Titel: | Analyse der Kämm-Maschinen-Erfindungen; von A. Lohren. |
Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 445 |
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Analyse der
Kämm-Maschinen-Erfindungen; von A. Lohren.Mit Bewilligung aus dem nun complet vorliegenden Werke: Die Kämm-Maschinen f[r Wolle, Baumwolle, Flachs und Seide, geordnet nach ihren Systemen, von A. Lohren, Director der Berlin-Neuendorfer
Actien-Spinnerei. 175 S. in gr. 8. Mit 22 Tafeln in Folio. Preis 35 M.
(Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. Stuttgart
1875.)Nachdem Lohren die Grundbedingungen des Reinkämmens
und die Mittel zur Ausführung derselben durch das ganze Gebiet der Erfindungen
eingehend betrachtet hat, unternimmt der Verfasser zum Schluß seines Werkes eine
vergleichende wissenschaftliche Behandlung des Gegenstandes und untersucht die
Gesetze, welche den reichen Quell so vieler überraschenden Constructionen
bilden. – Dieser Abschnitt ist nicht nur höchst interessant, sondern
gewährt zugleich einen sehr lehrreichen Ueberblick
über die Haupteinrichtung der wichtigsten Kämm-Maschinen, weshalb wir
hier das betreffende Capitel zum Abdruck bringen.D. Red.
Mit Abbildungen auf Taf.
IX.
Lohren, Analyse der Kämmmaschinen Erfindungen.
Es ist gezeigt worden, daß die Aufgabe des Kämmens eine fast mathematisch genau
bestimmbare ist, darin bestehend, die guten und langen Fasern zu trennen von den
Unreinigkeiten und den kurzen Fasern. Die Mittel, welche zur Ausführung dieser
Aufgabe angewendet werden, haben wir ihrem Principe nach als dieselben erkannt,
deren sich ein Jeder beim Kämmen einer Faser mit der Hand bedient. Dieselben
bestehen in der „Hand“, welche die Faser festhält, und in dem
„Kamm“, welcher das freie Faserende auskämmt. Zuerst hält
man das eine, vordere Faserende fest, und kämmt das zweite, hintere Ende; dann
erfaßt man das rein gekämmte hintere Ende und kämmt das vordere Faserende aus. Das
ist der uralte Handproceß.
Ganz ebenso verfährt man beim mechanischen Kämmen, nur daß an die Stelle der
„Hand“ eine „Zange“ tritt.
„Kamm“ und „Zange“ sind die Grundelemente jeder
Kämm-Maschine.
In manchen Fällen ist es möglich, die Function der Zange ebenfalls von einem Kamm
ausführen zu lassen, und wir erhalten sodann eine Kamm-Maschine, in welcher
„nur Kämme“ als Elemente vorkommen.
Hiernach lassen sich sämmtliche Kämm-Maschinen in zwei große Gruppen
eintheilen:
I. Kämm-Maschinen ohne Zange, nur mit Kämmen
arbeitend,
II. Kämm-Maschinen mit Zange und Kamm.
Der Erfinder der ersten Classe von Maschinen ist Edmund Cartwright, der der zweiten Josua Heilmann.
Ueberblicken wir die Gruppe der Kämm-Maschinen, welche ohne Zange, also einzig
und allein mit Hilfe von Kämmen arbeiten, so finden sich nur zwei, welche die
Aufgabe des vollkommenen Reinkämmens gelöst haben, nämlich die
Square-Motion-Kämm-Maschine von Holden
Die Square-Motion oder Rechteckbewegung für Nadelstäbe, welche Holden eingeführt hat, ist in diesem Journal,
1871 201 198 mit Abbildungen beschrieben.D. Red., und die Kämm-Maschine von Noble mit Bradley's radial verschiebbaren Nacteur-Segmenten
(vergl. 1875 216 483). Alle übrigen Maschinen dieser
Gruppe gehören der Vergessenheit an, weil sie die Grundbedingungen des absoluten
Reinkämmens nicht erfüllen.
Worin diese Grundbedingungen bestehen, ist in der Einleitung dieses Werkes entwickelt
worden und kann nicht genug hervorgehoben werden, wenn man die Erfindungen richtig
beurtheilen lernen will. Dieselben lassen sich dahin zusammenfassen, daß nicht blos
das vordere Faserende α und das hintere Faserende
γ, gekämmt werden müssen, sondern mit ganz
besonderer Sorgfalt darauf zu sehen ist, daß kein Punkt β in der Mitte der Faser ungekämmt bleibe.
Diese letzte Bedingung ist es, welche fast unübersteigliche Schwierigkeiten in all
den Constructionen darbietet, die ohne Hilfe einer Zange das Reinkämmen bewirken
wollen.
