Titel: | Ueber die Reinigung der Städte und die Verunreinigung der Flüsse. |
Autor: | F. |
Fundstelle: | Band 227, Jahrgang 1878, S. 402 |
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Ueber die Reinigung der Städte und die
Verunreinigung der Flüsse.
Ueber Reinigung der Städte und Verunreinigung der
Flüsse.
Auf Grund eines am 2. Mai 1877 von der wissenschaftlichen Deputation für das
Medicinalwesen in Berlin erstatteten Gutachtens ist der Stadtgemeinde Cöln die
Erlaubniss zur Abführung der menschlichen Excremente aus den Wasserclosets in die
städtische Kanalisationsanlage und durch diese in den Rhein durch eine Entscheidung
des Ministeriums vom 5. Juni versagt worden. Desgleichen ist der Stadt Stettin am 1.
September die Einführung der unreinen Kanalwässer, einschliesslich der menschlichen
und thierischen Abfallstoffe, in die Oder, Dunzig und Parnitz oder in den Dammschen
See oder den Möllen-See aus sanitätspolizeilichen Gründen nicht gestattet worden.
Bei dem sehr grossen Einfluss, welchen diese Entscheidungen auf die fernere
Entwicklung der Städtereinigungsfrage ausüben werden, ist wohl eine kurze
Besprechung des genannten Gutachtens am Platze.
In demselben heisst es u.a.: „Ganz abgesehen vom nationalökonomischen
Gesichtspunkte haben sich immer mehr Stimmen gegen die Verunreinigung der
Flüsse- und Wasserläufe mit städtischer Spüljauche erhoben. Wenn die öffentliche
Gesundheitspflege möglichst reine Luft und einen reinen Untergrund verlangt, so
ist ihre Forderung der Reinhaltung der Flüsse und Wasserläufe nicht minder
gerechtfertigt. Auch im erwähnten technischen Gutachten wird mit Rücksicht auf
eine allgemeine Durchführung der neueren Principien über die Salubrität der
öffentlichen Wasserläufe und Flüsse die Abfuhr der Fäcalstoffe in den Rhein
nicht gebilligt, in Betreff der Frage aber, ob sich aus einer Solchen
Verunreinigung bedenkliche Zustände für die Gesundheit entwickeln könnten, auf
den Weg der chemischen Untersuchung verwiesen, welche vor ein anderes Forum
gehört. Indess böte, wie das (Cölner) Gutachten weiter ausführt, eine nähere
Erwägung der dortigen Verhältnisse in hydrotechnischer Beziehung zur
Beantwortung dieser Frage wesentliche Momente dar. Im Berichte der königl.
Polizeidirection in Cöln vom 6. September 1876 werde die Menge des Haus- und
Strassenwassers, sowie des Fabrikwassers auf. Proc. der gesammten abgeführten
Wassermenge angegeben. Man würde nicht fehlgreifen, wenn bei allgemeiner
Durchführung der Wasserzuführung das Wasserquantum aus den Closets mit dem Rest
von 8 Proc. in Ansatz gebracht werde. Rechne man nun bei reichlichem Verbrauch
von Wasser auf den Einwohner 150l in 24
Stunden, so würde dies bei etwa 150000 Einwohnern, die sich höchstens dereinst
der Wasserclosets bedienen würden, 22500cbm
täglich betragen. Hiervon 8 Proc. zum Spülen des Closets verwendet, ergeben sich
für den Tag 1800cbm Wasser, welches mit
Fäcalstoffen geschwängert, dem Rhein zugeführt werden würde. Da nun der Rhein
selbst bei niedrigem Wasserstande noch etwa 600cbm Wasser in der Secunde führe, jene 1800cbm aber secundlich nur etwa 21l
ergeben würden, so sei selbst zur Zeit der allgemeinen Einführung der
Wasserclosets kaum eine Gefahr zu erkennen, dass
das Rheinwasser verschlechtert werden würde.
Dieser Berechnung gegenüber können wir unsere Ansicht nur dahin aussprechen, dass
die Anerkennung des Princips, Wasserläufe und Flüsse frei von dem systematischen
Einfluss der städtischen Spüljauche zu erhalten, eigentlich weitere Erwägungen
über die Zulässigkeit eines solchen Verfahrens ausschliesst.
