Titel: | Ueber Jodfabrikation; von E. C. C. Stanford in Glasgow. |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 85 |
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Ueber Jodfabrikation; von
E. C. C.
Stanford in Glasgow.
Stanford, über Jodfabrikation.
Das Jod wurde 1812 von Courtois
entdeckt, aber seine Fabrikation ist hier nicht früher als um
das J. 1841 in nennenswerther Menge betrieben worden. Die
Einfuhr von Kelp betrug in jenem Jahre 2565t. Der Kelp wurde damals
zur Seifenfabrikation verwendet und das Jod aus den
Seifensiederlaugen ausgezogen. 1854 gab es viel kleine Fabriken,
welche Jod herstellten, hauptsächlich aus Seifenlaugen. 1846 gab
es schon 20, von denen die meisten den Kelp direct auslaugten.
Die Einfuhr dieses Artikels stieg 1845 auf 6000t. Allein in Folge der
erheblichen Schwankungen in den Jodpreisen und der
außerordentlich verschiedenen Beschaffenheit des Rohmaterials
gab ein Fabrikant nach dem andern sein Geschäft auf und jetzt
existiren nur noch 3 Jodfabriken in oder bei Glasgow.
Die plötzlichen Schwankungen im Preise des Jodes, welche sich
zwischen 4 und 34 Schilling für 1 Pfund (454g) bewegt haben, während
der Preis des Rohmaterials ziemlich derselbe blieb, haben vielen
Fabrikanten große Verluste bereitet, da sie die Nachtheile der
flauen Zeiten allein zu tragen hatten, während die Gewinne der
guten Zeiten gewöhnlich den Speculanten zufielen. Die ganze
Fabrikation ist so begrenzt, daß sie den Speculanten ein
ungewöhnlich weites Feld gelassen hat.
Die untenstehende UebersichtEinfuhr von Kelp (in Tonnen engl.)
und Preise des Jodes (in Schilling und Pence für 1 engl. Pfund).
Die im Text angeführten Tonnen sind ebenfalls englische.1866.1867.1868.1869.1870.1871.1872.1873.1874.1875.Kelp88588174811689789257938410 049944910 9238643Preis für 1 Pfd.10/012/012/813/012/814/434/024/815/810/81856.1857.1858.1859.1860.1861.1862.1863.1864.1865.Kelp634986418123819077549722941414 01811 34913 741Preis für 1 Pfd.13/812/410/69/88/67/05/65/08/47/81846.1847.1848.1849.1850.1851.1852.1853.1854.1855.Kelp362740004400473111 42173205418649146795826Preis für 1 Pfd.21/311/011/011/010/88/815/015/412/013/41841.1842.1843.1844.1845.Kelp25651887196532636086Preis für 1 Pfd5/04/86/012/031/1 Schwankungen.Durchschnitt.10 Jahre. Mitte 1866 bis
Mitte 1875.Kelp91878116im J. 1868 bis 10 923 im J. 1874.Preis15/11 1/210/0im J. 1866 bis 34/0 im J. 1872.Durchschnitt.10 Jahre. 1856 bis
1865.Kelp97306349im J. 1856 bis 14 018 im J. 1863.Preis8/105/0im J. 1863 bis 13/8 im J. 1856.Durchschnitt.10 Jahre, 1846 bis
1855.Kelp58113627im J. 1846 bis 11 421 im J. 1850.Preis12/118/8im J. 1851 bis 21/3 im J. 1846.Durchschnitt.5 Jahre, 1841 bis
1845.Kelp31331887im J. 1842 bis 6086 im J. 1845.Preis11/94/8im J. 1842 bis 13/1 im J. 1845. zeigt die Einfuhr von Kelp in den Clyde-Busen
und die Jodpreise.
