Titel: | Mehl, Mehlfabricate, Maschinen und Apparate der Müllerei und Bäckerei auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Professor Fr. Kick in Prag. |
Fundstelle: | Band 211, Jahrgang 1874, Nr. XXI., S. 87 |
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XXI.
Mehl, Mehlfabricate, Maschinen und Apparate der
Müllerei und Bäckerei auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Professor Fr. Kick in Prag.Mit besonderer Genehmigung des Hrn. Verfassers aus dem officiellen Ausstellungsbericht über Mehl, Mehlfabricate und die
Maschinen und Apparate der Müllerei und Bäckerei von Friedr. Kick, k. k. Regierungsrath und Professor am deutschen
polytechnischen Institute in Prag; Druck und Verlag der k. k. Hof- und
Staatsdruckerei, Wien 1873.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Kick, über Mehl, Mehlfabricate, Maschinen und Apparate der Müllerei
und Bäckerei auf der Wiener Weltausstellung .
Die Schwierigkeit gründlicher Untersuchung des Mehles ist bekannt und ebenso wenig
bedarf es der Begründung, daß die vorzügliche Qualität ausgestellter Mehle noch
lange nicht vollgültiger Beweis ist für rationelles Gebahren in der Mühle. Gutes
Mehl und dieses zum erreichbaren Procentsatze aus einer bestimmten Weizensorte
herstellen, dieses beides gibt zusammen erst das Maaß zur
Beurtheilung rationellen Betriebes. Die Ausstellung bot zahllose Mehlproben aus
verschiedenen Ländern, höchst selten aber waren Angaben über die Erzeugungsmengen
der einzelnen Mehlsorten aus einer bestimmten Weizenquantität oder Angaben des
Verkaufspreises u. dgl. an den Ausstellungsobjecten ersichtlich gemacht. Diese
Angaben waren wohl der Jury in den Fragebogen ziemlich vollständig vorgelegen, der
Berichterstatter konnte dieselben aber trotz des Bemühens der Redaction nicht
erhalten. Es stellt sich die Frage: Soll der Berichterstatter die ausgestellten
Mehle nach ihrer Weiße oder nach ihrem Klebergehalte taxiren? Soll er z.B.
hervorheben, daß August v. Delhaes in Piechamin bei
Czempin eines der weißesten Mehle nach dem Flachmahlverfahren erzeugt exponirte,
oder daß zu den schönsten Mehlen der Hochmüllerei die von Oeconomo bei Trieft, jene der Kleinmünchner Kunstmühle etc. gehörten?
Derartige Classification hätte weder technischen noch mercantilen Werth, da sie nur auf der Grundlage der Ausstellungsobjecte erfolgen
könnte und allwöchentlich auf der Mehlbörse ihre Berichtigung fände. Wir wollen
daher zunächst von solchen Ausstellungsobjecten des Näheren sprechen, welche durch
die beigefügten Angaben Vergleiche und Folgerungen gestatten.
So trat uns in der Ausstellung des österreichischen Unterrichtswesens eine von
Berichterstatter als Lehrmittel exponirte vergleichende Zusammenstellung der Mehle
der Hoch- und Flachmüllerei entgegen. Die Mehle nach dem ersteren
Verfahren stammen aus Odkolek's Mühle in Prag, jene nach
dem zweiten wurden bei möglichst sorgfältigem Schälen oder Putzen des Getreides von
Ingenieur Scheib in einer Mühle bei Frankfurt a. M.
hergestellt.
Aus 100 Theilen Weizen wurden erhalten:
Mehle der
Hochmüllerei.
Mehle der
Flachmüllerei.
Nr.„
00 u. 0 1
AuszugsmehleBäckerauszug
18,913,8
Proc.„
fehlen.
„
2
„
12,0
„
Nr.
0
sogen. Blumenmehl
23,92
Proc.
„
3
Mundmehl
13,7
„
„
1
Plattmehl zwischen
„
4
Semmelmehl
11,9
„
Hochmehl Nr. 2 u.
„
5
Weißes Pohlmehl
7,3
„
3 stehend
40,16
„
„
6
SchwarzesPohlmehl
4,5
„
„
2
Griesmehl zwischen Nr. 3 u. 4 stehend
6,26
„
––––––––––
„
3
Kornmehl gleich Nr. 6
8,91
„
82,1
Proc.
––––––––––
79,25
„
„
4
Futtermehl
4,28
„
„
5
Kleiemehl
9,43
„
Diese letzteren beiden Mehle sind nur zur Viehfütterung verwendbar.
Der Rest ist Kleie, Fußmehl und Verlust.
Mithin ist bei beiden Vermahlungsmethoden aus 100 Theilen Weizen circa 80 Procent vom Menschen genießbares Mehl erhalten
worden. Während die Hochmüllerei 44,7 Proc. Auszugsmehle lieferte, ergab die
Flachmüllerei nur 23,92 Proc.
Den hervorragenden Ausstellungsobjecten der Kleinmünchner
Kunstmühle und Teigwaarenfabrik waren nachstehende Mahlergebnisse beigegeben.
Resultate der Vermahlung.
500 Zollcentner zum Effectivgewicht von 83 bis 84 Wiener Pfund per Wiener Metzen:
Gries A und B
2
Proc.
Mehl
Nr.
0
5
„
„
„
1
12
„
„
„
2
6
„
„
„
3
6
„
„
„
4
5
„
„
„
5
5
„
41 Proc. Auszugsmehle,
„
„
6
14
„
„
„
7
9
„
„
„
8
5
„
„
„
9
10
„
38 Proc. mittlere und ordinäre Mehle.
––––––
79 Proc.
Kleie
18
„
Verlust
3
„
Roggenvermahlung.
Mehl
Nr.
1
15
Proc.
„
„
2
38
„
„
„
3
14
„
––––––––
67
Proc.
Kleie
31
Proc.
Verstaubung
2
„
Maisvermahlung.
Gries und Polenta
80
Proc.
Mehl
12
„
––––––––
92
Proc.
Kleie
6
„
Verlust
2
„
Wir ersehen aus dieser Weizenvermahlung, verglichen mit den vorerwähnten, daß die
Numerirung der Mehle eine sehr verschiedene ist und behufs Beurtheilung der Farbe
der Vergleich mit Normalmehlen unerläßlich ist.Daher auch die Jury bei Prüfung der Mehle sich solcher Normalmehle (Typen)
bediente und zwar eigener für Mehle der Hochmüllerei, der Halbhoch-
und der Flachmüllerei. Die Type für Flachmehl Nr. 0 war nahe gleich jener
für Hochmehl Nr. 2. Zu diesem Zwecke empfiehlt sich ein seit einiger Zeit hie und da in Ungarn
und Wien gebräuchliches Verfahren ganz vorzüglich, und wollen wir dasselbe an dieser
Stelle kurz besprechen.
Auf einem etwa 9 Centimet. langen, 5 Centimet. breiten, 1/2 Centimet. dicken, mit
Handgriff versehenen Bretchen ist ein zweites aufgeleimt, welches eine Holzschichte,
darüber eine Schichte weichen Papieres und endlich ein kräftiges ungeglänztes Papier
trägt.
