Titel: | Hirn's Luftthermometer und dessen Anwendung zur Bestimmung der Feuchtigkeit der Dämpfe und der Temperatur der Heizgase; von O. Hallauer. |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 511 |
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Hirn's Luftthermometer und dessen Anwendung zur Bestimmung der
Feuchtigkeit der Dämpfe und der Temperatur der Heizgase; von O. Hallauer.
Mit Abbildungen auf Tab.
XII [a.c/1.3].
Hallauer, über Hirn's Luftthermometer und dessen Anwendung in der
Praxis.
Es ist bekannt, mit welch großer Genauigkeit die sogen. Luftthermometer eine
Bestimmung der Temperatur zulassen, und es ist daher ein nicht zu unterschätzender
Fortschritt, wenn diese bisher nur theoretischen Untersuchungen gewidmeten
Instrumente auch zur Aufklärung praktischer Fragen
benützt werden. Dies geschah in einer Reihe von interessanten Versuchen, welche O.
Hallauer kürzlich veranstaltet hat und im Bulletin de la
Société industrielle de Mulhouse, 1874 S. 417 u.
sf. veröffentlichte. Diese Versuche wurden zunächst auf Anregung Hirn's und mit Benützung der von demselben ausgeführten
Disposition seines Differentialluftthermometers angestellt und befaßten sich mit der
Bestimmung des
Feuchtigkeitsgehaltes von Kesseldampf und mit der Beobachtung der Temperatur
abziehender Heizgase. Die ganze Operation und Berechnung der Versuchsresultate ist,
wie sich aus der späteren Beschreibung ergeben wird, thatsächlich so einfach, daß
sie der Beachtung und Nachahmung aller interessirten Fachmänner wärmstens empfohlen
werden muß. Schon die hier veröffentlichten Daten über den Feuchtigkeitsgehalt der
in gewöhnlichen Kesseln erzeugten Dämpfe modificiren so sehr die bisher herrschenden
ungünstigen Annahmen über den Betrag des mitgerissenen Wassers, daß man von einer
Fortsetzung derartiger Versuche die interessantesten Ergebnisse erwarten kann.
A. Bestimmung des Feuchtigkeitsgehaltes von Kesseldampf.
Das vom Verf. benützte Hirn'sche
Differentialluftthermometer besteht, wie aus Figur 15 [a/1] ersichtlich ist, aus drei Glasröhren E, E' und R, welche vertical
neben einander auf einem Ständer G befestigt sind und an
ihrem unteren Ende mit einander communiciren. Die eine dieser Röhren trägt eine oben
offene Kugel r (von 10 Cm. Durchmesser), welche als
Reservoir für die Manometerflüssigkeit (Alkohol oder Seifenwasser) dient. Die beiden
anderen Röhren E und E' sind
auf halbe Millimeter eingetheilt von einem durch den Flüssigkeitsspiegel in r gegebenen Nullpunkt aus, und indem sich derselbe auch
bei größeren Niveaudifferenzen in den Manometerröhren E
und E' nur unbedeutend ändert, ist es zulässig,
dieselben direct an den Scalen der Glasröhren E und E' abzulesen. Letztere sind oben mit je einem
Dreiweghahn D, D' verbunden, durch welche die Luft,
deren Temperatur bestimmt werden soll, zugeführt wird. Die Depression der
Manometerflüssigkeit gegenüber dem feststehend angenommenen Spiegel in der Röhre R gibt sofort die Spannung und hierdurch die Temperatur
der eingeführten Luft an.
Auf diese Weise kann gleichzeitig in jeder der beiden Röhren E, E' eine absolute Temperaturmessung vorgenommen werden. Soll nur die
Temperaturdifferenz zweier Fluiden bestimmt werden,
so ist der Hahn F an der Röhre R, abzudrehen, d.h. deren Communication mit E
und E' zu unterbrechen.
Im vorliegenden Falle handelt es sich um die durch die Condensation wasserhaltigen
Kesseldampfes erfolgende Temperaturerhöhung eines Calorimeters A. Zu diesem Behufe wird in dasselbe ein Luftgefäß B (aus Kupferblech) eingesetzt und mit dem Manometerrohr
E durch ein kupfernes Capillarröhrchen C verbunden. (Die in der Zeichnung angedeutete
Verbindung mit dem Thermometergefäß B' eines zweiten
Calorimeters
A' findet hierbei keine Verwendung, und ist deshalb der
Dreiweghahn D'' auf Communication mit der äußeren Luft
gestellt.)
