Titel: | Elektrochemische Studien über die Benzolderivate; von Friedrich Goppelsröder. |
Autor: | Friedrich Goppelsröder |
Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 317 |
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Elektrochemische Studien über die Benzolderivate;
von Friedrich
Goppelsröder.
(Fortsetzung von Bd. 221 S. 81).
Goppelsröder, elektrochemische Studien über die Benzolderivate.
II. Elektrolyse einer Anilinsalzlösung
mit Ueberschuß von Anilin.
Nimmt man statt einer neutralen oder sauren Anilinsalzlösung eine solche mit
überschüssigem Anilin, so erhält man ganz andere Resultate. Geht der Strom durch
eine wässerige Lösung von Anilinsulfat, der man Anilin und etwas Ammoniak beigefügt
hat, so bildet sich in der Wärme des Wasserbades ein geringer, in Alkohol braun
löslicher Absatz. Die Flüssigkeit wird dunkelroth und gibt nach dem Verdampfen einen
Rückstand, welcher an Aether etwas rothen, dann an Alkohol einen violetten Farbstoff
abgibt, der sich auch in Wasser löst und Seide violett färbt. Durch Aetzkali wird
daraus die Basis abgeschieden. Bei einem zweiten, unter denselben Verhältnissen
angestellten Versuch mit Anilinchlorhydrat erhielt ich dasselbe Resultat. Als eine
concentrirte, mit überschüssigem Anilin versetzte Lösung von Anilinchlorhydrat in
geschmolzener Röhre unter Druck und unter Erwärmen der Wirkung des galvanischen
Stromes ausgesetzt wurde, färbte sich dieselbe stark roth; nach dem Verdampfen blieb
ein kirschrother Rückstand, welcher den Farbstoff an Alkohol abgibt und diesen
dunkelroth färbt.
Die wässerige Lösung des in den zwei ersten Versuchen erhaltenen violetten
Farbstoffes wird durch Salzsäure und Schwefelsäure grün; durch Zusatz von Wasser
erscheint die rothviolette Farbe wieder. Durch Salpetersäure unter gelindem Erwärmen
wird die Lösung rothorange und verändert sich nicht mehr durch Zusatz von Wasser.
Chlorwasser wirkt nur sehr wenig und sehr langsam. Schweflige Säure wirkt nicht. Auf
Zusatz von Kaliumpermanganat wird die Flüssigkeit röther. Durch Alkalien wird die
Basis frei gemacht. Der feste violette Farbstoff löst sich in Schwefelsäure beim
Erwärmen mit einer grünoliven Färbung und Stich ins Braune auf; wird die
schwefelsaure Lösung ins Wasser gegossen, so erscheint die Flüssigkeit
rothviolett.
III. Elektrolyse der
Toluidine.
Die Salze des krystallisirten Toluidins, sowie die Salze des von Rosenstiehl entdeckten Pseudotoluidins verhalten sich
ganz anders als diejenigen des Anilins. Erstere geben am positiven Pole eine braune
Substanz, welche
sich in Alkohol löst und Seide und Wolle braungelblich färbt. Bei Anwendung von
Pseudotoluidinsalzen erhält man bei der Elektrolyse am positiven Pol eine Reaction,
welche mit derjenigen übereinstimmt, die man mit Chlorkalk erhält. Es bildet sich
eine violette Färbung, welche durch verdünnte Salpetersäure oder durch eine Lösung
von Kaliumpermanganat roth wird. Das Pseudotoluidin unterscheidet sich also sehr
scharf vom krystallisirten Toluidin.
Bei der Elektrolyse sowohl des Chlorhydrates als auch des Sulfates des
krystallisirten Toluidins zeigt sich am negativen Pol nur eine sehr schwache
gelbbräunliche Färbung, selbst wenn der galvanische Strom während mehreren Tagen
hindurch gegangen ist. Am positiven Pole aber ist die Reaction sehr stark, und es
bildet sich ein rothbrauer Absatz, der sich mit gleicher Farbe in Alkohol löst. Die
alkoholische Lösung hinterläßt nach dem Verdampfen einen schmelzbaren, harzigen,
rothbraunen Rückstand, trübt sich durch Zusatz von Wasser, entfärbt sich bis zum
Gelb durch Chlorkalk, färbt Seide und Wolle rothorange bis braun und mit Albumin
gebeizte Baumwolle manganbraun. Seifenlösung greift in der Kochhitze die auf den
zwei animalischen Fasern fixirte Farbe wenig an, sehr stark aber die auf der
vegetabilischen Faser fixirte.