Die Form dieses zweiten Bretchens und der Filzlage ist eine solche, daß das
Polsterchen eine schwache convexe Form erhält.
Auf dieses Polster werden die zu prüfenden Mehle knapp neben einander aufgetragen und
dann mit einem zweiten Pölsterchen, welches mit möglichst glattem Papier
(Metallpapier) überzogen, sonst aber dem ersteren ganz gleich ist, über die
Mehlproben mit kräftigem Drucke hingefahren, wodurch beide Proben, welche sich innig
berühren, eine ganz gleichglatte Oberfläche erhalten und die geringsten
Farbunterschiede auf das Deutlichste ersichtlich werden. Die Vergleichung der
Mehlsorten wird dadurch leicht und empfiehlt sich der Gebrauch dieser Vorrichtung in
den Mischkammern von selbst.
Wenn wir nun im Vorstehenden eine Besprechung der einzelnen ausgestellten
Mahlproducte als werthlos bezeichneten, so wird ein Gleiches wohl nicht behauptet
werden können, wenn wir die Mahlproducte nach den hiebei verwendeten Mahlverfahren und nach den
hauptsächlich exponirenden Ländern besprechen, denn gerade in dieser Richtung
herrscht noch manches erheiternde Vorurtheil. So ist z.B. in dem sonst trefflichen
deutschen Specialkatalog, Seite 140 u. 141 zu lesen: „Die dritte Periode
der neueren Müllerei charakterisirt sich zunächst durch den Kampf zwischen
Flach- und Hochmüllerei, dann durch die Bemühungen, völlig
zufriedenstellende Getreideschäl-Maschinen zu construiren, den Oberstein
ruhen und nur den Unterstein laufen zu lassen, die Walzenarbeit zum Gries machen
zu verwenden etc. Die hiebei auftretenden Streite haben (nach allen Richtungen
hin) zur Zeit noch zu keinem entscheidenden Ende geführt, indeß hat man doch in
Bezug auf die Mahlmethode so viel erkannt (!), daß die Grießmüllerei mehr für
Süddeutschland, mehr für die Kipfel-, Knödel- (überhaupt
Mehlspeisen-) Esser, als für die an gröbere Kost gewöhnten Norddeutschen,
und ferner dahin paßt, wo man weiß was man bei der geringen Menge (?!) edleren
Mehles mit der großen Masse ordinärer Mehlsorten anfangen kann.“
Dieser Gallimathias dürfte aus dem Journal „die Mühle“
abgeschrieben seyn, welches sich oft in dieser Logik gefällt! Also die
„Kipfelesser“ wissen mit der großen (!) Masse ordinärer
Mehlsorten fertig zu werden, aber die an ordinäre Kost gewöhnten Norddeutschen haben
dafür keine Verwendung? Und achtzehn Zeilen tiefer steht gedruckt: „Auf
dem Felde der Mehlwaaren- (Teigwaaren-) Fabrication, insbesondere
in der Maccaroni-, Faden- und Façonnudel-Fabrication
hat auch Deutschland bereits mit Erfolg begonnen, den älteren erfahreneren
Vorgängern in Italien, Oesterreich-Ungarn etc. Concurrenz zu
machen.“ Es scheint also fast, daß auch Deutschland Mehlspeisen
consumirt und hält dieses Concurrenzmachen noch länger an, so dürften Kipfel-
und Knödelesser in Norddeutschland auch entdeckt werden können!? – Es zeigt
schon jetzt die Ausstellung der Mahlproducte Deutschlands, daß das Beispiel der „erfahreneren
Vorgänger“ in der Hochmüllerei in Oesterreich und Ungarn nicht
unberücksichtigt blieb, und ist ein Viertheil der ausgestellten Mehle nach diesem
Systeme erzeugt. So haben Hochmehle ausgestellt: Beissert
in Dresden, Hildebrand Söhne in Weinheim, Berg in Stuttgart, Genz in
Heidelberg, Gramer in Schweinfurt, Wiß in Nürnberg, Bartsch in Jatzdorf bei Ohlan
u.a.m., also schon jetzt Hochmüller in verschiedenen Theilen Deutschlands, ja selbst
Nord-Deutschlands!
Die Mehle der Halb-Hochmüllerei und jene der Flachmüllerei stehen naturgemäß
im Allgemeinen zurück, doch waren auch solche von hervorragender Weiße
ausgestellt.
Besondere Erwähnung verdienen die schönen Graupen und die vorzüglichen Roggenmehle
von Beissert in Dresden u.a., die schönsten der
Ausstellung; auch Erbsen- und Bohnenmehl – in Oesterreich wenig
gekannt – wurde von drei deutschen Ausstellern exponirt.
Die Aussteller von Mehlen nach dem Systeme der Hochmüllerei bezeichneten dasselbe zum
Theil als „Dauermehl,“ welche Benennung darin ihre Begründung
und Berechtigung findet, daß die Vermahlung trocken erfolgt, der
Griesputz-Proceß an sich auch trocknend auf die Griese wirkt, und das
gewonnene Mehl seines geringen Wassergehaltes wegen einen hohen Grad der
Dauerhaftigkeit besitzt.
Der in Deutschland zumeist vermahlene milde oder Weißweizen gestattet ein längeres
Stehenbleiben bei der Flachmüllerei eher als die harten Weizensorten, er liefert
geputzt und genäßt vermählen bis 72 Proc. Mittelmehle. Doch ist derselbe nach dem
Systeme der Hochmüllerei ebenfalls leicht zu behandeln und liefert sehr schöne
Producte, wenn auch nicht über 27 Procent Klebergehalt. Letztere Angabe, welche aus
Proben des Hrn. Mühlenbesitzers und Jurors Franz Schmid
in Lanzendorf stammt, veranlaßt den Berichterstatter, nachstehende Tabelle
einzufügen, welche Schmid's Versuchsergebnisse enthält
und Interesse für sich in Anspruch nimmt.
Weizen-Mehlsorte
Bei der Teigbildung absorbirtes Wasser
in Proc.
KleberausbeuteDie Kleberbestimmung aus je 20 Grammen Mehl erfolgte in der bekannten
Weise durch Auskneten, und zeigt diese Methode überall dort zu wenig
Kleber an, wo derselbe durch nachtheilige Veränderung des Mehles
(z.B. als Folge von nasser Vermahlung) seine Eigenschaft im Wasser
aufzuquellen verlor. Hingegen wird bei kleiereichen
Mehlen um diese mehr Kleber gefunden, da die Kleie nicht durch das
Säckchen geht. Die Zahlen bezeichnen das Gewicht nassen Klebers aus 100 Theile Mehl. Bei
der Teigbildung wurde so lange Wasser zugesetzt, bis ein gut
knetbarer, nicht klebriger Teig entstand.