Ist sodann
V das Volum des Thermometergefäßes B,
s der Querschnitt der Manometerröhre E,
⊿ die Dichtigkeit des Quecksilbers bei
0°,
δ die Dichtigkeit bei 0° und β der Ausdehnungscoefficient der
Manometerflüssigkeit,
λ der kubische Ausdehnungscoefficient des
Materiales des Thermometergefäßes B,
α der Ausdehnungscoefficient der Luft,
h₀ der abgelesene Manometerstand in der Röhre E,
B der Barometerstand im Momente des Abschlusses des
Thermometergefäßes B, somit Anfangsspannung der darin
erwärmten Luft,
B' der Barometerstand im Momente der Ablesung des
Manometerstandes h₀,
i die Anfangstemperatur des Wassers im Calorimeter A und
t die Endtemperatur desselben, endlich
a die Temperatur der Manometerflüssigkeit,
so findet die von Hirn
aufgestellte Gleichung statt:
Textabbildung Bd. 215, S. 513
aus welcher sich, wenn alle anderen Größen gegeben
sind, die Endtemperatur t des Calorimeterwassers mit
aller Genauigkeit berechnen läßt.
Wird nun durch das Schlangenrohr M, welches mit dem Rohre
O der Dampfentnahme verbunden ist, Dampf in das
Calorimeter eingelassen, so wird derselbe sofort condensirt und die dadurch erhöhte
Temperatur des Calorimeters an der Manometerröhre E
abgelesen. Die Gewichtszunahme des Calorimeters ergibt das thatsächlich condensirte
Wasser, und nachdem die Spannung des zugelassenen Dampfes genau festgestellt wurde,
läßt sich hieraus die durch Condensation reinen
gesättigten Dampfes von dem betreffenden Gewichte freigewordene Wärme ohne weiteres
nach Regnault's Tabelle berechnen. Die thatsächlich durch das Calorimeter aufgenommene Wärme
ergibt sich aus dem Gesammtgewichte des im Calorimeter befindlichen Wassers und
dessen Anfangs- und Endtemperatur. Die Differenz beider Werthe gestattet dann
sofort die Bestimmung des mitgerissenen Wassers.
Hiernach wurden schon im J. 1859 vom Mülhauser Verein Versuche mit Dampfkesseln
ausgeführt, deren Uebereinstimmung jedoch noch manches zu wünschen übrig ließ, so
daß sich die Prüfungscommission zu dem Ausspruch veranlaßt sah, daß diese Art des
Experimentirens zwar theoretisch vollkommen exact erscheine, für die praktische
Anwendung aber weitere und eingehendere Untersuchungen bedinge.
Diese Untersuchungen nahm nun der Verfasser im J. 1874 wieder auf, und es gelang ihm
unter Anwendung entsprechender Vorsichtsmaßregeln mit Benützung des oben
beschriebenen Hirn'schen Luftthermometers eine Reihe von
wenigstens theilweise übereinstimmenden Resultaten zu erzielen, welche in
nachfolgender Tabelle eingetragen sind.
Versuchs-Nummer.
Versuchstag.
Gewicht in Kilogramm vom
Feuchtigkeitsgehaltin Proc.
condens. Dampf.
mitgeriss. Wasser.
1
15. Mai 1874
0,6634
0,0269
4,05
2
15. „
„
0,6498
0,0157
2,41
3
16. „
„
0,6455
0,0194
3,00
4
16. „
„
0,6139
0,0233
3,80
5
16. „
„
0,6651
0,0148
2,22
6
16. „
„
0,7248
0,0160
2,21
7
16. „
„
0,6367
0,0156
2,45
8
16. „
„
0,6688
0,0236
3,53
9
16. „
„
0,6259
0,0245
3,91
10
16. „
„
0,7214
0,0167
2,31
11
29. „
„
0,7690
0,0346
4,50
12
29. „
„
0,6912
0,0198
2,86
13
29. „
„
0,7889
0,0368
4,66
14
29. „
„
0,7932
0,0440
5,55
15
29. „
„
0,7466
0,0269
3,61
16
29. „
„
0,7098
0,0153
2,15
17
29. „
„
0,7679
0,0346
4,51
18
30. „
„
0,7409
0,0257
3,47
19
30. „
„
0,8012
0,0178
2,22
20
30. „
„
0,8170
0,0303
3,71
21
30. „
„
0,7359
0,0154
2,09
22
30. „
„
0,7299
0,0155
2,12
Der untersuchte Dampf war einer Anlage von vier großen 14 Meter langen Kesseln mit
Außenfeuerung entnommen (im Etablissement von Schlumberger und Sohn in Mülhausen), die mit
einem Green'schen Economiser versehen war, welcher das
Speisewasser (ursprünglich von 16°) continuirlich mit einer Temperatur von
109,15° den Kesseln zuführte. Trotz dieser günstigen Bedingungen und
vollkommen constanter Kraftabgabe seitens der Maschine variiren die gefundenen
Ziffern noch von 2,10 bis 5,55 Procent, ohne daß dafür ein zureichender Grund hätte
gefunden werden können.
