Titel: | Bauer's Illimit-Telegraph. |
Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. XII., S. 17 |
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XII.
Bauer's Illimit-Telegraph.Aus dem officiellen Ausstellungsbericht (Heft 69) über die „Telegraphen-Apparate
von Dr. Leander Ditscheiner, Professor an der k. k.
technischen Hochschule in Wien. Mit 6 lithographirten
Tafeln. 56 S. Preis 80 Neukreuzer. Druck und Verlag der k. k. Hof- und
Staatsdruckerei, Wien 1874.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Bauer's Illimit-Telegraph.
Auf der Wiener Weltausstellung befanden sich zwei neue Apparate (System Meyer und Bauer), welche den
Zweck haben, eine bessere Ausnützung der einzelnen Telegraphenlinien dadurch herbeizuführen, daß es mit
ihnen möglich wird auf einem und demselben Leitungsdrahte die von verschiedenen
Apparaten ausgeschickten Ströme abwechselnd in rascher Folge den entfernten
aufnehmenden Apparaten getrennt zuzuführen – so zwar, daß, während an einer
oder mehreren Abgabestationen die Absendung eines Stromes vorbereitet und dieser
noch nicht wirklich abgegeben wird, die Leitung von einem Strome einer anderen
Abgabestation durchflössen wird. Dadurch wird es möglich, die Pausen, welche in
einer Leitung mit nur einer Abgabe- und einer Aufnahmestation wegen der
verhältnißmäßig langen Vorbereitung zur Stromsendung eintreten und in welchen kein
Strom die Linien durchfließt, besser zu verwenden und ersichtlich eine raschere
Abgabe mehrerer Depeschen zu erlangen.
Der von dem österreichischen Telegraphenbeamten Alois Bauer construirte Illimit-Telegraph erhöht die gegenwärtige
Leistungsfähigkeit einer Linie um das 4 bis 8 fache, ohne die bisherige Manipulation
des Morse- und Hughes-Systemes durchgreifend zu verändern; es wird dieser Zweck durch
das gleichzeitige Arbeiten auf mehreren Aufgabe- und Empfangstationen
erreicht.
Der Apparat besteht (nach den vom Erfinder selbst niedergeschriebenen Notizen) aus
einem Hauptapparate und aus dazu gehörigen Nebenapparaten. Der Hauptapparat
(Manipulateur) führt alle jene Bedingungen herbei, welche eine höhere Ausnützung der
Leitung möglich machen; dabei ist es gleichgiltig, was für Nebenapparate benützt
werden. Letztere können entweder gewöhnliche Morse oder
Morse-Druckapparate nach dem Systeme Bauer, ferner gewöhnliche Hughes-Apparate oder Typen-Druckapparate nach dem Systeme
Bauer sein. Die Morse-Druckapparate und die Typen-Druckapparate (beide nach dem
Systeme Bauer) haben eine dem Manipulateur angepaßtere Einrichtung als die
gewöhnlichen Morse- und Hughes-Apparate. Bei dem Manipulateur wird durch ein Uhrwerk ein
Arm a. (Fig. 34) in rotirende
Bewegung versetzt, welcher in einer bestimmten Zeit eine gewisse Anzahl x Contacte berührt, die in einem Kreise aufgestellt
sind. Oder es werden durch dasselbe Uhrwerk fünf Arme a₁, a₂, a₃, a₄, a₅ (Fig. 35), die fest mit
einander verbunden sind, bewegt, welche in derselben Zeit nur 1/5 x Contacte, dafür aber jeden fünfmal berühren. Denkt man
sich die im Kreise aufgestellten Contacte der Reihe nach mit den verschiedenen
Theilstationen, bestehend aus den einzelnen Aufgabestationen und dazu gehörigen
Aufnahmestationen, verbunden und die rotirende Achse in leitender Verbindung mit der
gemeinschaftlichen Leitung, so wird bei der Rotation der Achse durch die Berührung
eines Armes mit einem Contacte jedesmal ein Linienstrom aus der Contactstelle in die
Leitung geschickt werden können, wenn auf der dieser Contactstelle entsprechenden
Theilstation die leitende Verbindung zwischen Batterie und Contactstelle hergestellt
wurde.
Die Zeit der Berührung der vier bis acht Contactstücke der vier bis acht
Theilstationen mit einem rotirenden Arme bildet die Zeiteinheit, welche abhängig ist
von der Rotationsgeschwindigkeit der Arme und von der Länge der Contactstücke. Die
von der Abgabestation A auf der zweiten Station B anlangenden momentanen Ströme müssen über die dort
rotirenden Arme die Contactstücke des zur selben Theilstation gehörigen
Abgabe-Apparates treffen, so daß die beiden Manipulateurs in A und B synchrone Bewegungen
machen müssen. Die in den Contactstücken von B
aufgenommenen und von A kommenden Ströme werden von
diesen Contactstücken zu dem Zeichengeber von B geführt
und vollführen dort den Druck eines entsprechenden Zeichens. Um den synchronen Gang
möglich zu machen, sind auch hier durch Pendel zu regulirende Uhrwerke vorhanden,
und um einen möglichst vollständigen Synchronismus herzustellen, haben die
Manipulateure einen „Selbstregulator“ , welcher die geringsten
Differenzen in der Bewegung ausgleicht und so die Apparate der Hand des
Manipulirenden ganz entzieht. Zum Selbstregulator gehört ein Zahnrad, welches sich
an der rotirenden Achse befindet und das nach jeder Fünftel- oder
Zehntelumdrehung der Achse durch einen eingreifenden Daumen richtig gestellt wird,
ferner ein eigener Motor, der bei seiner Bewegung durch Verschieben einer
Pendelkugel das Pendel verkürzt oder verlängert, je nachdem der Apparat zurückbleibt
oder vorgeht. Der Strom zu diesem Motor wird durch die Verschiebung des Zahnrades
geliefert, wenn selbes beim ungleichen Gange der Apparate durch den eingreifenden
Daumen vor- oder zurückgeschoben wird. Nach jedem Linienstrome wird die
Leitung durch den Manipulateur wieder entladen.
