Titel: | Ueber Brunnenwässer der Stadt Lauterberg; von Ferd. Fischer. |
Autor: | Ferd. Fischer |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 302 |
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Ueber Brunnenwässer der Stadt
Lauterberg; von Ferd. Fischer.
Mit Abbildung und
Tabellenbeilage.
Fischer, über die Brunnenwässer der Stadt
Lauterberg.
Im vorigen Sommer hatte Dr. Frerichs in Göttingen die 325
Brunnenwässer der Stadt Lauterberg untersucht und darauf das
Wasser von 82 dieser Brunnen als gefährlich bezeichnet. Da
dieses Gutachten wegen der offenbar mangelhaft ausgeführten
Analysen nur wenig Vertrauen verdiente, so wurde mir vom
Magistrate die Nachuntersuchung dieser angeblich gefährlichen
Wässer übertragen, und reiste ich am 24. Juni d. J. nach
Lauterberg, um die Wasserproben selbst zu entnehmen und mich
über die örtlichen Verhältnisse zu unterrichten.
Textabbildung Bd. 226, S. 302
Der im schönsten Theile des Südharzes gelegene Curort Lauterberg
erstreckt sich, wie die beigegebene Skizze zeigt, am rechten
Ufer der Oder vorwiegend in der Richtung von Süden nach Norden,
während nur ein kleiner Theil der Häuser an dem ziemlich stark
ansteigenden Weinberge liegt. Die umgebenen, durchweg bewaldeten
Höhenzüge bestehen aus Grauwacke und Porphyr; auch der
Untergrund der Stadt selbst besteht zum großen Theil aus diesem
anstehenden Gestein.
In der Tabellenbeilage ist die Entfernung der Brunnen von der
nächsten Aborts- oder Jauchegrube, dem Schweinestall oder der
die Jauche abführenden Gosse angegeben, soweit ich dieselbe nach
Augenmaß schätzen konnte. Ebenso ist die Brunnentiefe nach
Augenmaß, nur in 4 Fällen nach Angabe der Besitzer angegeben.
Die Temperatur wurde mittels eines in 0,1° eingetheilten
Normalthermometers von Geißler in
Bonn bestimmt; diejenigen Wässer, bei denen diese fehlt, konnte
ich nicht selbst entnehmen.
Die Prüfung auf Ammoniak und salpetrige Säure geschah qualitativ
in bekannter Weise mittels Neßler'schen Reagens und
Jodzinkstärke; die angegebenen Zahlen bedeuten für salpetrige
Säure:
4 : sofort tief blau und undurchsichtig,
3 : sofort deutlich blau,
2 : nach einer Stunde blau,
1 : nach einer Stunde violett;
für Ammoniak:
4 : sofort starker Niederschlag,
3 : sofort starke Färbung,
2 : nach einer Stunde starke Färbung,
1 : nach einer Stunde schwache Färbung.
Zur Tanninprobe wurden 60 bis 100cc mit 1 bis 2cc einer concentrirten
Tanninlösung versetzt. Von dem angeblichen Werth derselben zur
Beurtheilung eines Trinkwassers (vgl. Dahlem, 1877 225 201) konnte ich mich nicht
überzeugen, da eine ganze Anzahl nachweislich stark
verunreinigter Wässer hierbei wenig oder gar nicht getrübt
wurden. Noch weniger bin ich mit der Ansicht Kämmerer's (1877 224 559)
einverstanden, daß die städtischen Brunnenwässer Leim enthalten,
da nach den Versuchen von Nencki
Chemisches Centralblatt, 1877 S. 374. und Jeanneret Journal für praktische Chemie,
1877 Bd. 15 S. 353. Leim durch Fäulniß sehr rasch in
Ammoniak, flüchtige Fettsäuren, Glycocol, Peptone u.s.w.
zerfällt.
Die Salpetersäure wurde mit reiner Indigotinlösung (1874 213 426), Chlor mit Silber titrirt, die
organischen Stoffe mit übermangansaurem Kalium in saurer Lösung
bestimmt. Der Absatz der trüben Wässer wurde direct
mikroskopisch untersucht; von den übrigen wurde der
Verdunstungsrückstand verwendet (1873 210 289) 1875 215 518).
Im Gesammturtheil wurden diejenigen Wässer als gut bezeichnet, welche bis 40mg organische Substanz und
20mg Salpetersäure
(N₂O₅), keine oder – bei wenig organischer
Substanz – nur geringe Spuren von Ammoniak und
salpetriger Säure und keine Organismen enthielten; der
Verdunstungsrückstand durfte nur Spuren von Farben zeigen (vgl.