Zur Ausführung der drei Arbeiten, des Kämmens der Fasertheile α, β und γ sind
mindestens drei Elemente nothwendig, also entweder
drei Kämme oder
zwei Kämme und eine Zange oder
ein Kamm und zwei Zangen.
Nimmt man nur zwei Elemente, also entweder einen Kamm und eine Zange, oder zwei
Kämme, so ist es im ersten Falle unmöglich, diejenigen Punkte der Faser zu kämmen,
welche zwischen der Zange eingeklemmt sind; im anderen Falle ist es ebenso
unmöglich, die Punkte zu kämmen, welche zwischen beiden Kämmen sowie in
unmittelbarer Nähe der ersten Nadelreihe eines jeden Kammes liegen. Diese Punkte
sind es, welche diejenige Faserstrecke bilden, die wir mit dem Buchstaben β bezeichnen, und welche die Anwendung eines
dritten Elementes zur unbedingten Nothwendigkeit machen.
Nur wenige Constructionen beschränken sich auf diese kleinste Anzahl von drei
Elementen, in vielen treten dieselben in größerer Zahl auf.
Die größte Mannigfaltigkeit der Constructionen entsteht nun dadurch, daß jedes dieser
Elemente in drei verschiedenen, praktisch erprobten Formen auftreten kann, und
zwar
a) in gerader Form,
b) in kreisförmiger Form,
c) in cylinderförmiger Form.
Hiernach haben wir zu unterscheiden;
a) gerade Kämme und gerade Zangen,
b) kreisförmige Kämme und kreisförmige Zangen,
c) cylinderförmige Kämme und Zangentrommeln.Unter Zangentrommel verstehen wir einen rotirenden Cylinder, in dessen Mantel
mehrere Zangen angeordnet sind. Cylinderförmige Zange kann man dieselbe
nicht bezeichnen, weil hierunter eine aus zwei Cylindern oder Walzen
bestehende Zange zu verstehen wäre. Zwei Cylinder bilden aber nur dann eine
gange in unserem Sinne, wenn die beiden Backen der Zange, also in diesem
Falle die beiden Cylinder sich öffnen und schließen, um die Fasern bald
einzuklemmen, bald loszulassen. Dieselbe ist alsdann ihrem Principe nach
eine gerade Zange und muß als solche classificirt werden.
Bezeichnen wir nun mit
a¹
den
geraden
Kamm
zum
Kämmen
von
α
b¹
„
„
„
„
„
„
β
c¹
„
„
„
„
„
„
γ
a²
den
kreisförmigen
„
„
„
„
α
b²
„
„
„
„
„
„
β
c²
„
„
„
„
„
„
γ
a³
„
cylinderförmigen
„
„
„
„
α
b³
„
„
„
„
„
„
β
c³
„
„
„
„
„
„
γ.
p¹
die
gerade
Zange
zum
Einklemmen
von
α
q¹
„
„
„
„
„
„
γ
p²
„
kreisförmige
„
„
„
„
α
q²
„
„
„
„
„
„
γ
p³
„
Zangentrommel
„
„
„
α
q³
„
„
„
„
„
γ
Fragen wir nun, wie viel arithmetische Combinationen zu drei und mehr Elementen
zwischen diesen 15 Grundorganen möglich sind, um eine Kämm-Maschine zu
bilden, so erhalten wir eine schwindelnd große Zahl. Dieselbe erklärt die Menge der
Patente, welche für Kämm-Maschinen bereits genommen worden sind, und gibt den
Patent-Prüfungs-Commissionen zugleich eine angenehme Perspective in
die reiche Zukunft dieses dankbaren Gebietes.
So interessant es wäre, aus diesen arithmetisch möglichen Combinationen diejenigen
herauszusuchen, welche praktisch ausführbar sein möchten, so müssen wir uns doch
damit begnügen, die wichtigsten und bekanntesten Erfindungen nach ihren Elementen zu
analysiren.
Da haben wir in vorderster Reihe die berühmte Erfindung von Cartwright selbst. Dieselbe besteht nach Diagramm Figur 1
aus dem kreisförmigen Kamm a²
und dem cylinderförmigen Kamm c³.
Ihr analytisches Zeichen ist also
a², c³.
Die Faserstrecke β, das heißt diejenigen Punkte
der Faser, welche dicht an der äußeren Nadelreihe des Kammes a² eingeschlagen und festgehalten waren, werden nicht gekämmt.