Wenn aber das technische Gutachten ein besonderes Gewicht auf die Grösse des
Flusses legt und aus der vorhandenen Wassermenge den Schluss zieht, dass die
städtische Spüljauche aus der Stadt Cöln dereinst kaum das Wasser des Rheins verschlechtern
würde, so ist doch eben so sehr zu berücksichtigen, dass, wenn einmal das
Princip durchbrochen ist, auch die übrigen am Rheine gelegenen Städte diesen
bequemen Weg zur Abführung der Fäcalstoffe für sich in Anspruch nehmen
werden.
Es wird dann ausser aller Berechnung liegen, welche Ausdehnung die Verunreinigung
des Rheinwassers nehmen wird, während es in sanitätspolizeilicher Beziehung
schon feststeht, dass ein Kanalwasser auch bei der grössten Verdünnung nicht als
unschädlich zu betrachten ist und unter allen Umständen die öffentliche
Gesundheit gefährdet, wenn es mit dem Flusswasser vermischt als Trinkwasser
benutzt wird, mag es nun zu diesem Zwecke unmittelbar geschöpft oder auch vorher
einem Reinigungsverfahren unterworfen werden. Immerhin wird ein grosser Theil
der Bewohner der Rheingegend auf den mannigfaltigsten Gebrauch des Flusswassers
zu häuslichen und ökonomischen Zwecken angewiesen bleiben.
Der in neuester Zeit von namhafter Seite gemachte Einwurf, dass, falls die
Wasserläufe für die Aufnahme der städtischen Spüljauche bestimmt würden, das
Trinkwasser auf andere Weise zu beschaffen und das Flusswasser nur zum Baden und zur Industrie zu verwenden sei, bedarf kaum der Widerlegung, wir erwähnen
nur mit kurzen Worten, dass auch die Industrie
häufig des reinen Wassers bedarf, wenn sie nicht das unreine Wasser mit grossen
Kosten für ihre Zwecke wieder nutzbar machen will, während das Baden alle hygienische Bedeutung verliert, wenn
hierzu nur mit Kanaljauche verunreinigtes Wasser zu Gebote steht. Und was die
Benutzung des Flusswassers als Trinkwasser betrifft, so hat die neueste Erfahrung
hinreichend gezeigt, dass das Flusswasser für die Wasserversorgung vieler Städte
unumgänglich nothwendig und durch keine andere Wasserquelle zu ersetzen ist.
Gleichzeitig ist statistisch nachgewiesen worden, dass diejenigen Städte, welche
möglichst reine Flüsse für ihre Wasserwerke benutzen, eine geringere
Mortalitätsziffer haben als eine Bevölkerung, welche auf die Benutzung eines
mehr verunreinigten Wassers angewiesen ist, (Vgl. 1877 223 517.)
Allerdings kann eine absolute Reinheit der Flüsse und Wasserläufe nicht erreicht
werden, da sie nothwendigerweise auf ihrem Laufe fremde Stoffe aufnehmen müssen
und auch von dem Einflüsse der Abwässer aus den Haushaltungen und Gewerben nicht
geschützt werden können. In Industriereichen Gegenden hat man sich deshalb auch
bemüht, wenigstens die Grenze einer derartigen Verunreinigung festzustellen und
deren Ueberschreitung thunlichst zu verhüten. Aber nur in Betreff der
unorganischen Bestandtheile eines Flusswassers kann der Weg der chemischen
Untersuchung zu einem sicheren Ergebnisse führen. Anders verhält es sich mit der
Verunreinigung der Flüsse durch Fäcalstoffe. Hier ist der Nachweis des Gehaltes
an Ammoniak, Nitriten u.s.w. im Flusswasser nicht entscheidend, da hierdurch der
Ursprung der organischen Materie, aus welcher
diese Verbindungen entstanden sind, nicht aufgeklärt wird, wenn auch immerhin
das reichliche Vorhandensein dieser Endproducte Verdacht erregen muss. Ausserdem
stehen aber noch manche organische Materien dieser Art auf der Grenze zwischen
Fäulniss und Oxydation; gerade derartige intermediäre Stoffe sind es nun, welche
auf chemischem Wege sehr schwierig zu ermitteln sind, dem Wasser aber höchst
nachtheilige Eigenschaften verleihen, wenn es vom thierischen Organismus
aufgenommen wird. Dass auch specifische Krankheitskeime den Fäcalstoffen noch
anhalten und sich durch Vermittlung des Wassers dem thierischen Organismus
mittheilen können, ist eine Thatsache, die nicht durch die Chemie, sondern durch
die medicinische Statistik ermittelt worden ist.
