Titel: | Versuche über die Ueberführung der schwefligen Säure in Schwefelsäureanhydrid durch Contactwirkung behufs Darstellung von rauchender Schwefelsäure; von Dr. Clemens Winkler, Prof. an der kgl. Bergakademie zu Freiberg. |
Autor: | Clemens Winkler [GND] |
Fundstelle: | Band 218, Jahrgang 1875, S. 129 |
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Versuche über die Ueberführung der schwefligen
Säure in Schwefelsäureanhydrid durch Contactwirkung behufs Darstellung von rauchender
Schwefelsäure; von Dr. Clemens
Winkler, Prof. an der kgl. Bergakademie zu
Freiberg.
Winkler, Versuche über die Ueberführung der schwefligen Säure in
Schwefelsäureanhydrid durch Contactwirkung.
Während die Fabrikation der sogen. englischen Schwefelsäure seit ihrem Entstehen
stetig, ja sogar äußerst rasch, vorgeschritten ist und sich heutigen Tages im
Stadium hoher Vollkommenheit befindet, ist der weitaus ältere Industriezweig der
Oleumbrennerei auf dem ursprünglichen Standpunkt stehen geblieben und wird zur Zeit
fast noch genau so gehandhabt, wie vor hundert Jahren. Die Ursache hiervon mag zum
Theil in dem beschränkten Verbrauch der rauchenden Schwefelsäure gelegen haben,
welcher sich bisher vorzugsweise auf das Auflösen des Indigos erstreckte; sie läßt
sich aber auch zurückführen auf den fast völligen Mangel an Concurrenz, welcher, im
Verein mit einer tüchtigen geschäftlichen Leitung, die Vitriolölerzeugung zum
Monopol der böhmischen, im Besitze des Freiherrn von
Starck befindlichen Werke gemacht hat.
Noch heutigen Tages dient, wie ehedem, der in Böhmen reichlich auftretende, leicht
verwitternde Vitriolschiefer als ausschießliches Material zur
Vitriolsteindarstellung; in denselben Oefen und Gefäßen, wie ehemals, unter
Anwendung der gleichen Manipulationen, wird dieser abgetrieben; noch immer ist man
hinsichtlich der Größe und Belegung der Destillirkolben an eine enge Grenze
gebunden, beim Betrieb der Destillation selbst aber ganz von der Geschicklichkeit
der Arbeiter abhängig. Die Verbesserungen, die man getroffen, haben zwar zu einer
Vergrößerung der Fabrikation und einer Abminderung der Betriebskosten geführt, der
Proceß selbst aber ist durch dieselben nur wenig verändert worden.
So lange die Nachfrage nach Vitriolöl sich in den Grenzen mäßiger, jahrelang sich
gleichbleibender Ziffern bewegte und die Oleumgewinnung zu den Industriezweigen von
untergeordneter Wichtigkeit zählte, braucht dies nicht Wunder zu nehmen. Anders
steht es aber heute. Die rauchende Schwefelsäure hat sich im Laufe der letzten Jahre ein immer größeres
Absatzgebiet erobert, ihre Production und ihr Preis sind im steten Steigen
begriffen, ihre Anwendung bei der Erdwachsverarbeitung, der Darstellung
verschiedener organischer Farbstoffe u. dgl. m. ist eine so erfolgreiche gewesen,
daß die Beschaffung eines besseren, billigeren, rationelleren Verfahrens geradezu
als Nothwendigkeit erscheint. Denn, wenn sie es nicht schon ist, so läßt sich mit
Bestimmtheit voraussagen, daß die rauchende Schwefelsäure, dieses so überaus
kräftige chemische Agens, ein Artikel von eminenter technischer Bedeutung werden
kann und es werden wird, sobald dem lähmenden Monopol die Adern unterbunden sind und
sich an der Hand zweckmäßiger Fabrikationsmethoden eine lebendige Concurrenz Bahn
bricht.