In Fig. 2 ist
die von Ramsbotham und Brown
verbesserte Kämm-Maschine skizzirt. Der kreisförmige Kamm a² zur Aufnahme der Faserenden α ist derselbe, wie in Cartwright's Maschine. An
Stelle des Kammes c³ dagegen ist ein Kämmapparat
mit geraden Kammstäben c¹ getreten. Die
Faserstrecke β bleibt auch hier ungekämmt. Die
Formel dieser Maschine ist also
a², c¹.
Zu einer vollkommenen Kämm-Maschine wurde die vorige Construction erst dann,
als Isaac Holden 1857 den kreisförmigen Nacteur b² einschaltete, wie dies im Diagramm Fig. 3
angedeutet ist. Die Constructionsformel der Holden'schen Maschine ist sonach
a², b², c¹.
Außer obigen drei Maschinen ist noch Rawson's
Ketten-Kämm-Maschine von praktischer Bedeutung, namentlich zum Kämmen
sehr langer Wollen. Da die Kettenkämme eine gerade Form haben, so erhalten wir für
diese Maschine nach Fig. 4 die sehr einfache Formel
a¹, c¹.
Wird Rawson's Maschine mit kreisförmigem Kamm gebaut, so
müssen die Nadelstäbe des Einschlagapparates dieselbe Kreisform annehmen, und die
Formel ist dann
a², c².
Dies ist dieselbe Formel, welche die 1853 von Noble
erfundene Maschine besitzt. Die Wirkung beider ist in der That auch ganz dieselbe.
Beide Maschinen nehmen keine Rücksicht auf die Faserstrecke β, und können nur unvollkommene Arbeit liefern. Schaltet man aber,
nach Fig. 6,
die von Bradley 1871 angegebenen Radialsegmente in
Noble's Maschine ein, so erhält man eine vollkommene Construction, bestehend aus den
drei kreisförmigen Kämmen
a², b², c².
Auch die Maschinen des Opelt-Wieck'schen Systems
arbeiten nur mit Kämmen und ganz ohne Anwendung von Zangen. Die ältere Form dieser
Kämm-Maschine besteht nach Fig. 7 aus einer
Kammtrommel a³ und aus den Krempelwalzen c³. Die Enden γ werden von den Krempelwalzen
c² gekämmt, während die Enden α erst beim Ausziehen der Fasern aus den
Kammzähnen a³ gereinigt werden. Die Formel ist
also
a³, c³.
Diese Maschine wurde erst dann zu einer vollkommenen, als das Abstechen der
Faserbärte mit Hilfe eines dritten, geraden Vorstechkammes b¹ eingeführt wurde. Dieser Kamm wurde in die rein gekämmten
Faserenden γeingestochen, so daß beim Ausziehen nicht blos die Enden α, sondern auch die Faserstrecken β gereinigt werden mußten. Das analytische
Zeichen für diese verbesserte Combination ist also
a³, b¹, c³.
Hiermit sind die wichtigsten Kämm-Maschinen der ersten Gruppe erledigt, und
wir kommen nunmehr zu den Constructionen mit Zange. Als
principiell sehr einfach und klar durchdacht tritt uns da zuerst die
Wiener-Weltausstellungs-Kämm-Maschine von Little und Eastwood (beschrieben 1873 209 161) entgegen. Dieselbe besteht nach Fig. 8
aus den kreisbogenförmigen Speisekämmen c²,
der Zangentrommel p³ und
dem Kreiskamm a².
Ihr analytisches Zeichen ist also
a², c², p³.
Dieser Maschine am nächsten steht die altberühmte Kämm-Mäschine von Lister, in ihren zwei bekannten Formen mit Kreiskamm und
mit Kettenkamm. Im ersten Falle besteht dieselbe nach Fig. 9 aus
den bogenförmigen Speisekämmen c²,
der bogenförmigen Zange p²
und
dem Kammring a².
Im letzteren Falle besteht die Maschine aus
den geraden Kämmen c¹,
der geraden Zange p¹ und
den geraden Kettenkämmen a¹.
Ihre Formel ist also
a², p², c² beziehungsweise a¹, p¹, c¹.
Da der Uebertragungskamm eine kämmende Wirkung nicht besitzt, sondern blos ein
vermittelndes Glied der Construction ist, kann er zu den Elementen nicht gerechnet
werden.
Zu noch größerer Einfachheit in den elementaren Theilen hat es 1869 Imbs gebracht. In seiner Maschine findet sich nach Fig. 10
eine gerade Speisezange q¹,
ein gerader Kamm a¹ und
eine gerade Abreißzange p¹.
Die Formel dieser Maschine lautet daher
a¹, p¹ q¹.
Das oben erwähnte Verfahren des Reinkämmens mit der Hand ist hier in der
allereinfachsten Weise nachgeahmt, indem man jedem der drei Elemente eine
schwingende Bewegung ertheilt. Betrachtet man aber die ausführenden Mittel und die
schwierige Behandlung, so möchte es fast scheinen, daß die Kämm-Maschinen,
welche dem Principe nach am einfachsten sind, in der mechanischen Ausführung die
complicirtesten Mechanismen erfordern.
