Titel: Ueber Thermometer und Pyrometer; von Ferd. Fischer.
Autor: Ferd. Fischer
Fundstelle: Band 225, Jahrgang 1877, S. 272
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Ueber Thermometer und Pyrometer; von Ferd. Fischer. Mit Abbildungen. Fischer, über Thermometer und Pyrometer. Ohne Frage würde es von der größten Bedeutung für die Technik sein, wenn es gelänge, die Temperaturen über 350° ebenso einfach und sicher zu bestimmen, als es mittels der Quecksilberthermometer für niedere Temperaturen der Fall ist. Die bisher gemachten zahlreichen Vorschläge suchen diese Aufgabe zu lösen mittels folgender Erscheinungen: 1) Aenderung des Volums. 2) Aenderung des Aggregatzustandes. 3) Dissotiation. 4) Optische und akustische Erscheinungen. 5) Elektrische Erscheinungen. 6) Vertheilung der Wärme. 1) Aenderung des Volums. Bereits im J. 17821) setzte Wedgwood (1824 15 230) Thon in Kugel-, Cylinder- oder Würfelform der zu messenden Hitze aus und berechnete die Temperatur aus dem Schwinden desselben. Sein Nullpunkt war bei 1000° F. (538 C.), die höchste von ihm erreichte Temperatur 160° seines Pyrometers, angeblich 20848° F. oder 11562° C. Man machte jedoch, als andere Pyrometer bekannt wurden, bald die Beobachtung, daß diese Temperaturbestimmungen völlig unzuverlässig sind (vgl. 1828 29 75). Besonders häufig hat man die Ausdehnung fester Körper zur Bestimmung hoher Temperaturen benutzt. Bei einigen Apparaten wird die Ausdehnung einer Metallstange durch Zahnräder oder Hebel2) auf einen Zeiger übertragen, die Scale vorher berechnet oder durch Vergleich mit einem andern Pyrometer empirisch bestimmt (*1828 27 272).3) William (*1862 166 44) befestigte in dem Raume, dessen Temperatur bestimmt werden sollte, eine Metallstange, deren freies Ende aus der Ofenwand herausragte und auf einen Hebel wirkte, dessen Bewegung auf einen mittels Uhrwerk vorübergezogenen Papierstreifen selbstthätig aufgezeichnet wurde. Daniell (*1828 29 416) 1832 *43 189. 46 174. 241) verwendete in entsprechender Weise einen starken Platindraht, der in einer Röhre aus Graphit mit Thon eingeschlossen war, Guyton-Morveau 4) (1803) Platin in Porzellan, Bussius (*1862 164 107) eine in Chamotte eingeschlossene Metallstange.5) Andere berechnen die Temperaturen aus der Differenz der Ausdehnung zweier verschiedener Metalle.6) So verwendet Petersen 7) einen in ein eisernes Rohr eingeschlossenen Platindraht, Gibbon (*1838 68 436) zwei Stäbe aus Eisen und Kupfer, deren Ausdehnung auf einen Hebel übertragen wurde. Oechsle (*1861 160 112) befestigte in einem eisernen Rohre einen massiven Kupferdraht, dessen freies Ende mittels Hebel und Zahnrad auf einen Zeiger wirkte. Später (*1870 196 218) verwendete er statt des Kupferdrahtes eine Messingröhre. Aehnlich ist das Pyrometer von Gauntlett (1857 *144 26. 1861 160 393), welches von Desbordes (*1860 157 279) verbessert wurde, sowie das von Bock (*1870 195 312) und von Lion und Guichard (*1876 220 37). A. Weinhold 8) (1873 208 125) zeigt, daß die Pyrometer von Gauntlett und Bock völlig unbrauchbare Resultate geben. Wrenck (*1831 41 102) verbindet bei seinem dosenförmigen Taschenthermometer für niedere Temperaturen zwei offene Ringe von Stahl und Messing mit einander; Hipp (*1863 168 241) verwendet für sein selbstregistrirendes Thermometer ebenfalls Stahl und