Titel: | Direct wirkende Gebläse-Maschine von Gebrüder Decker und Comp. in Canstatt (Württemberg). |
Autor: | Fr. |
Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. LXXXV., S. 451 |
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LXXXV.
Direct wirkende Gebläse-Maschine von Gebrüder Decker und Comp. in
Canstatt (Württemberg).
Mit einer Abbildung.
Decker's direct wirkende Gebläse Maschinen.
Dieselbe Tendenz, welche in den vielfachen und weitverbreiteten Systemen direct
wirkender Dampfpumpen zum Ausdrucke gekommen ist, das Bestreben möglichst einfacher
und unmittelbarer Kraftübertragung vom Dampfcylinder auf den Arbeitscylinder, macht
sich nun auch mit gleichem Rechte bei anderen Arbeitsmaschinen geltend und als ein
Beispiel dieses Fortschrittes sei hier die direct wirkende Gebläsemaschine –
Patent Decker – näher besprochen. Die
vollkommenere Maschine wird allerdings niemals der Kurbel und des Schwungrades
entbehren können und mag selbst trotz der bedeutend vermehrten Reibungswiderstände,
ein ökonomisch günstigeres Resultat in Bezug auf Kohlenverbrauch ergeben; dennoch
aber ist es für zahlreiche Fälle der Anwendung als ein entschiedener Fortschritt zu
bezeichnen, wenn der Mechanismus auf das absolut Nothwendige beschränkt bleibt und
dadurch ein auf das Drittel verminderter Anschaffungspreis, außerordentlich
vereinfachte Fundirung, kleinstes Raumerforderniß und wesentlich erleichterte
Wartung und Instandhaltung erzielbar wird.
Daß sich aber auf diese Weise wirklich praktisch und gut arbeitende Maschinen
herstellen lassen, beweisen die direct wirkenden Gebläsemaschinen von Gebrüder Decker und Comp. aufs
vollständigste, von denen hier eine größere Maschine von 400 Millim. Durchmesser des
Dampfcylinders, 1300 Millim. Durchmesser des Gebläsecylinders und 1000 Millim.
mittlerem Hube dargestellt ist. Man ersieht aus der Abbildung, daß zur Steuerung des
Dampfcylinders die bekannte Decker'sche
Patent-Steuerung angewendet ist, deren Hauptvortheil in der Benützung des im
Cylinder verbrauchten Dampfes – vor vollständigem Austritt – zur
Bewegung des Steuerungskolbens besteht. Beide Cylinder sind durch ein kräftig
construirtes Mittelstück miteinander verbunden und werden mittels angegossener Ständer auf
das Fundament geschraubt. Dasselbe soll nach den Angaben der Constructeure ein Volum
von ca. 10 Kubikmeter erhalten, wobei die Maschine einen
vollkommen ruhigen Gang zeigt. Versuche, welche mit derselben angestellt wurden,
ergaben bei wechselnder effectiver Dampfpressung von 15 bis 60 Pfund pro 1 Quadratzoll (1 bis 4 Atmosphären) und entsprechend
regulirter Ausströmungsöffnung des Gebläses, Windpressungen von 1/4 bis 4 3/4 Pfund
pro 1 Quadratzoll (0,02 bis 0,35 Kilogr. pro 1 Quadratcentimeter), somit für Hohofenbetrieb und
Schmiedegebläse ganz entsprechende Resultate. Die Maschine machte dabei zwischen 40
und 60 einfache Hübe in der Minute und entwickelte einen Nutzeffect von 63 Proc. und
einen Dampfverbrauch von circa 28 Kilogrm. pro Stunde und effective Pferdekraft, welche hohe Ziffer
durch die Unanwendbarkeit von Expansion und Condensation wohl erklärlich ist.
Textabbildung Bd. 212, S. 452
Nachdem aber eine solche direct wirkende Gebläsemaschine für 70 Kubikmeter mittlere
Windlieferung pro Minute für 3500 Thaler verkauft wird,
während eine äquivalente Balancier-Gebläsemaschine mit Expansion und
Condensation wenigstens das dreifache kostet und außerdem bedeutend höhere Auslagen für
Fundirung und Gebäude bedingt, so bedarf es keiner weiteren Ausführung, um
darzulegen, daß trotz des wesentlich geringeren Kohlenverbrauches der letzteren
Maschine die jährlichen Gesammt-Auslagen, mit Inbegriff von Zinsen und
Amortisation, kaum viel geringer sein werden als die Betriebsauslagen der neuen Decker'schen Gebläsemaschine.
Es muß also die Anwendung der hier beschriebenen Maschine für viele Fälle entschieden
rationeller erscheinen als die Anlage einer kostspieligen indirect wirkenden
Gebläsemaschine; von speciellem Vortheile aber wird das Decker'sche Gebläse besonders dann, wenn es sich bei Hohöfen, Cupolöfen
oder Bessemer-Anlagen um die Aufstellung einer
Reservemaschine handelt. Denn hier treten die etwas höheren Betriebsauslagen
entschieden zurück gegen den so bedeutend verminderten Anschaffungspreis der für den
größten Theil des Jahres ohnedies todt liegenden Maschine, und wir zweifeln nicht,
daß sich hier zumeist das einem wirklichen Bedürfnisse entsprechende direct wirkende
Decker'sche Gebläse raschen, allgemeinen Eingang
verschaffen wird.
Fr.