Titel: | Spindelstöcke von Carl Pfaff, Theilhaber der Ottokringer Eisengiesserei und Maschinenfabrik Reinhard Fernau und Comp. in Wien. |
Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. CVI., S. 453 |
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CVI.
Spindelstöcke von Carl Pfaff, Theilhaber der Ottokringer
Eisengiesserei und Maschinenfabrik Reinhard Fernau und Comp. in Wien.
Mit Abbildungen.
Pfaff's Spindelstöcke.
Die Spindel einer Drehbank wird bei der Arbeit in verschiedenen Richtungen in
Anspruch genommen und entstehen die Drücke durch Anpressen des Reitstockkörners,
Belastung mit dem aufgespannten Arbeitsstück, durch den Zug des Riemens, Seitendruck
der Uebersetzungsräder und endlich durch das Wegschneiden des Spanes. So
mannigfaltig als ihre Quellen sind auch ihre Richtungen, haben aber alle zu
Componenten einen Druck in achsialer und einen Druck in normaler Richtung. Beide
müssen durch geeignete Lagerconstructionen aufgenommen werden. Bei den Pressungen,
welche seitlich wirken, hat dies geringe Schwierigkeiten, indem es leicht ist, den
Lagern in Durchmesser und Länge eine solche Ausdehnung zu geben, welche gutes Laufen
und geringe Abnützung sichern; auch ist es leicht die Lager entsprechend zu
ölen.
Anders verhält es sich mit der Aufnahme der achsialen Pressungen. Es ist eine
bekannte Thatsache, daß Bunde oder Ansätze von Spindeln, welche mit ihren
ringförmigen Flächen gegen Lager unter einem namhaften Drucke anlaufen, sich sehr
schnell verreiben und, wie man sich ausdrückt, schlecht laufen. Dies hat seinen
Grund hauptsächlich darin, daß das Schmiermittel durch die Centrifugalkraft
fortwährend hinausgetrieben wird, sowie darin, daß an jedem Punkte auf einem Radius
eine andere Geschwindigkeit herrscht, während der Druck derselbe bleibt; daher
erklärt sich, warum durch eine diametrale Vergrößerung des Ansatzes resp. der
arbeitenden ringförmigen Fläche namentlich bei schnellgehenden Spindeln keinerlei
Vortheil entsteht, daß vielmehr recht kleine Flächen, welche durch Anwendung
widerstandsfähigen Materiales ermöglicht werden, am besten arbeiten müssen, jedoch
auch nur dann, wenn die Schmierung so eingerichtet ist, daß nie ein Trockenlaufen
entstehen kann.
Möglichst kleine Flächen können durch Anwendung von Stahl oder von gehärtetem
Schmiedeeisen, sichere Schmierung durch geschlossene Büchsen erreicht werden, welche
die betreffenden Theile umgeben.
Von diesem Gesichtspunkte aus wurden die beiden vorliegenden
Spindelstock-Constructionen durchgeführt, wobei noch folgende anderweitige
Bedingungen berücksichtigt wurden: Die Spindel einer guten Drehbank soll vollkommen
rund laufen, ihr Mittel in unveränderter Lage erhalten, nach keiner Seite Spiel
haben und dennoch leicht gehen. Da selbst die härtesten Bestandtheile nicht ganz
ohne Abnützung laufen können, so müssen die daraus entstehenden Fehler durch
geeignete Regulirungsvorrichtungen leicht wieder corrigirt werden können.
Holzschnitt I, Bd. 213, S. 454
Die Construction des Spindelstockes im Holzschnitt I
entspricht allen diesen Bedingungen auf das vollkommenste. Die Lager sind
geschlossen und conisch. Lagerbüchsen sowohl als Spindel sind glashart, nach dem
Härten vollkommen rund geschliffen und polirt. Die Abnützung der vorderen und
hinteren Lager wird nie vollkommen gleichen Schritt halten, so daß die eine der
anderen beim Nachziehen der Spindel im Wege sein würde, wenn beide unverrückbar
befestigt wären. Aus diesem Grunde ist die hintere Lagerbüchse in der Achsenrichtung
verstellbar. Sie ist ferner rückwärts geschlossen und bildet die Mutter für die
Schluß- oder Gegenschraube, welche von Gußstahl und glashart ist und gegen
einen ebensolchen Zapfen in der Spindel drückt. Von oben her ist ein Schmierloch für
das frische Oel angebracht, welchem ein Abzugsloch für das gebrauchte Oel unten
gegenüber steht. Beide sind für gewöhnlich durch Schrauben verschlossen; der
rückwärtige Theil der Büchse ist zu einer Oelkanne erweitert. Die Spindel wird
ferner durch einen gehärteten Ring gehalten, welcher rückwärts gegen das vordere
Lager anläuft, sich auf einem eingelassenen Keil verschiebt und durch zwei Muttern
angezogen und regulirt wird. Diese Muttern helfen auch beim Zusammensetzen die
Spindel an ihren Platz bringen und sie beim Auseinandernehmen lösen. Für die Abzweigung der
Bewegung des Selbstganges ist eine besondere kleine Achse angebracht, auf deren Ende
Riemenscheiben oder Wechselräder aufgesteckt werden können. Dieses Ende ist
vollkommen frei, so daß die Scheiben oder Räder von beliebigem Durchmesser sein
können. Die Dimensionen der gleich großen Uebersetzungsräder und der
Uebertragungsachse sind so stark gewählt, daß kein Zittern der Federn eintreten
kann, selbst wenn die größte Inanspruchnahme beim Schneiden der steilsten Gewinde
vorausgesetzt wird; es findet vielmehr die Uebertragung so sicher statt, als wenn
das erste Wechselrad direct auf der Spindel säße.