1877 223 591). Für die mittelmäßigen Wässer wurden 60mg und, wenn kein Ammoniak
vorhanden, bis 70mg
organische Stoffe zugelassen, von Ammoniak und salpetriger Säure
nicht mehr als Spuren (1), von Salpetersäure 40mg. Bei der mikroskopischen
Prüfung durften sich keine lebenden Organismen und nur wenig
Farbstoffe finden. Als schlecht
wurden diejenigen Wässer bezeichnet, welche bis 100mg Salpetersäure oder
organische Stoffe, 1 bis 2 Ammoniak und salpetrige Säure
enthielten und unter dem Mikroskop farbige Massen mit wenigen
Organismen zeigten. Noch stärker verunreinigte Wässer wurden als
sehr schlecht bezeichnet.
Hiernach ist das Wasser des in den Curanlagen befindlichen
Curbrunnens durchaus gut; dasselbe war, wie auch das von Nr. 20
des Vergleiches wegen mitgenommen. Von den übrigen entspricht
nur das Wasser von 305 den Anforderungen, welche an ein gutes
Wasser gestellt werden müssen (vgl. 1877 223 517); die
übrigen sind mittelmäßig oder schlecht, eine ganze Anzahl sogar
sehr schlecht, namentlich Nr. 77, 95, 101 und 102, 165, 221,
228, 235, 261, 315, 316 und 321, also vorwiegend die am
Weinberge gelegenen Brunnen, während das Wasser des Brunnens 337
(welches übrigens nicht zum Hausgebrauch verwendet wird, da es
schon beim Schöpfen stinkt) für Jauche gehalten werden müßte,
wenn ich es nicht selbst dem Brunnen entnommen hätte. Es ist
übrigens zu berücksichtigen, daß dies die schlechtesten Brunnen
von Lauterberg sein sollen.
Gegenüber den Wässern anderer Städte ist bemerkenswerth der
ungemein hohe Gehalt an organischen Stoffen, die zahllosen
niederen Organismen bei verhältnißmäßig sehr geringem Gehalt an
Salpetersäure. Dies erklärt sich daraus, daß die Brunnen meist
in unmittelbarer Nähe der offenen, oft undichten oder
überfließenden Düngergruben angelegt und nur mit unbehauenen
Steinen ausgesetzt sind, so daß die Jauche nur geringe
Bodenschichten zu durchsickern hat, um in den Brunnen zu
gelangen, bei Regenwetter auch wohl direct einfließt. In anderen
Städten z.B. Hannover (vgl. 1875 215
523), sind dagegen die
Brunnen mit
Textabbildung Bd. 226, S. 305
Nummer; Entfernung u. d. nächsten Grube; Brunnentiefe; Temperatur; Ammoniak; Salpetrige Säure; Tannin; 1l enthält; Chlor;
Salpetersäure; Organisch; Mikroskopische Untersuchung; Gesammturtheil; Gemeindebr.; Weinberg.; Kurbrunnen; Im Absatz: Kleine
Infusorien und Bakterienbildungen; Ziemlich viel blaue organische Substanz mit Pilzbildungen; mit lebhaft bewegten niederen
Organismen im Absatz; Schön blau gefärbte organische Substanz; mit niederen Organismen; Wenig blau und violett gefärbte organische
Substanz; Geringer brauner Absatz mit sehr wenig Organismen; Viel grau, braun und blau gefärbte organische Massen mit Zooglöa;
Blaue und violette organische Substanz; Im Absatz: Zahllose kleine, Chaetonotus ähnl. Rotatorien m. Bakterien, frei u. in
Zooglöaform; nur weniger; Absatz: reichliche Pilzbildung und kleine bewegte Organismen; Braune, grüne und blaue organische
Massen mit kleinen Rotatorien; Etwas brauner Absatz mit blauen Pilzfäden und einigen sehr kleinen Würmern; Im Absatz einige
Cyclops quadricornis u. kleinen, Chaetonotus ähnl. Organismen m. Bakterien; Braune und blaue organische Massen mit Pilzbildungen;
Im Absatz lebh. bewegte Infus.u. Rotator., zahllose Bakt. frei herumschwärmend u. in Zooglöaform; Schön gefärbte Bakterienmassen,
Pflanzenreste u. dgl.; Etwas grüne, blaue und violette organische Substanz; mit niederen Organismen; Farblose Rhomboeder;
Organismen fehlen; Sehr schlecht; Mittelmäßig; Gut; Recht gut; Anmerkung: T. = Trübung, N. = Niederschlag, f = fast.