Messing, Heseler (1875 *216 398) und Steinhauser (*1876 221 527), Zink und Stahl, Jurgensen (1836 62 486) 1841 82 75) schlug vor, einen genauen Chronometer mit entsprechendem Compensationspendel zu Temperaturbestimmungen zu benutzen. Breguet (1824 13 250) *1860 156 26) verwendet zu Temperaturbestimmungen Spiralen aus zwei auf einander gelötheten Metallstreifen. Clement (*1843 88 241) nimmt zu seinem Pyrometer eine kurze Spirale aus Platin und Silber, Oechsle (1836 60 191) verwendet Spiralen aus Eisen und Messing, später ebenfalls aus Platin und Silber. Schon Princeps (1828 28 421) fand, daß diese Pyrometer nicht zuverlässig sind, da die beiden Metalle allmälig eine Legirung bilden, und Weinhold (1873 208 125) zeigt, daß das Spiralpyrometer von Oechsle völlig unbrauchbar ist.9) Hiernach ist kaum Hoffnung vorhanden, daß sich überhaupt ein gutes Metallpyrometer herstellen läßt. Die Ausdehnung flüssiger Körper, namentlich des Quecksilbers, wird bekanntlich vorwiegend zur Bestimmung von Temperaturen bis 300° verwendet.10) Um das Quecksilberthermometer auch für Temperaturen bis 450° verwenden zu können, schlägt Person 11) vor, über dem Quecksilber Luft von 4at Druck einzuschließen. Achard 12) will Metalllegierungen in Porzellangefäßen von der Form gewöhnlicher Quecksilberthermometer benutzen. Von anderer Seite (*1829 32 355) wurde vorgeschlagen, in einer Kugelröhre aus Porzellan eine Legirung von Kupfer mit Zinn, die nach dem Wedgwood'schen Pyrometer bei 0° schmilzt, der zu messenden Temperatur auszusetzen; die Ausdehnung derselben wurde mittels einer in der Röhre luftdicht beweglichen Platinscheibe auf einen Zeiger übertragen. Der Apparat ist offenbar unbrauchbar. Bei den Apparaten, welche die Ausdehnung der atmosphärischen Luft zu Temperaturmessungen verwenden, wird entweder die scheinbare Ausdehnung der Luft direct gemessen, oder aber aus der Druckveränderung berechnet. Regnault (*1861 162 364) bestimmte außerdem durch Verbrennung mittels Kupferoxyd die Menge des in einem Porzellan- oder Eisenrohr befindlichen Wasserstoffes bei 0° und der zu untersuchenden Hitze und berechnete die Temperatur aus der Differenz. Schinz (1865 177 94) hebt bereits die geringe Zuverlässigkeit dieses Verfahrens hervor. Die scheinbare Ausdehnung der Luft bei unverändertem Druck wird dadurch bestimmt, daß man eine mit Capillarrohr versehene Hohlkugel der zu messenden Temperatur aussetzt und dann in Wasser oder Quecksilber taucht; die Menge der eingedrungenen Flüssigkeit ist gleich der verdrängten Luft.13) Regnault (*1861 162 362) verwendet in gleicher Weise mir Quecksilberdampf gefüllte Cylinder aus Eisen, Platin oder Porzellan, Deville und Troost 14) Joddampf. Bei dem Gewichtsthermometer von Davy (*1832 46 249) wird durch die sich ausdehnende Luft Quecksilber verdrängt, so daß der Apparat entsprechend leichter wird. Pouillet (1837 63 220) construirte ein Luftthermometer mir Platingefäß; die Temperatur wurde aus der Luftmenge berechnet, welche in ein mit Quecksilber gefülltes Glasrohr überging. Nach Regnault (1850 117 84) und Schinz (1865 *177 99) ist dieses Verfahren für hohe Temperaturen nicht empfindlich. Penot (1831 *40 93), Gay-Lussac (1833 *48 347) und Eyk (1862 166 28) gaben Luftthermometer für niedere Temperaturen mit verschiebbarem Quecksilberindex an. Zuverlässiger als