Durchschnittsergebniß der Mehle aus der
Collectivausstellung der Wiener
Mehl- und Fruchtbörse
48
37,5
Durchschnittsergebniß aus den Flachmehlen der
deutschen CollectivausstellungDie Kleberbestimmung aus je 20 Grammen Mehl erfolgte in der bekannten
Weise durch Auskneten, und zeigt diese Methode überall dort zu wenig
Kleber an, wo derselbe durch nachtheilige Veränderung des Mehles
(z.B. als Folge von nasser Vermahlung) seine Eigenschaft im Wasser
aufzuquellen verlor. Hingegen wird bei kleiereichen
Mehlen um diese mehr Kleber gefunden, da die Kleie nicht durch das
Säckchen geht. Die Zahlen bezeichnen das Gewicht nassen Klebers aus 100 Theile Mehl. Bei
der Teigbildung wurde so lange Wasser zugesetzt, bis ein gut
knetbarer, nicht klebriger Teig entstand.
41
25,5
Auszugmehl von Economo in Triest
49
44,25
Ungarische Collectivausstellung
48
37,0
Russisches Weizenmehl, Hartmehl (Canadura Weizen) von
Vochrameieff
60,5
48,65
dto. von Liaschkoff (aus weißem Weizen)
47
35,3
Amerika (Weißweizen) Mehl von Thilenius
44,5
32,5
Algerisches Hartmehl
42,6
32,5
Italien (Cesaretti, Ancona)
38,5
25,0
Spanisches Mehl
40,6
30,0
Japanisches Mehl
43,0
37,5
Die Mehlfabrication Oesterreichs und Ungarns nahm entschieden den ersten Rang ein. Die ungarischen Mehle
überraschten durch die auffallende Uebereinstimmung der Mehle Nr. 00 bis 1, eine
Uebereinstimmung, welche gewöhnlich in diesem Maaße nicht stattfindet, sich aber
wohl dadurch erklären läßt, daß man die Ausstellungsobjecte nach einer Sorte von Normalmehlen numerirte. Diese
Uebereinstimmung fand sich in den österreichischen Mehlen nicht vor.
Die Ausstellungen der Müller der verschiedenen österreichischen Kronländer, ferner
Ungarns und Croatiens lassen im Allgemeinen keinen wesentlichen Unterschied in der
Entwickelung der Müllerei wahrnehmen, denn es hatten sich die kleinen Mühlen, die
Schiffmühlen und dergl. von der Concurrenz in der Qualität des Erzeugnisses selbst
ferngehalten, während sie am Markte in Folge ihrer Billigkeit immerhin mitsprechen;
die österreichischen Kunstmühlen aber arbeiten alle in der Hauptsache nach derselben
Methode.
Die vorhandenen Unterschiede in der Fabrication waren zumeist nicht ersichtlich
gemacht, nur C. Hannak aus Brandeis in Böhmen hatte
seinen Producten eine tabellarische Darstellung der Fabrication beigefügt; bei A.
Hlavac aus Podebrad erfuhr der Berichterstatter, daß
die besonders schönen Mehle Nr. 2 bis 5 dieses Ausstellers theilweise in Folge
besonders sorgfältiger Reinigung des Getreides entstanden; L. F. Daubek in Brünnlitz stellte gereinigten Dunst aus, dessen
Reinigung nicht durch die Putzmaschinen mit saugender oder blasender Wirkung,
sondern durch einen eigenthümlichen Siebproceß (Absauberung) bewirkt wurde; Joachim
Nigrin in Swarow, stellte aus brandigem Weizen
erzeugte Mehle aus, welche ihres Gleichen wohl suchten.
Die Vorzüglichkeit der österreichischen Mehle läßt mit Recht vorzügliche Teigwaaren (Maccaroni, Nudeln und Schnittwaare) erwarten
und die Leistungen der betreffenden Fabriken Kleinmünchen
in Oberösterreich, R. Hofer in Fünfhaus, Fischer v. Röslerstam in Hundsthurm in Wien, ferner von
Pasentto's Söhne in Triest u.a. sind den
italienischen ebenbürtig und ließen nichts zu wünschen übrig.
Eine eigenthümliche ungarische Suppen-Mehlspeise die Tarhonya, exponirte J. Bartok in St. Miklos und Oblat und Comp. in Szegedin; auch die Maccaronifabrication war
gleichfalls durch ungarische Aussteller vertreten.
Trotz des Aufschwunges der Pasta- oder Teigwaarenfabrication in
Oesterreich-Ungarn und Deutschland blieb doch die so vielseitig beliebte
englische Theebäckerei (Bisquits) unnachgeahmt und hatten
selbe nur Huntley und Palmers
in London, Peek, Frean und Comp. in London und Gaetani Guelfi in Pisa
ausgestellt.
Von größerer Wichtigkeit als die ausgedehntere Besprechung der ausgestellten Mehle
und Mehlwaaren erscheint uns die Frage nach den Fortschritten im Mühlenwesen oder
der Mehl- und Graupenfabrication und jene der Bäckerei.
In dieser Richtung zerfällt unsere Aufgabe in die Besprechung der
Getreidereinigungs- und Trockenmaschinen, der Putz- und
Schälmaschinen, der Mahlgänge und sonstigen Mittel zur Mehlerzeugung, der Mühlsteine
und Stein-Schärfmaschinen, der Beutelvorrichtungen, der Schrot- und
Griesputzmaschinen, der Graupenmaschinen und endlich der Hülfsmittel des Bäckers. In
dieser Reihenfolge entsprechen wir zugleich im Wesentlichen der Eintheilung unseres
Buches: „Die Mehlfabrication“ Leipzig, Arthur Felix 1871, welches dem Leser dort Aufschluß geben kann,
wo der Bericht vielleicht unklar erscheint, dessen Aufgabe methodischer Aufbau nicht
ist, da er nur die Ausstellung und zumeist das Neue darin zu besprechen hat.
Getreide-Reinigungsmaschinen. (Figur 1 bis 3.)
Die Maschinen mit Siebwerken und Ventilator, die sogenannten Säuberungsmaschinen und
ebenso die in reicher Auswahl ausgestellten TrieurTrieurs in reicher Auswahl für die Abscheidung der verschiedenen runden im
Getreide enthaltenen Samen, sowie für Abscheidung von Gerste und Hafer aus
Weizen hatte J. Pernollet, Paris, rue Saint-Maur-Popincourt 116,
ferner M. Bauer in Wien u.a. ausgestellt. Die
Trieurs arbeiten gut aber mit geringer Leistungsfähigkeit; M. Bauer rühmt seinen Trieurs oder Radenfängern die
dreifache Leistungsfähigkeit nach u. z. Nr. 1 mit 3 Cylindern soll 1200
Kilogramm per Stunde mit 3/4 Pferdekraft, Nr. 2,
800 Kilogrm. mit 1/2 Pfund Kraft und Nr. 3 (mit 1 Cylinder) 400 Kilogrm. mit
1/4 Pferdekraft liefern. können hier übergangen werden, weil sie einerseits mehr in das Gebiet der
Landwirthschaft fallen, andererseits hinlänglich bekannt sind. Zum Zwecke der
Entfernung der Steine aus Weizen und Gerste (bei letzterer namentlich dann von
besonderer Nothwendigkeit, wenn die Gerstenkörner zur Graupenfabrication auf
Schneidwerken getheilt werden) dienen J. Hignette's
Stein-Auslese-Maschinen und arbeiten dieselben, wenn gut
gestellt, tadellos, doch mit geringer Lieferung. Die Figuren 1 und 2 zeigen
Grundriß und Vorderansicht. Das Getreide fällt bei a,
von einer Gosse kommend, auf die Ebene A, B, C, welche
auf Holzfedern F ruhend, eine geringe, dem Zwecke angemessene Steigung
hat.