Das Auslaugen des Kelp, wie es gegenwärtig hier bewerkstelligt
wird, ist ein einfacher Proceß. Der Kelp wird in Stücke von der
Größe des Straßenschotters zerbrochen und in verbundenen Bütten,
welche ähnlich den bei der Auslaugung der Rohsoda gebräuchlichen
mit Dampf erhitzt werden, ausgelaugt. Die Lösung wird bei etwa
40 bis 45° T. abgelassen, in gewöhnlichen offenen
Siedepfannen von 2m,75
Durchmesser eingedampft und die sich absetzenden Salze
herausgefischt. Bei etwa 62° T. hat sich ein hartes Salz
abgeschieden, welches aus 50 bis 60 Proc. Kaliumsulfat,
verbunden mit Glaubersalz und Kochsalz, besteht. Die heiße Lauge
kommt nun in eiserne Kühler – gewöhnlich cylindrisch und
von Gußeisen – in welchen nach etwa 3 Tagen eine Kruste
Chlorkalium auskrystallisirt. Die Mutterlauge wird (bei gutem
Treibkelp 3 mal) wieder eingedampft, nach jeder Operation das
abgeschiedene Kelpsalz herausgefischt, auf die Kühler gebracht
und eine neue Menge Chlorkalium gewonnen. Diese in den Kühlern
nach einander abgeschiedenen Salze enthalten zwischen 30 bis 95
Proc. Chlorkalium. Die jetzt erhaltene Mutterlauge, welche ein
spec. Gew. von 80 bis 95° T. hat, wird mit etwa 1/7
Nordhäuser Schwefelsäure (145° T.) vermischt und 24 Stunden
absitzen gelassen, wobei die schwefligsauren Verbindungen unter
Abscheidung von Schwefel zersetzt werden. Die Flüssigkeit wird
darauf mit Braunstein aus einer eisernen Blase mit Bleideckel
und zwei Bleiröhren destillirt und die Uebergangsproducte in
Steingutgefäße geführt, in welchen sich das Jod in harten Massen
verdichtet. Nach der Abtreibung des Jods wird neuer Braunstein
hinzugefügt und die Röhren der Destillirblase mit einem andern
einfachen Condensationsapparat, entweder aus Blei oder Steingut,
verbunden und hierin das Brom aufgefangen. Die Fabrikation
betreiben W. und M. Paterson, Hughes
und die „North British Chemical Company“ .
Ich erwähne diese Firmen besonders deshalb, weil fast alle
Handbücher sich auf einen Fabrikanten und dessen Methode
beziehen, welch letztere schon länger als 30 Jahre veraltet ist.
Selbst Watts' Dictionary, gewöhnlich
so zuverlässig, wiederholt diesen Irrthum. W. und M. Paterson, welche mehrere Jahre die
größten Jodfabrikanten gewesen sind, haben eine ausgezeichnete
Methode mit Dampf einzukochen, welche auch in einigen andern
chemischen Fabriken hier eingeführt ist. Die Laugen werden in
großen schmiedeisernen Gefäßen durch eine Dampfschlange erhitzt
und unter Zuhilfenahme eines mechanischen Rührwerkes
eingedampft. Es soll diese Methode Kohlen- und Arbeitsersparniß
im Gefolge haben und reinlicher zu handhaben sein als das Kochen
in offenen Pfannen.
Die gewonnenen Producte sind: Jod, Brom, das Muriate, enthaltend 80 bis 95 Proc.
Chlorkalium; das weiche Sulfat (soft sulphate), enthaltend 50 bis 65
Proc. Kaliumsulfat; das Kelpsalz,
bestehend aus Kochsalz und 5 bis 10 Proc. Alkali; der Kelpabfall, welcher, fast nur
kohlensauren Kalk und Kieselerde enthaltend, zur Fabrikation der
gewöhnlichen Glasflaschen benutzt wird; und der Schwefelabraum, der getrocknet 70 Proc.
Schwefel enthält. Alle diese Producte halten Jod zurück, und
einige erfordern zur Extrahirung desselben ein sehr sorgfältiges
Waschen. Der ganze Proceß hat seit mehreren Jahren eine kleine
Abänderung erlitten, weil er in einer Operation gutes trockenes,
verkäufliches Jod liefert. In Frankreich, wo man einen
Fällungsproceß mittels Chlor eingeführt hat, wird das Jod als
feuchtes Pulver erhalten und muß entweder erst sublimirt oder in
Jodkalium umgewandelt werden, um verkäuflich zu sein.
