Statistische Mittheilungen über die Industrie von
Leopoldshall und Stassfurt; von G.
Krause.Krause, statistische Mittheilungen von Leopoldshall und
Staßfurt.Es möchte wohl kaum eine Industrie geben, welche in so kurzer Zeit
solchen bedeutenden Aufschwung genommen hat wie diejenige, die in Leopoldshall und
Staßfurt ihren Sitz hat. Demnach dürfte es erwünscht sein, nähere Mittheilungen über
die Entwickelung und den Fortgang derselben zu machen und bezügliche Zahlen
anzugeben.Während man anderwärts das Rohmaterial zur Verarbeitung meistens
von auswärts beziehen muß, wird es hier an Ort und Stelle gefunden. Im J. 1839
wurden in Staßfurt (Preußen) und 1858 in Leopoldshall (Anhalt) die ersten
Bohrversuche angestellt. Man fand Steinsalz und „bittere
Salze“, von denen jenes zunächst zur Verwendung kam. Durch unausgesetzte
Bemühungen vom Oberberghauptmann Krug von Nidda und von E. Reichardt
wurde auch der Werth der Abraumsalze einige Jahre später gewürdigt. Die geförderten
Hauptproducte beider Orte unterscheiden sich im Wesentlichen nicht von einander,
Leopoldshall gewinnt aber außerdem noch Kainit.Die Productionszahlen (in Centner*Der bequemeren Uebersicht wegen bediene ich mich absichtlich bei größeren
Gewichts- und Münz-Angaben der alten Bezeichnungen.) des Staßfurter Steinsalzdergwerkes seit Beginn der Förderung sind
folgende.
In der Rubrik „Kalisalz“ sind die Zahlen
eingeschlossen für Abfallsalz, Kieserit und Boracit.Nachstehend eine statistische Uebersicht des Salzdebites (in
Centner) auf dem herzoglichen Salzwerke Leopoldshall in den Jahren 1861 bis 1874
eingeschlossen.Steinsalz.
Von den angeführten Salzen haben den größten Werth das Steinsalz
und die Kalisalze.Das Steinsalz geht verschiedenen Verwendungen entgegen. Zur
Soolbereitung wird es auf dem Anhaltischen Schachte in Wasser gelöst, die Lösung
nach der Saline geleitet und auf Kochsalz versotten. In Staßfurt wird kein Siedesalz
hergestellt; das Krystallsalz, fast reines, farbloses, durchsichtiges oder
durchscheinendes Steinsalz, wird im Bergwerke gesondert, über Tage gemahlen und so
in den Handel gebracht. Gemahlenes Steinsalz mit 1 bis 3 Proc. mineralischen
Beimengungen wird zur Herstellung von Lecksteinen verwendet. Sie sind conisch
gestaltet, aus Steinsalzpulver geformt, welches einen Zusatz von 1/8 Proc. Eisenoxyd
und 1/4 Proc. Holzkohlenpulver erhalten hat, vom Berghauptmann Prinzen zu Schönaich-Carolath im J. 1864 eingeführt.Die größten Quantitäten des Steinsalzes, ungefähr 800000 Ctr.
kommen für Fabrikzwecke zum Export, zur Soda-, Seifenfabrikation und zur
Gerberei. Zur Viehfütterung werden 200000 Ctr. Steinsalz ausgeführt. Beide Arten
müssen denaturirt werden. Die Denaturationsmittel sind sehr verschieden und richten
sich nach der Verwerthung des Salzes. Unterschieden wird nach den neuesten
Bestimmungen vom 1. August 1872: 1. Salz zur Viehfütterung. a) aus Siedesalz; b) aus Steinsalz. 2. Salz zu
Viehsalzlecksteinen. a) aus Siedesalz; b) aus Steinsalz. 3. Salz zu Düngemitteln. 4. Salz für
gewerbliche Zwecke. 5. Bestellsalz zu gewerblichen Zwecken, je nach der Wahl des
betreffenden Gewerbetreibenden. 6. Salz für specielle Fälle. Die Controlgebühren für
das Denaturiren des Steinsalzes sind: 5 Pf. bei Viehsalz, 10 Pf. bei Gewerbesalz für
1 Centner = 50k.Nachstehende Tabelle gibt eine Uebersicht der Steinsalzmenge (in
Centner) welches in beschriebener Weise im J. 1873 auf dem Preußischen Werke
geliefert worden; gleichzeitig ist der Preis beigefügt.
