Titel: | Der Kupfer-Stahl-Draht für Telegraphenleitungen aus der Fabrik der Gebrüder Siemens in Woolwich. |
Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 384 |
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Der Kupfer-Stahl-Draht für
Telegraphenleitungen aus der Fabrik der Gebrüder Siemens in
Woolwich.
Mit Abbildungen.
Kupfer-Stahl-Draht für
Telegraphenleitungen.
Der Kupfer-Stahl-Draht (Compound Telegraph
Wire) ist zwar eine verhältnißmäßig neue Erfindung; dennoch hat derselbe
bereits eine sehr ausgedehnte Anwendung gefunden in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika, in Brasilien, Laplata, Centralamerika, Rußland, Japan, China und bei
verschiedenen europäischen Telegraphenverwaltungen, namentlich auch für den
Militärtelegraphendienst. In allen Fällen ist man mit diesem Drahte ganz zufrieden
gewesen, wegen der vielen Vorzüge, welche er vor dem sonst ausschließlich
verwendeten galvanisirten Eisendrahte besitzt. Dadurch fanden sich die Gebrüder Siemens in London veranlaßt, eine Uebereinkunft
mit den Erfindern dahin zu treffen, daß sie den Kupfer-Stahl-Draht in
ihrer Fabrik in Woolwich anfertigen.
Der Kupfer-Stahl-Draht enthält als Seele einen verzinnten Stahldraht
von der vorzüglichsten Güte; um diese Seele liegt ein auf beiden Seiten verzinnter
dünner Kupferstreifen. Der Kupferstreifen wird für jede Stahldrahtdicke so gewählt,
daß seine Breite dem Umfange des Stahldrahtquerschnittes eben gleicht. Der
Stahldraht geht mit dem Streifen zugleich durch ein Zieheisen hindurch; bei der
Zuführung zu diesem Zieheisen jedoch läuft der bereits beiderseits verzinnte
Kupferstreifen durch eine Ziehöffnung, welche ihn, als Vorbereitung für das
darauffolgende Ziehen, fortlaufend querüber soweit halbrund (⌣) biegt, daß er
dann beim Ziehen sich leicht um den Stahldraht herumlegen kann. Bei diesem Ziehen
selbst werden die beiden Längsränder des im Querschnitte bereits halbrunden
Streifens vollends an einander gelegt; die so entstehende Naht läuft jedoch, weil
der Draht während des Ziehens ein wenig gedreht wird, nicht parallel zur Achse des
Drahtes, sondern sie läuft in steilen Spiralen (unter kleinem Winkel gegen die Achse
des Drahtes) um den Draht herum. Durch die beim Durchgange durch das Zieheisen
entwickelte Wärme wird das Zinn flüssig und dadurch wird der Stahldraht und der
Kupferstreifen zu einem Ganzen fest zusammen gelöthet, welches sich durch geringes
Gewicht, große Festigkeit und hohes Leitungsvermögen für die Elektricität
auszeichnet.Die Art und Weise, wie dieser von dem bekannten amerikanischen
Telegraphen-Ingenieur Moses G. Farmer und
Georg Milliken in Boston erfundene
Kupfer-Stahl-Draht in der Fabrik einer New-Yorker
Compagnie, welche ein Monopol auf seine Herstellung erworben hatte,
hergestellt wurde, ist ausführlicher in dem Journal
télégraphique (Bd. 2 S. 296) beschrieben. Tort wurde
die Seele aus sorgfältig ausgewählten Gußstahlstäben gezogen,
wiederholt abgebeizt und ausgeglüht, endlich unmittelbar aus einem Kalkbade
durch ein Bad aus geschmolzenem Zinn gezogen. Ein Kupferband (aus bestem
Kupfer vom Lake Superior) wurde darauf von einer
Spule sehr fest in Spiralwindungen um die Seele gewickelt und schließlich
wurde der ganze soweit fertige Draht nochmals verzinnt. Verpackt wurde der
Draht in Rollen von 1600 bis 2400m;
dabei waren zu einer Rolle von 1600m Länge etwa 3 Drahtlängen erforderlich, welche mit ihren Enden in
einer eigenthümlichen Weise an einander gelöthet wurden.