Obgleich die Auslaugung des Kelp ein untergeordneter
Fabrikationszweig ist, so ist doch die Verarbeitung des
Rohmaterials mehr als 100 Jahre lang die Haupterwerbsquelle
Tausender von armen Häuslern Irlands und des westlichen
Hochlandes gewesen. Zeitweise wurde eine beträchtliche
Menge Kelp nach Liverpool geschickt. – Die erste
Einführung des Kelp datirt aus der Mitte des vorigen
Jahrhunderts und wurde derselbe wegen seines Gehaltes an Soda in
den Handel gebracht. Zu Anfang dieses Jahrhunderts galt er 400
bis 440 Schilling für 1t , und die westlichen Inseln
Schottlands producirten allein 20000t. Da begann nun die
Einfuhr von spanischer Soda, und bis 1822 betrug der
Durchschnittspreis nur 210 Schilling. Im J. 1822 wurde der
Einfuhrzoll auf die spanische Soda (Barilla) aufgehoben; der
Preis des Kelp fiel auf 170 Schilling, 1823 nach Aufhebung der
Salzsteuer auf 60 und 1831 auf 40 Schilling. Von da bis 1845
wurde er nur in der Seifen- und Glasfabrikation Glasgows
verwendet. Im J. 1845 begann die eigentliche Jodfabrikation, und
Kelp wurde wieder gefragt; aber der Kelp, den man jetzt
verlangte, war nicht derselbe, da der an Soda reichste am
wenigsten Jod enthält. Hierzu kam, daß der an Jod reichste Kelp
auch am meisten Chlorkalium enthielt – ein Salz, welches
zu jener Zeit 500 Schilling galt. Die Entdeckung der Staßfurter
Salzlager reducirte diesen Preis auf 1/3 und die weitere
Entdeckung des Broms im Staßfurter Salz verminderte den Preis
des Broms von 38 für 1 Pfund engl. auf 2 Schilling. Die Menge
des producirten Broms ist gering und beträgt etwa 1/10 von der
des Jods. Die Gesammtproduction desselben in Frankreich und
Schottland wird bedeutend übertroffen durch die von Deutschland
allein; auch von Amerika wird jetzt Brom in erheblichen
Quantitäten eingeführt. (Vgl. 1875 218 462. 1876 222 502.) Die Fabrikanten werden jetzt von einem viel
mächtigeren Rivalen bedroht, nämlich von Jod aus den
Mutterlaugen des Chilisalpeters von Peru.
In Glasgow beträgt die Production aus etwa 10000t Kelp 50800 bis 61000t Jod. In Frankreich ist
sie etwas geringer und beträgt aus 16000t Kelp, welcher viel
geringhaltiger ist, etwa 81000t. In der Caliche Perus
schätzt man den Jodgehalt auf 0,16 Proc. (vgl. auch Rud. v. Wagner, 1872 205 76), d.h. da
etwa 600000t jährlich
verarbeitet werden, wenn alles Jod gewonnen werden könnte,
960000k , oder mehr als das neunfache der
augenblicklichen Gesammtproduction; selbst zugegeben, daß diese
Berechnung zu hoch ausgefallen und 1/3 abgezogen wird, und wir
annehmen, daß von den 640000k nur die Hälfte zu produciren möglich ist, so bleiben
immer noch 320000k oder
das 3 fache der gegenwärtigen Production. Trotzdem haben die
Fabrikanten mit bedeutenden Schwierigkeiten zu kämpfen: Das Jod
ist als jodsaures Salz vorhanden und kann nicht vollständig
ausgezogen werden; aber selbst wenn eine Extraction in größerer
Ausdehnung bewerkstelligt werden könnte, würde die Kleinheit des
Marktes den Preis bald so sehr herabdrücken, daß ein Verdienst
ausgeschlossen wäre, so lange nicht neue Absatzgebiete
aufgefunden werden können. Ueber die Extractionsprocesse, welche
in den Werken Perus üblich sind, haben wir nichts sicheres
erfahren, weil dieselben sehr geheim gehalten und oft geändert
werden; zuerst wurde das Jod als Kupferjodür, dann als rohes Jod
mit etwa 50 Proc. Jod ausgeführt. Jetzt kommt es in guter
Qualität in den Handel und wird wahrscheinlich durch Reduction
und Fällung mittels Natriumbisulfat und Sublimation
gewonnen.