Immerhin ist aber die Thatsache constatirt, daß die gewöhnlich angenommenen Zahlen
eines 10 bis 20proc. mitgerissenen Wasserquantums für normale Kesselanlagen
vollkommen unzulässig sind. Doch ist zu hoffen, daß weitere Versuche des Verfassers
auch hierüber Licht verbreiten werden, und so möge im Anhang noch eine kurze
Beschreibung der Arbeitsmethode ihren Platz finden.
Hallauer bediente sich bei seinen Untersuchungen eines
Calorimeters aus Zinkblech mit einem Fassungsraum von 25 Liter. Das Schlangenrohr
M zur Dampfzuleitung war an seinem Ende bis auf ein
4 Mm. weites Loch verschlossen, um das sonst sehr bedeutende Geräusch beim Condensiren des
Dampfes zu mäßigen. Zur gleichförmigen Vertheilung der Temperatur im Calorimeter war
eine Rührvorrichtung KK angebracht. Die Verbindung
des Capillarröhrchens C mit dem Thermometergefäß
erfolgte durch einen mit Gummi überzogenen Metallconus und eine
Ueberwurf-Schraubenmutter, welche Verbindung bei leichter Herstellung einen
vollkommen hermetischen Abschluß sichert.
Die Wägungen des Calorimeters geschahen mit Hilfe des Kaeppelin'schen Hydrostaten, dessen Einrichtung bereits
in diesem Journal (1859 154 359) beschrieben, der
Vollständigkeit wegen durch die Figur 16 hier nochmals
veranschaulicht ist. Der Empfindlichkeitsgrad dieses Apparates betrug (bei 25
Kilogrm. Maximalbelastung und 0,1 Grm. Minimal-Ausschlaggewicht)
1/250.000.
Die nachfolgenden Zahlen entsprechen dem Versuchsgang Nr. 15 der
oben angeführten Tabelle.
Vor Allem ist das Thermometergefäß, welches feuchte Luft enthalten
kann, gut zu trocknen; man erhitzt es daher bis auf etwa 200°, bläst mit
Hilfe einer bis zum Boden des Gefäßes eingesteckten Glasröhre trockene Luft ein,
wirft einige frische Chlorcalciumstücke hinein und befestigt es endlich an den
Deckel des Calorimeters.
Auf dem Hydrostat gewogen, ergibt sich das Gesammtgewicht des
Calorimeters mit 7,0540 Kilogrm., nachdem schon vorher das bezüglich der
Wärmeaufnahme äquivalente Wassergewicht des Calorimetergefäßes A allein mit 0,5980 Kilogramm erhoben war.
Hierauf wird das mit kaltem Wasser gefüllte Calorimeter neuerdings
auf den Hydrostat gebracht und wiegt nun 22,5364 Kilogrm., enthält somit 15,4824
Kilogrm. kaltes Wasser.
Aus dem Dampfrohre O kann nun mittels
eines eingeschraubten Hahnes, einer kurzen Rohrleitung H
und eines zweiten Hahnes L der Dampf dem Rohre M des Calorimeters zugeführt werden, nachdem die
Schraubenverbindung bei L hergestellt ist; bevor dies
jedoch geschieht, läßt man einige Minuten lang den Dampf durch die Oeffnung i des Dreiweghahnes L in die
freie Luft entweichen, um die Leitung gehörig vorzuwärmen. Während dieser Zeit wird
das Wasser im Calorimeter durch das Rührwerk in Bewegung erhalten und dessen
Temperatur – in diesem Falle 18,6° – mit einem guten
Quecksilberthermometer aufgenommen, gleichzeitig der Flüssigkeitsstand in der Röhre
E = 1027 Millim. notirt und hierauf der Dampf in das
Rohr M eingelassen. Derselbe condensirt sich, die
Flüssigkeitssäule sinkt im Rohre E bis auf circa 300 Mm.
vom Boden des Rohres, worauf der Hahn L abgedreht wird,
so daß durch die Oeffnung i frische Luft in die
Schlangenröhre M einströmen kann. Bei fortgesetzter
Bewegung des Calorimeterwassers sinkt die Flüssigkeitssäule in E noch immer langsam herab, um endlich bei 121 Mm.
stehen zu bleiben.