Eine solche wird natürlich nur dann möglich sein, wenn die Rentabilität der
Oleumerzeugung nicht mehr von localen Verhältnissen abhängig ist, wie das jetzt
thatsächlich der Fall, wo ein Naturproduct, der Vitriolschiefer, das Rohmaterial für
dieselbe bildet. Es würde sich also, vorausgesetzt, daß man bei der jetzigen
Fabrikationsmethode stehen bleiben wollte, zunächst um eine andere, allenthalben
mögliche Beschaffung von Vitriolstein handeln. Eine solche kann man erreichen durch
Behandlung von gemahlenem Caput mortuum mit
concentrirter Schwefelsäure. Läßt man diese beiden Körper auf einander wirken, so
vereinigen sie sich schon beim gelinden Erwärmen unter ziemlich heftiger Reaction zu
einer gelblich-weißen, harte Stücke bildenden Masse, welche aus wasserfreiem
schwefelsaurem Eisenoxyd besteht, also nichts Anderes als Vitriolstein ist. Der
Wassergehalt der Schwefelsäure wird hierbei frei und gelangt durch die
Reactionswärme von selbst zur Verdampfung, so daß eine besondere Entwässerung des
Productes gar nicht nöthig erscheint. Nur ist es erforderlich, mit nicht zu kleinen
Mengen zu operiren und das richtige Verhältniß zwischen Eisenoxyd und Schwefelsäure
einzuhalten (ungefähr 1 : 1,8).
Will man die 66gradige Säure durch Kammersäure ersetzen, so wird Anwendung von Wärme
nöthig. Ein Gemisch von Eisenoxyd mit Kammersäure erhärtet bei längerem Erhitzen
unter Verdampfung des vorhandenen Wassers ebenfalls zu Vitriolstein. Endlich läßt
sich auch das Caput mortuum durch irgend ein anderes
Eisenoxyd, z.B. die Abbrände von möglichst reinem Schwefelkies, ersetzen; nur ist es
unerläßlich, dasselbe in feiner Zertheilung, also am Besten in gemahlenem Zustande
anzuwenden.
Diese Methode der Vitriolsteindarstellung macht es möglich, die Oleumfabrikation
allenthalben zu betreiben, wo englische Schwefelsäure billig zu haben ist. Denn das
erforderliche Eisenoxyd wird als Destillationsrückstand stetig wiedergewonnen und
kann beliebig oft in Vitriolstein zurückverwandelt werden.
Was nun aber die Oleumdestillation anbelangt, so ist diese ein Proceß, der sich für
einen Massenbetrieb wenig geeignet zeigt. Nicht mit Unrecht schreckt man vor dem
umfänglichen Apparat zurück, der in Gang erhalten werden muß, wenn die Fabrikation
eine nur einigermaßen ausgedehnte sein soll, sowie vor den Schwierigkeiten der
Handhabung derselben, die ein ganz besonders geeignetes und geübtes Arbeiterpersonal
erfordernVergl. auch Wagner's Jahresbericht, 1873 S. 220.. Die Eigenartigkeit des ganzen Destillationsprocesses hat jedenfalls
ebensoviel zur Localisirung der Oleumfabrikation in Böhmen beigetragen, wie das
Auftreten des Vitriolschiefers daselbst, und dürfte deren Auswanderung auch dann
noch verhindern, oder doch erschweren, wenn anderwärts alle Bedingungen zu einer
billigen Beschaffung von Vitriolstein gegeben sind.
Eine Verallgemeinerung der Oleumfabrikation, ein wirklicher und unbeschränkter
Aufschwung derselben, ist nur dann möglich, wenn es gelingt, ihr eine ganz neue
Basis zu geben und das Schwefelsäureanhydrid nicht durch Erhitzen gewisser
wasserfreier Sulfate, sondern direct aus schwefeliger Säure unduud Sauerstoff darzustellen.
Die Möglichkeit hierzu ist, wie aus Nachstehendem hervorgehen wird, vorhanden. Seit
langer Zeit weiß man, daß ein Gemenge von schwefeliger Säure und Luft erhebliche
Mengen von wasserfreier Schwefelsäure zu bilden vermag, wenn man es bei mäßiger
Glühhitze mit sogen. Contactsubstanzen, wie z.B.
feinzertheilten Edelmetallen, indifferenten Metalloxyden, Porzellanscherben, Quarz,
Ziegelstücken u. dgl. in Berührung bringt, und schon durch Plattner
Plattner: Die metallurgischen Röstprocesse, S.
339. sind auf Muldnerhütten Versuche zur praktischen Ausnützung dieser Thatsache
begonnen und später von Reich
Reich: Die bisherigen Versuche zur Beseitigung
des schädlichen Einflusses des Hüttenrauches bei den fiscalischen
Hüttenwerken zu Freiberg, S. 15. fortgesetzt worden. Damals handelte es sich jedoch nicht um die Gewinnung
von Schwefelsäureanhydrid, sondern um die Ueberführung der aus den Röststätten
entweichenden schwefeligen Säure in condensirbare Schwefelsäure. Als Contactsubstanz
wurde glühender Quarz benützt, dessen Wirksamkeit unter Umständen zwar eine ziemlich
vollkommene, im Allgemeinen aber viel zu langsame war, als daß man mit den erzielten
Erfolgen hätte zufrieden sein können.
