Titel: Ueber die Methode, den Feingehalt des mit Kupfer legirten Silbers durch das specifische Gewicht zu bestimmen; von Karl Karmarsch.
Autor: Prof. Karl Karmarsch [GND]
Fundstelle: Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 565
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Ueber die Methode, den Feingehalt des mit Kupfer legirten Silbers durch das specifische Gewicht zu bestimmen; von Karl Karmarsch. Karmarsch, über Bestimmung des Feingehaltes der Silberlegirungen. Vor dreißig Jahren habe ich1 eine Arbeit veröffentlicht, deren Zweck war, nachzuweisen, in wiefern das specifische Gewicht der Silberlegirungen dazu dienen könne, den Feingehalt derselben durch Rechnung abzuleiten. Es sind zu diesem Ende nahezu 200 Bestimmungen des specifischen Gewichtes sehr verschiedener Legirungen von mir gemacht worden, die zu nachstehender einfacher Formel führten: n = L - 8,814/0,00579, worin L. das durch Wägung ermittelte specifische Gewicht und n den Feingehalt in Gränen (288 auf die Mark als Einheit) bedeutet. Die hiernach berechneten Feingehalte zeigten eine zufriedenstellende Annäherung zu den wirklichen oder als wirklich vorausgesetzten, sofern es sich um silberne Münzen handelte, während erhebliche Ungenauigkeiten bei andern Silberarbeiten hervortraten, indem die Berechnung oft um 6 bis 10 Gran zu wenig ergab.2 Auf nur gegossenes oder nach dem Gusse wenig bearbeitetes Silber angewendet, erwies sich die Rechnung als völlig unbrauchbar, weil sie hier stets viel zu kleine Resultate lieferte. Ungeachtet dieser Einschränkung ihrer Brauchbarkeit3 scheint mir doch die hydrostatische Silberprobe (wie ich das Verfahren genannt habe) mehr Aufmerksamkeit zu verdienen, als sie in den Kreisen der Fachmänner gefunden hat. Es ist mir sogar kurz nach dem Erscheinen meiner Abhandlung von dem befreundeten (nun verstorbenen) Vorstande einer deutschen Münzanstalt brieflich — ohne Angabe irgend welcher näherer Umstände — mitgetheilt worden, bei ihm habe man meine Resultate nicht bestätigt gefunden. Ich halte mich über überzeugt, daß jedesmal, wenn man mit Münzen von richtig bekanntem Feingehalte operirte und die Rechnung nach der Formel fehlsam fand, die Ursache in ungenauer Bestimmung des specifischen Gewichtes gelegen haben muß. Manche Experimentatoren (und ich habe davon Beispiele unmittelbar selbst beobachten können) vergegenwärtigen sich, abgesehen von sonstigen Ungenauigkeiten des Verfahrens, nicht die Größe des Einflusses, den geringe Wägungsfehler (vorzüglich beim Wägen der Münzen oder eines sonstigen Gegenstandes im Wasser) auf das als Rechnungsergebniß zum Vorschein kommende specifische Gewicht und demgemäß in unserm Falle auf den berechneten Feingehalt haben.4 Es dürfte nicht unangemessen sein, hierüber durch Beispiele Klarheit zu schaffen. Gesetzt, man hätte eine Münze von 5g Gewicht und dem spec. Gew. 10 000, welche also im Wasser 0g, 500 verlieren müßte; durch ungenaues Wägen sei aber der Gewichtverlust irrig = 0,501 oder 0g, 499 gefunden: so ergäbe sich das spec. Gew. = 9,980 bezieh. 