[Textabbildung Bd. 217, S. 334]
Steinsalz im Stücken
(Fördersteinsalz) 50k 30–100 Pf.
mit 6 M. Steuer; Gemahlenes Krystallsalz (Speisesalz), 50k 60, 70, 100 Pf. mit 6
M. Steuer; Gemahlenes Fördersteinsalz (Fabriksalz zu technischen Zwecken), 50k 45 Pf. mit 10 Pf. Controlgebühr;
Viehsalz. Gemahlenes Fördersteinsalz, 50k 85–90 Pf. mit 5 Pf. Controlgebühr; Viehsalz zu Lecksteinen an
G. H. u. Comp. in Schönebeck, 50k 60
Pf. mit 5 Pf. Controlgebühr; Lecksteine à 5k und à 2k,5. 50k 1,20 M.; und Krystallsalz; und
Gewerbesalz; K : 2200; Gewerbesalz; E : 4699; I; II; III; IV; V; VIDas unter Rubrik IV gebrachte Viehsalz war mit 1/2 Proc.
Wermuthkrautpulver und 3/8 Proc. Eisenoxyd, dasjenige unter V durch 1/4 Proc.
Holzkohlenpulver und 3/8 Proc. Eisenoxyd, das „Gewerbesalz K“ mit 1/2 Proc. Thran und 3/8 Proc.
Kienruß, das „Gewerbesalz E“ mit
1/2 Proc. Thran und 3/8 Proc. Eisenoxyd denaturirt worden.Zur Vergleichung mit Vorstehendem mag die Ausfuhr an Salz von
einigen Jahren des vorigen Jahrhunderts mitgetheilt werden. Man rechnete damals nach
Stück; 1 Stück war ungefähr gleich 200k.
Im Jahre:Stück Siedesalz.1774–1780je 370391787 225701790 261191793 218261794 21286
Ich wende mich nun demjenigen Bergproducte zu, welchem
Leopoldshall und Staßfurt ihren Weltruf verdanken: den Kalisalzen oder richtiger dem
Carnallit.Während den Vertrieb des Steinsalzes beide Staaten selbst in die
Hand genommen haben, ist die Verwerthung des Carnallits nur der Privatspeculation
anheim gefallen. Es sind im Laufe der Zeit 30 Etablissements entstanden, welche mit
wenigen Ausnahmen die bedeutenden Massen der geförderten Carnallirsalze verarbeiten.
Sie vertheilen sich folgendermaßen: 13 Fabriken sind auf Actien gegründet und
gehören 5 verschiedenen Gesellschaften; drei derselben haben je 1 Fabrik, die vierte
hat 2, die fünfte besitzt 8 Fabriken; von den übrigen 17 befindet sich jede einzelne
im bestimmten Privatbesitzthume. Leopoldshall zählt 20. Staßfurt 10 Fabriken. Das
31. Etablissement wird unweit Staßfurt in Douglashall bei Wester-Egeln
erbaut, nachdem man auch
hier Kalisalze entdeckt und ein selbstständiges Bergwerk ins Leben gerufen hat.
Andere drei Fabriken in Leopoldshall und Staßfurt befassen sich mit der Darstellung
von Knochenkohle, Zucker und Spiritus. Endlich sind auch Kohlenlager aufgefunden
worden.Das Rohproduct wird hauptsächlich zu Chlorkalium verarbeitet und
Abfälle vorzugsweise zu Düngesalzen verwerthet. Man fabricirt außerdem: Glaubersalz
(Fr. Müller), Bittersalz (Wüstenhagen und Comp.), Kieseritsteine,
Chlormagnesium, Brom und Bromverbindungen (Dr. Frank), Kaliumsulfat und Potasche (Staßfurter chemische
Fabrik).Eine Fabrik in größerem Umfange möge dazu dienen, um aus ihrem
Betriebe die Leistungsfähigkeit darzuthun. Es ist angenommen, daß dieselbe
ununterbrochen im Gange ist und zwar am Tage 3/5, in der Nacht 2/5 der Arbeit
vollendet. Sie verbraucht jährlich:
353221 Ctr. Rohsalzim Werth von 47400 Thlr.und liefert 47500 Ctr. Chlorkaliumim Werth von 95000 Thlr.
Der Verbrauch an Kohlen beläuft sich auf 132666hl. An Nebenproducten werden erhalten:
Das Rohsalz wird von den Schächten unter nachstehenden Bedingungen
abgegeben. 50k Rohsalz mit 16 Proc.
Chlorkalium kosten 40 Pf.; über 16 Proc. wird jedes 0,1 Proc. mit 0,6 Pf. berechnet.
Das Chlorkalium wird meistens 80procentig verlangt in Posten von 500 bis 5000k, gleich oder in Terminen zu liefern.
50k hiervon kosten 5,80 M.
Ueberprocente werden nach Vereinbarung bezahlt, häufig aber nur bis 82 Proc. Man
nimmt Scalen bei der Berechnung an: 80 bis 90, 90 bis 95, 95 bis 100 Proc. Mit jeder
folgenden Stufe tritt nicht allein eine Erhöhung des Preises insofern ein, als die
weiteren Procente berücksichtigt werden, sondern es stellt sich auch den Preis von
90, 95 ab relativ höher. Gegenwärtig kostet 90proc. Chlorkalium 6,20 M., 95proc.
6,50 M. pro 50k. Diese Producte werden zur
Darstellung von Potasche verlangt, jenes niederprocentige Salz für
landwirthschaftliche Zwecke, Sulfat-, Alaun- und
Salpeterfabrikation.Die Düngesalze sind 15, 18, 20, 23, 25, 28, 30, 40 und
50procentig. Sie haben einen Preis von 70 Pf. bis 1,70 Mark und werden in ähnliche
Classen gebracht, wie vorhin näher dargethan ist. Ihr Verbrauch ist ein
außerordentlicher, und sie drängen alle ähnlichen Stoffe in den Hintergrund. Der
Export sämmtlicher Düngemittel wird durch jene vermehrt, der Import vermindert.
Durch den Zollverein sind folgende Zahlen (in Centner) festgestellt.
Name des1872.1873.Düngemittels.Einfuhr.Ausfuhr.Einfuhr.Ausfuhr.Düngesalze und
künstliche Düngemittel 216808791729 1509441286768Guano1429788198498 1891662 138758Knochenkohle 222704 88806 234687 44633Knochenmehl 133481 27000 185328 23840
Zum Schlusse muß noch einiger Producte gedacht werden, die als
solche oder in gewisser Weise zugerichtet von hier stammen. Den Kainit, welcher nur
im Leopoldshaller Bergwerke abbauwürdig ist, erhält man von den chemischen Fabriken im präparirten
Zustande oder als rohes Bergproduct. Die Förderung der drei letzten Jahre
betrug:
Im Jahre 1872:22211Ctr. Kainit in Stücken,33913 „ „ gemahlen,300905 „ „ zum
Export.Im Jahre 1873:118971 „ „ gemahlen,2910 „ „ in
Stücken.Im Jahre 1874:193211 „ „ gemahlen,1156 „ „ in
Stücken,671 „ „ zum
Export.
Er wird als Düngemittel empfohlen und 23 bis 24 Proc. Kaliumsulfat
garantirt. Zu demselben Zwecke dienen die „Kaliabfallsalze“ der
beiden Werke. Es sind kaliarme Salze, welche beim Gewinnen der Kalisalze
zurückbehalten werden.Kieserit wird zeitweise in Leopoldshall und Staßfurt abgebaut.
Boracit wird außer auf den Schächten auch im Rohsalze der Fabriken gefunden,
gesammelt und gewaschen, jedoch nicht mehr hier verarbeitet.