Es gibt nun aber, wie erwähnt, noch andere und zwar weit wirksamere Contactsubstanzen, als Quarz,
und unter diesen steht das feinzertheilte Platin, der Platinschwamm und das Platinschwarz oben an.
Bei der Kostspieligkeit dieses Metalles vertheilt man es zweckmäßig auf eine große,
an sich indifferente Oberfläche, wodurch seine Wirksamkeit anscheinend auch noch
erhöht wird. Mit vollem Recht hat man in dieser Hinsicht den sogen. platinirten Asbest empfohlen, welchen man erhält, indem
man weichen, lose gefilzten Asbest mit einer concentrirten Lösung von Platinchlorid
durchfeuchtet, ihn dann in Salmiaklösung eintaucht und nach dem Trocknen glüht. Das
Product enthält eine verhältnißmäßig kleine Platinmenge auf ein großes Volum
Substanz vertheilt und erfüllt in Folge dessen einen Zweck nicht nur in
ausgezeichneter Weise, sondern läßt sich auch zu einem Preise herstellen, der seine
Verwendung im Großen ermöglicht. Von weit geringerem Effect sind, wie dies Versuche
zeigten, andere poröse und mit Platin imprägnirte Contactsubstanzen, wie z.B.
Bimsstein, oder gelinde gebrannter Porzellanthon, welchem man beim Umkneten
beträchliche Mengen einer verbrennlichen Substanz, wie Mehl, Kleie u. dgl. zugesetzt
und zu Scheiben geformt hatte, die sich nach dem Brennen vollkommen durchlässig für
Flüssigkeiten und Gase erwiesen.
Die Einwirkung des erhitzten platinirten Asbestes auf ein Gemenge von schwefeliger
Säure und Sauerstoff kann unter Umständen eine äußerst kräftige, von reichlicher
Anhydridbildung begleitete sein, aber sie ist es nicht in jedem Falle. Sie wird
nämlich außerordentlich beeinflußt durch das Vorhandensein anderer indifferenter
Gase, die, indem sie einfach als Verdünnungsmittel wirken, die Neigung der
schwefeligen Säure, Sauerstoff aufzunehmen, abschwächen. Es geht dies deutlich aus
den nachfolgenden Versuchen hervor, bei welchen, unter sonst gleichbleibenden
Umständen, verschiedene Gasgemische der Einwirkung des platinirten Asbestes
ausgesetzt wurden.
Der angewendete platinirte Asbest war von weicher, wolliger Beschaffenheit und sein
Platingehalt betrug 8,5 Proc. Derselbe wurde in einer 30cm langen und 12mm dicken Schicht angewendet, welche die
Füllung einer Glasröhre bildete, die im gelinden Glühen erhalten wurde. Das
Gasgemisch trat im wohlgetrockneten Zustande an dem einen Ende in das Glasrohr ein,
passirte in mäßig raschem Strom die Asbestschicht und trat dann, mit
Schwefelsäureanhydrid mehr oder minder stark beladen, am anderen Ende aus. Um das
Product auffangen und untersuchen zu können, war dieses zweite Röhrenende knieförmig
abwärts gebogen und mündete in eine mit Wasser beschickte Waschflasche aus, in
welcher der größte Theil der gebildeten Schwefelsäure, sowie in gewissem Grade auch die unverändert
gebliebene schwefelige Säure sich lösten; was nicht absorbirt ward, trat in eine
zweite Waschflasche über, die eine concentrirte Lösung von Natriumcarbonat enthielt,
und wurde dort vollständig zurückgehalten. Nach Beendigung eines jeden Versuches
vereinigte man beide Flüssigkeiten und bestimmte hierauf das Verhältniß des
gebildeten Schwefelsäureanhydrids zur unverändert gebliebenen schwefeligen Säure. Es
darf nicht unerwähnt bleiben, daß der zur Abführung des Gases dienende gebogene
Röhrenschenkel sich häufig mit einem Filz von wasserfreier Schwefelsäure erfüllte,
welche natürlich ebenfalls, und unter Beobachtung der nöthigen Vorsicht, in Lösung
gebracht wurde.