Das Calorimeter ergibt jetzt, abermals auf den Hydrostaten
gebracht, ein Gewicht von 23,2830 Kilogrm., von dem somit 0,7466 Kilogrm. auf den
condensirten Dampf entfällt, d.h. das Gewicht M des
condensirten Dampfes sammt dem Gewichte m des
mitgerissenen Wassers beträgt zusammen 0,7466 Kilogrm.
Die durch Condensation des Dampfgewichtes M freigewordene Wärme beträgt:
M (606,5 + 0,305 t₀
– t₂),
wenn t₀ die Anfangstemperatur
des Dampfes,
t₂ die Endtemperatur des Calorimeters
bezeichnet.
Die durch das beigemengte Wasserquantum m freigewordene Wärme aber beträgt:
m (q₀ –
t₂),
wenn q₀ die der
Dampfspannung entsprechende Flüssigkeitswärme ist und
t₂ wie oben die Endtemperatur des
Calorimeters.
Somit ergibt sich für die gesammte freigewordene Wärme, welche
gleich ist der Wärmezunahme des Calorimeters vom Gesammtgewicht N, die Gleichung:
M (606,5 + 0,305 t₀
– t₂) + m (q₀ – t₂) = N (t₂ –
t₁)
und hieraus
Textabbildung Bd. 215, S. 516
N
= 16,0804 Kilogrm., Gewicht des
Calorimeterwassers mehr
dem Wassergewicht des
Calorimetergefäßes,
M
+ m = 0,7466 Kilogrm.,
t₀
q₀
= 157,90°= 159,58°
entsprechend der herrschenden Dampfspannung
von 5,8
Atmosphären,
t₁
= 18,6° Anfangstemperatur des
Calorimeterwassers,
t₂
= 46,03° Endtemperatur des
Calorimeters, nach der auf Seite 513
gegebenen Hirn'schen Formel mit h₀ = 906
Mm. auf 46,18° berechnet, und
für den Betrag der Ausstrahlung während
des Versuches, um 0,15° vermindert.
Danach ergibt sich
m = 0,0269 und
das Feuchtigkeitsverhältniß m/(M + m) = 3,61
Procent.
B.Bestimmung der Temperatur der Heizgase.
Zu diesem Zweck bedient sich Hallauer des in Figur 17
skizzirten Apparates. Das Luftgefäß S aus 3 Mm. starkem
Kupfer wird durch eine Oeffnung der Einmauerung in den Heizcanal gebracht und durch
ein kupfernes Capillarröhrchen PZU mit dem Luftmanometer
in Verbindung gebracht. Dasselbe besteht aus einer U-förmig gebogenen Eisenröhre UVX von 5 Mm.
lichtem Durchmesser, welches bei X ein calibrirtes
Glasrohr Y eingekittet trägt. Das so hergestellte
Manometer wird mit Quecksilber gefüllt, und durch Vergleichung mit einem directen
Manometer werden die den verschiedenen Quecksilberständen entsprechenden Druckhöhen
bestimmt und neben der Glasröhre Y angemerkt. Verbindet
man nun das Luftgefäß S mittels der Capillarröhre mit
dem Arme U des Manometers, so können sofort die den
jeweiligen Spannungen der eingeschlossenen Luft entsprechenden Manometerstände an
der Glasröhre Y abgelesen und hieraus nach der oben S.
513 angegebenen Formel die Temperatur des Luftgefäßes berechnet werden. Die eigene
Ausdehnung des Gefäßes S, welche höchstens 0,0136
derjenigen der eingeschlossenen Luft beträgt, kann man hier ebenso wie beim früheren
Versuche vernachlässigen.
Es ist nun leicht einzusehen, wie die Versuche ausgeführt werden, indem einfach die
Quecksilberstände des Rohres Y in bestimmten
Zeitintervallen, sowie der gleichzeitige Barometerstand als Grundlagen der
Temperaturberechnung zu notiren sind; zu bemerken ist nur noch, daß Hallauer das Gefäß S statt
mit athmosphärischer Luft mit Stickstoffgas gefüllt hat und das Gefäß noch zum
Schutz gegen den zerstörenden Einfluß der heißen Gase mit einem dünnen Blechgehäuse
umgibt.
Ueber die Versuchsresultate selbst, welche in äußerst instructiven Diagrammen
dargestellt sind, beabsichtigen wir in einem nächsten Artikel zu referiren.
R.