Wie bedeutende Vorzüge der Kupfer-Stahl-Draht vor dem Eisendrahte
besitzt, läßt die nachfolgende Tabelle erkennen, in welcher die Maße und das Gewicht
beider Drahtsorten bei gleichem Leitungsvermögen aufgeführt sind; zugleich sind die
Preise des Kupfer-Stahl-Drahtes beigefügt.
Textabbildung Bd. 217, S. 385
Eisendraht;
Kupfer-Stahl-Draht; Durchmesser; mm; engl. Zoll; Gewicht per
Statute Mile von 1760 Yards; engl. Pf.; Gewicht des für 1 Statute
Mile (einschließlich 5 Proc. Durchsackung) erforderlichen Drahtes; Centner;
Leitungsvermögen oder elektrischer Widerstand per Statute Mile in Siemens'schen
Einheiten bei 59° F. (15° C.) für Eisen- und
Kupfer-Stahl-Draht; Zugfestigkeit; Preis für 1 Statute Mile, frei
an Bord in London; ₤; s
Das Gewicht des gewöhnlichen Eisendrahtes ist bei gleichem Leitungsvermögen 3mal so
groß wie das des Kupfer-Stahl-Drahtes. Das geringe Gewicht des
letzteren gegenüber dem Gewicht des gewöhnlichen Eisendrahtes von gleichem
Leitungsvermögen bietet aber für den Bau von Telegraphenlinien einen höchst
wichtigen Vortheil, besonders in Gegenden, wo der Transport der Materialien
kostspielig ist; denn dadurch werden etwa 67 Proc. von den Transportkosten
erspart.
Außerdem ist der Bau der Linien bei Anwendung von Kupfer-Stahl-Draht
billiger, weil das geringe Gewicht ein Ersparniß an Zeit und Arbeit im Gefolge hat;
auf die englische Meile kommen bei dem Kupfer-Stahl-Draht nur 2 bis 3
Verbindungsstellen. Zugleich können die Säulen bei dem geringen Gewichte dieses
Drahtes eine größere Anzahl Drähte tragen, wie bei Benützung von Eisendrähten; endlich
kann man für den Kupfer-Stahl-Draht auch leichtere und billigere
Isolatoren anwenden. Bei gleicher Anzahl von Säulen in einer Linie von gegebener
Länge wird dieselbe, wenn sie aus Kupfer-Stahl-Draht hergestellt wird,
beständiger und dauerhafter sein, als eine mit Eisendraht gebaute. Da der Zug und
das auf den Säulen liegende Gewicht kleiner ist, so muß die Linie selbst
nothwendiger Weise standfähiger sein; bei seinem geringeren Durchmesser aber bietet
der Kupfer-Stahl-Draht eine kleinere Fläche für den Druck des Windes,
für das Anlegen von Schnee und Reif u.s.w. dar, und deshalb kommen bei ihn: weit
seltener Linien-Unterbrechungen vor.
Weil ferner bei dem Kupfer-Stahl-Draht die Stahlseele durch eine
verhältnißmäßig dicke und überdies verzinnte Kupferhülle geschützt ist, so rostet
dieser Draht nicht wie Eisendraht und ist deshalb wieder weniger dem Zerreißen
ausgesetzt. Daß er in dieser Beziehung wesentlich vortheilhafter ist, hat eine Reihe
harter Prüfungen dargethan, in welchen Kupfer-Stahl-Draht und
Eisendraht unter einem gewissen Drucke dem Einflusse der Luft ausgesetzt wurden,
wobei die Luft abwechselnd mit Säure und Salz geschwängert wurde. Während sich nun
ein Eisendraht von 4mm Dicke am neunten
Tage theilweise zerstört erwies, fand sich der Kupfer-Stahl-Draht noch
ganz unversehrt.