diese Methoden ist die Bestimmung der durch die Temperaturerhöhung bewirkten Ausdehnung der Luft aus den Druckveränderungen. Magnus 15), Regnault (1850 117 84) 1870 195 58), Berthelot (*1868 188 257) 1869 191 455), Jolly 16) und Hallauer (*1875 215 516) wenden offene Quecksilbermanometer an, Codazza (*1873 210 255) ein geschlossenes Manometer und Zabel (*1870 195 236) überträgt die Spannung auf ein Federmanometer. Regnault und Magnus nahmen die Luftbehälter aus Glas, Berthelot aus Glas und Porzellan, später aus Silber; Hallauer verwendet ein mit Stickstoff gefülltes Kupfergefäß. Wegen der Durchlässigkeit glühender Metalle für Gase sind Behälter aus Metall verwerflich und solche aus Glas und für hohe Temperaturen aus Porzellan, wie sie auch Weinhold bei seinen erwähnten Versuchen gebrauchte, vorzuziehen. Die Temperaturangaben dieser letztern Apparate gelten allgemein als die zuverlässigsten, ja die einzig richtigen, auf welche alle andern corrigirt werden müssen. Deville (1872 204 34) warnt jedoch davor, zu großes Vertrauen auf die Genauigkeit dieser Bestimmungen hoher Temperaturen zu setzen, da noch keineswegs feststehe, daß sich die Gase gleichmäßig ausdehnen, zusammengesetzte Gase, z.B. die Kohlensäure aber selbst schon bei Rothglut Dissotiationserscheinungen zeigen. Dabei ist zu bemerken, daß Gase durch das wohl immer angewendete Chlorcalcium nicht vollständig getrocknet werden (vgl. 1876 221 93), und daß die Kohlensäure nicht entfernt wird. Amagat 17) fand zwar, daß die Ausdehnung der atmosphärischen Luft bei 2at Druck und hohen Temperaturen dem Boyle-Mariotte'schen Gesetze nahe stehe; Mendelejew und Kirpitschew 18) zeigen aber neuerdings, daß dieses Gesetz ebenso wenig anwendbar ist für Luft bei geringem wie bei hohem Druck. Berücksichtigt man ferner, daß, da die Ausdehnung des Glases schon zwischen 0 bis 100° nicht gleichmäßig ist (vgl. 1870 195 57), die Volumvergrößerung von Glas und Porzellan bei hohen Temperaturen auch nicht regelmäßig sein wird, so können selbst die Temperaturbestimmungen mittels der Luftpyrometer wohl keinen Anspruch auf absolute Genauigkeit machen, wenn auch zugegeben werden muß, daß bei sorgfältigster Ausführung diese Fehler geringer sind als bei den übrigen bis jetzt bekannten Pyrometern. Für technische Zwecke ist die Anwendung des Luftpyrometers für gewöhnlich völlig ausgeschlossen. 2) Aenderung des Aggregatzustandes. Schon Princeps (1828 28 421) bestimmte hohe Temperaturen mittels Legirungen aus Silber, Gold und Platin, deren Schmelzpunkt vorher festgestellt war. Gebrüder Appolt 19) verwenden Zinn-Kupferlegirungen, deren Schmelzpunkte mittels einer Eisenplatte calorimetrisch bestimmt waren. Von diesen Legirungen werden erbsengroße Stücke mittels einer Eisenstange, welche am vordern Ende halbkugelförmige Vertiefungen hat, der zu messenden Temperatur ausgesetzt; der Schmelzpunkt der am schwersten schmelzbaren Legirung, welche hierbei geflossen ist, gibt die gesuchte Temperatur. F. Heeren (*1861 161 105) hängt einen zweiarmigen Löffel aus feuerfestem Thon mit je 3g einer Legirung aus Silber und Platin in den Feuerraum. M. Heeren 20) schlägt vor, über einen Eisendorn ringförmige Schalen aus Gußeisen zu stecken, deren eine den Deckel der andern bildet, während die obere Schale besonders zugedeckt ist, wie Figur I zeigt.
