Titel: | Ueber das Entkohlen des Spiegeleisens durch Glühen (Tempern); von R. W. Raymond. |
Fundstelle: | Band 220, Jahrgang 1876, Nr. , S. 61 |
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Ueber das Entkohlen des
Spiegeleisens durch Glühen (Tempern); von R. W.
Raymond.Eine
kurze Notiz über diesen Gegenstand findet sich bereits in diesem
Journal, 1875 217 249.
Raymond, über das Entkohlen des Spiegeleisens
durch Glühen.
Die Verwendung von gewöhnlichem Spiegeleisen als Zusatz zu
theilweise oder fast ganz entkohltem Roheisen in der
Bessemerbirne, hier und da wohl auch im offenem Herde, hat einen
doppelten Zweck, einmal nämlich den, die Rückkohlung des
entkohlten Roheisens in dem für den speciellen
Fall erforderlichen Grade zu vermitteln, und dann die Verhütung
des ohne diesen Zusatz bei dem Endproducte kaum zu vermeidenden
Eintrittes von Rothbrüchigkeit. Diese letztere üble Eigenschaft
schreibt R. W. Raymond in einem im Februar v. I. bei der Versammlung des
American Institute of Mining Engineers zu
Newhaven gehaltenem Vortrage (Engineering and Mining Journal, 1875 Bd. 19 S. 346)
mit vielen Anderen der Gegenwart von Eisenoxyd im geschmolzenen
Metalle zu und nimmt ferner an, „daß das im
Spiegeleisen enthaltene Mangan sich mit dem Sauerstoffe jenes
Oxydes vereinige und dasselbe auf diese Weise in die Schlacken
überführe.“ Auch bleibt gewöhnlich eine geringe Menge
des Mangans beim Bessemerprocesse in dem Gußstahle zurück und
„wirkt hier wahrscheinlich zur Verbesserung von dessen
Qualität mit.“ Welche Erklärung man nun auch geben
und annehmen möge, soviel steht fest, daß die Wirkung des
Mangans nicht allein günstig, sondern sogar nothwendig ist.
Allein die Quantität desselben wird durch die Verwendung von
sehr kohlenstoffreichem Spiegeleisen beschränkt, da der
Kohlenstoffgehalt, wenn man weichen Stahl darstellen will, ein
mäßiger sein muß. Diese Rücksicht wird so maßgebend, daß bei der
Fabrikation von Stahl, welcher z. B. mehr als 0,2 Proc. Phosphor
enthält, ordinäres Spiegeleisen nicht angewendet werden darf, da
man einem bekannten Erfahrungssatze zufolge nur dann einen Stahl
von erträglich guter Qualität erzeugen kann, wenn der
Kohlenstoffgehalt desselben im Verhältnisse zu der Zunahme
seines Phosphorgehaltes vermindert wird. Die Nothwendigkeit
eines Zusatzes von Mangan ohne gleichzeitigen Zusatz von
überschüssigem Kohlenstoff hat zu der Anwendung des Ferromangans
an Stelle des Spiegeleisens geführt, so daß die einzige noch
vorliegende Schwierigkeit durch den hohen Preis jener Legirung
bedingt wird.
Einige Monate vor seinem Vortrage wurde Raymond von Prof. Drown darauf
aufmerksam gemacht, daß der zur Fabrikation von schmiedbarem
Eisenguß erforderliche Proceß des Glühens (Adoucirens oder
Temperns) möglicherweise auch zur Entkohlung des Spiegeleisens
verwerthet werden könne, um auf diese Weise ein nur wenig
Kohlenstoff enthaltendes manganhaltiges Roheisen zu produciren.
Er verband sich in Folge dessen mit F. I. Slade in Trenton (von der New-Jersey Steel and Iron
Company) zur Ausführung eines Versuches, hauptsächlich um zu
ergründen, ob durch das beim Glühen zur Wirkung kommende
Oxydationsmittel außer dem Kohlenstoffe auch Mangan aus dem
Spiegeleisen ausgeschieden werde, und in welchem Verhältnisse
eine solche Ausscheidung stattfinde. Zu diesem Behufe wurden
mehrere ca. 75mm im Durchmesser
haltende Stücke von deutschem
Spiegeleisen in einem eisernen Kasten von ungefähr 281 Fassungsraum im Glühspan (vom
Walzwerke herrührend) verpackt, in dem hintern Theile des Herdes
eines Siemensofens, welcher als Hilfsheizofen für den
Martinproceß dient, drei Wochen lang in der Kirschrothglut
ausgesetzt und dann einer genauen Prüfung unterzogen.
Der Kern der Spiegeleisenstücke war augenscheinlich unverändert
geblieben, allein die äußere Schicht zeigte sich in einer Stärke
von etwa 3mm in ihrer Textur und in ihrem Ansehen verändert;
sie hatte die frühere Sprödigkeit des Materials ganz verloren
und war so zähe geworden, daß sie sich nur höchst schwierig
zerbrechen ließ. Durch Hämmern eines stückes von diesem
spiegeleisen ließ sich der ganze Kern zertrümmern, während die
äußere Schale sich wohl ausschlagen, aber nicht zerbrechen
ließ.