Der Hauptsache nach haben wir einen dreieckigen, geneigten Kasten mit niederen
Wänden. Die schweren Theile werden naturgemäß durch das Rütteln in Folge der
geneigten Lage des Bodens gegen die tiefer liegende Spitze gleiten, die leichteren
Theile gehen gegen oben und verlassen die Maschine bei O,
O. Die Mittelwände haben neben dem Zwecke der Vertheilung, auch die Aufgabe
ein zu rasches, erfolgloses, nach abwärts Gleiten des Getreides zu hindern.
Der Kasten D ist bei der Operation des Steinauslesens
geschlossen, es sammelt sich in demselben Anfangs Getreide an, dieses wird aber bald
durch die angesammelten Steine verdrängt, welche, nachdem der Kasten damit gefüllt
ist, abgelassen werden.
Diese oder ganz ähnlich construirte kleinere Maschinen werden auch zur Trennung
schweren Weizens von leichtem oder Weizen von Hafer etc. verwendet und wird dann D offen gelassen, unter demselben aber ein Sieb
angebracht, durch welches im Weizen enthaltene kleine Samen abgesondert werden.
Es ist bekanntermaßen leicht das Getreide von, der Größe nach, wesentlich
verschiedenen Verunreinigungen zu befreien; durch Hignette's Steinausleser werden aber gerade Steinchen von Weizenkorngröße
sehr leicht entfernt. Die rüttelnde Bewegung wird von einem Vorgelege, das je nach
der Größe der Maschine zwischen 90 und 115 Touren der Kurbelwelle besitzt,
hervorgebracht. Die größten Maschinen Nr. 5 sollen bis 4000 Liter tägliche Leistung
erreichen, es würden also auf vier Mahlgänge drei Maschinen erforderlich seyn. Diese geringe Leistung
steht der Anwendung der sonst vorzüglich arbeitenden Maschinen von Hignette im Wege.
Zum Zwecke der Trennung leichter Theile vom Weizen wird weit vortheilhafter die Saugputzmaschine (Tarare, Aspirator) angewendet, welche
in Fig. 3
dargestellt ist. Durch A fällt das zu putzende Getreide
in die Maschine und wird in B von der durch den
Saugventilator angesaugten Luft getroffen. Die schweren Körner fallen bei B herab, leichte Körner gelangen nach C und Spreu und dergl. wird durch den Ventilator
ausgetrieben. Diese Maschine wird häufig auch dazu verwendet, das von den
Schälmaschinen kommende Getreide von den noch anhängenden Kleietheilchen zu
reinigen. Eine Maschine dieser Art war mit der Bezeichnung M. Bauer's Patent Saug-Putzmühle ausgestellt; es blieb uns aber
gänzlich verborgen, worin bei dieser vielerorts gebauten Maschine das
„Patent“ bestehen soll.
Getreide-Trockenmaschinen.
(Fig.
4.)
Davey und Paxman von
Colchester haben eine Getreide-Trockenmaschine ausgestellt, welche der
Schnitt Fig. 4
zeigt. A ist ein hohler rotirender Cylinder, in welchen
links durch a Dampf eintritt, welcher durch b austritt und durch ein in der Figur nicht gezeichnetes
Rohr in den Dampfmantel B, B gelangt und endlich mit dem
Condensationswasser bei c abgeleitet wird. Der Cylinder
A ist mit vier schwach schraubenförmig gebogenen
durchlöcherten Treibern besetzt, welche Bürsten tragen. Das zu trocknende Getreide
wird in die Gosse G geschüttet, durch Walzenführung
gleichförmig in den Raum C gebracht, von den Bürsten und
Leisten erfaßt und allmählich zum Auslaufe D befördert.
Die Löcher in den Treibern bezwecken ein Wenden des Getreides. Auf diesem Wege
befinden sich stets ober und unter dem Getreide mit Dampf geheizte Wände, welche
eine Verdunstung des Wassers bewirken. Zum Zwecke der Abführung des entwickelten
Dunstes ist für Luftwechsel im Trockenraum gesorgt, indem ein Ventilator E die Luft aus dem Raum F
aussaugt, in welchen durch die Löcher i, i Luft von
Außen nachtritt; diese (erwärmte) Luft treibt der Ventilator in den Trockenraum,
welchen die Luft der Länge nach bis C durchzieht und bei
d geschwängert mit Dünsten verläßt. Es ist aus der
Zeichnung ersichtlich, daß der Cylinder A die rotirende
Bewegung von dem Zahnrad f erhält, der Antrieb von f, sowie des Ventilators ist jedoch weggelassen.
Die Maschine hat eine Länge von circa 4 Meter und soll
per Stunde 17,5 Wiener Metzen oder 1080 Liter
Getreide trocknen. Der Cylinder macht 34 Touren per
Minute und es wird angegeben, daß per Metzen zu
trocknenden Getreides ca. ein Pfund guter Kohle
verbraucht wird. Für Mühlen wird diese Maschine übrigens nur ausnahmsweise zu
empfehlen seyn, weil das Waschen des Getreides sehr selten angewendet wird.
Getreide-Putz- und
Schälmaschinen. (Fig. 5 und 6.)
Die Zahl der Getreide-Putzmaschinen auf der Ausstellung war keine geringe und
waren sowohl Maschinen, welche mit scharfen Theilen (Reibblech, Sägen) als solche,
welche nur mit cannelirten Flächen wirken, vertreten. Wir sahen Proben von den
meisten derselben, welche Nichts zu wünschen übrig lassen und folgt hieraus eben,
daß das Getreide nach mehrerlei Façon geputzt,
„geschält“ werden kann. Wie bei den Nähmaschinen fast jede
Firma ihre Waare als die allein ausgezeichnete hinstellt, so treffen wir auch hier
auf die bitterste Concurrenz und oft überlautes Selbstlob und beim Ergebniß der Betrachtungen kommt man
immer wieder zu dem Schlusse, daß der Weizen – diese wichtigste der
Getreidearten – eben nie vollständig geschält werden kann, und daß die Arbeit
eine befriedigende genannt werden muß, wenn ein tüchtiges Putzen auf trockenem Wege
bewerkstelligt wird, ohne zu viele Körner zu brechen oder zu zerreißen. Wesentlich
ist, den abgeriebenen Putzstaub möglichst bald und vollkommen wegzutreiben, damit er
sich nicht wieder an die Körner anhängt.