10,020. Der Fehler von 2 Einheiten der zweiten Decimalstelle bringt im Feingehalte eine Abweichung von — oder + 3,5 Gran (12 Tausendtheilen). Hätte die Münze dagegen 25g gewogen, so erreichte — abermals einen Wägungsfehler von 1mg vorausgesetzt — die Unrichtigkeit nur ein Fünftel der vorstehenden (spec. Gew. 9,996 oder 10,004, im danach berechneten Feingehalte — oder + 0,7 Gran, d. i. wenig über 2 Tausendtheile). Man sieht hieraus, welche Schärfe der Wägungen überhaupt erstrebt werden muß, welchen Vortheil für die Sicherheit größere Münzstücke gewähren, und daß es also räthlich ist, von kleinen Münzen mehrere gleiche Exemplare zusammen zu wägen. Daß kein Schmutz oder Fett auf den Münzen sitzen darf, versteht sich von selbst, weshalb eine vorgängige Reinigung durch Einlegen in Ammoniakflüssigkeit und Abbürsten in reichlichem Wasser zu empfehlen ist. Nachdem ich unlängst, durch äußere Anregung bewogen, mich entschlossen hatte, meine frühern Untersuchungen einer neuen Betrachtung zu unterwerfen, faßte ich als jetzt vorliegende Aufgabe ins Auge: 1) das Ergebniß derselben fester zu begründen; 2) womöglich als Berechnungs-Grundlage eine Formel ausfindig zu machen, welche die berechneten Feingehalte noch genauer ergäbe, als beim Gebrauch der alten Formel der Fall ist. Was den ersten Punkt betrifft, so war es ein Mangel der ursprünglichen Arbeit, daß die Formel abgeleitet wurde zwar aus Wägungen sehr zahlreicher und verschiedenartiger Münzen, aber durchgehends unter der Annahme, daß deren gesetzlicher Feingehalt auch genau der wirkliche sei. Wiewohl ich mir sagen mußte, daß diese Voraussetzung keineswegs überall zutreffend sein könne5, so hatte ich fürs Erste kein Mittel, diesem Uebelstande aus dem Wege zu gehen. Nur am Schlüsse der Arbeit war mir möglich, eine Anzahl Münzen in der Weise zu opfern, daß dieselben, nachdem ich ihr specifisches Gewicht bestimmt hatte, in der königlichen Münze zu Hannover durch die Kapellenprobe auf ihren Feingehalt untersucht wurden. Als nun auch an diesen die Berechnung sich ziemlich zutreffend erwies, beruhigte ich mich bei der einmal aufgestellten Formel. In der gegenwärtigen Wiederaufnahme der Sache ging ich hingegen darauf aus, für die Ableitung der Formel lediglich diejenigen Silberstücke zu Grunde zu legen, deren Feingehalt durch die sorgfältige Kapellenprobe so genau bekannt war, als diese Art Probe ihn zu ergeben vermag. Der zweite Punkt ist dadurch erledigt worden, daß ich — nach verschiedenen Herleitungsmethoden — nach und nach fünf etwas verschiedene Formeln ausmittelte und schließlich bei jener stehen blieb, nach welcher die Rechnungsergebnisse am besten mit der Kapellenprobe über einstimmten. Diese neue Formel ist: n = L - 8,833/0,00572, wenn der Feingehalt in Gränen gefunden werden soll; oder n = L-8,833/0,0016474, wenn man ihn nach Tausendtheilen ausgedrückt wünscht. Ich stelle in folgender Tabelle neben die Resultate der Kapellenprobe jene der Berechnung und die Differenzen zwischen beiden, welche Kürze halber als Fehler der Berechnung bezeichnet sind, aber in einigen wenigen Fällen sicherlich durch ein Versehen bei den Wägungen erklärt werden müssen. In der letzten Spalte steht das aus dem Feingehalte nach der Formel berechnete specifische Gewicht, um anschaulich zu machen, welche Größe die etwaigen Wägungsfehler erreichen, sofern man die Kapellenprobe als völlig fehlerfrei und die Formel als genau zutreffend annehmen will.
[Textabbildung Bd. 224, S. 569]
Nr.; Feingehalt nach der Kapellenprobe.; Berechneter Feingehalt.; Fehler der Berechnung.; Directes Ergenbniß. Grän.; Umgerechnet auf Tausendtheile.; Specifisches Gewicht.; Grän.; Tausendtheile.; Grän.; Tausendtheile.; Specifisches Gewicht berechnet.