In der Elektrolyse des Chlorhydrates oder Sulfates des Pseudotoluidins färbt sich die
Lösung, sowie auch die als Stromleiter dienende Seide am negativen Pole höchstens
gelbbräunlich, und es bildet sich dort kein Absatz. Am positiven Pol zeigt sich auf
dem Platinblech nur ein leichter grüner oder schmutzig violetter Absatz, der sich in
Alkohol mit grüngrauer Farbe löst. Auf dem Boden der Zersetzungszelle zeigt sich
höchstens ein kleiner Absatz, welcher sich in Alkohol mit brauer Farbe löst, ebenso
in Schwefelsäure, woraus durch Eingießen in Wasser ein brauner Körper ausgeschieden
wird, während die Flüssigkeit entfärbt wird. Der Seidenconductor wird am positiven
Pol zum Theil graulich, zum Theil etwas violett. Die Flüssigkeit ist rothviolett
gefärbt. Daraus ließ sich ein brauner Körper durch wiederholtes Schütteln mit Aether
abtrennen. Nach Abscheiden des braunen Körpers wurde die Basis mit Aetzkali frei
gemacht und in Aether gelöst. Die ätherische Lösung wurde alsdann mit Wasser so
lange gewaschen, bis es anfing, sich violett zu färben. Durch Schütteln mit
angesäuertem Wasser löst sich alsdann der violette Farbstoff vollständig auf.
Durch Concentration der durch die Elektrolyse erhaltenen Flüssigkeit lagerte sich an
die Wände der Schale ein blauvioletter Farbstoff ab, löslich in Alkohol; durch
weiteres Concentriren der Mutterlauge bildete sich ein neuer violetter Absatz, in
Alkohol mit rothvioletter Farbe löslich. Wird die Verdampfung noch weiter fortgesetzt, so bildet
sich ein neuer Absatz von metallischem Glanz und krystallinischem Aussehen, der sich
in Alkohol rosafarben löst. Die letzte Mutterlauge war roth und färbte Seide
rosaroth, während mit den vorhergehenden Mutterlaugen rothviolette und blauviolette
Färbungen erzeugt wurden.
Der erste violette Absatz löst sich in warmer Schwefelsäure mit grüner Farbe auf;
wird diese Lösung in Wasser gegossen, so entsteht eine rothviolette Flüssigkeit,
welche ihre Farbe noch nach Sättigen mit Ammoniak behält. Der violette Farbstoff
entwickelt beim Erwärmen Dämpfe, welche Curcumapapier bräunen und sich in öligen,
gelbbräunlichen Tröpfchen verdichten. Zugleich sublimirt ein violetter Farbstoff,
und es hinterbleibt eine schwärzliche, in Schwefelsäure mit brauner Farbe lösliche
Masse. Die rothviolette wässerige Lösung dieses elektrolytischen Productes aus
Pseudotoluidin färbt sich blauviolett durch Salzsäure. Zusatz von Wasser, sowie
Neutralisiren mit Ammoniak stellen die ursprüngliche Farbe wieder her. Ammoniak
macht die Farbe ein wenig bläulicher, Aetzkali erzeugt einen violetten Niederschlag,
schweflige Säure verursacht keine Aenderung, Kaliumpermanganat färbt die Flüssigkeit
rosaroth, welche Färbung durch Ammoniak nicht verändert wird. Chlorkalk entfärbt,
Chlorwasser verändert die Farbe in gelbröthlich, worauf schweflige Säure die
ursprüngliche Farbe nicht wieder herstellt. Kochende Oxalsäurelösung macht die Farbe
ein wenig röthlicher, Salpetersäure wirkt wie Kaliumpermanganat; die so entstandene
Flüssigkeit färbt die Seide roth, sei es, daß sie vorher alkalisch gemacht wurde
durch Ammoniak oder sauer durch Essigsäure.