Schäl- oder Putzmaschinen mit Reibblech oder
dergleichen hatten in conischer Form der Trommel – ausgestellt: L. Nemelka in Simmering bei Wien, Hauptstraße 106; Wenzel Jonas in Pfaffstätten (Niederösterreich), in
cylindrischer Form Franz Holtzhausen in Bieberstein bei
Siebenlehn (Sachsen), Oskar Reißmann in Mittweida und Millot in Zürich.
Nemelka's Maschinen sind solid gebaute Conuse, die innere
Trommel mit Sägen statt Reibblech armirt (System Aumann);
die Maschine von Jonas konnte in ihrer inneren
Einrichtung nicht besehen werden, und blieb eine briefliche Anfrage dießbezüglich
unbeantwortet, da nur mitgetheilt wurde, daß diese Maschine drei Pferdekräfte
benöthigt und in 24 Stunden 300 Metzen Frucht reinigt und sortirt.
Die Maschine von Holtzhausen ist cylindrisch, der
Reibblech-Cylinder ist innen durch Ringe in mehrere Etagen getheilt, wodurch
der Weg, welchen das Getreide zu durchlaufen hat, verlängert wird; an der verticalen
Welle sitzen Flügel, Treiber und unten Windflügel, wodurch das aus der Maschine
fallende, geputzte Getreide noch vollständiger ausgeblasen wird.
Reißmann's Maschine ist circa
sieben Fuß hoch und der Mantel theils aus Reibblech, theils aus Steinen gebildet.
Sie soll bei einem Kraftverbrauch von vier Pferdekräften bis zwölf Centner Weizen
per Stunde reinigen.
Millot's Putzmaschine unterscheidet sich von den
letztgenannten sehr wesentlich dadurch, daß der Cylinder horizontal liegt, nicht in
Abtheilungen getheilt wird und das Getreide durch acht schwach schraubenförmig
gewundene Leisten, deren vier Drahtbürsten tragen, während die anderen vier eiserne
Treiber bilden, herumgetrieben und langsam von dem einen Ende des Cylinders gegen
das andere bewegt wird. Fig. 6 stellt eine Skizze
des Verticalschnittes dar, aus welcher zu ersehen wie der Cylinder geformt ist.
Bekanntlich nutzen sich Drahtbürsten allmählich ab, und sind zu diesem Zwecke die
Arme, welche die Bürsten tragen, zum Verlängern eingerichtet. Der Mantel ist aus
Reibblech gebildet, welches jedoch nicht mit einem dreieckigen Durchschnitt, sondern einem circa sechs Millimeter langen Meißel durchbrochen wurde,
und daher Längsspalten obbezeichneter Dimension enthält. Der aus der Maschine
kommende Weizen passirt den Wind eines Ventilators. Betriebskraft zwei Pferde.
Leistung nicht angegeben.
Zu den Schälmaschinen mit cannelirten Arbeitstheilen,
welche also ohne Reibeisen arbeiten, gehören die von M. Bauer ausgestellten Maschinen nach Seck's
SystemBeschrieben im polytechn. Journal Bd. CXC
S. 363. die Maschinen von Puhlmann, Kohn und zwei etwas
abweichende Schälmaschinen „Eureka“ genannt, von Howes und Babcock und Comp. Es haben die Schälmaschinen dieser Kategorie den
großen Vortheil, daß sie keiner Nachschärfung bedürfen und auch weniger getheilte
Körner vorkommen.
Wenn die Maschinen mit Reibblech noch weiter in Gebrauch stehen und neu aufgestellt
werden, so mag dieß seinen Grund in der meist größeren Einfachheit der Construction
und den von manchem Müller noch geliebten schärferen Angriff haben, so wie manche
gar keine „Schälmaschinen“ anwenden, sondern die Arbeit durch
Spitzgänge besorgen lassen, welche scharf angreifen, dafür aber auch etwas Verlust
mit sich bringen. Wir haben uns bei Bauer's, Puhlmann's
und Howe's Maschine überzeugt, daß die Arbeit eine ganz
vorzügliche ist, und daß von Staubbrand befallener, und dadurch ganz grauschwarzer
Weizen rein aus der Maschine herausgekommen ist. Dieses gleiche Resultat ist durch
das gleiche Princip dieser Maschinen erklärt.
Die Maschine von M. Bauer in Wien, Praterstraße 78, ist in
allen drei Variationen, welche sie seit ihrer Erfindung durchlief, in des
Berichterstatters Lehrbuche „Die Mehlfabrication“ beschrieben
und abgebildet und mag hier nur erwähnt werden, daß die anfänglich complicirte
Zuführung durch eine ganz einfache ersetzt und ebenso der Weg des Getreides
vereinfacht wurde. Gegenwärtig besteht die Maschine aus einem Cylinder aus
cannelirtem Bleche, welcher durch angebrachte Ringe in Etagen getheilt wird. In dem
äußeren feststehenden Cylinder rotirt ein Siebcylinder, welcher außen Treiber trägt,
die den Weizen zwingen, sich gegenseitig und an den Wänden reibend, sämmtliche
Etagen zu durchlaufen. Die Wand des äußeren Cylinders ist gegen die Staubkammer zu
durch ein Sieb ersetzt, durch welches der abgeriebene Staub vermittelst des Windes
getrieben wird, welcher durch große Flügel die im Inneren des Siebcylinders
angebracht sind, erzeugt wird.
Die Schäl- oder Putzmaschine von Puhlmann, Berlin,
Lankwitzstraße Nr. 14,
ist der vorstehenden sehr ähnlich. Der gleichfalls cylindrische Mantel ist mit
Verticalreihen von Erhöhungen oder Buckeln versehen, durch welche der Cylinder
gleichfalls wellig wird. Jede Erhöhung hat an ihrer höchsten Stelle einen Schlitz,
durch welchen die abgeriebenen Staubtheilchen in die äußere Umhüllung und von dieser
in die Staubkammer gelangen. Der die Maschine verlassende Weizen wird von dem Winde
eines unter der Maschine angebrachten Ventilators getroffen, welcher Weizen, leichte
Körner und Kleie scheidet.
Die Maschine von Albert Kuhn in Halle an der Saale soll
ebenso gut arbeiten und ist auch ähnlich construirt. Genaueres können wir, da die
Maschine geschlossen war und nicht arbeitete, nicht angeben.
Die Putzmaschine „Eureka“ von Howes,
Babcock und Comp. in Amerika, (Vertreter J. N.
Sears und Comp. in London,
Fenchurch-Street 17) ist in Figur 5 im Durchschnitte
gezeichnet, und ist dieser Durchschnitt dem Prospecte des Erfinders entnommen,
welcher sich dadurch vortheilhaft auszeichnet, daß er an dem sonst im Mühlenfache so
beliebten Blindekuhspielen nicht theilnimmt; er bot eben etwas mehr als die bloße
Zeichnung eines Kastens, wie viele Andere dieß so sehr lieben.