[Fig. 1., Bd. 225, S. 277]
In jede Schale wird der Ring einer Metalllegirung gelegt, deren Schmelzpunkte z.B. 20° aus einander liegen; dieselben sind auf dem Boden der betreffenden Schale in vertieften Zahlen angegeben. Auf den Scheiben, welche bei der zu messenden Temperatur geschmolzen sind, findet man daher nach dem Erkalten diese Zahl abgedrückt; da die obere Seite glatt bleibt, so werden die Scheiben für jeden folgenden Versuch einfach umgekehrt. Für manche Zwecke ist diese Art der Temperaturbestimmung ohne Frage sehr praktisch.21)
3) Dissotiation. Lamy (1869 194 209) 195 525) verwendet die von Debray 22) untersuchte Dissotiation des kohlensauren Calciums zu seinem Pyrometer, indem er aus der Spannung der Kohlensäure aus dem in einem Porzellanrohre der zu messenden Hitze ausgesetzten Marmor die Temperatur berechnet. Weinhold (1873 208 126) zeigt, daß dasselbe völlig unbrauchbar ist. 4) Optische und akustische Erscheinungen. Bekanntlich gibt es eine Anzahl Körper, welche beim Erhitzen dauernd oder vorübergehend dunkler werden. Heß (1875 218 183) empfiehlt für niedere Temperaturen Jodkupferquecksilber. Ob für höhere Temperaturen in gleicher Weise in einzelnen Fällen Eisenoxyd, Zinnober, Quecksilberoxyd und andere Stoffe, die beim Erhitzen ihre Farbe ändern, zu Temperaturbestimmungen verwendet werden können, ist erst durch Versuche festzustellen. Die Anlauffarben des Stahles, welche ebenfalls zur Bestimmung hoher Temperaturen, verwendet wurden, sind nicht nur abhängig von der Höhe der Temperatur, sondern auch von der Dauer der Erhitzung, können daher höchstens annähernd richtige Resultate geben. Becquerel23) bestimmt die Temperaturen thermo-elektrisch, die von dem erhitzten Körper ausgestrahlten Lichtmengen mittels eines Polarisationsphotometers und drückt die Beziehung beider Größen durch eine Exponentialformel aus zur Berechnung der Temperaturen, die für sein Thermoelement Platin-Palladium zu hoch sind. Weinhold 24) wendet dagegen ein, daß Becquerel die als einfarbig betrachteten Lichtarten mittels farbiger Gläser erhalten hat, so daß seine Formeln nur für die von ihm gebrauchten Gläser Geltung haben können. Nach C. Decharme 25) hängen die auch von Pouillet zur Temperaturbestimmung vorgeschlagenen Glühfarben der Metalle, namentlich des Platins, von der Dicke und der Anordnung des betreffenden Metallfadens ab. Dewar und Gladstone 26) haben Versuche gemacht, hohe Hitzegrade durch die Aenderung des Spectrums bei steigender Temperatur zu bestimmen; doch stellten sich ihnen bis jetzt unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Cagniard-Latour und Demonferrand 27) berechnen die Temperatur aus der Aenderung der Tonhöhe einer Flötenpfeife. Auch Meyer 28) berechnet bei seinem akustischen Pyrometer die Temperatur aus den durch die Erwärmung bewirkten Abweichungen in der Anzahl von Wellenlängen von in Röhren eingeschlossener Luft. J. Chautard 29) hat dieses Pyrometer vereinfacht, bezweifelt aber selbst die praktische Brauchbarkeit desselben. (Schluß folgt.)