Die Salubrität der Stadt Cöln würde zwar durch den Ausfluss der Wasserclosets in
den Rhein einstweilen nicht gefährdet werden, da die städtischen Wasserwerke ihr
Wasser dem Rheine oberhalb der Stadt entnehmen; ob und in wie fern aber die
Fluss abwärts gelegenen Ortschaften werden benachtheiligt werden, lässt sich im
Voraus nicht näher bestimmen. Nur so viel steht fest, dass sich nach den
bisherigen Erfahrungen nichts Bestimmtes darüber sagen lässt, wann und wo die sogen.
Selbstreinigung der Flüsse, d.h. Oxydation der
im Flusswasser enthaltenen organisch-thierischen Materien, zum Abschluss
gelangt. Es gibt
nämlich sehr verschiedene Einflüsse, namentlich die verschiedene Beschaffenheit
der Abwässer der Industrie, die Natur der Flusssohle, die Seiten-Einflüsse
anderer Wasserläufe u.s.w., welche begünstigend oder nachtheilig auf diese
Selbstreinigung einwirken können. Die bezüglichen Untersuchungen in England
haben ergeben, dass selbst der Lauf eines Flusses von 115km zur Umwandlung der organischen Materie
nicht ausreicht, so dass die Selbstreinigung der Flüsse niemals zu sichern
Schlüssen berechtigt. Nun steigt freilich mit der Grösse des Flusses auch die
Wirkung des Sauerstoffes auf die Oxydation der organischen Materien; auch würde
beim Rhein sicher eine lange Reihe von Jahren erforderlich sein, ehe sich die
Nachtheile bemerkbar machen würden, Reiche sich bei kleineren Flüssen bis zur
Vernichtung alles aquatischen Lebens einstellen können. Wir halten es jedoch für
unstatthaft, mit der öffentlichen Gesundheit zu experimentiren und ein
Verfahren, das grundsätzlich stets zu verwerfen ist, nur deshalb zu dulden, weil
es auf eine bequeme und weniger kostspielige Weise die Fäcalstoffe aus den
Städten entfernt; schliesslich muss t-S doch zu Repressivmassregeln kommen, wie
es die Geschichte der Vergangenheit und Gegenwart lehrt. Gerade die neuesten
Erfahrungen, welche man auch bei grösseren Flüssen, z.B. bei der Themse, nach
dem Einflüsse der städtischen Spüljauche gemacht hat, sollten um so mehr von
weiteren Versuchen dieser Art abschrecken, als auch beim Rhein zeitweilig ein
niedriger Wasserstand längere Zeit bestehen kann, welcher dann möglicherweise
durch die Ansammlung von Fäcalstoffen im Schlamm der Flusssohle oder an flachen
Uferstellen noch weit nachtheiliger einwirken könnte, als die weit rascher
übergehende Ebbe eines Flusses. Ganz besonders ist aber noch hervorzuheben, dass
beim Einfluss der Spüljauche in die Flüsse niemals eine sofortige Vermischung
derselben mit dem Flusswasser eintritt; die Spüljauche verfolgt vielmehr ihre
eigene Bahn und ist als solche noch auf längere oder kürzere Strecken im
Flusswasser erkennbar. Um so mehr sind alle Berechnungen über die sofortige
Vermischung der Spüljauche mit dem Flusswasser unzutreffend, als gerade die
Verhältnisse der grösseren Flüsse nicht die directe Einleitung des Kanalinhaltes
in die grösste Strömung derselben gestatten. Wenn es durch die Erfahrung
festgestellt ist, dass die giftigen Abwässer der Fabriken nach ihrem Einflüsse
in die Flüsse nicht sofort durch Verdünnung unschädlich Werden und selbst dann
noch an ihren schädlichen Eigenschaften erkennbar sind, nachdem sie mit dem
Flusswasser weiter fortgespült sind, so kann auch darüber kein Zweifel
herrschen, dass die organischen Materien der Spüljauche weit länger im Wasser
suspendirt bleiben, bevor sie durch Niederschlag oder Auflösung ihre Qualität
verändern, während ihre Oxydation, wie schon nachgewiesen worden, eine noch
längere Zeit in Anspruch nimmt.
