Titel: | Lenoir's neues Verfahren zum Amalgamiren der versilberten Glasspiegel; von H. Debray. |
Autor: | H. Debray |
Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 78 |
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Lenoir's neues Verfahren zum Amalgamiren der versilberten Glasspiegel; von H. Debray.
Lenoir's neues Verfahren zum Amalgamiren der versilberten
Glasspiegel.
Das bekannte ältere Verfahren des Belegens der Glasspiegel mit Zinnamalgam hat
mehrfache große Mängel. Abgesehen von den oft bedeutenden Schwankungen im Preise des
Quecksilbers (von welchem für 1qm
Glasfläche auf 700 bis 800g Stanniol gegen
12k Quecksilber verwendet werden
müssen, aber nur 700 bis 800g an das
erstere gebunden am Glase haften bleiben, während der Ueberschuß theilweise abläuft
und zum geringern Theile verdampft) – Preisschwankungen, durch welche
namentlich der größere Spiegelfabrikant häufig in große Verlegenheiten gerieth und
öfters namhafte Verluste erlitt, ist es hauptsächlich das Gesundheitsgefährliche
dieses Industriezweiges, welches den letztern in Verruf brachte und die Auffindung
eines für den Arbeiter weniger gefährlichen Verfahrens zur dringenden Aufgabe
machte. Beim Trocknen der nach dem Auflegen und Anpressen das Zinnamalgams aufrecht
gestellten
Glasplatten, mehr noch beim Belegen selbst, entwickeln sich nämlich, wie bemerkt,
Quecksilberdämpfe, deren verderblichen Einwirkungen die Arbeiter trotz aller
sanitärischen Vorsichtsmaßregeln unablässig ausgesetzt sind, so daß viele von ihnen
nach langen Leiden einen frühzeitigen Tod finden. Im J. 1840 kam der Engländer Drayton auf den Gedanken, die Spiegelscheiben durch
Auftragen einer ammoniakalischen Silbernitratlösung und Reduction der letztern durch
leicht oxydirbare ätherische Oele mit einer dünnen Schicht von metallischem Silber
zu überziehen; doch wurde diese Methode erst durch die von Petitjean eingeführte Verwendung der Weinsäure als Reductionsmittel zu
einer wirklich praktischen Errungenschaft. Bei diesem Verfahren wird die
wohlgereinigte, auf einem abgerichteten Gußeisentische auf 40° erhitzte
Spiegelplatte erst mit einer in zweckentsprechendem Grade verdünnten Lösung von
Silbernitrat, dann mit einer gleichen Lösung von Weinsäure übergossen; die
Flüssigkeit bleibt in Folge von Capillaritätswirkungen, ohne abzufließen, in einer
mehrere Millimeter dicken Schicht auf der Platte stehen, aus der sich nach etwa 20
Minuten metallisches Silber auf das Glas niederzuschlagen beginnt; nach 75 Minuten
ist, wie H. Debray (dessen über die Lenoir'sche Methode an die Société
d'Encouragement erstattetem, in dem Bulletin
dieser Gesellschaft veröffentlichtem Berichte wir diese Mittheilungen entnehmen) in
der großen Spiegelfabrik von Maugin-Lesur in Paris
selbst zu beobachten Gelegenheit fand, die Versilberung vollständig erfolgt. Doch
dürfte ein Mehr oder Weniger dieser für die Operation erforderlichen Zeit durch den
Concentrationsgrad der Flüssigkeiten, die Größe der zu versilbernden Platten u.s.w.
wohl bedingt werden. Nachdem die überschüssige Flüssigkeit abgelaufen, wird mit
destillirtem Wasser nachgespült, die Platte dem Trocknen überlassen und die
Silberschicht zum Schutze gegen Abreibung mit einem Oelfirnisse überzogen.
Die Vorzüge dieses Verfahrens liegen klar vor; das Quecksilber mit seinem Gefolge von
Gefahren und Krankheiten ist gänzlich beseitigt; die Gestehungskosten sind –
da für 1qm Glasfläche 4 bis 5g metallisches Silber im Werthe von 80 Pf.