Das Getreide tritt bei A in die Putzmaschine ein, passirt
den Cylinder B, gelangt durch C nach D, wo dem Weizen der angesaugte
Luftstrom entgegentritt, welcher die leichten Körner nach E, die Kleie nach F zum Ventilator und vor
diesem in die Staub- und Kleiekammer führt. Dieser Ventilator saugt, wie die
Pfeilchen andeuten, die Luft auch aus dem Staubmantel. Wir fügen zum Vergleiche der
letzten vier Maschinen nachstehende Daten nach Angabe der Aussteller bei.
Textabbildung Bd. 211, S. 98
Bezeichnung der Maschinen; Leistung
der Maschine in Zollcentner; Touren pro M.;
Kraftverbrauch in Pferdekräfte; Preis loco Wien Gulden österr. Währung; Höhe;
Länge; Breite; in Meter; Anmerkung; M. Bauer;
Puhlmann; Howes und Babcock; Kuhn; bis; Thler. loco Halle; Wird in verschiedenen Größen
gebaut; Baut zwei verschiedene Größen. Die Preise in () sind für Holzgestelle;
In zehn verschiedenen Größen gebaut; In drei verschiedenen Größen
Die Mahlgänge. (Figur 7 bis 12.)
Die eminente Mehrheit der ausgestellten Mahlgänge warm Steingänge mit bewegtem Oberstein und dürfte die Aufzählung derselben, da
sie keine besonders hervorragenden Einzelheiten boten, unterbleiben können.
Einen Mahlgang mit beweglichem Unterstein hatte Turner in
Ipswich ausgestellt. Die Steinstellung erfolgt durch Hebung des Bodensteines, zu
welchem Zwecke die Mühlspindel wie gewöhnlich gehoben wird.
Der Oberstein kann horizontal gestellt werden, steht aber sonst fest.
Die Walzenmühlen waren durch eine Stuhlung mit drei Paar
Walzen, ausgestellt von der Maschinenfabrik von Escher,
Wyß und Comp. in Leesdorf bei Wien vertreten. An
den principiellen Theilen dieser Maschine ist Nichts eingeführt worden, doch ist
eine constructive Verbesserung angebracht, welche erwähnt zu werden verdient.
Bei den Stuhlungen früherer Construction waren die Lager der Walzen in Schlitzen der
Ständer verschiebbar und wurde die richtige Einstellung durch Schrauben bewirkt.
Hierdurch war weder ein Nachlassen der Schrauben, noch die Uebelstände des todten
Ganges vermieden. Diese Mängel sind durch die neueste Construction beseitigt.
Das Lager L des Walzenzapfens z, Figur
7, ist in einer großen cylindrischen Höhlung des Ständers eingeschoben,
und kann in dieser Höhlung gedreht werden. In dem scheibenförmigen Lagerkörper ist
das Zapfenlager excentrisch eingedreht. Zum Zweck der Drehung des Lagerkörpers im
Ständer trägt ersterer die aus der Figur ersichtlichen geschlitzten Ansätze, deren
unterer in ein Zahnsegment endet, welches die Bewegung von der Schraube ohne Ende
s erhält. Wird der Lagerkörper um den Winkel α gedreht, so macht diese Drehung der
Zapfenmittelpunkt mit, wodurch die Walze um den Sinusversus von α (bei den in der Figur ersichtlichen
Constructions-Verhältnissen) mal dem Abstande des Zapfen- und
Lagermittels gegen rechts (das ist gegen die zweite Walze) bewegt wird. Es
verhindert schon der Eingriff des Segmentes in die Schraube ohne Ende jede
beabsichtigte Drehung des Lagerstückes und dadurch Verschiebung der Walze; zur
größeren Sicherheit jedoch wirken zwei Klemmschrauben i,
i, festhaltend in der jeweilig gegebenen Stellung. Es mag hier erwähnt
werden, daß beide Lager der stellbaren Walze durch dieselbe Vorrichtung aber von
einander unabhängig ihre Position bekommen. Eine geringfügige Aenderung in der
Construction der Sättel, welche das Mehl gut von den Walzen abstreifen, kann
unbesprochen bleiben.
Man kommt allmählich in weiteren Kreisen zu der Erkenntniß der großen Bedeutung der
Walzenmühlen und es mehrt sich deren Anwendung in
Oesterreich wesentlich. Das hervorragendste Beispiel liefert die Walzenmühle in
Pest, welche alle Schwierigkeiten der Mahlmethode mit Walzen glücklich überwand und
den durchschlagenden Beweis der ökonomischen Zulässigkeit dieses Verfahrens liefert.
Es mag hier erwähnt werden, daß in dieser Mühle die Walzen nicht nur zum Schroten
und Grieserzeugen, sondern auch zur Herstellung des Mehles verwendet sind. Die
Schrotgänge sind von den Weißgängen – wie ich bereits in meinem Lehrbuche, in
welchem die Zeichnung der Stuhlung gegeben ist, angeführt habe – dadurch
verschieden, daß erstere geriffelte Walzen, letztere vier glatte Walzen besitzen.
Man rechnet drei Walzengänge in ihrer Leistung als gleichwertig mit zwei Mahlgängen.
Der Kraftverbrauch beträgt je vier Pferdekräfte.
Walzengänge oder Schrotmühlen
mit einer Walze waren auf der Ausstellung nur durch Zeichnungen der
Maschinenwerkstätte und Eisengießerei St. Georgen bei St.
Gallen vertreten. Ein Walzstuhl dieser Art ist in Fig. 8 dargestellt und
besteht aus der rotirenden mit Stahlhülse versehenen Walze W und der Stahlschale S, welche durch
Kurbelrad und Schraube, wie aus der Figur ersichtlich ist, der Walze entsprechend
genähert werden kann. Diese Walzenmühlen werden nur zum Schroten und Erzeugen von
Feingries verwendet, welcher dann auf Steingängen seine weitere Verarbeitung
findet.
Per Maschine soll 1/2 bis 1 Pferdekraft erforderlich
seyn, die Leistung ist nicht angegeben. Statt der Stahlschale wird häufig auch ein
Stein gegen die rotirende Walze gedrückt. Die Fabrik fügte ihrer Zeichnung ein
Mahlergebniß bei; nachdem aber keine Mehlproben, welche einen Vergleich gestatteten,
vorlagen und das Ergebniß der Vermahlung 103,95 Procent (!) auswies, so verzichten
wir auf die Wiedergabe als völlig werthlos.
Handmahlmühle mit Mahlscheiben von Franz Sautner's Söhne in Graz, Rebengasse. Für ganz
ausnahmsweise, ländliche Verhältnisse mögen noch Handmühlen am Platze seyn,
industrielle Bedeutung haben dieselben natürlich nicht. Figur 9 zeigt eine Skizze
des Sautner'schen Mahlmechanismus. S, S' sind die beiden Mahlscheiben. S sitzt an
der Welle w und wird durch Umdrehung des Handrades R in Bewegung gesetzt. S¹ ist am Schieber B fest und kann längs
A, A durch die Schraube C verschoben und so der Scheibe S beliebig
genähert werden. In das Loch i der festen Scheibe S' (vergl. Figur 10) fällt die zu
vermahlende Frucht und gelangt so zwischen die Mahlscheiben, wird von diesen vermahlen und endlich
ausgeworfen, um in einen unterhalb liegenden Bürstencylinder zu gelangen, welcher
das Sieben besorgt. Den Lohnmüllern wird diese patentirte Erfindung wohl
ungefährlich bleiben!