Die neuesten Untersuchungen über mehrere Flüsse in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika haben zwar ergeben, dass einzelne Flüsse sich unter besonders
günstigen localen Einflüssen einer Menge organischer Stoffe entäussern konnen;
trotzdem ist man aber auch dort zu der Ueberzeugung gelangt, dass einer weiteren
Verunreinigung der Flüsse auf dem Wege der
Gesetzgebung entgegengewirkt werden müsse und geeignete Vorkehrungen zu
treffen seien, um grösseren Uebelständen, welche bei der Zunahme der Population
und Industrie unvermeidlich sind, in wirksamer Weise vorzubeugen.
Es ist die Aufgabe der öffentlichen Gesundheitspflege, die Fäcalstoffe zweckmässig
wegzuräumen, aber von den Wasserläufen fern zu halten, damit auch dem
Flusswasser seine grosse Bedeutung bewahrt bleibe und dessen Brauchbarkeit für
die Wasserversorgung der Städte und Ortschaften in keiner Weise geschmälert
werde.
Aus allen diesen Gründen müssen wir uns grundsätzlich
dahin aussprechen, dass das Project der Abführung aller menschlichen Excremente
in Cöln aus den Wasserclosets in die städtischen Kanalisationsanlagen und durch
diese in den Rhein in sanitätspolizeilicher Hinsicht dem grössten Bedenken
unterliegt und unter den gegenwärtigen Verhältnissen auch nicht als Provisorium
zu gestatten ist. Die Uebelstände, welche in den vorhandenen Abtrittsgruben
Gestehen und die Salubrität der Stadt Cöln gefährden (welche aber nach §. 4 der
Polizeiverordnung vom 10. Juli 1876 nicht einmal beseitigt werden würden, da die
Abtrittsgruben danach mit den Entwässerungsanlagen nicht verbunden werden
dürften) verkennen wir ebenso wenig, wie das dringende Bedürfniss nach einer
Abhilfe gerade dieser Uebelstände. Durch welche Mittel und Wege aber diese
Abhilfe herbeizuführen ist, vermögen wir nicht weiter zu erörtern, weil es
bisher noch an allen auf die systematische Entwässerung und Reinigung der Stadt
Cöln hinzielenden Vorarbeiten fehlt.“
Zunächst ist zu bedauern, dass in diesem Gutachten und der sich darauf stützenden
Ministerialentscheidung es nicht deutlich ausgesprochen ist, ob nur dasjenige
städtische Kanalwasser, welches die Abflüsse der Wasserclosets, also alle menschlichen Excremente aufgenommen hat,
grundsätzlich von den Flüssen fern gehalten werden soll, oder auch das Abwasser der
Städte mit sogen. Abfuhr. Zur Klärung dieser wichtigen Frage möge daran erinnert
werden, dass 100000 Menschen jährlich 3317t Fäces
liefern (vgl. 1873 210 144), darin 48t,9 Stickstoff und 68t,7 Phosphate, entsprechend einem Werthe von 118410 M., wenn 100k Stickstoff zu 2 M., 100k Phosphate zu 0,3 M. gerechnet werden; ferner
42829t Urin mit 348t,2 Stickstoff und 172t,5 Phosphate, entsprechend 748150 M. Nun wird aber erfahrungsgemäss beim
Stuhlgang nur etwa ⅙ des Urins gelassen, ⅚ gelangt in die Pissoire, Nachtgeschirre
u. dgl., somit wohl fast ausnahmslos mit dem Waschwasser zusammen in die
öffentlichen Kanäle, da es gar nicht durchführbar ist, dass die Dienstboten beim
Reinigen der Schlafzimmer Nachtopf und Schmutzwasser getrennt halten. In den
Abtrittskübeln oder den Liernur'schen Vorrichtungen
werden daher nur 10455t menschlicher Excremente
mit 106t,9 Stickstoff gesammelt, welche unter
Berücksichtigung des Kalis im Urin einem Werth von etwa 244000 M. entsprechenentprechen. Dagegen sind praktisch die übrigen 35700t Urin mit 290t Stickstoff nicht von den
Kanälen fern zu halten; rechnet man dazu die sonstigen flüssigen Haus- und
gewerblichen Abfälle, so stehen den gesammelten 107l gut 500t Stickstoff gegenüber, die
nicht zur Abfuhr gelangen.