Diese Versuche ergaben nun, daß von 100 Gw.-Th. angewendeter schwefeliger
Säure unter verschiedenen Verhältnissen in Schwefelsäure übergeführt wurden bei
Anwendung
a)
eines Gemenges von reiner schwefeliger Säure und reinem
Sauerstoff
73,3
Gw.-Th.
b)
eines Gemenges von reiner schwefeliger Säure und Luft
47,4
„
„
c)
eines Gases mit 4 bis 5 Vol.-Proc. schwefeliger Säure,
erhalten durch Verbrennen von Schwefel in einem Luftstrom
11,5
„
„
Man erkennt hieraus, daß die Wirkung des platinirten Asbestes, und jedenfalls auch
die der übrigen Contactsubstanzen, sich in dem Maße vermindert, in dem die
Verdünnung der schwefeligen Säure durch andere indifferente Gase zunimmt.
Selbstverständlich werden auch Sauerstoff und schwefelige Säure indifferent bleiben
und demgemäß als Verdünnungsmittel wirken, soweit sie nicht in dem zur
Schwefelsäurebildung erforderlichen stöchiometrischen Verhältniß neben einander
vorhanden sind, also das eine oder das andere der beiden Gase überwiegt. Bei den
vorstehend erwähnten Versuchen war das nicht zu vermeiden und daher mag es wohl
kommen, daß selbst bei Anwendung von reinem Sauerstoff nur etwa Dreiviertel der
schwefeligen Säure in Schwefelsäure übergeführt wurden.
Es ist nun aber eine bekannte Thatsache, daß die gewöhnliche englische Schwefelsäure
bei starker Glühhitze in schwefelige Säure, Sauerstoff und Wasserdampf zerfällt. Von
diesen drei Producten läßt sich der Wasserdampf leicht und vollständig condensiren
und es bleibt dann ein gasförmiges Gemenge von Sauerstoff und schwefeliger Säure in
genau dem zur Bildung von Schwefelsäureanhydrid erforderlichen Verhältniß übrig. Auf
diesem Wege gelang es, jede schädliche Zwischenlagerung indifferenter Gase zu
umgehen, und es kam nun einfach darauf an, die von Wasser befreiten Spaltungsproducte der englischen
Schwefelsäure auf dem Wege der Contactwirkung wieder zu vereinigen. Die Folge
hiervon mußte die Bildung von Schwefelsäureanhydrid sein und der ganze Proceß läuft
mithin auf eine indirecte Ueberführung der hydratischen Schwefelsäure in wasserfreie
hinaus.
Um sich durch den Versuch zu überzeugen, ob und in welchem Maße diese Umbildung
möglich sei, bediente man sich eines einfachen Apparates, dessen Zusammenstellung
auch ohne Skizze durch Folgendes verständlich sein wird.
Ein schmiedeisernes Rohr wurde innen und außen mit einem Gemisch von Chamotte und
Wasserglas überzogen, dieses eingebrannt und das Rohr vollkommen mit
Porzellanstücken gefüllt. Man erhitzte es hierauf in einem Kohlenofen zum starken
Glühen, während durch eine zweischenklig gebogene Trichterröhre, die mittels eines
Korkes in das eine Ende des Rohres eingesetzt war, Schwefelsäure von 66°
stetig eintropfte. Zur Regulirung des Schwefelsäurezuflusses bediente man sich einer
mit Schraubenquetschhahn versehenen Mariotte'schen Flasche, deren Säureinhalt vor
Beginn des Versuches gewogen worden war.
Indem nun die sofort entstehenden Schwefelsäuredämpfe das mit Porzellanstücken
erfüllte, hellrothglühende Rohr durchzogen, zerlegten sie sich, wenn auch nicht
ganz, so doch ziemlich vollständig in schwefelige Säure, Sauerstoff und Wasserdampf.
Es galt nun, dieses Gasgemisch völlig zu trocknen, und hierzu bediente man sich
ebenfalls 66gradiger Schwefelsäure. Als Trockengefäß wurde eine große, nach Art
einer Waschflasche vorgerichtete Vorlage benützt, welche man vollkommen mit
Bimssteinstücken füllte und diese hierauf mit einer ebenfalls sorgfältig gewogenen
Menge concentrirter Schwefelsäure gänzlich durchtränkte. Die eine zum Boden führende
Röhre dieses Gefäßes wurde mit der Ausmündung des Eisenrohres verbunden, so daß also
das Gasgemisch seinen Weg durch die Bimssteinschicht nehmen mußte und dort zur
Austrocknung gelangte. Außerdem fand alle der Zerlegung etwa entgangene
Schwefelsäure in diesem Gefäße Gelegenheit zur Verdichtung.