Der Kupfer-Stahl-Draht eignet sich besonders gut für
Kriegstelegraphenlinien und hat sich bereits vielfach im Felddienste als gut
erwiesen. Er ist ferner ganz passend für weite Spannungen, Flußübergänge, Hohlwege,
Bergschluchten, für oberirdische Stadtleitungen u.s.w.; man kann mit ihm Spannungen
von 1/4 bis 3/4 englischen Meilen mit Erfolg ausführen.
Aber nicht blos in Bezug auf die bereits erwähnten Vorzüge hat sich der
Kupfer-Stahl-Draht bis jetzt überall bewährt, wo er angewendet wurde,
sondern er sichert auch, gegenüber dem gewöhnlichen Drahte, für die Unterhaltung der
Linien ein größeres Ersparniß an Kosten und nebenbei weniger Unterbrechungen und
Störungen.
Aus allen diesen Gründen wird der größere Aufwand für das Material beim Neubau mit
Kupfer-Stahl-Draht sehr bald wieder eingebracht und auf die Dauer
erweist sich der Kupfer-Stahl-Draht doch als das billigere
Material.
Beim schnellen Telegraphiren, also bei automatischen Telegraphen, bei gleichzeitiger
Beförderung von zwei oder mehreren Telegrammen auf derselben Leitung, bei chemischen
Telegraphen, stellt sich der Schnelligkeit ein großes Hinderniß in der Thatsache
entgegen, daß die Leitung mit Inductions-Elektricität überladen wird und die
Entladung am Empfangsende der Linie noch fortdauert, wenn auf der telegraphirenden Station der Strom der
Batterie bereits unterbrochen wurde. So erscheinen die Zeichen
„geschwänzt“, und die „Schwänze“
füllen bei schnellem Arbeiten die Zwischenräume zwischen den Zeichen aus, die
Zeichen fließen zu einem ununterbrochenen langen Striche zusammen. Beim Arbeiten mit
Strömen von verschiedenem Vorzeichen tritt diese Induction stärker auf als beim
Arbeiten mit einfachen Strömen. Diese Inductionswirkung zwischen neben einander
ausgespannten Drähten ist um so kleiner, in je größerem Abstande von einander die
Drähte sich befinden, dagegen wächst sie mit dem Drahtdurchmesser, von welchem ja
die Oberfläche und die Capacität für die Induction abhängt.
Daher setzt die Anwendung von gewöhnlichem Eisendraht bei Luftleitungen der
Schnelligkeit des Telegraphirens eine gewisse Grenze. Da ferner bei Säulen, auf
welchen eine große Anzahl Leitungen liegen, die Drähte nicht in einer größeren
Entfernung von einander aufgehängt werden können, so muß man, um dem dringenden
Verlangen nach schnellem Telegraphiren zu genügen, Drähte von geringerem Durchmesser
anwenden. Auch da ist die Anwendung von Kupfer-Stahl-Draht von dem
besten Erfolge begleitet gewesen.
Die Verbindung der einzelnen Drahtadern kann zwar bei dem
Kupfer-Stahl-Draht in derselben Weise bewerkstelligt werden, wie bei
Eisendraht, nämlich durch Umeinanderwickeln der beiden Enden und nachträgliches
Verlöthen oder Verzinnen der Verbindungsstellen. Als ganz vorzüglich bewährt sich
aber für den Kupfer-Stahl-Draht die durch die beigegebenen Abbildungen
erläuterte Verbindungsweise.
Textabbildung Bd. 217, S. 387
Die Verbindung wird mittels einer, in der Mitte etwas
ausgebauchten Messinghülfe c vollzogen, in welche die
beiden Drahtenden von beiden Seiten her eingeführt werden, worauf sie in der Mitte
durch einen spitz zulaufenden stählernen Dorn, wie es bei a zu sehen ist, aus einander getrieben werden; in das so gebildete Loch
wird dann eine Messingniete b eingesteckt und nach der
Vernietung werden die beiden vorstehenden Drahtenden außerhalb der Hülse ein wenig
umgebogen werden Schließlich wird die ganze Verbindungsstelle durch Eintauchen in
Zinn verlöthet.
E–e.