |
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Ueber die Kokesfabrikation von Süd-Durham, mit
Bezug auf die Eisen- und Stahlfabrikation im Norden Englands.
Mit Abbildungen auf Tafel 42.
Steavenson, über die Kokesfabrikation von Süd-Durham.
Aus einem Vortrag, gehalten von A. L. Steavenson in
Durham vor der Herbstversammlung 1877 des Iron and Steel
Institute entnehmen wir Folgendes.
Das Kokeskohlen-Feld von Süd-Durham liegt fast ganz auf der Westseite der Hauptlinie
der Nordost-Eisenbahn, begrenzt von der Station Bradbury im Süden und von Cateshead
im Norden. Seine Lange beträgt durchschnittlich 37km auf nahezu 18km Breite. Der
vorhandene Kohlenbestand mag, nach oberflächlicher Schätzung auf den heutigen
Verbrauch berechnet, etwa noch für 125 Jahre ausreichen. Der jährliche
Kokesverbrauch des Districtes von 4500000t ist
indeſsen in stetiger Zunahme begriffen, und wenn zur Herstellung des Eisens über
kurz oder lang nicht ein anderes Brennmaterial zur Anwendung kommt, so wird der
Kohlenreichthum schwinden, wie eine an beiden Enden brennende Kerze. Im J. 1858 hat
der Verfasser in einem vor dem North of England Institute of
Mining Engineers gehaltenen Vortrag die Wichtigkeit der Anwendung von
Gaskanälen und Schornsteinen bei Kokesofenanlagen dargelegt. Seitdem sind vielfache
Versuche gemacht worden, die bis dahin nutzlos verloren gegangene Wärme zu
verwerthen, und ferner, einen groſsen Theil der vordem für unbrauchbar gehaltenen
Kohlen zu verkoken.
Es hat sich im Laufe der Zeit herausgestellt, daſs die Gewinnung von Ammoniak und
Theer aus den Kohlengasen die Kokesfabrikation auſserordentlich beeinträchtigt, daſs
die Qualität der Kokes stets darunter leidet, wenn man den erzeugten Gasen nicht
freien Ausgang gestattet. Unter Benutzung dieser Erfahrung sind auf den
Browney-Kohlenwerken die in Fig. 8 bis
10 Taf. 42 dargestellten Kokesöfen angelegt worden, welche, in doppelter
Keihe wie gewöhnlich ausgeführt, mit den Rückseiten an einander stoſsen und zwischen
sich einen Gaskanal von 1m,98 Höhe und 1m,07 Breite haben. Zu jedem Schornstein von 36m,6 Höhe gehören 100 Oefen, 50 an jeder Seite. Die
abziehenden Gase heizen 4 Dampfkessel, während die Gaskanäle so angebracht sind,
daſs die Gase nach Belieben unter die Kessel oder direct in den Schornstein geleitet
werden können. Die mit den Gasen in die Kanäle eintretende Verbrennungsluft bewirkt
vollkommene Rauchverzehrung, ist indeſsen nicht in solchem Ueberschuſs vorhanden,
daſs dadurch die vollständige Verbrennung der Kohlenwasserstoffgase durch zu groſse
Abkühlung verhindert wird. Man hat dadurch erreicht, daſs die Kohlenförderung aus
einer Tiefe von 180m und die Wasserhaltung, welche
vordem einen Kohlenverbrauch von 1200t monatlich
erheischten, heute ausschlieſslich durch den Heizeffect der Kokesofengase betrieben
werden.
Um den Wärmeeffect der Kokesofengase, welche zur Dampferzeugung verfugbar bleiben, zu
ermitteln, wurde das Volum und die Temperatur der von 50 Kokesöfen ausströmenden Gase
gemessen. Der Kohlenverbrauch dieser Oefen betrug 234t in 84 Stunden, die ermittelte Temperatur 815°, die erzeugte Gasmenge
806cbm in der Minute. Die letztere Ziffer
übersteigt das theoretische Gasquantum, eingerechnet der nothwendigen
Verbrennungsluft, um 204cbm, welche also die Menge
der bei der Verkokung unvermeidlich zudringenden Luft darstellen. Das in den
Dampfkesseln stündlich verdampfte Wasser betrug 2t,4, während die bei der Verkokung erzeugten Gase theoretisch eine zur
Verdampfung von 2t,9 Wasser hinreichende
Wärmemenge an die Dampfkessel abgaben. Der bei weitem gröſste Theil der
verbrennenden Gase übertrug indeſsen seine Wärme an die Ofen- und Kanalwände. Die
ganze theoretisch entwickelte Wärmemenge, entsprechend einer stündlich zu
verdampfenden Wassermenge von 17t, vertheilt sich
folgendermaſsen:
t
Unter den Dampfkesseln wurden ausgenutzt
2,40
Durch den Schornstein entwichen
3,18
Zur Erhitzung der Ofen- und Kanalwände verbraucht
11,42
–––––
Zusammen
17,00.