Wir hängen hinsichtlich unseres Jodbedarfes rollständig von dem
Meer ab; nach Sonstadt befindet sich
das Jod im Meerwasser als Calciumjodat und schätzt dieser seine
Menge auf 1 : 250000, so daß eine Cubikmeile Meerwasser 11072t enthält. Trotzdem ist es
viel schwerer aufzufinden als Brom, da nach demselben Forscher 1
Th. Brom in 3333 Th., 1 Th. Jod in 368110 Th. Meerwasser sich
befindet. Im Vergleiche zu andern Autoritäten, welche das Jod
als nur im Verhältniß von 1 : 30000000 annehmen, ist diese
Schätzung etwas hoch.
Einige Algenarten haben eine merkwürdige Fähigkeit, in ihren
Geweben Brom und Jod auszuscheiden und anzuhäufen, aber in der
Regel nehmen sie zehn Mal so viel Jod als Brom auf. Vor einigen
Jahren zeigte sich durch eine große Anzahl von Analysen, daß,
wenn auch alle Algen Jod haltig sind, nur wenige Arten größere
Mengen davon enthalten. Die folgende Tabelle gibt den
Procentgehalt verschiedener Algen. Die unter meinem Namen
angeführten Zahlen stellen den Durchschnitt aus mehreren
Analysen derselben Pflanze dar, zu verschiedenen Jahreszeiten
und von verschiedenen Uferstellen Englands gesammelt. Dies ist
namentlich bei den ersten 5 Pflanzen, aus welchen allein der
Kelp besteht, der Fall. In 100 Th. getrockneter Algen sind nach
verschiedenen Forschern enthalten:
Sarphat.
Schweitzer.
Godechens.
Wallace.
Stanford.
Laminaria
digitata
0,135
–
0,625
0,4440
A
0,4535B 0,2946
Laminaria
saccharina
0,230
3,830
–
0,2880
C
0,2794
Fucus
serratus
0,124
0,058
0,177
0,0565
D
0,0856
Fucus
nodosus
–
–
0,074
0,0396
E
0,0572
Fucus
vesiculosus
0,001
–
–
–
F
0,0297
Zostera
marina
0,0005
–
–
–
0,0457
Rhodomela
pinnastroides
–
–
–
–
0,0378
Hyderix
siliquosa
–
–
–
–
0,2131
Hymanthalia
lorea
–
–
–
–
0,0892
Chordaria
flagelliformis
–
–
–
–
0,2810
Cladolphlora
glomerata
–
–
–
–
–
A
Durchschnitt
von
18
Mustern
D
Durchschnitt
von
12
Mustern.
B
„
„
23
„
E
„
„
4
„
C
„
„
5
„
F
„
„
8
„
Ich kann hinzufügen, daß diese Muster herstammten von Larne,
Ballina, Sligo, Galway und Skibbereen in Irland; von Shetland,
Tyree, Coll, Colonsay, Tobermory, Vallay, Baleshare, Boreray,
Neisker, Stornoway, Skye, Kilcreggan, Jona, Dunbar, Tife in
Schottland; von Scarborough, Weymouth und Worthing in England;
von Peele auf der Insel Man; auch von Norwegen, Dänemark und
Island.