Nr. 1 bis 28 sind Münzen von äußerst verschiedener Größe und aus verschiedenen deutschen Staaten, Oesterreich, Frankreich, England, Rußland stammend, zwischen den J. 1772 und 1846 geprägt. Die letzten sechs Nummern sind fertig gewalzte Münzzaine, und zwar Nr. 29, 30, 31 von 1mm,8, Nr. 32, 33, 34 von 0mm,9 Dicke. Man kann gewiß in hohem Grade befriedigt sein durch die so nahe Uebereinstimmung der berechneten Feingehalte mit den auf der Kapelle gefundenen, zumal wenn man die sechs mit dem Zeichen * kenntlich gemachten Nummern beseitigt. Daß zu deren Außerachtlassung die Berechtigung vorliegt, mag folgendes darthun. Es ist unzweifelhaft, daß mit abnehmendem Feingehalt das specifische Gewicht sinkt. Wo also von zwei Angaben die eine mit geringerm Feingehalt das nämliche oder gar ein größeres specifisches Gewicht als die andere mit größerm Feingehalte aussagt, da muß nothwendig mindestens diese oder jene falsch, namentlich das betreffende specifische Gewicht unrichtig bestimmt sein. Darum ist Nr. 4 als im Widerspruch mit Nr. 5, Nr. 6 wegen Nr. 7, Nr. 27 wegen Nr. 28 zu verwerfen. Nr. 14 ist mit Nr. 13 unverträglich und macht mit sich auch Nr. 15 verdächtig. Mit gleichem Rechte wie diese letztere darf man auch Nr. 9 ausschließen, welche mit einem noch größern Fehler behaftet ist. Von den alsdann verbleibenden 28 Nummern weisen 15 einen Fehler in + und 13 einen Fehler in - aus; die Summe der + Fehler ist 10,38 Grän, die Summe der — Fehler 9,72 Grän; alle 28 Fehler sind kleiner als 2 Grän (nicht voll 7 Tausendtheile) und 20 Fehler bleiben sogar unter 1 Grän (3,47 Tausendtheile); der größte Fehler ist + 1,82 Grän, der durchschnittliche Fehler in + 0,692 und in - 0,748 Grän. Wenn man berücksichtigt, daß gute Kapellenproben in der Regel den Gehalt um einige wenige Tausendtheile niedriger angeben, als er durch die schärfere nasse Probe ermittelt wird, so kann mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß die in der Tabelle auftretenden + Fehler um ein Geringes zu groß, die — Fehler ein wenig zu klein sind. Eine Annäherung wie die hier erreichbare erscheint doppelt befriedigend, wenn man sich erinnert, welche Toleranz im Gehalt des Silbergeldes die Münzgesetze wegen der schwierigen Herstellung ganz genauer Legirungen zulassen.6 Die Formel bewährt sich genügend auch bei Silberlegirungen von niedrigerm Feingehalt als die in obiger Tabelle vorkommenden; es fehlt mir indeß die Gelegenheit, die Berechnung an ganz sicher bestimmten Legirungsverhältnissen zu prüfen, und ich gebe deshalb einige Beispiele, wo ihr nur der gesetzlich vorgeschriebene Feingehalt gegenübergestellt werden kann:
Benennung der Münzen. Gesetzlicher Feingehalt Grän. Specifisches Gewicht. Berechneter Gehalt Grän. Abweichung. Grän. Oesterreichishe 5 Kreuzer 126 9,532 122,2 -3,8 Preußische 2½ Silbergroschen 108 9,439 105,9 -2,1 Süddeutsche 6 Kreuzer 96 9,385 96,5 +0,5 Ebensolche 96 9,383 96,1 +0,1 Hannoversche Gutegroschen 90 9,333 87,6 -2,4 Ebensolche 90 9,317 84,6 -5,4 Preußische Silbergroschen 64 9,203 64,6 +0,6 Ebensolche 64 9,196 63,4 -0,6
Die größern Abweichungen mit dem Vorzeichen — sind sicherlich nicht ihrem ganzen Betrage nach als Fehler der Berechnung anzusehen; denn einerseits darf man bei so geringhaltiger Scheidemünze nicht wohl die allerschärfste Anschließung an die gesetzliche Vorschrift erwarten; anderseits muß dieselbe so stark gesotten oder gebeizt werden und ist bei der Kleinheit der Stücke die Größe der durch das Sieden verfeinerten Oberfläche gegen die Körpermasse so beträchtlich, daß nach Abnutzung der Oberfläche der Feingehalt merklich vermindert erscheint. Von dem Einflüsse dieses letztern Umstandes erhält man einen Begriff durch die Thatsache, daß das Silber der Sechstelthaler-Stücke nur zu 148 Grän fein legirt und die Wirkung des Siedens als genügend angeschlagen wurde, um den schließlichen Gesammtfeingehalt auf die gesetzliche Höhe von 150 Grän zu bringen. Auf die hochfeinen, dem feinen Silber sehr nahe stehenden Legirungen angewendet, gibt die Formel regelmäßig ein merklich zu hohes Resultat, welches bei 286 oder 286,5 Grän wirklichen Gehaltes sogar widersinnig über 288 Grän hinaus steigt. Der Grund hiervon ist ohne Zweifel in dem Umstande zu suchen, daß die (auch von mir nachgewiesene) Ausdehnung bei der Vereinigung von Silber und Kupfer7 erst mit einem größern Betrage des Kupfers erheblichen Einfluß gewinnt. Ich habe schon in meiner ältern Abhandlung darauf aufmerksam gemacht, daß man meine Formel auch mit bestem Erfolg benutzen könne,
[Taf. B, Bd. 224]
um den Gesammtfeingehalt eines im Ganzen gewogenen Gemenges verschiedenartiger Silbermünzen zu erfahren, mittels dessen und des Gesammtgewichtes der Silberwerth leicht zu berechnen ist. Münzensammler, Münzenhändler und Silberarbeiter gewinnen hierdurch ein sicheres Mittel, beim Ein- oder Verkauf von Münzen in Partien ihr gerechtes Interesse zu wahren.