Ueber die „Universalmühle“ von
Ferdinand Rechtberger in Iglau, welche in ihrer äußeren
Form eine Kaffee-Reibmaschine höherer Ordnung zu seyn scheint, kann der
Berichterstatter trotz seiner Bemühungen den Schleier zu lüften, keinen Bericht
erstatten.
Die Müllerei ist, sobald es sich um Erzeugung halbwegs besserer Mehlsorten handelt,
ein Gewerbe, welches Kenntnisse und Routine verlangt; es handelt sich hier nicht
bloß um Verkleinerung, wie beim Mahlen von Cement, Gyps, Knoppern, Kaffee u. dgl.
Der Müller hat mit Berücksichtigung der Eigenschaften des Getreides bei möglichster
Mehlausbeute doch dahin zu trachten, die äußersten Theile des Getreidekernes (Kleie)
nicht in's Mehl zu bringen, also möglichst wenig zu verkleinern, dennoch aber keine
Mehltheile an den Kleien zu belassen, sondern diese möglichst auszumahlen. Aus
diesem Grunde ist es nichts weiter als ungerechtfertigte Reclame, wenn Sautner's Söhne von ihrer Handmühle sagen, daß damit
„alle Mehlsorten erzeugt werden
können.“
Der Bauer, der sie benutzt und in zehnstündiger Arbeitszeit einen Metzen Getreide
vermahlen hat, wird eben nur ein ganz mittelmäßiges Mehl erhalten können, schlechter
wie das unserer heimischen Schiff- und Windmühlen durchschnittlich ist.
Die in der Müllereibranche wohlbekannte Firma L. Nemelka
in Simmering bei Wien, gab sich bei einem ihrer Ausstellungsobjecte einem ähnlichen
Irrthume hin. Die „transportable
Kunstmühle,“ gegen deren compendiöse Construction Nichts
einzuwenden ist, soll den Vortheil bieten, keine Verbindung mit dem Gebäude zu
verlangen, daher auch in provisorischen Nothschupfen untergebracht werden zu können
und transportabel zu seyn; sie besteht aus einer Frucht-Reinigungsmaschine,
einem Koppcylinder, der Spreu-Abblasemaschine, dem Mahlgang, je einem
Schrot-, Sortir- und Mehlcylinder, und Gries-Putzmaschinen; zur
Verbindung sind Elevatoren und Mehlschrauben angebracht. Während Dreschmaschinen
unter Verhältnissen, wie sie Ungarn bietet, häufig bestimmt sind auf dem Felde hier
und dort zu arbeiten, können wir uns doch keinen Fall denken, wo transportable
Mühlen zum Bedürfnisse würden. Diese Zusammenstellung kann an sich, weil sie
compendiös ist, die Müllerei als landwirthschaftliches Nebengewerbe erleichtern,
aber darüber darf man sich nicht täuschen, daß jener Arbeiter, welcher den Gang
dieser transportablen Mühle leiten soll, Müller seyn und als solcher auch möglichst
fortwährende Verwendung hierbei finden muß. Nicht umsonst kam das Princip der
Arbeitstheilung im Mühlenfache schon im grauen Mittelalter zur Durchführung und
wurde es von der Landwirthschaft ausgeschieden, – dasselbe wieder vereinigen,
wäre verfehlt.
Beachtenswerth erscheint uns hingegen die Idee des Hrn. W. Jonas in Pfaffstätten, welcher das Getreide statt
auf Mahlgängen zu schroten, seiner Fruchtschneide-Maschine übergibt,
welche die Verkleinerung zu grobem Gries mit der halben Kraft eines Mahlganges und
der doppelten Leistung besorgen soll. Leider gehört Hr.
Jonas zu jenen Mühlenconstructeuren, welche wünschen,
daß man die Katze im Sacke kaufe; denn es wurde der Berichterstattung nicht
ermöglicht, mehr als das Gehäuse der Maschine zu besehen, und eine briefliche
Anfrage hatte von Seite des Erfinders gar keine, von Seite der Vertreter Gebrüder Pichler nur die Mittheilung obiger Daten zur
Folge. Wir würden den Gegenstand unerwähnt gelassen haben, wenn nicht die Idee an
sich Erwähnung verdiente.
Zu den interessantesten Neuerungen im Mühlenwesen gehört Carr's
Desintegrator oder Schleudermühle, welche die Zerkleinerung nach einem
neuen Principe bewirkt. Zwei Systeme von Stahlbolzen, an gegeneinander rotirenden Scheiben befestigt, bewegen sich mit circa 70 Fuß (23 Meter) Geschwindigkeit per Secunde und schleudern das dazwischen gebrachte
Getreide mit solcher Gewalt zwischen den Bolzen hin und her, daß dasselbe in ein
ziemlich feines, mehlreiches Schrot verwandelt wird. Die Figuren 11 und 12 zeigen uns
zwei Constructionen der Carr'schen Schleudermühle, welche
auf der Ausstellung durch zwei, von Carl Selbach und Deiters in Mannheim, im deutschen Pavillon für Ziegelei
und Eismaschinen ausgestellte Exemplare vertreten war, jedoch zur
Kohlenverkleinerung, für welche sich die Schleudermühlen ganz besonders eignen
sollen, bestimmt schienen.Vergleiche polytechn. Journal Bd. CCI S.
387; History and description of the
desintegrating flour mill by Thomas
Carr. Birmingham.
M.
Billing
and
Son 1872.
In beiden Figuren bezeichnet A den Einlauf des Getreides
(Gosse); B und C die
beiden, nach entgegengesetzten Richtungen rotirenden Scheiben, an welchen die Bolzen
i, i und o, o befestigt
sind, E, E, die Antriebs-Riemenscheiben und G die Mehlschraube zur Hinausbeförderung des Mahlgutes
aus der Maschine. Die Maschine ist, um das Herumschleudern von Mahlgut zu
verhindern, durch eine Haube h umschlossen.
Wird die Carr'sche Maschine zum Mahlen verwendet, resp. in
den Mechanismus der Mühle eingeführt, so fällt ihr nur die Aufgabe zu, ein sehr mehlreiches Schrot zu
liefern. Der Weizen wird zuvörderst geputzt, dann auf Walzen leicht gequetscht,
wobei die Körner sich zumeist in je zwei etwas flachgedrückte Theile (Hälften)
spalten, hierauf der Wirkung der Schleudermühle oder des Desintegrators ausgesetzt.
Das von diesem gelieferte, sehr mehlreiche Schrot wird abgebeutelt, hierdurch Mehl,
Griese und reines Schrot erhalten. Die Griese werden geputzt und getrennt vermahlen;
das Schrot wird gleichfalls auf Mahlgängen weiter verkleinert.