Das so erhaltene trockene Gemenge von schwefeliger Säure und Sauerstoff trat hierauf
in ein langes, sich erst horizontal fortsetzendes, dann abwärts gekrümmtes Glasrohr
über, dessen horizontaler Theil mit platinirtem Asbest (mit 8,5 Proc. Platin) lose
gefüllt war, während der verticale Schenkel in eine mit concentrirter Schwefelsäure
gefüllte Vorlage ausmündete, die bestimmt war, das gebildete Schwefelsäureanhydrid
aufzunehmen. An diese erste Vorlage ward eine zweite, ebenfalls mit Schwefelsäure
beschickte, und an diese wieder eine dritte angeschlossen, welche letztere eine Lösung von
Natriumcarbonat enthielt und das etwa entweichende schwefeligsaure Gas zurückhalten
sollte. Sowie nun der platinirte Asbest mit Hilfe eines Gasverbrennungsofens zum
gelinden Glühen gebracht war, beobachtete man die reichliche Bildung von
Schwefelsäureanhydrid, welches der Hauptmenge nach in der ersten Vorlage zur Lösung
gelangte, sich zum Theil aber auch in festem Zustande in der Rohrleitung ablagerte.
Die Operation verlief regelmäßig und ohne wesentliche Störung, so daß sie, einmal im
Gang, kaum der Ueberwachung bedurfte. Nach Verlauf mehrerer Stunden wurde der
Versuch unterbrochen; die zugetropfte Säuremenge betrug, wie das Zurückwiegen der
Mariotte'schen Flasche ergab, 195g,0
Schwefelsäure mit einem Gehalt von 75 Proc. SO³. Der Inhalt der ersten
Vorlage war vollkommen in rauchende Schwefelsäure umgewandelt und verbreitete an der
Luft starken weißen Qualm, – ein Beweis, daß viel Anhydrid gebildet worden
sein mußte.
Ueber den Grad der Zersetzung der Schwefelsäure und der Bildung von Anhydrid geben
folgende Gewichts- und Gehaltsbestimmungen Aufschluß.
1. Angewendet.
195g,0 Schwefelsäure mit
75 Proc. SO₃ = 146g,2
SO₃.
2. Erhalten.
a) Das Gewicht der als Trockengefäß dienenden Vorlage,
deren Bimssteinfüllung, wie erwähnt, mit einer genau gewogenen Menge Schwefelsäure
von 66° B. = 75 Proc. SO₃ durchtränkt war, wurde sowohl vor, als auch
nach der Operation ermittelt. Nach Beendigung des Versuches wusch man den Bimsstein
sorgfältig mit Wasser aus und verdünnte die erhaltene Flüssigkeit auf ein bestimmtes
Volum; ihr Schwefelsäuregehalt wurde hierauf durch Titriren mit Normalkali
festgestellt. Hierbei ergab sich nun, daß der Flüssigkeitsinhalt gedachter Vorlage
betrug
g
g
vor der Operation
141,0
mit
105,7
SO₃
nach „
„
200,0
„
115,6
„
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Zunahme
59,0
mit
9,9
SO₃
9g,9 Schwefelsäureanhydrid entsprechen 13g,2 Schwefelsäure von 66°, und diese
Quantität war demnach der Zerlegung in dem glühenden Eisenrohre entgangen.
Subtrahirt man dieselbe von der beobachteten Gewichtszunahme, so erhält man die
Menge des Wassers, welches bei der Zersetzung der übrigen Schwefelsäure entstanden
war und in der Vorlage
zurückgehalten wurde, also 59,0 – 13,2 = 45g,8 Wasser. Der Inhalt des Trockengefäßes
bestand demnach nach beendetem Versuch aus:
g
141,0
als Trockenmittel angewendeter 66gradiger Schwefelsäure,
13,2
unzersetzt überdestillirter 66gradiger Schwefelsäure,
45,8
Wasser, durch Zersetzung der Schwefelsäure beim Passiren der glühenden
Röhre entstanden.
–––––––––––
200,0
Gewicht nach der Operation.
45g,8 Wasser entsprechen 183g,2 Schwefelsäure von 66° = 75 Proc.