Zu demselben Resultat kommt man durch folgende Betrachtung. Rechnet man auf einen
Einwohner 500m, so nimmt eine Stadt mit 100 000
Einwohnern einen Flächenraum von 500ha ein. Bei
einer mittlern Regenhöhe für Deutschland von 67cm
gibt dies jährlich 3350000 Regenwasser, von denen etwa 2000000t den Kanälen zufliessen, während das übrige
einsickert oder verdunstet. Bezüglich des Hauswassers ist zu erwägen, dass, wo
Wassermesser eingeführt sind, sich in Deutschland meist nur ein Wasserverbrauch von
etwa 60l ergeben hat, welcher aber an Orten ohne
derartige Beschränkung 100l übersteigt. Als
Durchschnitt ist für Haus und Gewerbe ein Verbrauch von gut 150l für den Kopf zu rechnen. Somit ist durch die
Kanäle abzuführen: Regenwasser 2000000, Haus- und Gewerbeabwasser 5400000, Urin
35700, zusammen also: 7435700t. Nun enthält aber
das Kanalwasser aus 15 Städten ohne Wasserclosets im
Durchschnitt 65mg Stickstoff in 1l, obige Menge daher rund 500t; unter Berücksichtigung des Kalis und der
Phosphorsäure entsprichtentpricht dieses rund 1200000 M., während die durch Aborte gesammelten und durch
geregelte Abfuhr möglicherweise zu beseitigenden Excremente nur einen theoretischen
Werth von 244 000 M. haben. Dem entsprechend hat denn auch die Untersuchung gezeigt,
dass das Kanalwasser aus 15 Städten mit Mistgruben im Durchschnitt fast genau
dieselbe Zusammensetzung zeigte als aus 16 Städten mit Wasserclosets (vgl. 1874 211 226). Wenn nun behauptet wird, die Krankheitskeime
seien namentlich in den Fäces enthalten, daher müssten gerade diese von den Flüssen
entfernt gehalten werden, so ist dagegen zu bemerken dass Kranke den Abort nicht zu
benutzen pflegen. Die Gefässe, welche a Abgänge der Kranken aufnehmen, müssen
möglichst rasch entleert und gereinigt werden und dies geschieht eben wieder unter
dem Hahn der Wasserleitung, so dass die Fäces der Kranken und kleinen Kinder
gewöhnlich in die Kanäle gelangen. Wenn demnach praktisch ⅚ der faulenden Stoffe
nicht von den Kanälen entfernt gehalten werden, so wird vom Standpunkt der
öffentlichen Gesundheitspflege auch gegen das letzte Sechstel des Wasserclosets kein
besonderes Bedenken erhoben werden können, da nur durch Wasserspülung die
menschlichen Excremente sicher aus der Nähe der Wohnungen entfernt werden können,
bevor sie in Fäulniss übergehen.
Sollen die Flüsse wirklich rein gehalten werden, nun so ist der Einlauf sämmtlicher Schmutzflüssigkeiten zu verbieten; es ist
dann auch dafür zu sorgen, dass nicht jedes Dorf den durchfliessenden Bach als
willkommenen Abflusskanal für die sämmtlichen flüssigen Abfälle benutzt, so dass
unsere Flüsse schon von der Quelle an beschmutzt werden. Der Unterschied liegt nur
darin, dass auf dem Lande jeder für sich die Verunreinigung vornimmt, während dies
von den Städten durch einen Kanal, also viel leichter in die Augen fallend
geschieht.