Die nachstehenden, von I. B. Britton
ausgeführten Analysen dürften über die diese physikalische
Veränderung begleitenden chemischen Veränderungen einigen
Aufschluß geben können.
Ungeglühtes Spiegeleisen.
Geglühtes Spiegeleisen.
Phosphor
0,079
0,055
Mangan
11,636
10,698
Kohlenstoff
3,016
0,499.
Sonach hatte der Gehalt an Mangan und Phosphor um ein Geringes,
der Kohlenstoffgehalt aber sehr bedeutend abgenommen. Offenbar
kann geglühtes Spiegeleisen zur Darstellung von weichem Stahl
verwendet werden, wohingegen gewöhnliches Spiegeleisen dazu
untauglich ist. Die Vorzüge eines solchen Verfahrens würden,
wenn sich dasselbe in ökonomischer Beziehung bewähren sollte,
bei der Verwendung des sehr stark manganhaltigen Spiegeleisens,
wie dasselbe jetzt auf mehreren englischen Hütten (in
Westcumberland) und von der Société
anonyme des Hauts-Fourneaux zu Marseille erzeugt wird, noch
größer sein.
Die folgende Analyse zeigt den hohen Mangangehalt des Spiegeleisen extra-manganèse der
genannten französischen Gesellschaft, einen Gehalt, welcher nach
Angabe der Producenten noch erhöht werden kann.
Mangan
24,400
Proc.
Silicium
0,430
Proc.
Schwefel
0,009
Proc.
Phosphor
0,010
Proc.
Kohlenstoff
zwischen
4 u. 5
Proc.
Wenn ein solches Spiegeleisen (welches in New-York ungefähr 85
Dollars Courant pro Tonne kostet durch den verhältnißmäßig
billigen Proceß des Glühens entkohlt werden
könnte, so würde es bei den jetzt so hohen Preisen des
Ferromangans ein vortheilhaftes Ersatzmittel für das letztere
bilden. Zur praktischen Ausführung eines solchen Planes würde
das Spiegeleisen granulirt oder in dünnen Platten geliefert
werden müssen, so daß es, wenn man es in dieser Form in Glühspan
oder Eisenstein einsetzt und glüht, durch und durch getempert
wird.
Bei der diesem Vortrage folgenden Discussion machte Prof. Drown unter Hindeutung auf die mögliche
Einwirkung des Glühens auf die andern neben dem Kohlenstoffe im
Eisen vorhandenen Substanzen auf eine im Oktober 1872
veröffentlichte Abhandlung von R. W. Davenport: „Chemische Untersuchungen über einige
Punkte der Fabrikation hämmerbaren Gußeisens“
aufmerksam, in welcher die Resultate der Analysen zweier Proben
von einem etwa 6mm,5 starken Gußstücke vor dem
Glühen, nach einem ersten Glühen und dann nach einem zweiten
Glühen angegeben worden sind. Da das Glühen in diesem Falle nur
fünf bis sechs Tage hindurch festgesetzt wurde, so sind die nach
dem zweiten Glühen der Proben erzielten Ergebnisse zu einer
Vergleichung hier sehr geeignet.Diese Abhandlung findet sich in
diesem Journal, 1873 207 51, weshalb
von einer Wiedergabe der betreffenden Resultate an dieser Stelle
abgesehen wird.
Im Gegensatze zum ersten Theile von Davenport's Ansicht bemerkte H. M. Howe, daß beim Gießen derartiger dünner Platten oder
Scheiben von Spiegeleisen aus dem Hohofen, wie es ihm scheine,
ein beträchtlicher Manganverlust stattfinde; denn wenn
Spiegeleisen umgeschmolzen, ja wenn es nur bis zur Rothwärme
erhitzt werde, so oxydire sich sein Gehalt an Mangan rasch. Auf
Bessemerwerken finde im flüssigen Spiegeleisen offenbar eine
bedeutende Oxydation des Mangans während der kurzen Zeit statt,
in welcher das erstere auf seinem Wege vom Schmelzofen nach dem
Converter mit der Luft in Berührung sei. Daraus ergebe sich
aber, daß beim Erkalten solcher dünnen Spiegeleisenscheiben in
der Gießhalle eine sehr bedeutende Menge Mangan oxydirt werde
— weit mehr, als wenn man das Eisen wie gewöhnlich in
dickern Stücken anwende. Ferner frage es sich, ob beim Glühen
des Spiegeleisens nicht auch das Mangan ebenso gut oxydirt
werden könne. Britton's Analysen,
wenn sie auf dem gewöhnlichen Wege ausgeführt sind, geben über
diesen Punkt keinen Aufschluß, denn es ist bei ihnen kein
Unterschied zwischen metallischem und oxydirtem Mangan gemacht
worden. Es ist möglich, daß mehrere Procente von dem im
geglühten Spiegeleisen gefundenen Mangan sich oxydirt haben,
somit wirkungslos geworden sind. Aus Davenport's Analysen geht gleichfalls nicht mit positiver
Gewißheit hervor, daß Silicium und Mangan beim Glühen
nicht oxydirt wurden; denn es wird durch diese Analysen nicht
festgestellt, auf welchem Wege die genannten Elemente bestimmt
sind, und ob der Unterschied zwischem ihrem nicht oxydirten und
ihrem oxydirten Zustande berücksichtigt worden ist.
H.
H.