Anhydrid; rechnet man diesen die 13g,2
unzersetzt überdestillirter Schwefelsäure zu, so erhält man die Summe von 196g,4, – eine Ziffer, welche mit der
thatsächlich verwendeten Menge von 195g,0
Schwefelsäure hinlängliche Uebereinstimmung zeigt. Es geht ferner aus der
Untersuchung des Vorlageninhaltes hervor, daß von der der Erhitzung unterworfenen
Säure ungefähr 93 Proc. in schwefelige Säure, Sauerstoff und Wasser zerfielen.
b) Um nun aber zu erfahren, in welchem Maße die
Wiedervereinigung der schwefeligen Säure mit dem Sauerstoff durch den als
Contactsubstanz angewendeten platinirten Asbest erfolgt, wie viel also Anhydrid
gebildet worden sei, brachte man die in der letzten Vorlage enthaltene alkalische
Flüssigkeit auf ein bestimmtes Volum, pipettirte einen Theil heraus und bestimmte
die darin enthaltene schwefelige Säure durch Titriren mit Jodlösung. Es zeigte sich,
daß im Ganzen 22g,6 schwefelige Säure der
Vereinigung mit Sauerstoff entgangen waren, denen entsprechend 5g,6 Sauerstoff in freiem Zustande entwichen
sein mußten.
Es bestanden also die erhaltenen Producte aus:
g
13,2
unzersetzter Schwefelsäure von 66°
45,8
Wasser
22,6
schwefliger Säure
5,6
Sauerstoff
107,8
Schwefelsäureanhydrid (aus der Differenz ermittelt)
––––––––
195,0
Es sind somit von dem Anhydridgehalt
der überhaupt angewendeten Schwefelsäure
73,7 Proc.
der wirklich zur Zerlegung gelangten Schwefelsäure
78,4 „
in Gestalt von rauchender Schwefelsäure ausgebracht worden.
Annähernd dieselben Resultate wurden bei einem zweiten, unter denselben
Verhältnissen angestellten Versuch erhalten.
Diese Ergebnisse sind derart, daß ein Weiterbau auf der gegebenen Grundlage selbst
dann lohnend erscheint, wenn man eine doch gewiß mögliche Vervollkommnung des
Verfahrens vorläufig ganz außer Betracht läßt. Mag auch wirklich ein Theil der
Schwefelsäure der Zersetzung entgehen, mag ferner die Wiedervereinigung des
getrockneten Gasgemenges von schwefeliger Säure und Sauerstoff auf dem Wege der
Contactwirkung auch beim Großbetriebe nur in dem Grade erfolgen, wie es beim
vorstehenden Versuche beobachtet wurde, so bleibt dies doch fast ohne Belang, wenn
man gleichzeitig ein Bleikammersystem zur Verfügung hat, wenn man also die
Fabrikation der rauchenden Schwefelsäure mit derjenigen der englischen gemeinsam betreibt, wie sich das auf jeden Fall empfehlen
möchte. Es ist dann die Möglichkeit gegeben, ebensowohl die gasförmigen, wie die
flüssigen Abfallproducte in den großen Turnus zurückzuführen und dadurch ohne
wesentlichen Kostenaufwand immer wieder nutzbar zu machen.
Das Vorhandensein eines Kammersystems sammt den zugehörigen Reinigungs- und
Abdampfvorrichtungen vorausgesetzt, würde sich die Fabrikation von rauchender
Schwefelsäure im großen Maßstabe ohne Schwierigkeit betreiben lassen und zwar
ungefähr, wie folgt.
1. Zersetzung der englischen Schwefelsäure. Man denke sich
einen Ofen von der Einrichtung der Retortenöfen der Gasanstalten, in welchen eine
Anzahl der üblichen thönernen Gasretorten derartig eingelegt ist, daß sowohl ihr
vorderes, wie auch ihr hinteres Kopfende in das Gemäuer des Ofens eingelassen ist.
Dieselben sind vollkommen mit groben Stücken eines feuerfesten Materials, wie Quarz,
Chamottesteinen, Tiegelscherben u. dgl. angefüllt und tragen vorn das gewöhnliche
Mundstück mit dem Gasabzugsrohr, während in ihre Hinterwand eine Welter'sche
Trichterröhre aus Schmiedeisen dicht eingesetzt ist. Durch diese fließt, während der
Ofen sich in heller Rothglut befindet, in continuirlichem Strahle Schwefelsäure von
66°Wahrscheinlich wird, was ein wesentlicher Gewinn wäre, auch schon 60gradige,
ja vielleicht noch dünnere Säure genügen. ein und gelangt in dem glühenden Raume sofort zur Verdampfung und Zerlegung.
Möglicherweise würden stehende Retorten den Zweck noch leichter und vollständiger
erreichen lassen, als liegende, was hier mit erwähnt sein möge, natürlich aber nur
durch den Versuch entschieden werden kann.