Offenbar ist das Verlangen der wissenschaftlichen Deputation, die Kanalwässer zu
reinigen (was eben nur durch die Berieselung wirksam geschehen kann), bevor sie in
die Flüsse abgeleitet werden, theoretisch durchaus
berechtigt; ob aber das strenge Festhalten an diesem idealen Standpunkt
augenblicklich gerade praktisch ist, erscheint
zweifelhaft. Es gibt eben noch recht viel Orte, die wohl eine Reinigung und
Trockenlegung des Bodens durch Kanäle vornehmen wollen, die aber vor gleichzeitiger Anlage von Rieselfeldern
zurückschrecken, sei es, dass dieselben augenblicklich nicht zu beschaffen sind, sei
es aber auch, dass es den städtischen Behörden an Einsicht fehlt, dass die Besserung
der Gesundheitsverhältnisse einer Stadt selbst mit den grössten finanziellen Opfern
nicht zu theuer bezahlt ist (vgl. 1874 211 223). Die
Bewohner werden somit gezwungen, ihre gesammten Schmutzflüssigkeiten in
Versickerungsgruben zu bringen und so den Boden, auf welchem ihre Häuser stehen, in
abscheulichster Weise zu verunreinigen. Die vorhin erwähnten Massen, welche auf dem
Acker sehr rasch unschädlich gemacht würden, gehen in solchem durchsumpften Boden in
Fäulniss über, die Fäulnissproducte aber verderben theils das Grundwasser, zum
grössten Theil aber mischen sie sich der Grundluft bei und dringen damit in die
Häuser. Es wird eben leider noch immer viel zu wenig beachtet, in welcher Weise
unsere Häuser die Bodeluft ansaugen. Forster hat
gezeigt, dass die Luft in einem Parterrezimmer 50 Proc. und im 1. Stock noch 38
Proc. Kellerluft enthielt, dass somit die Luft in unseren Wohnungen in beständigem
Verkehr mit der Kellerluft und somit auch mit der Grundluft unter unseren Füssen
steht. Auch Pettenkofer
Pettenkofer: Vorträge über Kanalisation und
Abfuhr, S. 24 und 74. hebt hervor, dass die Zimmerluft
namentlich im Winter 10 bis 15 Proc. Bodenluft enthält. Nun bedarf aber der Mensch
täglich etwa 9000l oder 11k,5 atmosphärische Luft zum Athmen; dass es da im
hohen Grade schädlich sein muss, wenn diese Luft mit Fäulnissstoffen geschwängert
ist, liegt auf der Hand.
Vor allen Dingen ist es daher nöthig, dass die Städte selbst
rein werden, was eben wirksam nur durch eine gute Kanalisation geschehen
kann. Wo daher eine Stadt an einem grösseren Flusse liegt, möge man ihr doch ja die
Ausführung einer allgemeinen Kanalisation dadurch erleichtern, dass sie ihre
Abwasser (mit oder ohne
Wasserclosets) vorläufig in den Fluss lassen darf.
Inzwischen würde es dann in hohem Grade wünschenswerth sein, wenn das
Reichgesundheitsamt die deutschen Flüsse untersuchte, namentlich auch den Einfluss
der städtischen und Industrie-AbfallstoffeVgl. Ferd. Fischer: Verwerthung der städtischen und
Industrie-Abfallstoffe, mit besonderer Rücksicht auf Desinfection.
Städtereinigung und Berieselung. (Leipzig, 1877. Quandt und Händel.) auf das
Flusswasser genau feststellte und auf Grund der so erhaltenen Resultate allmälig auf die allgemeine Durchführung der
Berieselung hinwirkte. Vorläufig ist es jedenfalls viel besser, ein Fluss wird etwas
mehr, als es bisher schon geschieht, verunreinigt,
selbst wenn einige Fische absterben sollten, als dass in Folge der mangelnden Kanäle
jährlich Tausende von Menschen hinsiechen.
F.