genügen – verhältnißmäßig gering; die Operation selbst nimmt nur einige
Stunden in Anspruch, während zur Herstellung eines größern Spiegels nach dem alten
Verfahren mindestens 12 Tage und weit kostspieligere Einrichtungen erforderlich
waren. Indessen haben die Silberspiegel auch ihre Schattenseiten. Sie zeigen stets
eine etwas gelbliche Färbung, ein für den Gebrauch sehr störender Fehler. Ferner
haftet die Silberschicht dem Glase nicht in wünschenswerth vollkommener Weise an;
bei unmittelbarer Einwirkung der Sonnenstrahlen löst sich – wie dies namentlich bei
Schaufensterspiegeln größerer Läden in sehr unangenehmer Weise sich bemerkbar
gemacht hat – das Metallblatt in mehr oder weniger großen Stücken ab. Auch
läuft die Versilberung, selbst wenn sie mit einer dicken Firnißschicht überzogen
ist, in Gegenwart Schwefelwasserstoff (oder Schwefelammonium) haltiger Ausdünstungen
dunkel an; namentlich ist dies der Fall bei den in die Tropenländer ausgeführten
Silberspiegeln, welche, monatelang im Schiffsraume verstauet, in dieser Weise oft
bis zu gänzlicher Unbrauchbarkeit verderben, was ihrem Exporte nach jenen Gegenden,
an Stelle der einer raschen Zerstörung dort mehr als irgend anderswo unterworfenen
Zinnamalgamspiegel, bisher sehr hinderlich gewesen ist.
Freilich werden diese Mängel wohl durch die Billigkeit, vor allem aber, was nicht oft
und nicht eindringlich genug hervorgehoben werden kann, durch die sanitärische
Ungefährlichkeit der Fabrikation ausgeglichen; doch war auch ihre gänzliche
Beseitigung höchst wünschenswerth, und diese ist J. J. E. Lenoir, dem bekannten Erfinder einer Gaskraftmaschine u.a. mittels eines
ebenso einfachen und eleganten, als für die Gesundheit der Arbeiter (bei der
nöthigen Vorsicht) unschädlichen Verfahrens gelungen. Nach demselben wird die nach
einer der bekannten Methode versilberte und sorgfältig abgespülte Glasplatte mit
einer verdünnten Lösung von Kaliumquecksilbercyanid
übergossen; ein Antheil des Silbers wird sofort durch eine äquivalente Menge des
Quecksilbers aus dem Doppelcyanid ersetzt und geht in Lösung, während der Rest mit
dem aufgenommenen Quecksilber zu einem Amalgame sich verbindet, welches letztere
eine viel schöner weiße Farbe zeigt und dem Glase weit fester anhaftet als das reine
Silber. Diese Umsetzung erfolgt augenblicklich; die – übrigens der Dauer der
Berührung zwischen Silber und Quecksilberlösung entsprechend verschiedene –
Menge des vom erstern aufgenommenen Quecksilbers betrug bei einem in Debray's Gegenwart angefertigten Spiegel nicht über 5 bis
6 Proc. Die Handhabung der an sich so höchst giftigen Cyanverbindungen bietet in dem
Falle keine Gefahren, wenn sie in sehr verdünnter Lösung zur Verwendung kommen, wie
dies die Praxis des Galvanoplasten lehrt, der seit nunmehr über 30 Jahre täglich mit
Lösungen jener Verbindungen zu thun hat, welche weit concentrirter sind als die bei
Lenoir's Amalgamationsverfahren zur Verwendung
kommenden Flüssigkeiten.
Diese amalgamirten Silberspiegel sind von dem gelblichen Farbentone gewöhnlicher
Silberspiegel frei und geben Bilder von einem weit schönern Weiß, welche denen der
ältern Zinnspiegel vergleichbar sind; sie werden von schwefelhaltigen Ausdünstungen
weit weniger angegriffen als erstere, stehen aber in Betreff ihrer Widerstandsfähigkeit gegen die
Einwirkungen des directen Sonnenlichtes weit über den verzinnten Spiegeln, deren
Belegung bei dauerndem Einflusse des letztern bekanntlich bald ein krystallinisches
Gefüge annehmen und dadurch unbrauchbar werden, wie die nunmehr fast 3 jährigen
Erfahrungen des bereits genannten Pariser Spiegelfabrikanten Maugin-Lesur, der die Ausbreitung des neuen Verfahrens übernommen
und bereits eine beträchtliche Anzahl seiner Erzeugnisse in überseeische Länder
ausführte, dargethan haben. Die Lenoir'sche Erfindung
würde aber selbst für den Fall, daß die Zukunft manche bisher noch nicht erkannte
Schattenseiten dieser Spiegel aus Licht bringen sollte, wegen seiner bisher
bewährten Vorzüge immerhin als ein sehr bedeutender Fortschritt in der
Spiegelfabrikation gelten müssen.
H. H.