Die Leistungsfähigkeit dieser Maschine ist überraschend groß, ebenso bedeutend aber
auch der Kraftaufwand. Ein Desintegrator von 1,8 Met. Durchmesser und 0,23 Met.
Scheibenabstand, liefert bei 400 Touren der Mahlscheiben 5814 Liter oder 94,5 Metzen
Weizenschrot per Stunde. Auf 24 Stunden gerechnet gäbe
dieß ein Mahlquantum von circa 2200 Metzen, oder nach
des Erfinders Angabe die Arbeitsleistung von 25 Mahlgängen, bei einem Kraftverbrauch
von 145 Pferdekräften. Nachdem jedoch nach hiesigen Einführungen 1200 Zollcentner
Weizen (ca. 1300 Metzen) in sechzehn Stunden auf vier
Gängen à 7 Pferdekraft geschrotet werden, so
wären nur ca. fünf Gänge oder, wenn die Verkleinerung
des Desintegrators als doppelt so intensiv genommen würde, zehn Gänge erforderlich.
Der Erfinder könnte entgegnen, die durch die Schleudermühle bewirkte Verkleinerung
sey so groß wie die vom viermaligen Schroten der Hochmüller, ja sie sey noch größer
und darin liege der Gewinn.
Wir ersehen aus dieser Betrachtung, daß es sich zunächst um die Frage handelt: Welches sind die Eigenschaften des vom Desintegrator
gelieferten Productes?
Der Berichterstatter verdankt der Freundschaft des Hrn. Docenten J. Zeman eine kleine Sammlung von Mahlproducten der mit Carr's Desintegrator arbeitenden Getreidemühle von Gibson und Walker in Bonnigton
bei Edinburgh, und war hierdurch in der Lage, diese Producte zu prüfen, wenn auch
die geringe Menge der Probe des Desintegratorschrotes die Aufsuchung des
Procentgehaltes von Mehl, Grieß und Schrot nicht zuließ. Das vom Desintegrator
kommende Schrot enthält viel Mehl und größere Bruchstücke der Körner, hingegen wenig
Grieß. Nach einer Angabe (im polytechn. Journal Bd. CCIV S. 449) enthält dasselbe
33
Procent
Mehl
20
„
Dunst
14
„
Gries
31
„
grobe Theile (Schrot).
Wie verhält sich nun dieses Ergebniß gegenüber den Anforderungen der Flach-
und der Hochmüllerei?
Der Hochmüllerei liegt besonders viel an einem reichen
Ertrage der sogenannten feinen Züge; diese lassen sich aber nur durch den ausgebildeten Griesputz- und Vermahlungsroceß
erlangen, daher muß der Hochmüller möglichste Griesausbeute anstreben, auf welche er
nur dann verzichten könnte, wenn er auf anderem Wege ebenso schönes Mehl in
entsprechender Menge erhielte.
Nachdem nun der Desintegrator wenig Gries liefert, das von ihm genommene Mehl aber
nicht zu den feinen Zügen gehört, wie aus nachstehendem Vergleiche zu ersehen ist,
so folgt, daß sich der Desintegrator für Zwecke der
Hochmüllerei nicht verwenden läßt.
Man erhält nämlich aus 100 Theilen Weizen:
Beim österreichischen
Mahlverfahren:
Mit Anwendung des Desintegrators:Dieses Mahlergebniß ist einer im August 1872 erschienenen Broschüre
Carr's entnommen. Die dort
befindlichen Angaben: Bran flour 4,5
Proc., Exhaust flour 1,5 Proc., Seconds 4 Proc., Parings 1,75 Proc. wurden hier unter Kleiemehl etc.
zusammengezogen.
Mehl„„
Nr.„„
0001
oder„„
KaiserauszugAuszugmehlBäckerauszug
18,913,8
Diese Züge fehlen gänzlich.
„
„
2
„
„
12,0
Semolina
26
Proc.
„
„
3
„
Mundmehl
13,7
Mehl direct
vom Desintegrator
45
„
„
„
4
„
Semmelmehl
11,9
„
„
5
„
weißes Pollmehl
7,3
Kleiemehl und dergleichen
11,75
„
„
„
6
„
schwarzes „
4,5
Kleie, Fußmehl
16,4
Kleie, Fußmehl
15,75
„
–––––
––––––––––
98,5
98,5
Proc.
Die Flachmüllerei befindet sich in einer anderen
Situation. Sie producirt die feinen Züge entweder ebenfalls nicht, oder in
geringerer Menge. Eine gut geführte Vermahlung nach diesem System, welches wir
bereits Eingangs unseres Berichtes erwähnten, lieferte:
Blumenmehl (ziemlich gleich mit vorbenanntem Mehl Nr.
2)
23,92
Proc.
Plattmehl (zwischen Nr. 2 und Nr. 3 stehend)
40,16
„
Griesmehl (zwischen Nr. 3 und 4 stehend)
6,26
„
Kernmehl (gleich Nr. 6)
8,91
„
Kleie und Futtermehl (zu Kleie zu rechnen)
13,71
„
–––––––––––
91,96
Proc.
Im Allgemeinen kann als Ergebniß der Flachmüllerei angenommen werden:
73
Proc.
Mehl
Nr. 1, 2 und 3
7
„
„
„ 4 bis 6
17
„
Kleie.
Vergleicht man diese Ergebnisse mit dem oben citirten Mahlresultate Carr's, so geht hieraus hervor, daß die Carr'sche Schleudermühle für die Flachmüllerei eher
Bedeutung haben könnte, daß jedoch auch hier die Vortheile fraglich sind. Carr sagt zwar: „Wie sehr auch die Raschheit
und Oekonomie der Arbeit durch den Desintegrator gefördert wird, so fällt doch
die Güte des erhaltenen Mehles mehr in Betracht, welche sich besonders in seiner
Backfähigkeit manifestirt.“ In dem Schlußsatze mag volle Wahrheit
liegen, denn das Mehl vom Desintegrator ist körniger als solches von Steinen, und
sogenanntes todtgemahlenes Mehl kann hier kaum vorkommen.
Mehl dieser Art, welches die Flachmüllerei manchmal liefert, ist eben fehlerhaft, und
auch der Flachmüller vermeidet es durch gute Führung der Steine. Dieser eine
Vortheil kann allein nicht maßgebend seyn. – Es ist allerdings wahr, daß im
Producte der Schleudermühle die Kleie meist in größeren Parteien, also weniger
zersplittert vorkommt, doch würde der hierdurch bedingte Vortheil nur dadurch
ausgenutzt werden, wenn Gries und Schrot nach der Absonderung dem Putzprocesse
unterworfen würde, wie bei der Hochmüllerei, wodurch eine besondere Art von
Halb-Hochmüllerei entstehen würde. In ihr könnte vielleicht ein localer
Fortschritt sich finden lassen; gegenüber dem österreichischen Mahlverfahren oder
der Hochmüllerei bliebe es aber doch nur eine halbe Maßregel.