Es ist leicht zu sehen, daß ein Spindelstock nach dieser Construction fast
unbegrenzte Dauer haben und dabei stets richtig sein kann. Die einzigen Theile,
welche sich nennenswerth abnützen können, sind Schlußschraube und Zapfen im Ende der
Spindel, weshalb sie auch so angeordnet wurden, daß ihre Auswechslung leicht
vorzunehmen ist.
Der Hauptsache nach lehnt sich die besprochene Construction an den Whitworth'schen Spindelstock an, vermeidet aber die
Nachtheile desselben; für kleine und mittelgroße Drehbänke, welche genau arbeiten
sollen, ist sie unbedingt zu empfehlen. Viele Wertstätten ziehen aber die Anwendung
getheilter cylindrischer Lager vor, weil dieselben weniger Geschick und Sorgfalt bei
der Bedienung und Regulirung erfordern, ferner den Vortheil besitzen, beim Drehen
auf der Planscheibe oder im Futterkopf, wobei die Reitstockspitze nicht angewendet
werden kann, eine gewisse Bremsung des vorderen Lagers zu gestatten, welche
namentlich bei Stücken, von denen der Span nicht continuirlich genommen wird, sehr
erwünscht ist.
Hierfür entspricht der zweite durch Holzschnitt II
veranschaulichte Spindelstock. Derselbe hat ebenfalls eine gehärtete und
geschliffene Spindel. Die Lager können von Bronze gemacht werden; wir empfehlen aber
gehärtetes dichtes Gußeisen, welches besser und länger läuft als jedes andere
Material. Das vordere Lager ist getheilt und mit anziehbarem Deckel versehen, das
hintere geschlossen und unverrückbar befestigt. Beide Lager sind sehr lang. Der
achsiale Druck wird durch einen gehärteten Ring aufgenommen, welcher auf der Spindel
befestigt und richtig geschliffen ist. Derselbe legt sich gegen einen ähnlichen
Ring, welcher in der Schlußmutter festsitzt. Diese Schlußmutter schraubt sich auf
die Verlängerung der hinteren Lagerbüchse, und wenn sie gehörig angezogen ist, läuft
der Druckring auf der Spindel einerseits gegen den gehärteten Ring in der Mutter und
andererseits gegen die hintere Lagerbüchse ohne Spielraum an und gestattet der
Spindel keinerlei Spiel. Durch eine Gegenmutter wird die Schlußmutter in ihrer richtigen Lage
festgehalten. Auf diese Weise ist die Spindel in der Längenrichtung vollkommen
versichert, und die Bunde, welche sonst beim vorderen Lager auf einer Seite
anlaufen, sind hier von vornherein mit etwas Spielraum gemacht, damit sich die
Regulirung nur auf einem Punkte vollzieht.
Holzschnitt II, Bd. 213, S. 456
Damit die Schlußmutter in jeder Stellung richtig steht, hat
sie vor dem Gewinde eine cylindrische Bohrung, welche gut auf die Verlängerung der
hinteren Lagerbüchse paßt und auf diese Weise genaue Führung gibt. Innerhalb dieser
Verlängerung liegt der Druckring, auf der Spindel mit 3 Stellschrauben befestigt,
welche durch eine Bohrung in der Büchse eingeschraubt oder entfernt werden können.
Die Schlußmutter wechselt je nach der Regulirung ihre Stellung und hat deshalb drei
verschließbare Oellöcher, von denen unter allen Umständen eines hoch genug steht, um
zur Einführung, und eines tief genug, um zum Ablassen des Oeles zu dienen. Da die
Spindel durch die Schlußmutter geht, so können Wechselräder etc. von jeder Größe
direct aufgesteckt werden. Dieser letztere Spindelstock ist einfacher als der
erstere; es könnte ihm aber vorgeworfen werden, daß er die aufgestellten Bedingungen
in dem Punkte nicht erfülle, welcher die Erhaltung des richtigen Spindelmittels
erfordert. Bei guter Behandlung können aber erfahrungsmäßig die vorderen Lager
mehrere Jahre in hinlänglicher Richtigkeit erhalten werden, die rückwärtigen aber
ganz gut 10 Jahre. Nach dieser Zeit ist ihre Auswechslung nicht schwer. Bei
mangelhafter Aufmerksamkeit können aber conische sowie cylindrische Lager gleich
schnell verdorben werden, und es ist daher zu empfehlen, dieselben in neuem Zustande
mit ängstlicher Sorgfalt zu behandeln, sie vor dem Zusammenstellen auf das
Peinlichste von allem Schmutz und Staub zu reinigen und sie in den ersten Tagen mit
reinem Oliven-Oel oder noch besser mit thierischem Oel recht reichlich zu
schmieren. Nach einiger Zeit nehmen sie eine prachtvolle Politur an und sind dann nicht mehr so
empfindlich. Einmal verriebene Lager sind aber nicht mehr zu retten.
Der letztere Spindelstock eignet sich mehr für größere Spitzenhöhen, und ist aus der
Construction von Wm. Sellers und Comp. in Philadelphia herausgebildet.