Die ersten 5 Varietäten in der Tabelle sind die, aus welchen der
Kelp gemacht wird, geordnet nach ihrem Jodgehalt. Die beste ist
die Laminaria digitata, welche auf
Felsen und immer unter Wasser wächst; die nächste, Laminaria saccharina, oder Zuckertang
(so genannt, weil sie oft im trockenen Zustande mit einem zarten
Anflug von Mannit bedeckt ist), wächst auch unter Wasser auf
Sand und losem Gestein, aber in seichtem Wasser. Diese beiden
Varietäten werden Triebkraut genannt, weil sie bei Sturmwetter
in die Höhe getrieben werden.
Alle Fucusarten wachsen auf Felsen und werden bei niedrigem
Wasser biosgelegt. Sie werden von den Felsen abgeschnitten und
sind unter dem Namen „Schnittkraut“
bekannt. Der Fucus serratus oder
schwarzer Tang ist am längsten unter Wasser und ist der
niedrigste bei tiefem Wasserstand. Er soll Silber enthalten;
doch ist es mir nicht möglich gewesen, dieses Metall in ihm
aufzufinden, obgleich ich mit beträchtlichen Quantitäten
arbeitete. Der nächste, Fucus
nodosus oder knotige Tang, ist weniger unter Wasser und
ärmer an Jod. Der am wenigsten untergetauchte und an Jod ärmste
ist der Fucus versiculosus oder
Blasentang. Der Kelp aus Triebkraut wird ungefähr 4 mal so viel
Jod enthalten als der aus Schnittkraut. Der letztere ist bei den
jetzigen Preisen in der That fast werthlos, da einige Sorten
weniger als 1k,36 Jod
in 1t enthalten und
letztere nur etwa 20 Schilling werth ist. Da hierbei das
Schneiden, Fahren, Trocknen und Brennen von 20t nassem Tang mit
eingerechnet ist, so darf es uns nicht Wunder nehmen, daß seine
Anwendung im Aussterben begriffen ist und jetzt nur wenig von
diesem Kelp gemacht wird.
Die Kelpfabrikation, wie sie gewöhnlich betrieben wird, ist im
höchsten Grade verschwenderisch. Der Seetang wird zum Trocknen
am Ufer ausgebreitet in einem Klima, welches von heftigen
Regengüssen heimgesucht wird, wobei die Arbeit des Kelpers oft
ganz verloren geht. Er wird in langen Oefen, aus losen Steinen
und Rasen aufgeführt, gebrannt und erlangt dabei eine sehr hohe
Temperatur. Dieser Theil der Arbeit wird von Frauen und Kindern
besorgt; die Männer der Familie sind indessen beschäftigt,
mittels eiserner Krücken die Asche zu durcharbeiten, bis
dieselbe eine geschmolzene Schlacke bildet. Während dieser
mühevollen Arbeit werden oft mehr als 50 Proc. Jod und eine
große Menge Potasche in die Luft gejagt, und die bei dieser
Hitze sich verflüchtigende Soda gibt jenen Oefen in der Nacht
ein schauervolles Ansehen. Die hohe Temperatur befähigt ferner
den Kohlenstoff sich des Sauerstoffes der Sulfate zu bemächtigen
und diese in Sulfide und andere Schwefelverbindungen
überzuführen; die letzteren werden in den Mutterlaugen
concentrirt, bedingen eine größere Menge Nordhäuser
Schwefelsäure und bringen große Nachtheile bei der Auslaugung
mit sich. Es ist leicht ersichtlich, daß hierbei auch leicht
große Mengen von Sand, Erde, Steine und Kies in den Kelp
eingeführt werden und dieser oft stark verunreinigt ist. Diese
Verunreinigung ist so gewöhnlich, daß Kelp an einigen Orten bis
12,5 Proc. erlaubtes Mehrgewicht zeigt. Die Gegenwart der
Kieselerde unterstützt in hohem Grade die Verflüchtigung des
Jods.