Wenn im ganzen Bezirke von Süd-Durham, wo heute auf 1k verkokter Kohle nicht mehr als 6k
verdampftes Wasser kommen, eine ähnliche Oekonomie eingeführt würde, so beliefe sich
der dadurch erzielte Gewinn auf jährlich 1086000t
Kohlen oder rund 5430000 M. Mit Einrechnung des verminderten Arbeiterpersonals,
welches zur Wartung und Instandhaltung der Dampfkessel erforderlich ist, würde sich
die jährliche Ersparniſs auf etwa 6000000 M. beziffern.
Der zweite Theil des in Betracht zu ziehenden Gegenstandes beruht in den Mitteln,
welche angewendet worden sind, um geringerwerthigere Kohlen mit verhältniſsmäſsig
hohem Aschengehalt vortheilhaft zu verkoken. Auſser den Kohlenflötzen von Brockwell,
welche den gröſsten Theil des Districtes einnehmen und die besten und reinsten
Kokeskohlen liefern, werden heute viele geringere Kohlensorten verkokt, nachdem sie
durch Pochen und Waschen zu diesem Zweck tauglich gemacht worden sind. Das
Zerkleinern der Kohlen zu Pulver hat den günstigen Erfolg, daſs die daraus erzeugten
Kokes bedeutend härter werden und weniger Abfall liefern. Als Durchschnittsresultat
einer groſsen Anzahl vorgenommener Versuche mag angeführt werden, daſs
nichtzerkleinerte Kohle bei 58 Proc. Kokesausbringen 5 Proc. Abfall lieferte,
während zerkleinerte Kohle bei 59 Proc. Kokesausbringen nur 2 Proc. Verlust ergab;
in letzterem ist sowohl die Kokesasche als das Kokesklein einbegriffen. Es ist dem
Eisenhüttenmanne wohl bekannt, daſs der Werth harter Kokes nicht nur in ihrer
mechanischen Festigkeit und in der Fähigkeit, eine groſse Last zu tragen, besteht.
J. L. Bell sagt in dieser Beziehung Folgendes:
„Ich habe gefunden, daſs der in verschiedenen Kokessorten vorhandene
Kohlenstoff durch die bei der Verbrennung im Hohofen gebildete Kohlensäure in
sehr verschiedener Weise angegriffen wird. Die weiche schwarze Koke wird viel
leichter von ihr verbrannt, als die silberglänzende harte.“ Man versteht
dies leicht, wenn man an die relative Brennbarkeit auf einem Feuerroste eines
Stückes leichter Gaskoke denkt, verglichen mit derjenigen einer harten dichten Koke
oder eines Stückes Gaskohle. Es ist dies ohne Zweifel die natürliche Folge der
physischen Beschaffenheit des Materials.
Aus der Koke von Browney war es unmöglich, eine Koke von hinreichender Dichtigkeit
herzustellen, was man ursprünglich einem Basaltvorkommen in der unmittelbaren Nähe
zuschrieb. Nach der Analyse zeigte die Kohle gegen andere berühmte Kokeskohle keinen
Unterschied. Seitdem dieselbe durch einen Desintegrator gepulvert wird, welcher
stündlich 40t mit einem Kostenaufwand von 4,2 Pf.
für 1t zerkleinert, erzeugt man aus ihr die besten
Kokes. Die chemische Zusammensetzung der Kohle bleibt dadurch natürlich unverändert,
und die Analyse gibt über das verschiedene Verhalten nicht den geringsten
Aufschluſs. Das Waschen der Kohle geschieht am besten in einem offenen Trog von
18m Länge, welcher zum Auffangen der Steine
und des Schmutzes mit Leisten versehen ist, während man die Kohle unter einem Strome
flieſsenden Wassers
mittels Harken beständig umrührt. Die Erfindung ist zwar alt, wird aber noch heute
mit groſsem Vortheil angewendet. Viele haben ohne Zweifel ein Vorurtheil gegen
gewaschene Kokes und behaupten, daſs sie nie so gut sind wie andere; allein sie
vergessen, daſs die aus ungewaschenem Material gebrannte Kokes fast immer aus einer
besseren Kohle gemacht worden ist. Durch das Waschen sind jedenfalls bedeutende
Mengen bis dahin venachläſsigter Kohle in den östlichen Districten der Grafschaft
nutzbar gemacht worden. Es ist überflüssig ein Weiteres hinzuzufügen, als daſs die
14000 heute (1877) in Betrieb befindlichen Kokesofen ungefähr 2000 kräftigen
Arbeitern Beschäftigung und eine jährliche Ausbeute von mindestens 20 Millionen Mark
liefern.