2. Condensation des Wasserdampfes. Das auf solche Weise in
gleichförmigem Strome erhaltene Gemenge von schwefeliger Säure, Sauerstoff und
Wasserdampf wird aus den verschiedenen Retorten einem als Vorlage dienenden
Hauptrohre zugeführt und gelangt von da nach dem Condensator, in welchem sich die
größte Menge des Wasserdampfes sammt der mitgerissenen Schwefelsäure verdichtet.
Derselbe würde zweckmäßig durch ein System von Bleiröhren gebildet werden, das man
durch Luftzug oder Wasser in steter Kühlung erhält, und für dessen Construction
wiederum die Theer- und Theerwasser-Condensatoren der Gasfabriken als
Muster dienen könnten. Die aus dem Condensator abfließende dünne Säure von
vielleicht 15 bis 20° B. würde man wohl am besten der Bleikammer zuführen,
zumal sie stark mit schwefeliger Säure beladen ist.
3. Trocknung des Gasgemisches. Um dem Gase den letzten
Rest von anhaftendem Wasserdampf zu entziehen, muß man es einer sorgfältigen
Trocknung unterwerfen. Hierzu kann eine Einrichtung dienen, welche an die Scrubber
der Gasanstalten, oder mehr noch an den Gay-Lussac-Thurm erinnert. Man
läßt das Gas von unten in einen Thurm von Bleiblech treten, welcher mit grobem Coaks
oder gezahnten Bleidächern erfüllt ist, über welche ein steter Regen von 60gradiger
SchwefelsäureNach bei anderer Gelegenheit im Großen gemachten Erfahrungen vermag 60gradige
Säure vollkommen austrocknend auf Gase zu wirken. niederrieselt. Sollte sich ein einziger solcher Thurm nicht als ausreichend
erweisen, so läßt sich noch ein zweiter in Anwendung bringen, den man vielleicht
über dem ersten aufstellen könnte, so daß die aus dem höher gelegenen Thurm
abfließende Säure gleich den darunter befindlichen zu speisen vermag. Von diesem aus
führt man sie, wenn sie unwirksam geworden, auf die Bleipfannen, wo sie die frühere
Concentration zurückerlangt.
4. Umwandlung des Gasgemisches in Schwefelsäureanhydrid.
Das Gasgemisch kann nun, behufs seiner Umwandlung in Schwefelsäureanhydrid, der
Einwirkung des glühenden Asbestes ausgesetzt werden. An die anscheinende
Kostspieligkeit dieser Contactsubstanz stoße man sich nicht; bei den oben erwähnten
Versuchen im Kleinen vermochte man innerhalb weniger Stunden mehrere Kilogramm
rauchender Schwefelsäure zu erzeugen, und wenn man das Experiment hätte fortsetzen
wollen, so wären auf das Leichteste Kilogramme des reinen Anhydrids herzustellen
gewesen. Und trotzdem betrug die Menge des angewendeten platinirten Asbestes nur
gegen 30g, ungefähr 2g,5 Platin entsprechend. Der platinirte
Asbest ist eben sehr voluminös und in Folge dessen sehr wirksam, so daß die
Anwendung von 50 bis 100k desselben schon
für einen ziemlichen Großbetrieb genügen dürfte. Wie gering ist aber die Ausgabe für 8k Platin gegenüber dem Geldaufwand, welche
die Beschaffung eines einzigen Platinkessels erfordert!
Man will ferner die Beobachtung gemacht haben, daß das feinzertheilte Platin, und
somit wohl auch der platinirte Asbest, im Laufe der Zeit seine Wirksamkeit als
Contactsubstanz einbüßt. Es ist dies jedoch nur dann der Fall, wenn fremdartige
Stoffe, Asche, Flugstaub, Ruß u. dgl. sich allgemach darauf ablagern und die
Berührung zwischen Gas und Platin hindern. Das ist nun unter den hier obwaltenden
Verhältnissen ganz und gar nicht zu befürchten, da das Gasgemisch zunächst gar keine
Gelegenheit zur Verunreinigung findet, außerdem aber einen förmlichen Waschproceß
durchmacht. Uebrigens wäre die Rückgewinnung des Platins und seine Uebertragung auf
frischen Asbest, wenn sie wirklich einmal nöthig werden sollte, eine ebenso
einfache, als billige Arbeit.