In Folge der Schwierigkeit, im Winter zu trocknen, wird zu dieser
Zeit sehr wenig gesammelt, obgleich dann der Tang am
jodreichsten ist. Diese Uebelstände sind lange erkannt und
hervorgehoben, besonders durch D. McCrummen und Dr. Wallace, welcher letztere als rationelles
Mittel empfohlen hat, zu einer losen Asche zu brennen; allein es
ist fast unmöglich, die Leute von ihren Vorurtheilen
zurückzubringen. In früherer Zeit wurde der Kelp aus
Schnitttraut gemacht, und die Kelper lernten ihn zu einer dicken
glasartigen Schlacke brennen; jetzt wollen sie es durchaus
ebenso wie ihre Vorfahren machen, obgleich der Zweck, zu welchem
jetzt der Kelp verlangt wird, genau die entgegengesetzten
Vorsichtsmaßregeln bedingt. Sie wollen einmal nicht zu Asche
brennen, weil sie nicht glauben, daß das Product schwer genug
werden könne. Thatsache ist aber, daß das Product, obgleich
leichter, eine bedeutend höhere Ausbeute liefert.
Im J. 1862 veröffentlichte ichChemical
News, März 1862 S. 167. (Eine Uebersetzung der Abhandlung
von Prof. Martins in Erlangen enthält
das Neue Jahrbuch für Pharmacie, Bd. 18 S. 288 ff.)
eine Reihe von Untersuchungen über die verderbliche Destillation
des Seetangs, welche in ihrem Verlauf auch auf den kolossalen
Verlust beim Kelpbrennen hinwies, und für welche die Society of Arts die silberne Medaille
ertheilte. Die Untersuchungen beruhten auf dem bei der
gewöhnlichen Methode entstehenden Jodverlust; aus meinen seitdem
im Großen gemachten Erfahrungen geht aber hervor, daß
dieser Verlust erheblich unterschätzt worden ist. Die
Untersuchungen zeigten die Nothwendigkeit, den Seetang in
geschlossenen Gefäßen zu verkohlen. Es wurde hierbei eine
äußerst poröse Kohle erhalten, die beim Auslaugen das ganze Jod
und alle Salze liefert, welche überhaupt im Tang vorhanden sind;
die Ausbeute an Kohle beträgt das doppelte von dem, was man nach
alter Methode an Kelp erhält, und an Jod wird doppelt so viel
gewonnen als aus dem Kelp. Als weitere Destillationsproducte
werden Ammoniak, Essigsäure, Naphtha, Theer und eine
beträchtliche Menge Leuchtgas erhalten.
Die nach dem Auslaugen zurückbleibende Kohle ist im Handel noch
neu. Sie stellt einen porösen Körper mit außerordentlicher
Absorptions- und Deodorisationsfähigkeit dar, und steht
hinsichtlich des Kohlenstoffgehaltes in der Mitte zwischen Holz-
und Thierkohle, welcher letzteren sie im Allgemeinen am meisten
ähnlich ist. Sie unterscheidet sich von ihr durch den Mehrgehalt
an Kohlenstoff, Kalkcarbonat und Magnesiacarbonat und den
Mindergehalt an Phosphaten. Diese Substanz kann zum vierten
Theil des Preises, welchen jede andere Kohle kostet, erhalten
werden und übertrifft alle in Betreff der deodorisirenden
Wirkung; sie verdient sicher die Aufmerksamkeit der Chemiker, da
sie in großen Mengen erhalten werden könnte und bis jetzt wenig
Anwendung gefunden hat. Die gewöhnliche Zusammensetzung der
beiden Varietäten ist nachstehend ersichtlich; die Analysen sind
auf trockene Kohle berechnet, sie hält jedoch erhebliche Mengen
Feuchtigkeit zurück.
Laminaria.
Fucus.
Kohlenstoff*
52,54
70,32
Phosphate
10,92
1,90
Kohlensaurer
Kalk
15,56
10,25
Kohlensäure
Magnesia
11,34
7,92
Gyps
–
1,93
Alkalien
5,70
1,84
Kieselerde
3,94
5,84
––––––
––––––
100,00
100,00
*enthaltend Stickstoff = Ammoniak
1,75
2,30.