In den Kämm-Maschinen, welche den Namen des großen Erfinders der
„Zange“ tragen, finden sich stets mehr als drei Elemente in
einer Construction.
Die Heilmann'sche Baumwoll-Kämm-Maschine ist
in den Diagrammen 11 und 12 in zwei charakteristischen Stellungen skizzirt. Fig. 11 zeigt
die Stellung der arbeitenden Theile während des Kämmens der vorderen Faserenden α, Fig. 12 diejenige während
des Kämmens der Fasermitten β und hinteren
Faserenden γ.
Hierzu dienen
eine Speisezange q¹,
ein Kammsector a³,
ein Vorstechkamm b¹ und
eine Abreißzange p¹.
Letztere wird von dem Ledersector der Kammwalze und dem
schwingenden oberen Abreißcylinder gebildet. Die Formel ist also
a³, b¹, p¹, q¹.
In der Heilmann'schen Kämm-Maschine für Wolle und für Werg kommen die geraden
Speisekämme c¹ Fig. 13 noch dazu, und
die Constructionsformel lautet
a³, b¹, c¹, p¹, q¹.
Ganz dieselben Elemente finden wir in der Kämm-Maschine des Amerikaners Whipple wieder, nur in abweichender Lage zu einander.
Nach Fig. 14
haben wir hier einen Kammcylinder a³ zum Kämmen
des Faserbartes α, die geraden Speisekämme c¹ zum Kämmen der Enden γ und den Vorstechkamm b¹ zum
Kämmen der mittleren Faserpunkte β. Die Zange p¹ sowohl wie die Zange q¹ bestehen aus zwei geraden Zangenbacken.
Dimock's Baumwoll-Kämm-Maschine besteht
nach Fig. 15
aus der Kammwalze c³ zum Kämmen der Faserenden
γ, der Kammwalze a³ zum Kämmen der Enden α und
den Zangentrommeln p³ und q³. Die Faserstrecke β, d.h.
diejenigen Punkte der Faser, welche beim Kämmen der Enden γeingeklemmt
waren, werden ebenfalls von der zweiten Kammwalze a³ gereinigt. Das analytische Zeichen dieser Maschine ist also
a³, c³, p³, q³.
Sehr einfach ist wiederum die Formel für die Baumwoll-Kämm-Maschine von
Hübner. Diese besteht nach Fig. 16
aus der kreisförmigen Zange q²,
dem Kammercylinder a³ und
dem kreisförmigen Nacteur b².
Letzterer übernimmt auch die Arbeit des Reinkämmens der
hinteren Faserenden γ. Die Constructionsformel
ist also
a³, b², q².
In den Seiden-Kämm-Maschinen von Tongue,
Lister und Warburton wird die Zahl der Elemente um so größer, je öfter das Material
gekämmt werden muß, um es vollkommen rein zu bekommen.
In der einfachsten Form bestehen diese Maschinen nach Fig. 17
aus dem kreisförmigen Speisekamm c²,
dem kreisförmigen Nacteur b²,
den cylinderförmigen Kämmen a³
und
der kreisförmigen Zange q².
Daher die Formel
a³, b², c², q².
Lister's doppelköpfige Seidenkämm-Maschine hat
dieselbe Zahl von Elementen, und zwar nach Fig. 18
einen kreisförmigen Speisekamm c²,
eine tangirende Kreiszange p²,
einen cylinderförmigen Kamm c³
und
einen Ausziehkammring a².
Ihre Formel ist daher
a², c², c³, p².
Die größere dreiköpfige Maschine Lister's dagegen arbeitet nach Fig. 19 mit sechs
Elementen, nämlich mit
einem Kreiskamm c² zum
ersten Kämmen der Faserenden γ,
einer Kreiszange p² zum
Einklemmen der Enden α,
einem cylinderförmigen Kamm c³ zum zweiten Kämmen der Faserenden γ,
einer Kreiszange q² zum
Einklemmen der Faserenden γ,
einem cylinderförmigen Kamm a³ zum Kämmen der Faserenden α,
einem großen Kreiskamm a²
zum Nachkämmen von β und α beim Ausziehen.
Ihr analytisches Zeichen ist also
a², a³, c², c³, p², q².
Diesen Constructionen schließt sich in Fig. 20 die vom Verfasser (vergl. 1875 216
487) verbesserte Noble'sche Kämm-Maschine mit Kreiszangen-Abzugapparat
an, mit der Formel
a², b², c², q².