Die Wirkung des platinirten Asbestes auf das Gemenge von schwefeliger Säure und
Sauerstoff beginnt schon bei kaum sichtbarer Glühhitze und deshalb wird sich bei der
Operation im Großen die Wärme der aus dem Schwefelsäure-Zerlegungsofen
abziehenden Schürgase verwenden lassen. Man übersetzt diesen Ofen mit einem zweiten
Raum, der die Gestalt einer niedrigen Muffel haben kann und in welchen die Schürgase
durch das untere Ofengewölbe eingeführt werden, um, nachdem sie ihn passirt, in die
Esse zu entweichen. In diese Muffel legt man mehrere aus feuerfestem Thon
hergestellte und mit Porzellanglasur versehene Röhren ein, die lose mit platinirtem
Asbest gefüllt werden und in welche das Gasgemisch, nachdem es den Trockenthurm
verlassen, übertritt. Das sofort entstehende Schwefelsäureanhydrid führt man durch
weite, ebenfalls glasirte Thonrohre ab und kann es nun entweder in einer Bleikammer
als solches zur Verdichtung bringen, oder in Schwefelsäure lösen, um diese rauchend
zu machen. Soll letzteres geschehen, so läßt man die Dämpfe des Anhydrids in einen
bleiernen, mit gezahnten Bleidächern ausgesetzten Thurm treten, durch den ein steter
Regen von 66gradiger Säure rieselt; man bemißt den Säurezufluß derartig, daß diese
den Thurm in rauchendem Zustand verläßt und von diesem weg gleich auf Ballons
gefüllt werden kann, worauf sie zum Versandt fertig ist. Möglicherweise erfordert
auch diese letzte Operation die Anwendung mehrerer Thürme, die dann ebenfalls
zweckmäßig über einander zu stellen wären, damit die Säure selbstthätig von einem
zum anderen fließen und sich so allmälig sättigen kann.
Sollte nun endlich die Vereinigung von schwefeliger Säure und Sauerstoff auch im
Großen nicht ganz vollständig erfolgen, so kann man den Rest des Gasgemisches in die
Bleikammer einführen, wo es in der gewöhnlichen Weise von selbst zur Verdichtung
gelangt.
Im Anschluß hieran sei noch bemerkt, daß man das Gemenge von schwefeliger Säure und
Sauerstoff ebensogut durch starkes Erhitzen von Vitriolstein oder anderen
wasserfreien Sulfaten in großen Destillationsgefäßen,
z.B. in Zinkmuffeln, erzeugen und durch platinirten Asbest in Schwefelsäureanhydrid
überführen kann, ein Verfahren, bei welchem man allerdings Rückstände erhalten,
dafür aber keine Trocknung des Gases nöthig haben würde. Jedenfalls umginge man auf
diese Weise die jetzigen Lästigkeiten der Oleumdarstellung, würde an Gefäßen und
Arbeitslohn sparen und könnte leichter einen Massenbetrieb einrichten. Immerhin
stellt sich die beschriebene Umwandlung der englischen Schwefelsäure in rauchende
als ein vollkommener Proceß dar, abgesehen davon, daß sie – was von
Wichtigkeit sein kann – keinen Flugstaub liefert.
Aus obigem Entwurfe dürfte zur Genüge hervorgehen, daß das vorgeschlagene Verfahren
zur Darstellung von rauchender Schwefelsäure für den Großbetrieb recht wohl geeignet
ist und daß es gegen die jetzige schwerfällige Methode sehr viel voraus hat.
Abgesehen davon, daß es sich an die Fabrikation der englischen Schwefelsäure eng
anschließt, gestattet es einem continuirlichen und unbeschränkten Betrieb, der weder
umfängliche und kostspielige Einrichtungen, noch besondere Kunstfertigkeit der
Arbeiter voraussetzt, nur geringer Ueberwachung bedarf und keine Abfallproducte
liefert, die nicht sogleich wieder verwerthet werden könnten. Hierzu kommt aber
noch, daß man es vollkommen in der Hand hat, eine mehr oder minder stark rauchende
Säure darzustellen, ja, daß es möglich wird, das reine Schwefelsäureanhydrid in
beliebigen Qanten und voraussichtlich zu mäßigen Preisen in den Handel zu bringen.
Mit diesem mächtig wirkenden Agens könnte möglicherweise der chemischen Industrie
ein Geschenk von höchstem Werthe gemacht werden und das wäre ein Grund mehr, um den
im Vorstehenden ausgesprochenen Vorschlägen die Berücksichtigung zu schenken, um
welche hiermit gebeten wird.
Freiberg, 10. September 1875.