Beim sogenannten independenten Morse-Systeme
fungiren als Nebenapparate ein Arbeitstaster, ein Tasterrelais, ein polarisirtes
Relais und ein Schreibapparat für je eine Theilstation. Bei diesem Systeme, wo
kürzere oder längere Zeichen (Punkte und Striche) durch das Relais erzeugt werden
sollen, werden für jedes telegraphische Zeichen zwei Linienströme gegeben. Die
Zeichen werden in erster Linie vom Telegraphenbeamten mit dem Arbeitstaster gegeben
(gruppirt), für jedes Tasterrelais zweimal, zu Anfang und zu Ende, im Locale kurz
geschlossen und auf diese Weise jene Bedingungen herbeigeführt, bei welchen der
Manipulateur einen Linienstrom für diese Theilstation erzeugen kann. Der erste
Linienstrom beginnt das Zeichen auf der nächsten Station, der zweite beendet dasselbe. Nach erzeugtem
Linienstrome wird das Tasterrelais durch den Manipulateur wieder in seine Ruhelage
gebracht, somit die Bedingung zur Erzeugung eines Linienstromes aufgehoben und die
Leitung entladen. Die Linienströme können entweder auf der gebenden oder
empfangenden Station gewechselt werden, also mit wechselnden oder gleichgerichteten
Strömen gearbeitet werden. Bei Anwendung dieses Systemes ist die Translation sehr
leicht auszuführen, da die Manipulateurs der Translationsstation nicht synchron zu
sein brauchen und nur die Schreibapparate die Einrichtung der Arbeitstaster zu
bekommen haben. Ferner kann die Translationsstation mit beiden Endstationen der
Partialkette in Correspondenz treten, trotzdem gleichzeitig die beiden Endstationen
im directen Verkehre stehen. Die Schreibapparate sind Morse-Relief- oder Farbschreiber. Die Leistungsfähigkeit
dieses Systemes hängt von der Fertigkeit des Manipulirenden ab und können bei
vier- bis achtfacher Ausnützung 80 bis 160 Depeschen per Stunde angenommen werden.
Beim dependenten Morse-Systeme (Morse-Druckapparat Bauer) können ebenfalls vier bis acht Manipulanten gleichzeitig arbeiten.
Als Nebenapparate fungiren als Zeichengeber eine Claviatur von 7 Tasten mit dem
Grundzeichen
––·––·––· ∘
(∘ entspricht der Blanc-Taste), und als Zeichenempfänger ein
polarisirtes Relais und ein Typenrad mit obigen Grundzeichen. Diese
Morse-Zeichen werden mittels des Typenrades, welches durch den Manipulateur
synchron bewegt wird, auf den Papierstreifen abgedruckt und können sodann abgelesen
werden. Bei diesem Systeme ist für jedes Zeichen nur ein Strom nothwendig, da die
Länge und Kürze durch die Grundzeichen des Typenrades selbst gegeben werden. Ein
eigenes Lernen des Spieles ist nicht nothwendig, da jede Taste einzeln oder alle
einen Buchstaben bildenden Tasten zusammen niedergedrückt werden können; ebenso
wenig braucht ein gewisser Tact eingehalten zu werden. Sämmtliche Buchstaben
– mit Ausnahme von h, v und j, sowie der Zahlen 0 bis 9 – können mit einer
Umdrehung des Typenrades gegeben werden, so daß das Telegraphiren äußerst rasch vor
sich geht. Da das Typenrad bei einer vierfachen Ausnützung zwei Umdrehungen in der
Secunde macht, so können auf jedem Apparate zwei Buchstaben per Secunde gedruckt werden. Nimmt man eine Depesche mit 20 Worten, das
Wort im Durchschnitte zu sieben Buchstaben an, so ergibt dies 140 Buchstaben, also
70 Secunden. Im Mittel kann man also eine Depesche per
Minute geben, was für einen Apparat 60, für vier Apparate 240 Depeschen per Stunde gibt.
Beim independenten Drucksysteme (freies Hughes-Spiel) können zwei Manipulanten mittels des Hughes-Apparates unabhängig auf einer Linie arbeiten. Die
Leistungsfähigkeit ist durch die Hughes-Apparate bestimmt. Beim dependenten
Drucksysteme (Typen-Druckapparat Bauer) können
vier Manipulanten gleichzeitig auf einer Linie arbeiten und mittels einer Claviatur
für jeden Buchstaben einen Strom geben, wobei sie beliebig viele Buchstaben, wie sie
in unmittelbarer Reihe aufeinander folgen, auf einmal greifen und geben können. Die
mittels der Claviatur gegebenen Buchstaben werden durch Typenräder auf den
Papierstreifen abgedruckt. Die Empfangsapparate mit den Typenrädern haben kein
synchrones Uhrwerk, sondern werden durch den Manipulateur synchron bewegt. Die
Leistungsfähigkeit beträgt bei diesem Systeme bei vierfacher Ausnutzung der Leitung
ebenfalls 240 Stück Depeschen per Stunde, wobei jedoch
die Depeschen schon vollständig in Lettern gedruckt werden und nicht erst
niedergeschrieben werden müssen.