Textabbildung Bd. 226, S. 305
Nummer; Entfernung u. d. nächsten Grube; Brunnentiefe; Temperatur; Ammoniak; Salpetrige Säure; Tannin; 1l enthält; Chlor;
Salpetersäure; Organisch; Mikroskopische Untersuchung; Gesammturtheil; mg; Meist schlecht ausgebildete Krystalle mit Spuren
von grauen und blauen organischen Massen; Wenig gefärbter Rückstand mit grünen und blauen Massen; Braun und blau gefärbte
organische Massen; mit einigen kleinen lebhaft bewegten Organismen; Viel schön blau gefärbte organische Substanz; Viel braun
bis dunkelblau gefärbte Zooglöamassen mit einigen Pilzfäden; Wenige Kalkrhomboeder, ziemlich viel blaue und violette organische
Massen und einige Torulaformen; Gelb, blau und violett gefärbte organische Substanz; Wenige schön gefärbte organische Massen;
Ziemlich viel gelb und blau gefärbte organische Massen mit zahlreichen schwarzblauen Pilzfäden; Braun und violette Zooglöamassen
mit Pilzbildungen; Weniger blaue und violette Massen; Sehr viel braun und blau gefärbte organische Substanz mit Zooglöa; Ziemlich
viel blaue und violette Massen mit Pilzbildungen; Viel braun und dunkelblaue Substanz mit Pilzbildungen und Zooglöa; Sehr
viel schön gefärbte organische Massen mit reichlicher Bakterienentwicklung und Pilzbildung; Ziemlich viel Zooglöa ähnliche
Massen mit einigen sehr dünnen blauen Pilzfäden; Sehr viel braun, blau und violett gefärbte organische Substanz mit Bakterien;
Blaue organische Massen; Sehr viel dunkelblau und violett gefärbte organische Massen mit niedern Organismen; Schön gefärbte
organische Massen mit Pilzbildungen; Blaue organische Massen mit einigen violetten Pilzfäden; Blaue organische Substanz mit
Zooglöabildungen; Schön violette Massen mit Pilzbildung; Wenig blaue organische Substanz; Im Absatz: einige Volvox, lebh.
bewegte Chaetonotus u.a. Rotatoria u. Infusoria nebst reichl. Bakt.; Braun und blau gefärbte organische Massen mit Pilzvegetation;
Schön gefärbte organische Substanz; Sehr viel blau und violett gefärbte organ. Massen mit reichl. Bakterienbildung u. Pilzvegetation;
mit einigen sehr kleinen Würmern; Wenige blaue organische Massen; Sehr viel blau und violett gefärbte organische Massen mit
reichlicher Pilzvegetation; Im Absatz: sehr kleine, lebhaft bewegte Infusorien und andere niedere Organismen; Etwas blaue
und violette organische Substanz; Im Absatz: reichliche orangegelbe Pilzbildungen und lebhaft bewegte niedere Organismen;
Viel blaue und violette organische Substanz mit reichlicher Bakterienentwicklung; Gut; Mittelmäßig; Sehr schlecht; Schlecht.
wasserdichten Cementringen ausgesetzt, die
einsickernden Schmutzflüssigkeiten müssen daher einen ziemlich
weiten Weg durch den sandigen Boden zurücklegen und werden so
größtentheils oxydirt; ob sie hierdurch auch unschädlich gemacht
werden, ist freilich eine andere Frage.
Zur Beseitigung dieser Uebelstände würde es durchaus falsch sein,
die Brunnen zuzuwerfen. Der Untergrund würde dann nur um so
stärker verunreinigt werden, was vielleicht ebenso
gesundheitsschädlich wäre, als das Genießen des unreinen Wassers
im abgekochten Zustande. Uebrigens würden die Leute gezwungen
sein, weil vorläufig an keine Wasserleitung zu denken ist, des
beschränkten Raumes wegen in unmittelbarer Nähe des alten, ja
oft an derselben Stelle einen neuen Brunnen anzulegen, der kaum
ein nennenswerth besseres Wasser liefern könnte.
Dagegen ist es durchaus erforderlich, das weitere Eindringen
menschlicher und thierischer Excremente zu verhüten, damit sie
nicht ferner Boden, Wasser und Luft verpesten. Es sind daher die
Aborts- und Düngergruben wasserdicht in Cement herzustellen und
vor dem Eindringen des Regenwassers zu schützen. Die Höfe sind
zu pflastern und reinlich zu halten, der Boden der
Schweineställe ist möglichst wasserdicht zu machen.
Der verhältnißmäßig hohe Wasserstand in den Brunnen, selbst auf
dem Weinberge, zeigt, daß dieselben einen starken Zufluß von
Höhenwasser haben. Es ist daher bestimmt anzunehmen, daß
Lauterberg nach Ausführung der genannten Maßregeln bald ein
durchweg gutes Trinkwasser haben kann.