Die Vortheile dieser Methode sind die, daß durch das
Zurückbleiben des ganzen Jods und durch Ausnutzung der
Winterzufuhr die Ausbeute an Jod von einer bestimmten
Uferstrecke bedeutend steigt, daß die Fabrikation eine
ununterbrochene wird und einer armen Bevölkerung viel mehr
Beschäftigung gibt, und daß endlich ein Nebenproduct von
beträchtlichem Werthe geschaffen wird. Mein Proceß ist im Großen
nur auf den Inseln Tyree und Nord-Uist zu großem Nutzen der
Bevölkerung ausgeführt worden. Ich brauche zum Beweis dieser
Thatsache mich nur auf das Zeugniß des Herzogs von Argyll vor dem Privy Council
im letzten Jahr zu beziehen. Daß derselbe eine größere
Ausdehnung erlangen wird, unterliegt keinem Zweifel, wenn auch
andere Besitzer von ausgedehnten Ufern erkannt haben werden, daß
es vortheilhafter ist, die durch den Ort bedingte Industrie
ihrer Leute auszubilden, als sie fortzuschicken, um fremde
Landstrecken urbar zu machen.
Zum Schluß möchte ich noch hinzufügen, daß, obgleich mein Proceß
eine große Vervollkommnung der Jodfabrikation darstellt,
derselbe sich nicht allgemein auf die Nutzbarmachung von Seetang
anwenden läßt (falls nicht eine große Nachfrage nach der
zurückbleibenden Kohle entstehen sollte), sondern nur auf die
von an Jod reichem Treibtraut. Die große Franse von
Schnittkraut, welche mehrere Ufer ziert und leicht zugänglich
ist, wird augenblicklich außer zu Düngezwecken fast gar nicht
benutzt. In einer Vorlesung vor der Chemical Society habe ich bereits auf die bemerkenswerthe
Zusammensetzung der Seetangasche, welche mehr einer animalen,
als einer vegetabilen ähnlich ist, hingewiesen. In Kurzem hoffe
ich über die gegenwärtige Zusammensetzung des Seetangs selbst
etwas mitzutheilen; der Gegenstand bietet ein weites
Untersuchungsgebiet und ist verhältnißmäßig wenig betreten.
Nachschrift. Während ich diesen
Artikel schreibe, hat Thorwald Schmidt, Director der chemischen Werke in Aalborg in
Dänemark, vorgeschlagen, die Verarbeitung des Kelp mit dem
Ammoniak-Sodaverfahren zu verbinden. Er behauptet den
Ammoniakverlust auf weniger als 2 Proc. des angewendeten
Sulfates reducirt zu haben. Seine mir zugesandten Proben von
Soda sind sehr rein. Die einzige Schwierigkeit macht ihm die
Verwendung der zurückbleibenden Laugen, welche Chlornatrium und
Chlorcalcium enthalten. Diese Laugen sind das Eindampfen zur
Wiedergewinnung des Salzes nicht werth und wegen der hohen
Salzsteuer sind sie zu kostbar, um fortgeworfen zu werden. Er
schlägt vor, die schwefelsauren Alkalien in den Kelplaugen zum
Niederschlagen des Kalkes zu benutzen, wobei man die Alkalien
als Chloride erhalten würde. Das Verfahren ist leicht
ausführbar. Chlorcalcium wurde früher in einigen Kelpwerken zur
Umwandlung des Kaliumsulfates in Chlorkalium verwendet, als das
letztere noch einen viel höhern Werth hatte. Nachdem man aber
das Jod als Jodblei fällt, wird die Flüssigkeit eingedampft,
Chilisalpeter zugefügt und so alle Potasche in Kalisalpeter
umgewandelt, welcher auskrystallisirt. Die resultirende
Chlornatriumlauge wird von neuem im Ammoniak-Sodaverfahren
verwendet.
Der vorzüglichste Seetang an Dänemarks Ufern ist die Zostera marina und die Fucusarten. Ich habe
mehrere dieser dänischen Tange untersucht; alle sind arm an Jod,
aber die Fucusarten sind vorzüglich für den erwähnten Zweck
geeignet, da sie reich an schwefelsauren Alkalien sind. (Nach
den Chemical News, April 1877 S.
172.)
S–t.