Die Deshydrogenation des Pseudotoluidins und die Bildung eines violetten Farbstoffes
kann also eben so gut durch den elektrolytischen Sauerstoff als durch Chlorkalk
geschehen. Die Salze des krystallisirten Toluidins erleiden unter dem Einfluß des
Sauerstoffes der Luft eine analoge Veränderung wie diejenige, welche ich beschrieben
habe; denn sie werden rasch bräunlich.
IV. Elektrolyse der Gemische des Anilins
und der Toluidinisomeren.
Die Gemische des Anilins- und der Toluidinisomeren verhalten sich anders wie
die einzelnen Basen; so färbt sich z.B. eine wässerige Lösung von je 1 Mol.
Anilinchlorhydrat auf 2 Mol. Chlorhydrat des flüssigen Toluidins am positiven Pol
roth. Anilin des Handels oder Anilin für Roth, unvollständig gesättigt durch
Schwefelsäure oder Salzsäure, und in wässeriger Lösung mit Zusatz von Ammoniak, gab
am deshydrogenirenden Pole als Hauptproduct einen rothen und als Nebenproduct einen violetten Farbstoff.
Am negativen Pole zeigte sich keine Färbung und es bildete sich kein Absatz. Die
Flüssigkeit hingegen am positiven Pole färbte sich roth, und es bildete sich ein in
Alkohol mit rothvioletter Farbe löslicher Niederschlag. Nach dem Verdampfen
hinterließ die Flüssigkeit einen rothen Rückstand, der zuerst an Aether einen
rothgelben, dann an Alkohol und schwieriger an Chloroform zwei verschiedene
Farbstoffe abgab, einen rothen und einen violetten. Es bildet sich also unter diesen
Umständen ein rother Farbstoff neben einem violetten.
Schon Runge hatte 1834 gezeigt, daß das Kyanol, das wir
heute Anilin nennen, mit Chlorkalk blaue, violette und rothe Färbungen gibt. A. W.
Hofmann erhielt 1843, indem er Salpetersäure auf
Anilin einwirken ließ, scharlachrothe, gelbe und blaue Farbstoffe. Und heute noch,
in der Fabrikation des gewöhnlichen Anilinroths oder des Fuchsins, bildet sich neben
Rosanilin unter andern Nebenproducten das Mauvanilin C₁₉
H₁₇ N₃, dessen Salze die Wolle und Seide violettblau färben,
sowie Violanilin C₁₈ H₁₅ N₃, dessen Salze die
Seide und Wolle schwarzbraun mit violettem Reflex färben. Die Farbe, welche Cerise
genannt wurde, ist auch unter den Nebenproducten der Fuchsinfabrikation und bleibt
in Lösung, wenn man das Fuchsin mit Kochsalz niederschlägt. Die Analyse wird
entscheiden, ob der rothe Farbstoff, den ich unter den Producten der Elektrolyse der
Gemische von Anilin und flüssigem Toluidin gefunden habe, derselbe ist wie die
Cerisefarbe, deren Formel noch nicht bestimmt worden ist. Hinsichtlich der violetten
Farbstoffe, welche ich durch Elektrolyse der Salze des reinen Anilins und der
Gemische von Anilin und Toluidin erhalten habe, müssen auch die Resultate ihrer
Elementaranalysen mit denen der Analysen der verschiedenen Producte der Oxydation
des mehr oder weniger reinen Anilins des Handels, sowie der violetten Nebenproducte
der Fuchsinfabrikation verglichen werden.
Bekanntlich hat zuerst Perkin das Mauveïn oder
Anileïn, Indisin, pourpre d'aniline, dieses
Product der Deshydrogenation des Sulfates des Anilins des Handels durch
Kaliumbichromat und Schwefelsäure kennen gelehrt; andere Chemiker haben
vorgeschlagen, die Anilinsalze mit Kaliumpermanganat oder mit Mangansuperoxyd in
Verbindung mit Schwefelsäure oder mit Chlorwasser oder mit Chlorkalk u.s.w. zu
deshydrogeniren.
(Fortsetzung folgt.)